Urteil des LSG Bayern vom 27.03.2007
LSG Bayern: arbeitsunfall, erwerbsfähigkeit, unfallfolgen, rente, anschlussberufung, arbeitsunfähigkeit, minderung, arthrose, entstehung, wahrscheinlichkeit
Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 27.03.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Würzburg S 11 U 332/02
Bayerisches Landessozialgericht L 17 U 159/04
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 18.02.2004 wird zurückgewiesen. II.
Die Auferlegung von Mutwillenskosten in Ziffer 3 des Urteils wird aufgehoben. III. Die Anschlussberufung des Klägers
wird zurückgewiesen. IV. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. V. Die Revision wird
nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente über den Oktober 2001 hinaus aufgrund der Folgen
des Arbeitsunfalles vom 10.11.2000 streitig.
Der 1941 geborene Kläger erlitt am 10.11.2000 einen Arbeitsunfall. Auf einer Baustelle stürzte er, fiel mit dem ganzen
Körper nach hinten auf den Rücken und rutschte mit ausgestrecktem linken Arm gegen einen niedrigen hölzernen
Mauerpfosten - ca.30 cm hoch -. Er versuchte sich im Sturz mit der linken Hand an einem Gartenpfosten festzuhalten
und verdrehte sich dabei den linken Arm. Er hatte sofort starke Schmerzen in der Schulter und im Arm links verspürt.
Der Durchgangsarzt Dr.J. stellte bei ihm eine Distorsion des linken Schultergelenkes fest - ohne äußere
Traumazeichen und Schwellung (Bericht vom 10.11.2000). Die Chirurgin Dr.B. konnte bei der Nachuntersuchung im
vorderen Schulteranteil, vor allem im Verlauf der Bizepssehne eine erhebliche Hämatomverfärbung wahrnehmen. Die
Ultraschall-Untersuchung ergab eine intakte Rotatorenmanschette und einen Teileinriss der Bizepssehne (Bericht vom
20.11.2000). Der Orthopäde Dr.P. diagnostizierte am 11.12.2000 eine erhebliche, posttraumatische Schultersteife
links und Kontusion des linken Schultergelenkes. Stationär befand sich der Kläger vom 10. bis 11.11.2000 und vom
21.08. bis 29.08.2001 in Behandlung.
Für die Beklagte führte der Orthopäde Dr.M. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 14.03.2001 aus, dass
bei dem Kläger zwar ein erhebliches Alttrauma der Schulter vorgelegen habe, dieses aber nicht geeignet gewesen sei,
einen Einriss der langen Bizepssehne bzw. der Rotatorenmanschette zu verursachen. Die sich jetzt entwickelte
sogenannte posttraumatische Schultersteife sei Folge des Arbeitsunfalles, nicht aber die Defekte in der
Rotatorenmanschette und der langen Bizepssehne.
Die Beklagte zog Arztberichte der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik F. vom 08.05.2001 und des Chirurgen
Dr.B. vom 19.06.2001/28.08.2001/04.09.2001/15.11.2001 und 12.12.2001 bei. Am 22.08.2001 war der Kläger von
Dr.B. am linken Schultergelenk arthroskopiert worden. Dabei ließ sich eine komplette alte Rotatorenmanschettenruptur
mit knöchernem Ausriss nachweisen. Dr.B. sah einen Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 10.11.2000.
Dr.M. hat am 23.09.2001 nochmals beratungsärztlich ausgeführt, dass nach der erstmaligen Feststellung eines
knöchernen Ausrisses der Rotatorenmanschette der Arbeitsunfall die wesentliche Teilursache der bestehenden
Gesundheitsstörungen darstelle. Für die Beklagte erstellte anschließend Dr.B. am 13.02.2002 ein Gutachten, in dem
er als wesentliche Folgen des Arbeitsunfalles die grobe Kraft der linken Schulter herabgesetzt ansah. Weiter liege
eine deutliche Bewegungseinschränkung der linken Schulter vor, ebenso eine Muskelverschmächtigung und knöchern
nicht reparable komplette Rotatorenmaschettenruptur. Außerdem sei eine posttraumatische Arthrose des linken
Schultergelenks, vor allem im Bereich des Schultersattels zu erkennen. Bis zum 17.10.2001 ging er von
unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit aus, für die Zeit danach von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 vH.
Nach Beiziehung der medizinischen Unterlagen des Amtes für Versorgung und Familienförderung W. erkannte die
Beklagte das Ereignis als Arbeitsunfall an und gewährte Verletztenrente als vorläufige Entschädigung für den
Zeitraum 01.06.2001 bis 31.10.2001 nach einer MdE von 20 vH (Bescheid vom 26.07.2002). Als Folgen des
Arbeitsunfalles erkannte sie an: An der linken Schulter Bewegungseinschränkung, Muskelschwäche, Minderung der
groben Kraft, posttraumatische Arthrose des Schultergelenkes nach kompletter, operativ behandelter Ruptur der
Rotatorenmanschette (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 11.10.2002).
Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt,
Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH über den 31.10.2001 hinaus zu gewähren.
Das SG hat ein Gutachten des Chirurgen Dr.H. eingeholt. In dem Termingutachten vom 18.02.2004 hat dieser
ausgeführt, dass die Beweglichkeit in der linken Schulter vor allem beim Seitwärts- und Vorwärtsführen sowie
Rückwärtsführen eingeschränkt, das Drehen aber relativ frei möglich sei. Die geschilderte Mindestbelastbarkeit zeige
sich durch eine verminderte Schulterkapselmuskulatur, die Schonung des gesamten linken Armes und zusätzlich
durch eine Muskelminderung am linken Ober- und Unterarm sowie auch an der linken Hand. Eine Vorerkrankung der
linken Schulter sei nicht bekannt. Der Befund an der linken Schulter sei mit einer MdE von 20 vH zu bewerten.
Mit Urteil vom 18.02.2004 hat das SG die Beklagte verpflichtet, Rente nach einer MdE von 20 vH über den
31.10.2001 hinaus zu gewähren. Es hat sich dabei auf das Gutachten des Dr.H. gestützt. Außerdem hat das SG der
Beklagten nach § 192 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anteilige Gerichtskosten in Höhe von 200,- EUR
auferlegt mit der Begründung, das Verwaltungsgutachten des Dr.B. sei nicht verwertbar gewesen. Darüber habe in der
mündlichen Verhandlung Einigkeit bestanden. Die Beklagtenvertreterin habe aber trotz dieser Einsicht kompromisslos
auf eine Entscheidung bestanden, ohne irgendwelche Alternativen anzubieten, obwohl das Gericht nicht auf ein
Anerkenntnis beharrt habe. Es ergebe sich somit der begründete Verdacht, dass die Beklagtenvertreterin nur eine
eingeschränkte Vollmacht hatte. Dies akzeptiere das Gericht nicht.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und ausgeführt, ihre Vertreterin habe zu dem
Termingutachten des Dr.H. am 18.02.2004 mangels entsprechender Vorbereitungszeit und ohne Inanspruchnahme
einer beratungsärztlichen Stellungnahme keine Stellung nehmen können. Aus diesem Grunde sei sie nicht zu einem
Entgegenkommen hinsichtlich der Erledigung des Rechtsstreits bereit gewesen. Mit der Auferlegung der
Mutwillenskosten sei das Gebot des rechtlichen Gehörs verletzt worden. Das SG sei verpflichtet, den Beteiligten
ausreichend Zeit zu geben, sich mit neuen Beweismitteln auseinanderzusetzen und Stellung zu nehmen. Nachdem
die Beklagtenvertreterin die medizinischen Ausführungen des Gerichtsgutachters erstmals im Termin zur mündlichen
Verhandlung zur Kenntnis nehmen konnte, hätte das SG auch ohne ausdrücklichen Antrag den Rechtstreit vertagen
müssen. Darüber hinaus bestehe kein Einverständnis mit der MdE-Einschätzung durch Dr.H ... Dem Messblatt sei zu
entnehmen, dass der linke Arm seitwärts um 100 Grad und vorwärts um 95 Grad angehoben werden könne. Die
Seitendifferenz der Umfänge von Ober- und Unterarm weise auf eine gute Gebrauchsfähigkeit des Armes hin. Eine
solche Bewegungseinschränkung sei mit einer MdE von 10 vH zu bewerten.
Der Senat hat Befundberichte des Orthopäden Dr.F. vom 26.07.2004, des Allgemeinarztes Dr.H. vom 06.08.2004, die
ärztlichen Unterlagen der Landesversicherungsanstalt Unterfranken sowie die einschlägigen Röntgen- und CT-
Aufnahmen zum Verfahren beigezogen. Sodann hat der Orthopäde Prof. Dr.S. am 29.10.2004/25.04.2005 ein
Gutachten erstellt. Danach könne der knöcherne Ausriss des Supraspinatussehne als durch den Arbeitsunfall
wesentlich verursacht anerkannt werden. Auch könne die Rotatorenmanschettenschädigung nicht allein auf
vorbestehende degenerative Veränderungen zurückgeführt werden. Die wiederholt diskutierte Verletzung der
Bizepssehne sei aber nicht nachvollziehbar, da diese sich arthroskopisch intakt darstellte. Die MdE sei über den
Oktober 2001 hinaus mit 10 vH zu bewerten.
Anschließend hat der Orthopäde Dr.F. auf Veranlassung des Klägers ein Gutachten nach § 109 SGG erstellt. In dem
Gutachten vom 04.03.2005/27.05.2005 hat er ausgeführt, dass es bei dem Unfall durch eine reflexartige
Abfangbewegung des Klägers zum Riss der Rotatorenmanschette gekommen sei. Es liege eine schmerzhafte
Bewegungseinschränkung sowie Ruheschmerzen vor. Die MdE sei mit 20 vH, ab 04.03.2005 mit 30 vH
einzuschätzen. Anschließend hat das SG auch ein Gutachten des Orthopäden Dr.R. am 08.10.2005 veranlasst.
Danach habe der Arbeitsunfall zu einer Rotatorenmanschettenverletzung mit knöchernem Ausriss der
Supraspinatussehne an der linken Schulter geführt. Die MdE hierfür sei über den Oktober 2000 hinaus mit 10 vH zu
bewerten.
Der Kläger hat noch ausgeführt, dass der von Prof. S. bestrittene Bizepssehnenriss unbestreitbar vorliege. Die
Schultersteife links werde nicht erwähnt. Zudem könne eine Rotatorenmanschettenschädigung nicht allein auf
vorbestehende degenerative Veränderungen zurückgeführt werden. Dr.R. setze sich nicht mit den Gutachten H. und
F. auseinander. Auch fehle die Feststellung der Schultersteife.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 18.02.2004 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 18.02.2004 abzuändern, eine Rente nach einer
MdE von 30 vH ab 04.03.2005 zu gewähren und im Übrigen die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die
ärztlichen Unterlagen der LVA Unterfranken Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber nur hinsichtlich der Auferlegung von Kosten nach § 192 Absa 1 Satz 1 Nr 2 SGG
begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des Arbeitsunfalles vom
10.11.2000 über den Oktober 2001 hinaus nach einer MdE von 20 vH, weil die Voraussetzungen vorliegen (§§ 2 Abs 1
Nr 1, 8 Abs 1, 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -).
Ein Anspruch auf Verletztenrente setzt nach § 56 Abs 1 SGB VII voraus, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten
infolge eines Arbeitsunfalles um wenigstens 20 vH gemindert ist. Voraussetzung dafür, dass eine Gesundheitsstörung
als Folge eines Arbeitsunfalles anerkannt werden kann, ist, dass zwischen der unfallbringenden versicherten Tätigkeit
und dem Unfall sowie dem Unfall und der Gesundheitsstörung ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Ein
ursächlicher Zusammenhang liegt nach dem in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätsbegriff nur
dann vor, wenn das Unfallereignis mit Wahrscheinlichkeit wesentlich die Entstehung oder Verschlimmerung eines
Gesundheitsschadens bewirkt hat (BSGE 1, 72, 76; 12, 242, 245; 38, 127, 129).
Die Entscheidung der Frage, in welchem Grad die Erwerbsfähigkeit eines Verletzten gemindert ist, ist dabei eine
tatsächliche Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem
Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Entscheidung trifft (BSGE 4, 147, 149; 6, 267, 268; BSG vom
23.04.1987 - 2 RU 240/86 -). Die Bemessung des Grades der unfallbedingten MdE richtet sich nach dem Umfang der
Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens des Verletzten durch die Unfallfolgen und der
dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Beurteilung, in
welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind,
betrifft in erster Linie das ärztlich-wissenschaftliche Gebiet. Doch ist die Frage, welche MdE vorliegt, eine
Rechtsfrage. Sie ist ohne Bindung an ärztliche Gutachten unter Berücksichtigung der Einzelumstände nach der
Lebenserfahrung zu entscheiden. Ärztliche Meinungsäußerungen hinsichtlich der Bewertung der MdE sind aber eine
wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Einschätzung des Grades der MdE, vor allem
soweit sich diese darauf bezieht, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Versicherten
durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG in SozR 2200 § 581 Nrn 23, 27).
Nach dem Gutachten des Dr.H. , dem der Senat im Wesentlichen folgt, ist es bei dem Kläger nachweislich aufgrund
des Arbeitsunfalles vom 10.11.2000 zu einer deutlichen Verdrehung der linken Schulter gekommen. Dies hat zu einer
Schultersteife links, einer Rotatorenmanschettenschädigung sowie zum Defekt der Bizepssehne geführt. Hinzu ist
noch ein knöcherner Ausriss der Supraspinatussehne computer- und kernspintomographisch diagnostiziert worden.
Dies hat sich bei der Arthroskopie am 29.08.2001 bestätigt. Diese Feststellungen werden im Wesentlichen auch von
Prof. Dr.S. und Dr.R. bestätigt. Prof. Dr.S. führt zu Recht aus, dass eine Rotatorenmanschettenschädigung nicht
allein auf vorbestehende degenerative Veränderungen zurückgeführt werden kann.
Unstreitig liegt beim Kläger eine glaubhafte Minderbelastbarkeit und Bewegungseinschränkung der linken Schulter vor.
Bereits Dr.H. sah die Beweglichkeit in der linken Schulter vor allem beim Seitwärtsführen (100 Grad), Vorwärtsführen
(95 Grad) sowie Rückwärtsführen (35 Grad) als eingeschränkt an. Die geschilderte Minderbelastbarkeit zeigt sich
durch eine verminderte Schulterkappenmuskulatur, die Schonung des gesamten linken Armes, zusätzlich durch eine
Muskelminderung am linken Ober- und Unterarm sowie auch an der linken Hand. Dies ist dem Unfall zuzuordnen. Eine
Vorerkrankung der linken Schulter ist nicht bekannt. Dies lässt sich an den Röntgenaufnahmen vom Unfalltag
nachweisen, auf denen Zeichen eines fortgeschrittenen Verschleißes sowie eines Rotatorenmanschettenschadens
nicht zu finden sind. Auch das Vorerkrankungsverzeichnis der Innungskrankenkasse M. ist insoweit leer.
Hinsichtlich der Höhe der MdE ist auf die funktionellen Defizite abzustellen. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin,
Arbeitsunfähigkeit und Berufskrankheit, 7.Aufl, S 604/605 werden Bewegungseinschränkungen der Schulter bei
Vorhebung bis 90 Grad mit 20 vH, bis 120 Grad mit 10 vH bewertet. Wegen der vielfältigen dreidimensionalen
Bewegungseinschränkung ist die Schultervorhebung als das Hauptkriterium für die Einschätzung der MdE zu
bewerten. Dr.H. geht in seinem Gutachten vom 18.02.2004 von einer Vorhebung von 95 Grad. Der Senat
berücksichtigt nicht die Bewertungen des Dr.F. , da die Bewegungsmaße bei ihm augenfällig von den anderen
Gutachten abweichen. Aus dem gleichen Grunde legt der Senat auch nicht die Bewertungsmaße von Dr.R. zugrunde,
der bei den Schultergelenken rechts und links von nahezu gleichen Maßen ausgeht. Dies widerspricht seinen
Feststellungen im Gutachten vom 29.09.2005, in dem er die Bewegungsfunktion der linken Schulter als deutlich
eingeschränkt ansieht. Prof. Dr.S. ist in seinem Gutachten vom 29.10.2004 zwar von einer Einschränkung von 120
Grad ausgegangen. Zu berücksichtigen ist aber zusätzlich, dass es zu einem knöchernen Ausriss der
Rotatorenmanschette kam, die zu einer Ruptur im Bereich der Supraspinatussehne führte. Dies wird durch eine starke
Schmerzhaftigkeit der linken Schulter unter Beweis gestellt. Im Sinne eines Schulter-Arm-Syndroms hat der Kläger
auch über eine Schmerzausstrahlung bis in alle fünf Finger geklagt. Auch gelingt der Schürzengriff links nur mit Mühe.
Zudem lässt sich linksseitig bei den Umfangmaßen eine diskrete Seitendifferenz erkennen. Unter Berücksichtigung
dieser zusätzlichen Beeinträchtigungen sieht der Senat grenzwertig noch eine MdE in Höhe von 20 vH als
angemessen an. Eine MdE von 30 vH, wie sie Dr.F. annimmt, ist nicht vertretbar.
Der Senat kann der Bewertung des Dr.B. nicht folgen. In seinem Gutachten fehlt ein Messblatt; detailliertere Angaben
zur Schulterbeweglichkeit werden nicht gemacht. Die Bewegungseinschränkung links wird lediglich als "deutlich"
eingeschätzt. Er führt weiter relativ unpräzise Angaben an, wie z.B. eine "etwas geschwächte" Muskulatur am linken
Arm und an der linken Schulter. In dem Gutachten von Dr.F. fallen die sich von den anderen Gutachtern erheblich
unterscheidenden Bewegungsmaße auf (z.B. Vorwärtshebung von nur 30°). Andererseits sieht er die
Rotationsbewegungen als deutlich geringer ausgeprägt an. Eine Schultersteife ist nämlich in der Regel mit einer
Achselschrumpfung verbunden, die alle Abschnitte der Schultergelenkskapsel betrifft, so dass sich dann auch eine
erhebliche stärkere Einschränkung der Rotationsbewegung ergeben müsste. Auch überzeugt nicht, dass sich nach
nahezu vier Jahren noch eine posttraumatische Schultersteife von erheblichem Ausmaß entwickelt haben soll. Dies
wäre für den Gutachter Anlass gewesen, nach den Ursachen sich einer so spät nach dem Trauma entwickelten
Schultersteife zu suchen und hierbei auch anderweitige unfallunabhängige Ursachen zu diskutieren. Das Gutachten
des Dr.R. ist insoweit nicht schlüssig, als er zwar einerseits eine Vorhebung der linken Schulter bis 160 Grad
annimmt, andererseits aber eine deutliche Einschränkung der Bewegungsfunktion der linken Schulter anspricht.
Hinsichtlich des Gutachtens von Prof. Dr.S. ist festzuhalten, dass sich das degenerative Halswirbelsäulensyndrom,
das nach seiner Auffassung wesentlich an der geschilderten Schmerzhaftigkeit iS eines Schulter-Arm-Syndroms
beteiligt ist, nicht nachvollziehen lässt. Eindeutige Hinweise für eine cervikale, unfallunabhängige
Wurzelreizsymtomatik sind nicht erkennbar.
Unzutreffend hat das Erstgericht der Beklagten Gerichtskosten nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGG auferlegt. Für den Senat
ist keine Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung bei der Beklagten erkennbar. Da das Gutachten des Dr.H. ein
sogenanntes Termingutachten war, ist zu beachten, dass die Beteiligten ausreichend Möglichkeit haben müssen, sich
zur Begutachtung zu äußern und sich sachkundig beraten zu lassen (Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 8.Aufl, §
118 RdNr 12a). Möchte sich ein Beteiligter vor Stellungnahme zu dem Gutachten beraten lassen, muss das Gericht
grundsätzlich vertagen, auch wenn es das Gutachten für eindeutig und überzeugend hält. Den Beteiligten, hier der
Beklagten, muss ausreichend Zeit gegeben werden, sich mit dem Gutachten auseinanderzusetzen und Stellung zu
beziehen. Da die Vertreterin der Beklagten die medizinischen Ausführungen des Gerichtsgutachters erstmals im
Termin zur mündlichen Verhandlung zur Kenntnis nehmen konnte, hätte das SG auch ohne ausdrücklichen Antrag
den Rechtsstreit vertagen müssen. Nur so wäre es möglich gewesen, sich mit der gutachterlichen Auffassung
auseinanderzusetzen und ggfs. eine beratungsärztliche Stellungnahme einzuholen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Würzburg vom 18.02.2004 war daher zurückzuweisen. Die
Anschlussberufung des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Auferlegung von Verschuldenskosten
(Mutwillenskosten) in Ziff. 3 des erstinstanzliche Urteils war aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.