Urteil des LSG Bayern vom 18.08.2009

LSG Bayern: wiedereinsetzung in den vorigen stand, arbeitsunfähigkeit, fristversäumnis, verwechslung, nachfrist, verschulden, datum, behinderung, androhung, laden

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 18.08.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 17 SB 236/06
Bayerisches Landessozialgericht L 2 B 971/08 SB
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 17. April 2008 wird verworfen.
II. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe:
I. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Auferlegung von Ordnungsgeld.
Im Schwerbehindertenrechtsstreit (Az.: S 11 SB 236/06) begehrt der dortige Kläger, einen Grad der Behinderung um
wenigstens 50 festzustellen. Er benannte die Beschwerdeführerin als Ärztin seines Vertrauens. Das Sozialgericht
Augsburg (SG) holte eine Kosten-voranfrage von der Beschwerdeführerin ein. Diese bezifferte die voraussichtlichen
Gutachtenskosten am 28.03.2007 mit 351,05 EUR.
Am 15.05.2007 beauftragte das SG die Beschwerdeführerin, ein Gutachten zur Höhe des Grads der Behinderung des
Klägers zu erstatten. Mahnungen vom 22.08.2007 und 01.10.2007 ließ die Beschwerdeführerin unbeantwortet. Im
Schreiben vom 29.10.2007 setzte das SG der Beschwerdeführerin eine Nachfrist bis 10.12.2007 unter Androhung von
Ordnungsgeld für den Fall, dass bis dahin das Gutachten nicht eingehe. Die Nachfristsetzung wurde der
Beschwerdeführerin mit Postzustellungsurkunde vom 05.11.2007 zugestellt. Innerhalb der gesetzten Frist ging das
Gutachten nicht ein. In einem Telefongespräch erklärte die Beschwerdeführerin am 14.01.2008, sie sei bei einem
unverschuldeten Verkehrsunfall verletzt worden und bis Ende Oktober 2007 arbeitsunfähig gewesen. Erst ab
November 2007 sei sie teilarbeitsfähig; sie werde das Gutachten im Februar erstellen.
Mit Beschluss vom 17.04.2008 verhängte das SG gegen die Beschwerdeführerin Ordnungsgeld in Höhe von 500,00
EUR. Es führte aus, durch die Fristversäumnis zur Gutachtenserstellung sei eine erhebliche Verzögerung des
Rechtsstreits eingetreten. Die vorgebrachten Gründe erklärten nicht, weshalb das Gutachten nach dem Ende der
Arbeitsunfähigkeit bis heute noch nicht erstellt worden sei. Der Beschluss wurde der Beschwerdeführerin mit
Postzustellungsurkunde vom 25.04.2008 und zwar durch Aushändigung des Schriftstücks an sie persönlich
zugestellt.
Am 16.05.2008 setzte das SG der Beschwerdeführerin eine weitere Nachfrist bis 13.06.2008 unter Androhung
weiteren Ordnungsgeldes für den Fall, dass das Gutachten bis dahin nicht vorliegen sollte. Das Schreiben mit der
Nachfristsetzung wurde der Klägerin, wieder durch Übergabe an sie selbst, am 21.05.2008 zugestellt. In einem
Schreiben mit dem Datum vom 30.06.2008 (richtig wohl 30.05.2008), das bei Gericht am 02.06.2008 einging, teilte die
Beschwerdeführerin mit, sie habe den Kläger für den 15.02.2008 einbestellt gehabt, dieser sei jedoch nicht
erschienen. Einen neuen Untersuchungstermin solle das SG dem Kläger für 09.06.2008 mitteilen.
Nachdem der Beschwerdeführerin weiteres Ordnungsgeld mit Beschluss vom 19.08.2008 auferlegt und dieser
Beschluss mit Postzustellungsurkunde vom 22.09.2008 zugestellt worden war, erklärte sie am 20.10.2008, sie habe
inzwischen die Kostenrechnung über die Ordnungsgelder erhalten und werde diese nicht bezahlen. Sie halte die
Forderung für ungerecht.
Das SG legte den Vorgang dem Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vor.
In einem Fax vom 27.10.2008 erklärte die Beschwerdeführerin, sie habe den Ordnungsgeldbeschluss vom 17.04.2008
erst mit der Kostenrechnung vom 20.10.2008 erhalten. In weiteren Schreiben vom 14.01. und 26.03.2009 beantragte
sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil sie unverschuldet verhindert gewesen sei, rechtzeitig Beschwerde
gegen den Ordnungsgeldbeschluss vom 17.04.2008 einzulegen. Die Folgen ihres Fahrradunfalls hätten zu
psychischen Störungen, einer Arbeitsunfähigkeit, für die sie eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit für die Zeit
vom 29.05. bis 30.06.2008 vorlegte und einer Teilarbeitsunfähigkeit ab 22.10.2007 geführt. Außerdem sei ihr eine
Verwechslung mit einem anderen Verfahren mit dem Az.: S 11 R 556/05 eines anderen Klägers unterlaufen. In diesem
Verfahren habe sie das Gutachten am 22.02.2008 erstellt. Sie selbst habe bereits am 09.06.2008 mitgeteilt, dass sie
sich gegen die Auferlegung von Ordnungsgeld wende. Nachdem sie die Verwechslung bemerkt habe, habe sie am
23.09.2008 nochmals Beschwerde eingelegt. Außerdem treffe sie kein Verschulden an der Verzögerung, weil der
Kläger mehrere Untersuchungstermine nicht eingehalten habe.
Die Beschwerdeführerin beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und auf ihre Beschwerde
den Ordnungsgeldbeschluss des SG vom 17.04.2008 aufzuheben.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Sie ist jedoch nicht fristgerecht eingereicht
worden innerhalb der in § 173 Satz 1 SGG genannten Frist von einem Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung.
Der Ordnungsgeldbeschluss vom 17.04.2008 wurde der Beschwerdeführerin am 25.04.2008 zugestellt. Das
Schriftstück war ihr vom Zusteller persönlich übergeben worden. Die Monatsfrist endete mit Ablauf des 26.05.2008, da
der 25.05. ein Sonntag war. Die Beschwerde ist am 20.10.2008 beim SG eingegangen. Damit ist die Frist nicht
gewahrt. Dies gilt auch dann, wenn man zugunsten der Beschwerdeführerin unterstellen wollte, ihr Schreiben mit dem
Datum vom 30.06.2008, eingegangen am 02.06.2008 beim Sozialgericht, sei als Beschwerde aufzufassen. Der
Beschwerdebeschluss war mit ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung versehen.
Die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Gründe rechtfertigen nicht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
gemäß § 67 SGG. Danach ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist
einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Eine solche schuldlose Fristversäumnis
kann der Senat hier nicht feststellen. Insoweit ist von Bedeutung, dass das SG der Beschwerdeführerin ein weiteres
Ordnungsgeld mit Schreiben vom 16.05.2008 angedroht hatte, das der Beschwerdeführerin ebenfalls persönlich
zugestellt worden war und zwar am 21.05.2008. Daraufhin teilte die Beschwerdeführerin mit dem bereits erwähnten
Schreiben mit Eingangsdatum vom 02.06.2008 mit, sie habe den Kläger für 15.02.2008 zu einer Untersuchung
einbestellt, dieser sei aber nicht gekommen; sie bitte das Gericht, den Kläger zu einem neuen Termin für 09.06.2008
zu laden. Daraus folgt, dass die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe den Ordnungsgeldbeschluss erstmals
mit der Kostenrechnung vom 20.10.2008 erhalten, nicht zutrifft. Ebenso wenig kann aus ihrem Vortrag geschlossen
werden, sie sei wegen ihres Gesundheitszustandes nicht in der Lage gewesen, das Gutachten zu erstellen, wenn sie
den Kläger schon für 15.02.2008 einbestellt haben will. Eine Verwechslung mit dem Verfahren S 11 R 556/05 beruht
auf dem Mangel sorgfältigen Lesens und ist im Übrigen kaum nachzuvollziehen, da der Name des Klägers im Rubrum
des Beschlusses ebenso wie das Aktenzeichen aufgeführt sind. Dass der Kläger einen Untersuchungstermin nicht
wahrgenommen habe, ist nicht geeignet, die Fristversäumnis für das Einlegen der Beschwerde zu entschuldigen.
Damit steht fest, dass die Beschwerde nicht fristgerecht eingelegt ist; sie war daher als unzulässig zu verwerfen. Mit
der Begründetheit des verhängten Ordnungsgeldes konnte sich der Senat daher nicht auseinandersetzen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf analoger Anwendung des § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs.1
und 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Danach sind dem im Beschwerdeverfahren unterlegenen Beschwerdeführer die
Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wenn er nicht zum kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehört.
Dies trifft auf die Beschwerdeführerin zu. Ihr waren die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).