Urteil des LSG Bayern vom 17.01.2011

LSG Bayern: entschuldigung, verschulden, verspätung, glaubhaftmachung, ermessen, anfang, strafgesetzbuch, stadt, wohnung, androhung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 17.01.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 10 AS 1821/09
Bayerisches Landessozialgericht L 2 AS 3/11 B
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 26. November 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Verhängung von Ordnungsgeld.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg hat der Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) die
Erstattung der Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 2.458,00 EUR begehrt. Das
Sozialgericht hat den Bf. zu einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage auf den 16. April 2010 geladen
und das persönliche Erscheinen angeordnet. Bereits zu diesem Termin war der Bf. nicht erschienen. Das
Sozialgericht hat den Erörterungstermin - ohne Verhängung von Ordnungsgeld - geschlossen. Auf das gerichtliche
Schreiben vom 3. Mai 2010, das eine Androhung von Ordnungsgeld beinhaltet hat, hat der Bf. mit Schreiben vom 9.
Juli 2010 lediglich die Klagebegründung vorgelegt. Das Sozialgericht hat den Bf. zu einem erneuten Termin zur
Erörterung der Sach- und Rechtslage auf den 26. November 2010, 12.30 Uhr geladen und wiederum das persönliche
Erscheinen angeordnet. Die Ladung war mit dem Hinweis versehen, dass gegen den Bf. ein Ordnungsgeld bis zu
1.000 EUR festgesetzt werden kann, falls er ohne genügende Entschuldigung nicht erscheint. Sie ist dem Bf. am 10.
November 2010 zugestellt worden. Zu dem Termin ist der Bf. erneut nicht erschienen. Die Kammervorsitzende hat die
ordnungsgemäße Ladung festgestellt und mit Beschluss wegen unentschuldigten Ausbleibens im Termin gemäß §
202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 141 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) ein Ordnungsgeld in Höhe
von 250,00 EUR festgesetzt. Zur Begründung der hiergegen eingelegten Beschwerde hat der Bf. vorgebracht, dass
ihm aufgrund der Arbeitssituation die Wahrnehmung des Termins nicht möglich gewesen sei. Da sein Arbeitsweg von
A-Stadt nach R. 250 km betrage, hätte dies eine ganztägige Abwesenheit bedeutet. Dies sei gerade zum Monatsende
nicht möglich. Ein neuer Termin sollte frühmorgens ab der 2. Kalenderwoche des Jahres 2011 stattfinden.
II. Die Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 SGG), aber unbegründet. Nach §§ 111, 202 SGG i.V.m. § 141 ZPO kann
das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der
Anordnung nicht Folge leistet, mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt
werden. Ob die Vorsitzende eine Anordnung nach § 111 SGG treffen will, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen.
Hält sie zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor der gesamten Kammer eine Erörterung und
Beweiserhebung für notwendig, so kann sie hierzu das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen. Nach §
141 Abs. 1 S. 1 ZPO ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten dann ermessensfehlerfrei,
wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Da der Bf. im Erörterungstermin nicht erschienen ist,
sind die Voraussetzungen des § 111 SGG i.V.m. §§ 141 Abs. 3, 380, 381 ZPO erfüllt. Dabei wurde das Ausbleiben
auch nicht rechtzeitig genügend entschuldigt im Sinne des § 381 Abs. 1 S. 1 ZPO. Insoweit bringt der Bf. lediglich
vor, dass die Wahrnehmung des Termins um die Mittagszeit und am Monatsende aufgrund seines langen
Arbeitsweges nicht möglich gewesen sei. Es fehlt hierbei an einem rechtzeitigen Vorbringen bzw. Verlegungsantrags.
Eine Entschuldigung ist rechtzeitig, wenn sie dem Gericht in einem Zeitpunkt zugeht, in dem die Aufhebung des
Termins und die Abladung der anderen Prozessbeteiligten noch ohne Weiteres möglich ist (Thomas/Putzo, ZPO, 30.
Aufl., § 381 Rdnr. 2). Eine Entschuldigung des Ausbleibens wurde vom Bf. jedoch erst im Beschwerdeverfahren
vorgebracht. Erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so unterbleibt nach § 381 Abs. 1 S. 2 ZPO die Auferlegung
der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Bf. an der
Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft. Eine Aufhebung erfolgt auch dann, wenn eine genügende
Entschuldigung oder Glaubhaftmachung nachträglich erfolgt, § 381 Abs. 1 S. 3 ZPO. Der Senat kann offen lassen, ob
in vorliegendem Fall besondere Gegebenheiten am Arbeitsplatz eine Verlegung des Termins erforderlich gemacht
hätten. Allerdings ist das Gericht nicht gehalten, in Absprache mit dem Beteiligten einen für ihn optimalen bzw.
geringst möglich belastenden Zeitpunkt auszuwählen. Jedenfalls trifft den Bf. nämlich ein Verschulden an der
Verspätung der Entschuldigung. Die von ihm vorgebrachte grundsätzliche Problematik des langen Arbeitsweges war
dem Bf. von Anfang an bekannt. Es ist nicht ersichtlich oder glaubhaft gemacht, dass er dies nicht unmittelbar nach
der Ladung zur Sitzung hätte vorbringen können. Dabei ist vorliegend zusätzlich zu würdigen, dass er bereits ohne
vorherige oder nachträgliche Entschuldigung an dem Termin vom 16. April 2010 nicht teilgenommen hatte und
insoweit auch nicht auf das Schreiben des Gerichts vom 3. Mai 2010 reagierte. Die Höhe des Ordnungsgeldes richtet
sich nach Art. 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB). Danach ist ein Rahmen von 5,00
EUR bis 1.000,00 EUR vorgegeben, innerhalb dessen sich das Ordnungsgeld bewegen kann. Bei der Zumessung hat
das Gericht die Umstände, die für oder gegen den Bf. sprechen, gegeneinander abzuwägen. Dabei ist auf das Maß
der Pflichtwidrigkeit, die Art des Verstoßes und dessen schuldhafte Auswirkungen, auf die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse des Bf. sowie auf das Verhalten nach dem Ordnungsverstoß abzustellen. In der Regel
bedarf es keiner eingehenden Begründung dieser Ermessensentscheidung, wenn sich das Ordnungsgeld im unteren
Mittel des vorgegebenen Rahmens bewegt. Dies ist hier bei der Festsetzung von Ordnungsgeld in Höhe von 250,00
EUR der Fall. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der Tatsache, dass der Bf. keine Einwendungen gegen die
Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes erhoben hat, hält der Senat den Beschluss des Sozialgerichts für
rechtmäßig. Die Kostenentscheidung erfolgt analog § 193 SGG. Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG
unanfechtbar.