Urteil des LSG Bayern vom 14.07.2005

LSG Bayern: feststellungsklage, umzug, wohnung, senkung, heizung, unterkunftskosten, verwaltungsakt, rechtsgrundlage, erlass, form

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 14.07.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 20 AS 41/05
Bayerisches Landessozialgericht L 10 B 239/05 AS ER
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.05.2005 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist, in welchem Umfang die Antragsgegnerin (Ag) Leistungen für Unterkunft und Heizung ab 01.07.2005 gemäß
§ 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu erbringen hat.
Dem Antragsteller (Ast) bewilligte die Ag mit Bescheid vom 23.11.2004 Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.04.2005 (Bescheid vom 23.11.2004). Mit
Schreiben vom 03.02.2005 teilte sie dem Ast mit, dass nach Ablauf einer Übergangsfrist, d.h. ab 01.07.2005 lediglich
die angemessenen Unterkunftskosten erstattet würden, es sei denn, ein Umzug, ein Vermieten oder eine Senkung der
Aufwendungen auf andere Weise sei nicht möglich oder nicht zuzumuten.
Am 08.03.2005 hat der Ast beim Sozialgericht Nürnberg (SG) beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung
vorläufig festzustellen, dass das Arbeitslosengeld II weder zum 01.07. noch zum 01.09.2005 gekürzt werden dürfe.
Gegen diese "formlose Ankündigung" könne er laut Auskunft der Ag kein Rechtsmittel einlegen. Gleichzeitig hat er
gegen das Schreiben vom 03.02.2005 Feststellungsklage zum SG erhoben. Der Ast hat umfangreiche Ausführungen
dazu gemacht, dass ihm ein Umzug in eine günstigere Wohnung weder möglich noch zumutbar sei.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 06.05.2005 abgelehnt. Es fehle an einer Anordnungsbefugnis. Der Ast
habe keinen Anspruch auf Gewährung von Unterkunftskosten von mehr als den durch die Ag in Aussicht gestellten
328,00 EUR zuzüglich Nebenkosten und angemessenen Heizungskosten. Eine Senkung der Aufwendungen, ein
Wohnungswechsel oder ein Vermieten sei nicht unmöglich bzw. dem Ast zuzumuten.
Hiergegen hat der Ast Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Auch über die gesetzlich vorgesehene
Grenze von sechs Monaten hinaus könnten höhere Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen werden, wenn ein
Umzug in angemessenen Wohnraum nicht möglich sei. Dies sei bei ihm der Fall, ein Umzug sei ihm absolut
unzumutbar. Auch könne er die Kosten eines Umzuges nicht tragen. Die Ag weigere sich zudem, eine
Kostenübernahmeerklärung für evtl. Umzugskosten zu erteilen. Ab 01.07.2005 übe seine Ehefrau eine selbstständige
Tätigkeit aus und benötige dazu einen Teil der Wohnung, so dass aus diesem Grunde es für ihn unzumutbar sei, in
eine kleinere Wohnung umzuziehen.
Der Ast beantragt sinngemäß festzustellen, dass der Ag nicht gestattet ist, die tatsächliche Miete ab 01.07.2005 zu
kürzen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den vorliegenden Bescheid vom 23.11.2004 sowie das Schreiben vom
03.02.2005 und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das SG hat ihr
nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellt § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG dar. Hiernach sind
einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog.
Regelungsanordnung).
Für eine solche Regelungsanordnung fehlt es jedoch am Rechtsschutzbedürfnis. Über die Leistungen gemäß § 22
SGB II ab 01.07.2005 hat die Ag mit dem Schreiben vom 03.02.2005 nicht entschieden. Vielmehr hat sie den Ast mit
diesem Schreiben lediglich auf die gesetzliche Regelung hingewiesen. Ob dem Ast ein Wohnungswechsel, ein
Vermieten oder eine Senkung der Aufwendungen auf andere Weise möglich oder zuzumuten ist, hat die Ag nicht
festgestellt. Es handelt sich bei diesem Schreiben nicht um einen Verwaltungsakt. Auch hinsichtlich evtl.
Umzugskosten enthält dieses Schreiben lediglich Hinweise auf die gesetzliche Regelung. Bei der hiergegen
erhobenen Klage zum SG handelt es sich somit um eine vorbeugende Feststellungsklage hinsichtlich eines zukünftig
erst entstehenden Rechtsverhältnisses, nämlich des Anspruches auf Leistungen ab 01.07.2005. Eine solche
vorbeugende Feststellungsklage ist gegebenenfalls lediglich bei einem überschaubaren, d.h. sich voraussichtlich
realisierenden Sachverhalt und Vorliegen eines berechtigten Interesses gerade an einer baldigen vorbeugenden
Feststellungsklage zulässig (vgl. Meyer-Ladewig/Keller, SGG, 8.Aufl, § 55 RdNr 8 a). Diese Voraussetzungen sind
vorliegend nicht erfüllt. Mangels Bestehen eines Rechtsverhältnisses bezüglich der Zeit ab 01.07.2005 - das
Schreiben vom 03.02.2005 enthält diesbezüglich keine Regelung - und auch wegen fraglicher Zulässigkeit eines
Hauptsacheverfahrens ist der Erlass einer Regelungsanordnung hier nicht angezeigt.
Sollte die Ag zwischenzeitlich über den Zeitraum ab 01.07.2005 entschieden haben, so handelt es sich um ein
eigenständiges Verfahren, im Rahmen dessen der Ast entsprechende Rechtsmittel ergreifen kann. Für das
streitgegenständliche Verfahren fehlt es jedoch am Vorliegen eines bereits streitigen Rechtsverhältnisses.
Die Gewährung des vom Ast beantragten einstweiligen Rechtsschutzes kommt daher nicht in Betracht. Die
Beschwerde gegen den Beschluss des SG Nürnberg ist nach alledem zurückzuweisen.
Außergerichtliche Kosten sind in entsprechender Anwendung des § 193 SGG nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).