Urteil des LSG Bayern vom 07.11.2000

LSG Bayern: diabetes mellitus, leistungsfähigkeit, erwerbsfähigkeit, angina pectoris, arbeitsmarkt, persönlichkeitsstörung, rentenneurose, erwerbsunfähigkeit, ruhe, behinderung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 07.11.2000 (rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 4 Ar 386/94
Bayerisches Landessozialgericht L 5 RJ 58/97
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 19. September 1996 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der am ...1945 geborene Kläger war seit September 1959 bei der Beklagten versicherungspflichtig wegen einer
Vielzahl von Beschäftigungsverhältnissen als Bauarbeiter, Kraftfahrer und Baumaschinenführer; eine Schlosserlehre
wurde nicht abgeschlos- senen. Seit 1975 war der Versicherungsverlauf des Klägers von Ausfall/Anrechnungszeiten
durch Arbeitslosigkeit und Krankheit geprägt. 1992 liegen für die Monate Juli und August, 1993 für Januar keine
Belegung vor.
Am 27.05.1993 stellte der Kläger Antrag auf Rente wegen vermin- derter Erwerbsfähigkeit. Nach der von der
Beklagten im August 1993 in Regensburg durchgeführten Begutachtung war der Kläger an einer abnormen
körperbezogenen seelische Entwicklung erkrankt (Dr.S ..., Neurologe). Der Internist Dr.H ... fand in seinem Gutachten
vom 18.08.1993 u.a. nach Auswertung eines EKG psychovegetative Allgemeinbeschwerden sowie erhebliche
Diskrepanzen zu den Befunden der behandelnden Ärzte Dres.E ... und Hä ... Der Kläger könne zwar nicht mehr als
Berufskraftfahrer und Baumaschinenführer arbeiten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei aber ein vollschichtiges
Leistungsvermögen gegeben. Mit Bescheid vom 01.09.1993 lehnte die Beklagte Rente ab und wies den Widerspruch
des Klägers nach Einholung von Stellung- nahmen des Beratungsarztes Dr.R ... (vom 04.01.1994 und 01.03.1994) mit
Widerspruchsbescheid vom 07.04.1994 zurück, weil keine Erwerbsunfähigkeit vorliege.
Mit seiner Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) hat der Kläger besonders auf seine Erkrankungen auf
neurologisch/psychiatri- schem Fachgebiet (attestiert von Dr.E ...) und seine Umschu- lungsmaßnahme vom
26.01.1981 - 24.04.1981 zum Erwerb der Fahrerlaubnis der Klasse II hingewiesen. Nach dem vom SG am 04.05. 1995
eingeholten Gutachten des Neurologen W.R ... leidet der Klägers an einer depressiven Persönlichkeitsstörung mit
Somatisierung ohne Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht. Der Kläger könne als Pförtner
erwerbstätig sein und sich auf einfache zumutbare Tätigkeiten umstellen. Demgegenüber hat der Neurologen Dr.B ...
in seinen Gutachten vom 28.03.1996 und 20.06.1996 eine schwere Störung der Persönlichkeitsentwicklung mit
aggressiven querulatorischen Anteilen und eine erhebliche Anpassungsstörung neben einer depressiven Entwicklung
mit pseudoneurasthenischem Syndrom sowie eine Einschränkung des Leistungsvermögens auf 2 bis 2,5 Stunden
festgestellt. Um eine Rentenneurose im klassischen Sinne handele es sich nicht, da der Kläger hauptsächlich seine
soziale Benachteilung beseitigt haben wolle. Dr.L ... hat dieser Einschätzung in seiner Stellungnahme vom 23.05.1996
für die Beklagte widersprochen, weil Dr.B ... die zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens nicht schlüssig
begründet habe.
Durch Urteil vom 19.09.1996 hat das SG die Klage abgewiesen und sich dabei auf das Gutachten von W.R ...
gestützt. Der auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbare Kläger habe keinen An- spruch auf Rente wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit.
Mit seiner Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) hat sich der Kläger vor allem auf das Gutachten des Dr.B
... berufen und auch eine wesentliche Verschlechterung gegenüber den von W.R ... erhobenen Befunde behauptet.
Nach Beiziehung von weiteren Berichten des Neurologen Dr.E ... und des Internisten Dr. Hä ... vom September 1998
und Ablehnung eines Heilverfahrens durch die Beklagte (Bescheid vom 01.10.1998) hat das LSG Gutachten des
Internisten Dr.Sch ... und des Neurologen und Psychiaters Dr.V ... eingeholt. Dr.Sch ... stellte im Wesentlichen die
Diagnosen eines Bluthochdruckleidens und einer coronaren Herzerkrankung. Zur genauen Beurteilung der
Herzerkrankung sei eine invasive Diagnostik erforderlich. In seiner Stellungnahme vom 27.07.2000 hat Dr.Sch ...
festgestellt, dass die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Arbeit ohne körperliche
Belastung vollschichtig gegeben sei. Den Begriff der halbschichtigen Leistungsfähigkeit habe lediglich Dr.V ... unter
Berücksichtigung der internistischen Situation eingeführt. Dr.V ... hat eine gründliche soziale und berufliche
Anamnese erhoben und eine Persönlichkeitsstörung mit aggressiven, dissozialen und depressiven Zügen (ICD 10: F
61.0) diagnostiziert. Eine solche Störung sei meist mit deutlichen Einschränkungen der beruflichen und sozialen
Leistungsfähigkeit verbunden. Leistungsmäßig seien beim Kläger leichte körperliche Arbeiten ohne besondere
Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit möglich. Unter Berücksichtigung einer internistisch vorgegebenen
Einschränkung von 4 Stunden sei nur mehr von einer halbschichtigen Leistungsfähigkeit auszugehen. Die Beklagte
hat sich dieser Beurteilung nicht angeschlossen. Der Arzt und Dipl.-Psych. Dr.R ..., auch Internist, Betriebsmediziner,
Sozialmedizin und Psychotherapie, hat in seiner Stellungnahme vom 24.09.1999 ausgeführt, dass es nicht klar
ersichtlich sei, ob Dr.V ... allein von seinem Fachgebiet aus ein vollschichtiges Leistungsvermögen bejahe. Die
psychiatrisch gestellten Einschränkungen für sich allein genommen bedingten keine zeitliche Einschränkung. Dr.V ...
hat am 16.12.1999 klargestellt, dass seiner Beurtei- lung die quantitativ reduzierte Leistungsfähigkeit nach dem in-
ternistischen Gutachten von Dr. Scheininger zugrunde gelegen war. Es sei davon auszugehen, dass bei der
Persönlichkeitsstö- rung des Kläger die Coping- Mechanismen zur Bewältigung krank- heitsbedingter
Leistungseinschränkungen erheblich reduziert seien. Daraus habe er die Schlussfolgerung gezogen, dass nur noch
von einer halbschichtigen Leistungsfähigkeit auszugehen sei. Sollten allerdings von internistischer Seite keine quanti-
tative Leistungseinschränkung vorliegen, wäre psychischerseits eine vollschichtige Einsetzbarkeit mit den
festgestellten qua- litativen Einschränkungen gegeben. Dem hat sich die Beklagte angeschlossen (Stellungnahme
Dr.K ... vom 27.01.2000 Bl.91).
Weitergehende Ermittlungen des LSG zum Ausmaß der coronaren Herzkrankheit sind ergebnislos geblieben. Nach
dem Befundbe- richt des neuen Hausarztes sind weitere Untersuchungen nicht mehr erfolgt und vom Kläger abgelehnt
worden. Die Akte der Versorgungsverwaltung hat bereits seit 1992 ein Krankheitsbild im Sinne eines
Präinfarktsyndroms aufgezeigt. Die GdB - Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz ergaben einen Grad der
Behinderung von 30 für die seelische Störung von 20 für Funktionsbehinderungen an der Wirbelsäule, von 20 wegen
Durchblutungsstörungen des Herzens und jeweils 10 für ein Hämorrhoidalleiden und einen Bauchwandbruch bei einem
Gesamt- GdB von 40 (Bescheid vom 27.01.2000).
Der Kläger stellt den Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Lanshut vom 19.09.1996
sowie des Bescheides vom 01.09.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.1994 zu verurteilen,
ihm ab 01.06.1993 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialge- richts Landshut vom 09.09.1996
zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten erster und zweiter Instanz, die Versicherungs- und
Gutachtensakten der Be- klagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch ansonsten zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat kei- nen Anspruch auf Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit.
Ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit setzt gemäß §§ 43 Abs.1 Nr.2, Abs.3, 44 Abs.1 Nr.2,
Abs.4 SGB VI § 43 SGB VI zunächst voraus, daß die letzten fünf Jahre vor dem Eintritt der Berufs- bzw.
Erwerbsunfähigkeit mindestens drei Jahre mit Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Be- schäftigung oder Tätigkeit
belegt sind oder die Zeit ab 01.01. 1984 bis zum Eintritt von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit mit
Anwartschaftserhaltungszeiten voll belegt ist oder noch be- legbar wäre (§§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB). Der Kläger
hat bis zur Rentenantragstellung diese versicherungsfallnahe Belegungsdichte erfüllt. Die im Jahre 1992 fehlenden
Monate Juli, August, November und Dezember waren zwar wegen des erst im Mai 1993 gestellten Antrages nicht
mehr belegbar (§ 197 Abs.2 SGB VI). Der Kläger hat jedoch zwischenzeitlich als sogenannter sonstiger Versicherter
(§ 3 Abs.1 Nr.3 SGB VI) durch den Bezug von Lohnersatzleistungen (ALHI) ständig neue Anwartschaften über 36
Monate erworben (§§ 43 Abs.1 Nr.2, Abs.3, 44 Abs.1 Nr.2, Abs.4 SGB VI trotz des mit ÄndG v. 15.12.1995
geänderten Wortlauts, vgl. § 305 und Kasseler Kommentar-Niesel, Anmerkungen 17 und 128a zu § 43).
Zu keinem Zeitpunkt bestand jedoch beim Kläger eine verminderte Erwerbsfähigkeit.
Gem. § 44 Abs.2 SGB VI sind Versicherte erwerbsunfähig, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht
absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmä- ßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt
oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (bzw. ab 01.04.1999 einen Betrag
von 630.- DM monatlich) übersteigt. Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall. Alle Sachverständigen - auch Dr.B ... -
hielten noch ein über zweistündiges Erwerbsvermögen (2-2,5 Stunden) für gegeben, womit der Kläger auch mehr als
ein Siebtel des genannten Betrages verdienen kann.
Dem Kläger ist der Arbeitsmarkt aber auch nicht im Sinne der von der Rechtsprechung entwickelten Arbeitsmarktrente
praktisch verschlossen (Beschluss des Großen Senats des BSG vom 10.12. 1996, BSGE 43, 75 = SozR 2200 §
1246 Nr.13). Danach beurteilt sich die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten nicht nur nach der im Gesetz allein
genannten - gesundheitlichen - Fähigkeit, Arbeiten zu verrichten, sondern auch danach, durch Arbeit Erwerb zu
erzielen, was bei einem lediglich zur Teilzeitarbeit fähigen Versicherten nicht mehr der Fall ist. Nach Überzeugung des
Senats besitzt der Kläger ein vollschichtiges Erwerbsvermögen.
Die Feststellung eines solchen Leistungsvermögens stützt der Senat auf die schlüssigen Gutachten der gerichtlichen
Sachver- ständigen Dres. W.R ..., Sch ..., V ... sowie im Wege des Urkundsbeweises der Dres. St ..., L ... und H ...
Danach sind dem Kläger zumindest leichte körperliche Tätigkeiten noch vollschichtig möglich und zumutbar. Das
Gutachten von Dr.B ... ist widerlegt durch das zeitlich spätere Gutachten von Dr.V ... Der Senat kann - ebenso wie
das SG - der Einschätzung von Dr.B ... nicht folgen. Dieser hat die von ihm angenommene Einschränkung des
Leistungsvermögens nicht schlüssig begründet. Er konnte die Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen W.R ...
und die Gutachtens von Dr. St ... und Dr.L ... nicht überzeugend widerlegen, wenn er auf den "Diagnosenpool", die
sozialmedizinische Perspektive (eine Prognose und damit keine Feststellung) und die "psychopathologische
longitutionale Betrachtungsweise" Bezug nimmt. Letzteres ist eine Leerformel, die lediglich die soziale und
wirtschaftliche Situation des Klägers widerspiegelt ohne auf beweiskräftige Gesundheitsstörungen und deren
Überwindbarkeit abzustellen. Die Ausführungen des Sachverständigen Dr.B ... zur Rentenneurose oder
"Schadenszweckneurose" ergehen sich in juristisch-begrifflichen Vorstellungen, die zudem unzutreffend sind. Das
medizinische Fachgebiet betreffend bringt er deutlich zum Ausdruck, dass eine Rentenneurose im klassisch definiert
Sinne nicht besteht. Dem Gutachten fehlt eine Erklärung dafür, warum der Kläger ohne faßbar organische Befunde
keine acht Stunden arbeiten kann. Die neuere Literatur bietet durchaus Anhaltspunkte zur Einschätzung der
Erwerbsbeeinträchtigung durch somatoforme (Schmerz-)Störungen (B. Widder und J. C. Aschoff, somatoforme
Störung und Rentenantrag: Erstellen einer Indizienliste zur quantitativen Beurteilung des beruflichen
Leistungsvermögens, MEDSACH 95, 14ff.; Foerster, a.a.O. FN 9; Konrad, a.a.O. FN 18). Die dort angeführten
Kriterien oder Indizienlisten bzw. eine begründete Gesamtschau bei kritischer Würdigung der geklagten Beschwerden
werden im Gutachten von Dr.B ... trotz eines Umfanges von 33 Seiten nicht daraufhin abgehandelt. Die vom
Sachverständigen angesprochene depressive Störung bzw. ein hirnorganisches Syndrom konnte dieser weder mit der
durchgeführten Testpsychologie noch mit apparativen Tests beweisen. Zudem hätte er sich dabei mit den insoweit
negativen Befunden seines Vorgutachters W.R ... befassen müssen, die sich ihrerseits wieder schlüssig in diejenigen
des Vorgutachters Dr.S ... einfügen. Letzterer hat lediglich eine mässig depressive Verstimmung gefunden.
Demgegenüber hat Dr.V ... klare Antworten gegeben, sich auf den gesamten Akteninhalt und zusätzliche, gründliche
testpsy- chologische Untersuchungen (Dipl.Psych. F.W ...) gestützt und sich mit dem Gutachten von Dr.B ...
auseinandergesetzt. Dabei konnte überzeugend eine hirnorganische Ursache der Persönlichkeitsstörung
ausgeschlossen werden. Dr.V ... hat vor allem anhand der Diagnosestellung der Persönlichkeitsstörung die
Definitionsmerkmale nach ICD 10:F61.0 im Einzelnen geprüft, wozu auch deren Verbindung mit deutlichen
Einschränkungen u.a. der beruflichen Leistungsfähigkeit gehört (Krit. Nr.6). Diese wird überzeugend als mittelschwer
festgestellt mit chronifizertem Verlauf ohne aktuelle Dekompensation bzw. Verschlimmerung. Letzteres zeigt sich
auch nicht in der Arbeitssituation des Klägers. Zeiten der Nichtbeschäftigung liegen über den gesamten
Versicherungsverlauf, saisonal bedingt, vor. Seit 1983 bestanden aber bereits erhebliche Zeiträume der
Arbeitslosigkeit weit vor der Stellung des Rentenantrages. Soweit Dr.V ... eine Einschränkung des zeitlichen
Leistungsvermögens in seinem Gutachten vom 24.08.1999 festgestellt hat, stützt er sich, wie in seiner
Stellungnahme vom 16.12.1999 dargelegt, auf die vom internistischen Gutachter Dr.Sch ... zunächst aufgeführten
Einschränkungen (halbschichtige Beeinträchtigung), die dieser in seiner Stellungnahme vom 27.07.2000 nicht als
bewiesen ansieht.
Auch dies fügt sich wieder schlüssig in die Befunde und Beur- teilung des Vorgutachters Dr.H ... ein. Ein untervoll-
schichtiges Leistungsvermögen läßt sich damit nicht beweisen. Dazu fehlt es zur genauen Einschätzung an
Befunden, die zwar nur mit einem duldungspflichtigen Eingriff erhoben werden können, was aber nach dem Grundsatz
der objektiven Beweislast zulasten des Klägers geht. Die vorliegenden Kardialbefunde lassen nicht den Schluß auf ein
zeitlich reduziertes Leistungsvermögen zu, wie Dr.Sch ... in seiner Stellungnahme vom 27.07.2000 ausführt. Dr.Sch
... auskultierte das Herz, fertigte ein Ruhe-EKG und ein Belastungs-EKG (in der kardiologischen Praxis Dr.Bö ...) an
und stellte die Diagnosen eines Bluthochdruckleidens mit ausgeprägtem Belastungshypertonus, einer coronaren
Herzerkrankung mit Belastungs-Angina-pectoris nach der CCS Klassifikationsstufe III, einer Adipositas, einer großen
Bauchwandhernie, einer Hyperurikaemie und eines Diabetes mellitus Typ II a) leichten Grades. Zur weiteren
Beurteilung der coronaren Herzerkrankung wäre aber seines Erachtens eine invasive Diagnostik erforderlich gewesen,
die der Kläger verweigerte. Eine objektive Symptomatik lag im Rahmen des Ruhe- und Belastungs- EKG nicht vor.
Nur wegen der glaubhaft geschilderten Symptomatik, insbesondere des reprodu- zierbaren Nitroeffekts hielt er die
Leistungsfähigkeit auf leichte Arbeit ohne körperliche Belastung eingeschränkt dies aber noch vollschichtig. Kann der
Versicherte seinen bisherigen Beruf nicht mehr, aber vollschichtig körperlich leichte Tätigkeiten, wenn auch nur mit
bestimmten Einschränkungen, ausüben, ist die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit nur erforderlich, wenn
u.a. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, z.B. beson- dere Schwierigkeiten hinsichtlich der
Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.104, 117). Ein derartiges
Ausmaß der Persönlichkeitsstörung des Klägers ergibt sich aus dem Gesamtergebnis des Sachverhalts und
insbesondere der eingeholten Gutachten nicht. Obwohl der Kläger bereits seit 1983 immer wieder für längere Zeit
arbeitslos ge- wesen ist, hat er neue Arbeitsstellen gefunden. 1993 hielt Dr. St ... den Kläger noch für geeignet,
Tätigkeiten mit kurzer Anlernzeit ausüben zu können, 1995 führte W.R ... aus, dass der Kläger sich auf einfache
zumutbare Tätigkeiten umstellen könne, und 1999 hielt Dr.V ... in seiner ergänzen Stellungnahme noch eine
vollständige Einsetzbarkeit unter qualitativen Leistungseinschränkungen für gegeben. Deshalb hat der Senat keine
Zweifel daran, daß der Kläger imstande ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumindest leichte Tätigkeiten auf-
nehmen zu können. In Übereinstimmung mit Dr.R ... in seiner Stellungnahme vom 24.09.1999 sind dem Kläger leichte
körperliche Arbeiten vollschichtig zumutbar, zumindest, wenn sie überwiegend im Sitzen durchgeführt würden. Damit
ist beispielsweise die Möglichkeit gegeben, kleinere Werkstücke zu sortieren.
Das Arbeitsmarktrisiko, das nach der bisherigen Rechtsprechung für den Personenkreis des Klägers (neben den
gesundheitlichen Einschränkungen Risikofaktoren wie Langzeitarbeitslosigkeit und vorgerücktes Alter oder
mangelhafte Ausbildung) von der Bundes- anstalt für Arbeit, soweit noch Arbeitslosengeld zu zahlen ist, vom
Bundeshaushalt, soweit Arbeitslosenhilfe zu zahlen ist, und im übrigen von den Sozialhilfeträgern getragen wird, ist
nicht auf den Rentenversicherungsträger zu verlagern (Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996, Az:
GS 2/95; zweites Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (2. SGB VI-ÄndG) vom 02.05.1996 ).
Die Neufassung des Rechts der Arbeitsförderung und der Arbeitslosenversicherung 1997 sieht gerade für diesen
Personenkreis eine besondere Förderung vor (vgl. zum Beispiel Regelungen zur Vermeidung von
Langzeitarbeitslosigkeit in § 6 SGB III, besonderer Begriff des Langzeitarbeitslosen in § 18 SGB III und Vorschriften
zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten in §§ 48 ff. SGB III).
Da der Kläger mehr als die Lohnhälfte verdienen kann, weil er noch vollschichtig erwerbsfähig auf dem allgemeinen
Arbeits- markt ist, und - wie noch erläutert wird - er keinen qualifi- zierten Berufsschutz genießt, besteht auch kein
Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Nach seiner eigenen Auskunft vor dem SG vom 17.10.1994 war der Kläger zuletzt Kraftfahrer bzw. Lkw -Fahrer auf
Baustellen, zu- letzt jeweils kurzfristig bei verschiedenen Arbeitgebern. Als Baumaschinenführer habe er "kein
Zeugnis" und eine Prüfung nur als Kraftfahrer. Dabei handelt es sich um eine Umschulungsmaßnahme zum Erwerb
der Fahrerlaubnis der Klasse 2 mit berufs- praktischer Unterweisung in der Zeit vom 26.01. bis 24.04. 1981. Im
Ergebnis zu Recht hat daher auch das SG eine Einstu- fung in der Berufsebene der Angelernten angenommen; sie
kann nach Ansicht des Senats bei dem gegebenen Sachverhalt auch nicht in der Stufe der Angelernten des oberen
Bereichs/Ober- angelenten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr.45, SozR 2200 § 1246 Nr.132, 143) erfolgen. Dafür
liegen keine Anhaltspunkte, insbesondere nicht nach den eigenen anamnestischen Angaben des Klägers vor. Die
Einschränkung der Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt für die Angelernten des oberen Bereichs (vgl.
BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr.45, SozR 2200 § 1246 Nr.132, 143) insofern, als Verweisungstätigkeiten mit qualitativ
ganz geringem Wert (z.B. Reiniger, Platzanweiser, Parkplatzwäch- ter) ausscheiden, gilt damit für den Kläger nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs.1 Nrn.1 und 2 SGG) sind nicht ersichtlich.