Urteil des LSG Bayern vom 17.03.2010
LSG Bayern: altersrente, versicherungsverhältnis, auflösung, wartezeit, verfall, funk, altersgrenze, akte, form
Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 17.03.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bayreuth S 7 R 213/03
Bayerisches Landessozialgericht L 19 R 187/08
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.10.2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger trotz erfolgter Beitragserstattung einen Anspruch auf
Regelaltersrente gegen die Beklagte hat.
Der 1947 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Türkei. Er war vom 05.02.1973 bis
09.07.1984 in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Aufgrund eines Antrags vom 14.02.1984
erstattete die Beklagte mit Bescheid vom 14.12.1984 die geleisteten Beiträge in Höhe von 22.302,14 DM. Im Jahre
2002 beantragte die Kläger die Gewährung von Altersrente. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom
13.11.2002 ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde sodann mit Widerspruchsbescheid vom 28.02.2003 als
unbegründet zurückgewiesen. Dem Kläger seien die zur deutschen Rentenversicherung entrichteten Beiträge erstattet
worden. Das Versicherungsverhältnis sei aufgelöst, so dass aus den erstatteten Beiträgen keine
Versicherungsleistungen mehr erfolgen könnten. Die dagegen zum Sozialgericht Bayreuth am 22.03.2003 erhobene
Klage ist durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 16.10.2007 als unbegründet abgewiesen worden. Zur
Begründung der dagegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung hat der Kläger vorgetragen, er habe
einen Anspruch auf Altersrente aus den nicht erstatteten Beiträgen der Arbeitgeber.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.10.2007 sowie den Bescheid der
Beklagten vom 13.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2003 aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, ihm Altersrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten
erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber
unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 13.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
28.02.2003 einen Anspruch des Klägers auf Altersrente abgelehnt.
Ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Altersrente setzt gemäß § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB
VI) voraus, dass er die Altersgrenze erreicht hat und die allgemeine Wartezeit von fünfJahren erfüllt ist (§ 50 Abs 1
Satz 1 Nr 1 SGB VI). Der Kläger kann aber keine auf die Wartezeit anrechenbaren Versicherungszeiten mehr
nachweisen, denn die von ihm aufgrund der versicherungspflichtigen Tätigkeit geleisteten Beiträge für die Zeit vom
05.02.1973 bis 09.07.1984 wurden von der Beklagten auf seinen Antrag vom 14.02.1984 hin in Höhe von 22.302,14
DM erstattet. Durch die Erstattung sind die vom Kläger zurückgelegten Beitragszeiten verfallen, das
Versicherungsverhältnis ist aufgelöst worden. Auch aus den nicht erstatteten Arbeitgeberbeiträgen zur
Rentenversicherung kann ein Anspruch auf Regelaltersrente nicht hergeleitet werden.
Da dem Kläger die Beiträge vor dem 01.01.1992 erstattet wurden, ist § 1303 Reichsversicherungsordnung (RVO)
anzuwenden, denn § 210 SGB VI ist erst auf Beitragserstattungen ab dem 01.01.1992 anzuwenden (Art 85 Abs 1
Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992 - vom 18.12.1989, BGBl I S.2261 iVm Art 42 Rentenüberleitungsgesetz - RÜG
- vom 25.07.1991 BGBl I S.1606, vgl. Kassler Kommentar - Gürtner § 210 SGB VI Rdnr 28 mwN). Gemäß § 1303 Abs
1 Satz 1 RVO sind dem Kläger auf Antrag die Hälfte der für die Zeit nach dem 20.06.1948 im Bundesgebiet
entrichteten Beiträge zu erstatten. Dies ist hier aufgrund des Bescheides vom 14.12.1984 erfolgt. Gründe, die für eine
Unwirksamkeit der Erstattung sprechen, sind nicht erkennbar und werden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
Unstreitig steht somit fest, dass die vom Kläger während seiner versicherungspflichtigen Tätigkeit in der
Bundesrepublik Deutschland geleisteten Beiträge erstattet worden sind.
Gemäß § 1303 Abs 7 RVO schließen diese Beitragserstattungen weitere Ansprüche aus den zurückliegenden
Versicherungszeiten aus. Weitere - spätere - rentenrechtliche Zeiten hat der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland
nicht zurückgelegt. Die durchgeführten Beitragserstattungen führen dabei nicht nur zur Auflösung des beim
Rentenversicherungsträgers aufgelaufenen Guthabens der erstattungsfähigen Beiträge, sondern zur rückwirkenden
Löschung des Versicherungsverhältnisses als solchem in seiner Gesamtheit (vgl. Kassler Kommentar - Funk § 1303
RVO Rdnr 28 mwN) bzw. in leistungsrechtlicher Hinsicht zum Verfall der bis dahin zurückgelegten
Versicherungszeiten (BSG vom 18.02.1981 - 1 RJ 134/79 - SozR 2200 § 1303 Nr 18 bezüglich der Heiratserstattung
nach § 1304 Abs 1 RVO a.F.). Die Beitragserstattung nach § 1303 RVO hat die Auflösung des
Versicherungsverhältnisses als Rechtsfolge, ohne dass dies in dieser Vorschrift ausdrücklich bestimmt war (vgl. dazu
BSG vom 16.01.1968 - 11 RA 290/66 - SozR Nr 66 zu 1246). Auch der Fortfall der Ansprüche aus den bis zur
Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten (§ 54 SGB VI) entspricht weitgehend dem bisherigen Recht (vgl.
Finke in: Hauck-Heines, SGB VI § 210 Rdnr 20). Zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht somit kein
Versicherungsverhältnis mehr, aus dem Ansprüche hergeleitet werden könnten. Die Rechtsbeziehungen zwischen
dem Kläger und der Beklagten sind mit der Beitragserstattung endgültig beseitigt.
Mangels Versicherungsverhältnis kann sich auch kein Anspruch auf eine Rente allein aus den nicht erstatteten
Arbeitgeberbeiträgen zur Rentenversicherung ergeben. Der Kläger kann sich insoweit nicht auf eine Verletzung von
Grundrechten berufen. Das Bundesverfassungsgericht und das Bundessozialgericht haben bereits wiederholt
festgestellt, dass der Kläger aus den nicht erstatteten Beitragsanteilen des Arbeitsgebers allein keine
eigentumsrechtlich geschützten Anwaltschaften erlangt, die über Art 14 des Grundgesetzes (GG) geschützt wären
(vgl. BVerfG vom 24.11.1986 - 1 BVR 772/85 - SozR 2200 § 1303 Nr 34; BSG vom 18.02.1981 - 1 RJ 134/79 - SozR
2200 § 1303 Nr 18, BSG vom 04.10.1979 - 1 RA 83/78 - SozR 2200 § 1303 Nr 14). Ein Verstoß gegen andere
Grundrechte des Klägers, insbesondere den Gleichheitssatz von Art 3 GG ist ebenfalls nicht zu erkennen. Die
Beitragserstattung führt bei allen Versicherten zu einer Auflösung des Versicherungsverhältnisses und damit in
leistungsrechtlicher Hinsicht zu einem Verfall der bis dahin zurückgelegten Versicherungszeiten, sodass ein
verfassungsrechtlich relevanter Tatbestand der Ungleichbehandlung nicht gegeben ist (vgl. auch BVerfG vom
16.06.1981 - 1 BVR 445/81 - SozR 2200 § 1303 Nr 19). Das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.10.2007, das
die Klage gegen den Bescheid vom 13.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2003 als
unbegründet abgewiesen hat, ist somit rechtlich nicht zu beanstanden. Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.