Urteil des LSG Bayern vom 11.07.2001
LSG Bayern: anspruch auf bewilligung, umschulung, akkordarbeit, arbeitsamt, rehabilitation, auskunft, arbeitsmarkt, form, maschine, beruf
Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 11.07.2001 (nicht rechtskräftig)
S 4 RJ 399/97
Bayerisches Landessozialgericht L 20 RJ 232/00
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.02.2000 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten als dem für zuständig gehaltenen Reha-Träger die Übernahme der Kosten für
seine zwischenzeitlich abgeschlossene Ausbildung zum Ergotherapeuten.
Der am 1965 geborene Kläger hat den Beruf des Kfz-Mechanikers erlernt und diesen bis März 1985 ausgeübt. Vom
01.02.1986 bis 30.06.1993 war er als CNC-Fräser beschäftigt; das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag
vom 24.02.1993. Anschließend bezog er Leistungen von der Arbeitsverwaltung; daneben war er zeitweise als
Thekenkraft tätig. Vom 01.12.1994 bis 30.09.1995 war der Kläger als Buffetgehilfe versicherungspflichtig beschäftigt.
Ab 02.10.1995 bezog er wiederum Alhi. Von Dezember 1996 bis März 1997 arbeitete er als Pflegehelfer und bezog
anschließend (ab 01.04.1997) erneut Alg bis 30.09.1997.
Am 19.09.1996 beantragte der Kläger bei der Beigeladenen die Gewährung von Leistungen zur beruflichen
Rehabilitation mit dem alleinigen Ziel der Umschulung zum Beschäftigungstherapeuten. Der Antrag wurde
zuständigkeitshalber an die Beklagte weitergeleitet. Diese zog ein Gutachten des Ärztlichen Dienstes der
Beigeladenen vom 06.09.1993 bei. Darin wurden folgende Diagnosen gestellt: Rezidivierendes
Zwölffingerdarmgeschwür, Reizdarm, Belastungsknieschmerzen links, psychovegetative Labilität; leichte und
mittelschwere (zeitweise auch schwere) körperliche Tätigkeiten könne der Kläger unter Vermeidung von Nacht- und
Akkordarbeit noch ganztägig verrichten. Im Rahmen der Erstbearbeitung des Reha-Antrags ist der Kläger auf
Veranlassung der Beigeladenen am 11.11.1996 durch Dr.T. untersucht worden. Er diagnostizierte in seinem
Gutachten vom 22.11.1996 eine Belastungsschmerzhaftigkeit beider Kniegelenke bei Knorpelschädigung im Bereich
der Kniescheibenrückseite, Belastungsschmerzhaftigkeit der Lendenwirbelsäule bei segmentalen Funktionsstörungen
und muskulärer Dysbalance sowie wiederkehrende (letztmals 1995 aufgetretene) Zwölffingerdarmgeschwüre. Wegen
der damit verbundenen Einsatzbeschränkungen sei von der Weiterführung des erlernten Berufs als Kfz-Mechaniker
auf lange Sicht abzusehen. Auch die Tätigkeit als Fräsmaschinenbediener sei aus ärztlicher Sicht ungünstig; dagegen
bestünden arbeitsmedizinisch keine Bedenken gegen eine Tätigkeit als Ergotherapeut.
Im Rahmen einer von der Beigeladenen bewilligten und getragenen Umschulung besuchte der Kläger ab 01.10.1997
die staatlich anerkannte Berufsfachschule für Ergotherapie in R. und legte dort am 26.07.2000 die staatl. Prüfung für
Ergotherapeuten ab. Seit 01.09.2000 arbeitet der Kläger in seinem Umschulungsberuf. Die Beklagte lehnte mit
Bescheid vom 15.01.1997 und Widerspruchsbescheid vom 21.03.1997 berufsfördernde Leistungen in Form einer
dreijährigen Umschulung ab. Medizinisch bestehe keine ausreichende Indikation für die Durchführung beruflicher
Leistungen zur Rehabilitation (Reha) durch die Beklagte. Zwar seien die früher ausgeübten Tätigkeiten eines Kfz-
Mechanikers und Fräsmaschinenbedieners nicht mehr möglich; dessen ungeachtet bestehe jedoch für leichte und
mittelschwere Tätigkeiten nach wie vor ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Der Kläger sei auf den allgemeinen
Arbeitsmarkt verweisbar. Dementsprechend bedürfe es zur beruflichen Reintegration keiner gezielten (beruflichen)
Reha-Maßnahme; ausreichend sei vielmehr die Vermittlung eines zustandsangepassten Arbeitsplatzes. Der gegen
diesen Bescheid erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21.03.1997).
Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Würzburg (SG) eine Auskunft des letzten Arbeitgebers des
Klägers, der Firma F. S. sowie Befundberichte und Unterlagen der den Kläger behandelnden Ärzte Dr.G. und H. zum
Verfahren beigenommen. Der zum gerichtlichen Sachverständigen ernannte Arzt für Sozial- und Betriebsmedizin Dr.E.
ist in seinem Aktenlagegutachten vom 28.10.1999 zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger könne, jedenfalls in
Tagschicht weiterhin als Fräser tätig sein. Auf Anfrage des SG hat das Arbeitsamt Schweinfurt mitgeteilt, dass bei
den in der Region ansässigen Großunternehmen die Arbeitsplätze an CNC-Maschinen üblicherweise im 2-Schicht-
Betrieb ausgestaltet seien und Akkordarbeit nicht zu leisten sei. Der Arbeitstakt und die Stückzahlen würden
weitgehend durch die Maschine bestimmt. Nach Auskunft des AA Würzburg sind in dessen Amtsbezirk Stellen für
CNC-Fräser vorhanden, deren Anforderungsprofil keine Arbeitsleistung in Nachtschicht und/oder Akkord vorsieht.
Mit Urteil vom 08.02.2000 hat das SG die Klage abgewiesen: Eine Umschulung sei nicht angezeigt. Der Kläger habe
sich von seiner früher ausgeübten Facharbeit als CNC-Fäser gelöst, ohne damals gesundheitlich dazu gezwungen
gewesen zu sein. Im Anschluss an die Auskünfte der Beigeladenen (Arbeitsamt Würzburg) gebe es ausreichend
Arbeitsplätze, bei denen die Tätigkeit eines CNC-Fräsers ohne die Forderung von Schicht- und Akkordarbeit ausgeübt
werden könnte. Im Übrigen garantiere auch der Beruf des Ergotherapeuten keine stressfreie Tätigkeit. Davon
abgesehen gebe es auch andere Tätigkeiten im Gesundheitsbereich, bei denen eine kürzere Umschulungszeit zur
adäquaten Wiedereingliederung des Klägers in das Erwerbsleben genügt hätte. Eine Rechtfertigung für die
Überschreitung der Förderhöchstdauer (2 Jahre) sei somit nicht zu erkennen.
Mit der hiergegen eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, es gehe ihm im Nachhinein insbesondere um die im
Vergleich zur Beigeladenen höheren Leistungen der Beklagten bei Fahrtkosten und Übergangsgeld. Weiter trägt er vor,
er habe die Tätigkeit des CNC-Fräsers aus gesundheitlichen Gründen beenden müssen (wegen einer chronischen
Magen-Darmerkrankung). Der Arbeitsmarkt halte auch keine Stellen für Bewerber bereit, die gesundheitlich bedingt
nicht in der Lage seien, die Tätigkeit als CNC-Fräser im Akkord bzw unter akkordähnlichen Bedingungen auszuüben.
In aller Regel sei Schichtbetrieb erforderlich. Der Arbeitsablauf sei fremdbestimmt; Arbeitstakt und Stückzahlen
würden weitgehend durch die Maschine bestimmt. Die Tätigkeit des an den Maschinentakt gebundenen Fräsers sei
aber vergleichbar mit Akkordarbeit.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Würzburg vom 08.02.2000 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom
15.01.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.1997 zu verurteilen, die Kosten für die Ausbildung
zum Ergotherapeuten unter Anrechnung der vom Arbeitsamt Schweinfurt erbrachten Leistungen zu übernehmen.
Hilfsweise beantragt er, den Sachverhalt im Sinne der Beweisanträge aus dem Schriftsatz vom 24.05.2000 weiter
aufzuklären.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist - zur Vermeidung von Wiederholungen - auf die erstinstanzielle Urteilsbegründung bzw auf die
Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Dem Senat haben neben den Reha-Unterlagen der Beklagten und den Streitakten erster und zweiter Instanz die
Leistungs- und Rehabilitationsunterlagen des Arbeitsamtes Würzburg vorgelegen. Zur Ergänzung des Tatbestandes
wird auf den Inhalt der genannten Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 SGG) und auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).
Obwohl die ursprünglich begehrte Umschulung zwischenzeitlich vollständig abgeschlossen ist und deshalb nicht mehr
Gegenstand des im Berufungsverfahren weiter verfolgten Klagebegehrens sein kann, fehlt es vorliegend nicht am
Rechtsschutzbedürfnis für die Fortsetzung des sozialgerichtlichen Verfahrens in der Rechtsmittelinstanz; denn der
Kläger behauptet schlüssig eine fortdauernde Beschwer durch die generelle Ablehnung der von ihm konkret
geforderten Reha-Maßnahme seitens der Beklagten. Diese Beschwer kann auch nach Abschluss der Umschulung
darin liegen, dass ohne die vom Kläger als rechtswidrig angesehene Ablehnung der begehrten Berufsförderung die
akzessorischen Leistungen für Fahrtkosten und Übergangsgeld wesentlich höher gewesen wären als bei der
Beigeladenen.
Die Berufung ist jedoch sachlich nicht begründet. Das SG hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt,
dass für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Bewilligung berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation
zu Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung die persönlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind und die
Beklagte in ihren ablehnenden Entscheidungen weder die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten noch
von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54
Abs 2 Satz 2 SGG). Das Erstgericht hat dabei den rechtserheblichen Sachverhalt umfassend dargestellt, die an die
begehrten Leistungen geknüpften Voraussetzungen zutreffend wiedergegeben und das Beweisergebnis frei von
Rechtsfehlern gewürdigt. Der Senat sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und
verweist insoweit auf das angefochtene Urteil des SG Würzburg vom 08.02.2000 (§ 153 Abs 2 SGG). Weiterer
Sachermittlungen bedurte es nicht. Der Senat sieht die im Schriftsatz vom 24.05.2000 aufgeworfenen Fragen durch
die Beweiserhebungen des SG jedenfalls in dem Sinne als hinreichend geklärt an, dass neben der (erfüllten)
Leistungspflicht der Bundesanstalt für Arbeit auch aus der gesetzlichen Rentenversicherung und innerhalb des von
dieser abgedeckten Risikobereichs Ansprüche gegen die Beklagte nicht bestehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.