Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 05.02.2006

LSG Berlin-Brandenburg: wesentliche veränderung, zusatzrente, altersrente, erwerbsunfähigkeit, ddr, altersgrenze, zugehörigkeit, verwaltungsakt, invalidität, sozialversicherung

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 8.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 8 R 544/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 88 Abs 1 SGB 6, § 256a Abs 2
S 4 SGB 6, § 315a SGB 6, §
315b Nr 3 SGB 6, § 45 SGB 10
Freiwillige Versicherung auf Zusatzrente; Zusatzinvalidenrente;
Weiterzahlung; Aussparung
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. Februar
2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist eine Leistung der Beklagten.
Der Kläger ist im März 1934 geboren worden und hat sein Berufsleben bis zum 2.
Oktober 1990 in der DDR zurückgelegt. Im Juli 1957 erwarb er die Berechtigung, die
Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. In ein System der Zusatzversorgung im Sinne
des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) war er zu DDR-Zeiten
nicht einbezogen worden.
Von Juli 1968 bis Dezember 1973 an zahlte er Beiträge zur Freiwilligen Versicherung auf
Zusatzrente bei der Sozialversicherung der DDR (FVZR) in Höhe von jeweils 200,-- Mark
der DDR (M) monatlich bis Dezember 1972 und von jeweils 150,-- M von Januar bis
Dezember 1973. Zum 1. Januar 1973 trat er außerdem der Freiwilligen
Zusatzrentenversicherung der Sozialversicherung der DDR (FZR) bei und entrichtete zu
ihr bis Dezember 1985 Beiträge bis zu einem Verdienst von 1.200,-- M, danach für die
tatsächlich erzielten Arbeitsverdienste. Mit Schreiben vom 18. Juni 1991 erklärte der
Kläger gegenüber der damaligen Überleitungsanstalt Sozialversicherung, dass er für die
Leistungen der FVZR vom Tarif A in den Tarif B wechsle.
Auf seinen Antrag hin bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 30. Oktober 1992 ab
1. Juli 1991 eine Invalidenrente aus der Sozialpflichtversicherung in Höhe von monatlich
778,-- DM und eine Zusatzinvalidenrente aus der FZR in Höhe von 551,-- DM. Für die
Zeit ab 1. Januar 1992 wurde die Rente mit Bescheid vom 23. November 1992 in eine
Rente wegen Erwerbsunfähigkeit umgestellt und auf der Grundlage eines Rangwertes
(Summe der persönlichen Entgeltpunkte) von 63,8851 persönlichen Entgeltpunkten
(Ost) weitergezahlt. Außerdem wurde ein Auffüllbetrag von 71,29 DM gewährt. Gegen
den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, dass noch keine
Leistung aus der FVZR festgesetzt worden sei.
Durch Bescheid vom 23. März 1993 erkannte ihm die Beklagte ab 1. Juli bis zum 31.
Dezember 1991 eine Zusatzinvalidenrente nach Tarif B der FVZR in Höhe von monatlich
342,40 DM zu. Durch Bescheid vom 7. April 1993 setzte sie die Zahlbeträge aller
Rentenleistungen für die Zeit ab 1. Januar 1992 neu fest, wobei sich in der Sache
lediglich eine Änderung auf Grund der zusätzlich berücksichtigten Rentenleistung aus der
FVZR in Höhe von dann 343,-- DM ergab. Auch gegen diesen Bescheid legte der Kläger
Widerspruch ein, mit dem er unter anderem geltend machte, dass für die zur FVZR
gezahlten Beiträge persönliche Entgeltpunkte (Ost) ermittelt werden müssten und die
daraus folgende Rentenleistung zu dynamisieren sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 1994 wies die Beklagte den Widerspruch
gegen die Bescheide vom 30. Oktober und 23. November 1992 zurück, „soweit ihnen
nicht durch die Bescheide vom 23.03.93 und 07.04.93 abgeholfen worden“ ist. Sie
entsprächen der Rechtslage. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
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Auf Grund seines Antrags bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 30.
Dezember 1998 ab 1. April 1999 Regelaltersrente. Für den Zeitpunkt des Rentenbeginns
errechnete sie einen Rangwert von 60,3372 Entgeltpunkten (Ost), weshalb sie der
Rentenberechnung den Rangwert der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zugrunde legte.
Den Rentenhöchstwert (Rentenbetrag vor Abzug der Beitragsanteile zur
Krankenversicherung der Rentner und zur sozialen Pflegeversicherung) bei Rentenbeginn
(2.610,98 DM) der nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) festgestellten
Rente stellte sie dem Höchstwert der bisherigen Leistungen (Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit und fortgezahlte Zusatzinvalidenrente aus der FVZR) von 2.968,73
DM gegenüber und bewilligte in Höhe der Differenz einen Auffüllbetrag von 357,75 DM.
Durch Bescheid vom 18. Januar 1999 änderte die Beklagte diesen Bescheid, rechnete
aus dem Höchstwert der bisherigen Rentenleistungen den Betrag für
Zusatzinvalidenrente aus der FVZR in Höhe von 343,-- DM heraus und stellte dem
Rentenhöchstwert bei Rentenbeginn (2.610,98 DM) nun eine „bisherige Monatsrente“
von 2.625,73 DM gegenüber. Weil – so die Angabe in dem Bescheid – diese Rente den
bisherigen Betrag erreiche, ergebe sich kein Auffüllbetrag.
Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, dass die
bisherige Monatsrente ersichtlich höher sei als die bisherige. Ihm müsse deshalb ein
Auffüllbetrag von 14,75 DM im Monat zustehen. Außerdem sei bei den Zusatzleistungen
aus der FVZR die gesetzlich vorgesehene Erhöhung um 6,84 % (entsprechend 23,46
DM) seit 1. Juli 1991 nicht berücksichtigt worden. Er fordere deren Nachzahlung.
Durch Bescheid vom 30. Juli 1999 setzte die Beklagte daraufhin die Höhe der
Rentenleistungen wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 31.
März 1999 neu fest. Sie berücksichtigte hierbei eine Zusatzrente aus der FVZR in der
vom Kläger geltend gemachten Höhe (monatlicher Betrag 366,46 DM), minderte den
Auffüllbetrag ab dem 1. Januar 1996 jedoch für den Zeitpunkt jeder Rentenanpassung
um 20,-- DM, so dass sich ab 1. Juli 1998 kein Auffüllbetrag mehr ergab. Die
Regelaltersrente wurde durch Bescheid vom 23. August 1999 ab 1. April 1999 neu
berechnet, wobei auch insoweit kein Auffüllbetrag mehr berücksichtigt wurde, während
die Zusatzrente aus der FVZR in Höhe von 366,46 DM unverändert berücksichtigt wurde.
Daraufhin erklärte der Kläger, dass sein Widerspruch erledigt sei.
Durch bestandskräftig gewordene Bescheide vom 26. Januar 2001 und 11. Mai 2001
stellte der Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme den Zeitraum vom 19.
August 1957 bis zum 30. Juni 1990 als nachgewiesene Zeit der (fiktiven) Zugehörigkeit
zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und die in diesem
Zeitraum tatsächlich erzielten Entgelte fest.
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2001 berechnete die Beklagte die Höhe der Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. März 1999 neu, und
berücksichtigte zusätzliche Zeiten der Zugehörigkeit zur FZR. Hieraus errechnete sie –
ausgehend von Dezember 1991 – einen Rangwert von 65,4718 Entgeltpunkten (Ost) und
einen Auffüllbetrag von 37,79 DM mit der Folge, dass sich für die Zeit ab 1. Januar 1997
ein Auffüllbetrag nicht mehr ergab. Die Rente aus der FVZR wurde in unveränderter
Höhe von 366,46 DM in die Rentenberechnung eingestellt.
Mit Bescheid vom 30. November 2001 berechnete die Beklagte auch die Altersrente ab
1. April 1999 neu und legte ihr ebenfalls einen Rangwert von 65,4718 Entgeltpunkten
(Ost) zugrunde. Die Zusatzrente aus der FVZR wurde als „Steigerungsbeträge aus der
Höherversicherung“ in unveränderter Höhe weiterbewilligt.
Gegen den Bescheid vom 30. November 2001 legte der Kläger Widerspruch ein. Die
Feststellungen des Trägers der Zusatzversorgung seien nicht berücksichtigt worden.
Nachdem sein Widerspruch bis dahin nicht beschieden war, hat der Kläger im April 2002
Untätigkeitsklage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben.
Im anhängigen Verfahren hat die Beklagte den Bescheid vom 30. Mai 2002 erlassen, mit
dem sie die Altersrente des Klägers ab 1. April 1999 neu berechnet hat. Der Sache nach
hat sie außerdem die Bescheide vom 23. August 1999 und 30. November 2001
rückwirkend teilweise zurückgenommen.
Den Bescheid vom 30. Mai 2002 hat sie wiederum durch zwei Bescheide vom 12. Juli
2002 ersetzt, mit denen sie die Altersrente für die Zeit vom 1. April 1999 bis zum 30.
Juni 2002 und für die Zeit ab 1. Juli 2002 neu festgesetzt hat. Ferner hat sie der Sache
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Juni 2002 und für die Zeit ab 1. Juli 2002 neu festgesetzt hat. Ferner hat sie der Sache
nach den Bescheid vom 30. Mai 2002 aufgehoben, soweit damit der Bescheid vom 30.
November 2001 teilweise zurückgenommen war. Dieser Bescheid sei zwar rechtswidrig,
könne aber nicht zurückgenommen werden. Jedoch sei die Rente in diesem Fall zwingend
auszusparen.
In den Bescheiden vom 12. Juli 2002 hat die Beklagte – ebenso wie bereits im Bescheid
vom 30. Mai 2002 – unter Berücksichtigung der Daten des Versorgungsträgers für die
Zusatzversorgungssysteme einen Rangwert im Zeitpunkt des Rentenbeginns (1. April
1999) von 63,7127 Entgeltpunkten (Ost) errechnet. Beiträge, die der Kläger zur FVZR
geleistet hatte, sind nicht in die Berechnung des Rangwertes eingeflossen. Der Kläger
hatte jedoch in den Jahren 1968 bis 1973 bereits wegen der Entgelte, die aufgrund seiner
versicherungspflichtigen Beschäftigung und wegen der Feststellungen des
Versorgungsträgers für die Zusatzversorgungssysteme zu berücksichtigen waren, die
jeweilige Beitragsbemessungsgrenze überschritten. Die Beklagte hat der Altersrente
angesichts des errechneten Rangwerts weiterhin den Rangwert der Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit zugrunde gelegt. Hieraus hat sich für die Altersrente ein monatlicher
Höchstwert von anfangs 2.675,83 DM ergeben, der auch nach den Dynamisierungen
jeweils unter dem dynamisierten Zahlbetrag der Rentenleistungen geblieben ist, die dem
Kläger durch den Bescheid vom 30. November 2001 zuerkannt und ausgezahlt worden
waren. Am 1. Juli 2002 hat der monatliche Höchstbetrag der Rentenleistungen, die auf
dem Bescheid vom 30. November 2001 beruhten, 1.673,58 € betragen.
Mit seinem Widerspruch gegen die Bescheide hat der Kläger geltend gemacht, dass es
durch die Verfahrensweise der Beklagten zur Abschmelzung des FVZR- Anteils an den
Rentenleistungen komme. Zur Weiterzahlung der FVZR- Zusatzrente sei die Beklagte
aber gesetzlich verpflichtet.
Die Beklagte hat den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2002
zurückgewiesen. Die Zusatzrente aus der FVZR sei nur so lange als einzelne Leistung
weiterzuzahlen, wie der Anspruch auf eine umgewertete Rente bestehe. Mit dem Beginn
des Anspruchs auf die Altersrente ende jedoch der Anspruch auf die Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit.
Der Kläger hat seine Klage in der Sache weiterverfolgt und weiterhin geltend gemacht,
dass ihm auch in der Zeit ab dem 1. Juli 2002 die Rentenleistung aus der FVZR
unbegrenzt weitergezahlt werden müsse.
Die Beklagte hat ihre Auffassung aus dem Widerspruchsbescheid aufrecht erhalten. Für
eine Rente, die ab dem 1. Januar 1992 beginne, sei gesetzlich vorgesehen, dass die
Zeiten von Beitragszahlungen zur FVZR als Beitragszeiten zu berücksichtigen seien. Der
Besitzstand sei durch eine weite Auslegung der Vorschriften über den Auffüllbetrag
sichergestellt. Im Ergebnis könne es deshalb nicht zu einer Rentenminderung kommen.
Durch Urteil vom 9. Februar 2006 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, „die
Rente des Klägers zuzüglich einer Zusatzrente nach § 315b Nr. 3 SGB VI zu gewähren,
soweit diese noch nicht in der bisher berechneten Rente enthalten ist“ und insoweit
„den“ Bescheid vom 12. Juli 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.
Dezember 2002 geändert. Die Kammer folge der Rechtsprechung des
Landessozialgerichts für das Land Brandenburg, wonach die Zusatz-Invalidenrente aus
der FVZR auch nach Umwandlung in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder wegen
Alters als geschützte Bestandsrente weiterzugewähren sei. Das ergebe sich daraus,
dass der einmal bewilligte Anspruch nach den durch den Einigungsvertrag faktisch
übernommenen Vorschriften über die FVZR fortbestehe, solange der Tatbestand der
Invalidität nicht beseitigt sei. Das Erreichen der Altersgrenze für die Altersrente sei
insoweit unbeachtlich. Nach alldem sei die Aussparung, also „der tatsächliche
Streitgegenstand“, rechtswidrig,
Mit ihrer Berufung vertritt die Beklagte weiter die Auffassung, dass eine Zusatzrente aus
der FVZR neben der Altersrente nicht isoliert zahlbar sei. Über ihren bisherigen Vortrag
hinaus macht sie geltend, dass die vom Sozialgericht herangezogene Entscheidung
nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar sei, weil dort eine Bestandsrente aus einem
Zusatzversorgungssystem im Streit gewesen sei. Vorliegend handle es sich dagegen
um einen Leistungsfall, der erst unter der Geltung des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch
(SGB VI) eingetreten sei. Bezüglich der Zugangsrenten werde dort für die
Beitragsleistungen zur FVZR eine abschließende Regelung getroffen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Februar 2006 aufzuheben und die Klage
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das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Februar 2006 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt der Sache nach,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten lagen dem Gericht bei seiner
Entscheidung vor. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser
Aktenstücke Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung über die Berufung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Streitgegenstand ist derjenige der beiden Bescheide der Beklagten vom 12. Juli 2002,
durch den sie den Rentenhöchstwert mit Wirkung ab dem 1. Juli 2002 festgesetzt hat.
Dies ist bei verständiger Würdigung dem Anliegen des Klägers zu entnehmen. Denn nur
aus diesem Bescheid kann ihm ein rechtlicher Nachteil erwachsen, da die Beklagte eine
„Aussparung“ für die Zeit vorher ersichtlich nicht vorgenommen hat. Das Sozialgericht
hat sich, wie dem angefochtenen Urteil zu entnehmen ist, auch (nur) mit diesem
Bescheid befasst, also weder ein mit der Klage geltend gemachtes Anliegen übergangen
noch über eines entschieden, das der Kläger nicht mit der Klage verfolgt hat.
Rechtsgrundlage für die Entscheidung der Beklagten, den monatlichen Höchstwert der
Altersrente des Klägers ab dem 1. Juli 2002 unter Aussparung von Zusatzrenten aus der
FVZR zu zahlen, ist § 48 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach dessen
Satz 1 darf dann, wenn eine wesentliche Änderung in den leistungserheblichen
Verhältnissen gemäß § 48 Abs. 1 oder 2 SGB X zugunsten des Betroffenen eingetreten
ist und ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht
zurückgenommen werden kann, die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag
hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt.
Gemäß § 48 Abs. 3 Satz 2 SGB X gilt dies auch, soweit einem rechtmäßigen
begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt
zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.
Ein Fall des § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X liegt vor. Die Verwaltungsakte der Beklagten vom
18. Januar 1999, 23. August 1999 und 30. November 2001, durch die Leistungen der
gesetzlichen Rentenversicherung aus Anlass des Eintritts des Leistungsfalls der
Regelaltersgrenze für den Zeitraum ab 1. April 1999 festgesetzt worden waren, waren
rechtswidrig begünstigend (§ 45 Abs. 1 SGB X). Es gab für die Zeit ab dem 1. April 1999
keine Rechtsgrundlage dafür, neben der Rentenleistung, die sich nach den allgemeinen
Vorschriften des SGB VI richtete, an den Kläger eine Leistung in Höhe von 366,46 DM
festzusetzen und auszuzahlen. Als Rechtsgrundlage dafür kommt allein § 315b Nr. 3
SGB VI in Betracht. Die Vorschrift regelt eine eigenständige Leistung, die nicht
Bestandteil einer sonstigen überführten Rentenleistung der DDR wird (s. BSG SozR 3-
2600 § 307b Nr. 4; daran anschließend LSG Berlin, Urteil vom 13. November 2002 – L 17
RA 83/97 W 02).
Nach § 315b Nr. 3 SGB VI wird eine Zusatzrente nach der Verordnung über die FVZR
vom 15. März 1968 (FVZR-VO) in Höhe des um 6,84 % erhöhten bisherigen Betrags
weitergeleistet, wenn auf die Rente am 31. Dezember 1991 ein Anspruch bestand. Am
31. Dezember 1991 hatte der Kläger, der rechtzeitig von seinem Wahlrecht nach § 15
FVZR-VO Gebrauch gemacht hatte, lediglich Anspruch auf Zusatzinvalidenrente gemäß
§ 13 FVZR-VO. Auf die Zusatzaltersrente (§ 12 FVZR-VO) hatte er zu diesem Zeitpunkt
lediglich eine Anwartschaft erworben, weil er die maßgebliche Altersgrenze (Vollendung
des 65. Lebensjahres) erst 1999 erreicht hat.
Ab 1. April 1999 war die Zusatzinvalidenrente aus der FVZR nicht mehr zu leisten, weil
hierauf kein Anspruch mehr bestand. Das gegenteilige Ergebnis (LSG Brandenburg,
Urteil vom 5. Oktober 1999 – L 2 RA 85/99, LSG Berlin, Urteil vom 13. November 2002 –
L 17 RA 83/97 W 02) lässt sich jedenfalls für Zeiträume, für die eine Rente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung bezogen wird, auf die ein Anspruch erst nach dem 31.
Dezember 1991 entstanden ist, nicht damit begründen, dass weder § 315b SGB VI noch
darauf aufbauend die Vorschriften der FVZR-VO eine Regelung über das Ende der
Zusatzrente enthalten.
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Es erscheint bereits fraglich, ob die FVZR-VO tatsächlich keine Regelung über das
Konkurrenzverhältnis zwischen Zusatzinvalidenrente und Zusatzaltersrente enthält.
Dass eine Konkurrenz entstehen konnte, ergibt sich daraus, dass Beiträge auch noch
dann gezahlt werden konnten, wenn bereits eine Zusatzinvalidenrente bezogen wurde;
keine Versicherungsberechtigung bestand nur für Personen, die bereits eine Rente oder
Versorgung wegen Invalidität bezogen (§ 2 Abs. 3 Buchstabe a in Verbindung mit § 6
Abs. 1 Buchstabe b und Abs. 2 Buchstabe b FVZR-VO). Der Wortlaut des § 20 Abs. 4 und
5 FVZR-VO lässt vor diesem Hintergrund auch eine Auslegung in dem Sinn zu, dass die
„Voraussetzungen“ für die Zusatzinvalidenrente auch dann „wegfallen“, wenn die
Voraussetzungen für die Zusatzaltersrente erfüllt werden. Denn es ist nicht ersichtlich,
dass die FZVR parallele Ansprüche auf Zusatzinvalidenrente und Zusatzaltersrente
vorsehen wollte.
Selbst wenn aber davon ausgegangen wird, dass nach dem DDR-Recht keine Pflicht
bestand, eine Zusatzaltersrente ab Vollendung der Altersgrenze an Stelle der
Zusatzinvalidenrente zu beanspruchen, würde das nicht dazu führen, dass ein bis zum
31. Dezember 1991 erworbener Anspruch auf Zusatzinvalidenrente aus der FVZR
unbegrenzt wäre. Die Vorschrift des § 315b Nr. 3 SGB VI kann nicht isoliert betrachtet
werden. Sie ist mit zahlreichen anderen Rechtsvorschriften durch das Gesetz zur
Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung
(Renten-Überleitungsgesetz [RÜG]) in das SGB VI eingefügt worden. Darunter befindet
sich § 256a SGB VI, der eine ausdrückliche Regelung über die Bewertung von Beiträgen
enthält, die zur FVZR entrichtet worden sind. Außerdem bestimmte Art. 41 Nr. 5 in
Verbindung mit Art. 42 Abs. 1 RÜG, dass die FVZR-VO zum 1. Januar 1992 außer Kraft
trat. Neue Anwartschaften und Ansprüche aus der FVZR konnten somit nach dem 31.
Dezember 1991 nicht mehr erworben werden.
Diesem Gesamtsystem an Vorschriften ist zu entnehmen, dass eine Zusatzrente wegen
Invalidität auf Grund von § 315b Nr. 3 SGB VI allenfalls so lange fortzuzahlen ist, bis die
Altersgrenze für die Zusatzaltersrente (§ 12 Abs. 1 FVZR-VO) und damit auch die
Altersgrenze für die Regelaltersgrenze nach dem SGB VI erreicht ist. Nach dem
Regelungskonzept des Bundesgesetzgebers sollten Anwartschaften aus der FVZR bei
Rentenansprüchen, die ab dem 1. Januar 1992 auf Grund von Leistungsfällen nach dem
SGB VI auf der Grundlage der Vorschriften des SGB VI festzustellen waren, ebenso in der
allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung aufgehen wie Ansprüche aus anderen
Systemen der zusätzlichen Rentenversicherung der DDR beziehungsweise aus Zusatz-
und Sonderversorgungssystemen. Es gibt keinen Grund, aus dem neben einem nach
dem SGB VI unter Berücksichtigung des § 256a Abs. 2 SGB VI festgestellten
Rentenanspruch weiter der statische Zahlbetrag nach § 315b Nr. 3 SGB VI zahlbar sein
sollte. Der alleinige Zweck dieser Vorschrift war es sicherzustellen, dass „diese Renten,
die bei der Umwertung von Bestandsrenten in dynamische Renten außer Betracht
bleiben, als statische Leistungen weitergezahlt werden“ (Bundestags-Drucksache
12/826, Seite 20 zu Nr. 130a). Dieser Normzweck ist obsolet, sobald die
Berechnungsfaktoren, die der Zusatzrente zugrunde liegen, Grundlage einer
dynamischen Rente – hier der Altersrente – werden.
Eine weitere Anwendung des § 315b Nr. 3 SGB VI ab dem Beginn der Altersrente
rechtfertigt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt des „Bestandsschutzes“. Dieser wird
im SGB VI in keinem Fall dadurch bewirkt, dass eine Leistung weitergezahlt wird, sondern
lediglich dadurch, dass deren Berechnungsfaktoren bei einer neuen Leistung zu
berücksichtigen sein können. Zwar kann die Zusatzrente aus der FVZR als Leistung
außerhalb der nach §§ 307a, 307b SGB VI umgewerteten „Bestandsrenten“ des
Beitrittsgebiets nicht in den Rangwert eingehen, der nach der allgemeinen
„Bestandsschutzregelung“ des § 88 Abs. 1 SGB VI bei Folgerenten zu berücksichtigen
ist. Der Bestandsschutz für die Zusatzrenten aus der FVZR kann aber ausreichend auf
die von der Beklagten praktizierte Weise bewirkt werden (Zahlung eines Auffüllbetrags in
entsprechender Anwendung des § 315a SGB VI).
Auch im übrigen liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 3 SGB X für eine
„Aussparung“ vor. Zum einen steht außer Frage, dass die Voraussetzungen für eine
Rücknahme des Bescheides vom 30. November 2001 nach § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X nicht
vorliegen. Zum anderen ist eine wesentliche Veränderung in den für die Leistung
erheblichen Verhältnissen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X) durch die Feststellungen des
Versorgungsträgers für die Zusatzversorgungssysteme eingetreten, an die die Beklagte
als Träger der Rentenversicherung gebunden ist (§ 8 Abs. 5 Satz 2 Anspruchs- und
Anwartschaftsüberführungsgesetz). Keine wesentliche Veränderung im Sinne des
Gesetzes ergab sich allerdings dadurch, dass – wie ausgeführt – bei der Berechnung von
Zugangsrenten nach dem SGB VI die Beiträge zur FVZR nach Maßgabe des § 256a Abs.
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Zugangsrenten nach dem SGB VI die Beiträge zur FVZR nach Maßgabe des § 256a Abs.
2 Satz 4 SGB VI als versichertes Entgelt zu berücksichtigen sind. Denn für den Kläger
sind in den Jahren 1968 bis 1973 bereits aus anderen Rechtsgründen („rückwirkende“
fiktive Erstreckung der Zugehörigkeit zur FZR auf den Zeitraum vor dem 1. Januar 1973,
§ 256 a Abs. 3 Sätze 1 und 2 SGB VI; Berücksichtigung „fiktiver“ Zeiten der
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz, §§ 5 Abs. 1
Sätze 1 und 2, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG) Entgelte bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der
gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen. Die Beitragsleistungen zur FVZR
werden insoweit nicht noch zusätzlich rentenwirksam.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
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