Urteil des LSG Bayern vom 09.07.2003

LSG Bayern: behörde, erwerbsfähigkeit, berufsunfähigkeit, beratungspflicht, umwandlung, verwaltungshandeln, unterlassen, krankenversicherung, verwaltungsverfahren, arbeitsamt

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 09.07.2003 (nicht rechtskräftig)
S 6 RJ 3/96
Bayerisches Landessozialgericht L 20 RJ 622/02
Bundessozialgericht B 5 RJ 48/03 R
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.10.2002 abgeändert und die
Beklagte verurteilt, der Klägerin Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01.11.1993 zu zahlen. Im Übrigen wird die
Berufung zurückgewiesen. II. Die Beklagte hat der Klägerin 1/4 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. III. Die
Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind zwischen den Beteiligten Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) anstelle von Leistungen wegen
Berufsunfähigkeit (BU) und ein früherer Rentenbeginn.
Die am 1945 geborene Klägerin hat den Beruf einer Friseurin erlernt und führte von 1977 bis 1993 als Friseurmeisterin
einen eigenen Betrieb, den sie zum 31.10.1993 abmeldete. Am 29.11.1994 beantragte sie Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte nahm die Unterlagen der BG für Gesundheit und Wohlfahrtspflege bei und ließ die
Klägerin durch den Internisten Dr.H. untersuchen, der im Gutachten vom 24.08.1995 eine Kontaktsensibilisierung vom
verzögerten Typ gegenüber gewissen beruflichen Allergenen feststellte. Deshalb könne die Klägerin ihren Friseurberuf
nicht mehr ausüben; sie erscheine jedoch für leichte und mittelschwere Arbeiten voll einsetzbar ohne inhalative
Belastung durch chemische Reizstoffe. Im Anschluss an dieses Gutachten bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom
08.09.1995 Rente wegen BU ab 01.12.1994. Dabei ging sie davon aus, dass die Anspruchsvoraussetzungen seit dem
29.11.1994 (Rentenantrag) erfüllt seien.
Der gegen diesen Bescheid am 29.09.1995 erhobene Widerspruch, mit dem die Klägerin Leistungen wegen EU und
einen früheren Rentenbeginn beantragte, war erfolglos.
Im anschließenden Klageverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, ihr stünden die beantragten Leistungen früher
zu, nachdem die bei ihr vorliegende Allergie schon im Oktober 1993 aufgetreten sei. Den Rentenantrag habe sie aber
erst nach Sicherung der Diagnose stellen können.
Das Sozialgericht Würzburg (SG) hat von Amts wegen den Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und
Allergologie - Technische Universität M. - Prof. Dr.med.Dr.phil.R. gehört, der das Gutachten vom 14.11.1997 erstattet
hat. Aus dermatologischer Sicht hat er ein vollschichtiges Einsatzvermögen angenommen bei Beachtung bestimmter
Funktionseinschränkungen. Zu dieser Beurteilung, dass die Klägerin vollschichtig einsatzfähig sei, ist auch der auf
ihren Antrag gehörte Sachverständige Dr.B. von der Fach- und Reha-Klinik für Allergie, Haut- und
Atemwegserkrankungen in I. im Gutachten vom 15.12.2000 gelangt. In dem weiter von Amts wegen eingeholten
psychiatrischen Gutchten ist Dr.N. von der Nervenklinik B. (Gutachten vom 22.02.2002) zu dem Ergebnis gelangt,
dass auf psychiatrischem Gebiet eine sogenannte Panikstörung und ein körperbezogener Wahn vorliege. Auch Dr.N.
hat ein vollschichtiges Leistungsvermögen angenommen für leichte und mittelschwere Arbeiten.
Mit Urteil vom 24.10.2002 hat das SG die Beklagte verurteilt, den Leistungsfall der BU auf den 31.10.1993 zu legen
und die Rente wegen BU in gesetzlicher Höhe ab 01.11.1994 zu gewähren. Dabei ist das SG davon ausgegangen,
dass nach § 99 Abs 1 Satz 2 SGB VI eine Rente erst ab 01.11.1994 zu leisten sei, nachdem der Rentenantrag am
29.11.1994 gestellt worden sei. Die von der Klägerin geltend gemachte Beratung durch die Beklagte im Hinblick auf
die Änderung in der gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner (KVdR) zum 01.01.1994 dahingehend, dass die
Klägerin einen Rentenantrag stellen sollte, sei nicht veranlasst gewesen. Eine Falschberatung könne mangels
entsprechender Fragestellung durch die Klägerin ausgeschlossen werden.
Mit Bescheid vom 17.12.2002 hat die Beklagte das Urteil ausgeführt.
Im Berufungsverfahren begehrt die Klägerin weiterhin Rente wegen BU/EU ab 31.10.1993. Ihre Erkrankung sei schon
früher aufgetreten, die ersten Anzeichen hätten 1986 begonnen. Auch sei sie seit 1993 bis heute im Krankenstand.
Sie habe seit September 1993 in keiner Form erwerbstätig sein können. Sie hätte den Rentenantrag auch schon im
Jahre 1993 gestellt, wenn nicht der zuständige Sachbearbeiter der LVA die erforderliche Aufklärung unterlassen hätte.
Sie habe daher einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gegen die Beklagte.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des SG Würzburg vom 24.10.2002 abzuändern und den Bescheid der Beklagten
vom 08.09.1995 idG des Widerspruchsbescheides vom 18.12.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, eine
Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 01.11.1993 zu zahlen. Hilfsweise wird beantragt, die Rente wegen
Berufsunfähigkeit bereits ab 01.11.1993 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Dazu trägt die Beklagte vor, aus den Schriftsätzen der Klägerin ergäben sich keine neuen Erkenntnisse. Die Beklagte
verweist daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf die erstinstanzliche Urteilsbegründung und die Ausführungen
im angefochtenen Bescheid bzw Widerspruchsbescheid.
Beigezogen ist neben den Verwaltungsunterlagen der Beklagten und den Streitakten erster und zweiter Instanz die
frühere Berufungsakte des BayLSG L 5 Ar 678/93, außerdem die Berufungsakte des BayLSG L 4 Kr 103/02. Im
letztgenannten Verfahren haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 22.05.2003 einen Vergleich
geschlossen, nach dem sich die Beklagte (AOK Bayern) bereit erklärte, die Klägerin bereits ab 01.11.1995 als KVdR-
Mitglied zu führen und überzahlte Beiträge zu erstatten. Dabei ging der Vorsitzende des 4. Senats des BayLSG davon
aus, dass seitens der Beklagten zu dem Zeitpunkt, als die Geschäftsaufgabe der Klägerin bekannt geworden sei, ein
Hinweis auf die drohende Verschlechterung, die Mitgliedschaft in der KVdR zu erlangen, hätte erfolgen müssen. Allein
die Beschränkung auf mögliche Altersrentner habe nicht dem tatsächlichen Diskussionsstand entsprochen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetztes - SGG -) und
auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).
Das Rechtsmittel erweist sich mit dem Hilfsantrag auch als begründet. Auf diesen Antrag der Klägerin war das Urteil
des SG Würzburg vom 24.10.2002 sowie der diesem zugrunde liegende Bescheid vom 08.09.1995 idG des
Widerspruchsbescheides vom 18.12.1995 und der dieses Urteil ausführende Bescheid vom 17.12.2002, der gemäß §
96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Rente wegen
Berufsunfähigkeit - BU - bereits ab 01.11.1993 zu zahlen. Denn die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf
Leistungen wegen BU ab dem genannten Zeitpunkt (im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs). Im
Übrigen ist die Berufung jedoch unbegründet, soweit anstelle der gewährten Rente wegen BU eine Rente wegen EU
begehrt wird.
Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist anerkannt, wenn der auf
Herstellung in Anspruch genommene Leistungsträger eine Pflicht aus dem Sozialrechtsverhältnis, die ihm dem
Anspruchssteller gegenüber obliegt, objektiv rechtswidrig nicht oder schlecht erfüllt hat. Diese Pflichtverletzung muss
(als wesentliche Bedingung) einen sozialrechtlichen Nachteil verursacht, d.h. zu Lasten des Betroffenen ein Recht
(z.B. eine frühere Rentengewährung) vereitelt haben, das ihm ohne die Pflichtverletzung zugestanden hätte. Darüber
hinaus ist zu prüfen, ob sich der behauptete Nachteil nach Art und Entstehungsweise aus einer Gefahr entwickelt hat,
zu deren Abwendung die verletzte konkrete Pflicht diente. Die verletzte Pflicht muss (mit anderen Worten) darauf
gerichtet sein, den Betroffenen iS eines inneren Zusammenhangs vor den eintretenden Nachteilen zu bewahren. Nur
wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann der Betroffene vom Leistungsträger verlangen, so gestellt zu werden,
als stehe ihm das beeinträchtigte Recht noch in vollem Umfang zu (vgl aus der Rechtsprechung des BSG: SozR 2100
§ 27 Nr 2; SozR 3-4100 § 103 Nr 8; SozR 5070 § 10 Nr 31). Zu den Obliegenheiten, deren Verletzung den
Herstellungsanspruch begründen kann, gehört insbesondere die Pflicht zur Auskunft und Beratung nach §§ 14 und 15
SGB I. Zu verlangen ist vom Leistungsträger eine dem konkreten Anlass entsprechende "verständnisvolle Förderung"
der Interessen des Betroffenen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist aber nur dann anerkannt, wenn es an
gesetzlichen Regelungen fehlt (vgl BSG Beschluss vom 28.01.1999 in Breith 99, 989).
Zwar kann sich die Klägerin bzgl ihres Antrags nicht auf ein Fehlverhalten der Beklagten berufen. Denn insoweit ist
ein Fehlverhalten der Beklagten nicht nachgewiesen. Aktenkundig ist in der Zeit unmittelbar vor dem Rentenantrag am
29.11.1994 lediglich ein Antrag der Klägerin auf Umwandlung von freiwilligen Beiträgen in Pflichtbeiträge (Antrag von
Pflegepersonen, den die Klägerin am 16.03.1992 gestellt hat und der von der Beklagten am 03.09.1992 verbeschieden
wurde). Weiterhin aktenkundig sind der Bescheid der Beklagten vom 08.01.1993, wiederum betreffend die
Umwandlung von freiwilligen Beiträgen in Pflichtbeiträge sowie ein Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom
23.03.1993 zur Frage von Pflegeberücksichtigungszeiten von Selbständigen sowie die Bescheide vom 03.05.1993
und 30.09.1993 wiederum betreffend die Umwandlung von freiwilligen Beiträgen in Pflichtbeiträge und die Anerkennung
von Pflegeberücksichtigungszeiten. Nicht aktenkundig ist dagegen ein von der Klägerin geltend gemachtes Schreiben
an die Beklagte etwa wegen Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in der Zeit vor der Rentenantragstellung
am 29.11.1994.
Da nicht Schadensersatz sondern die Richtigkeit des Verwaltungshandelns das Ziel des Herstellungsanspruchs ist,
kann dieser aber auch auf Fehler anderer Behörden gestützt werden, z.B. wenn diese in das Verwaltungsverfahren
eingebunden waren (BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 22). Der Behörde wird durch den Herstellungsanspruch bei Fehlern
anderer Behörden keine zusätzliche Leistungspflicht auferlegt. Sie wird nur verpflichtet, das zu leisten, was sie bei
ordnungsgemäßem Verwaltungsverfahren auch hätte leisten müssen. Sie wird also trotz der Fehler der anderen
Behörde in die Lage versetzt, ihre Aufgabe vollständig und richtig zu erfüllen. Welcher Art der Fehler ist und wer ihn
begangen hat, ist letztlich unbeachtlich. Auch Fehler von Vertrauensleuten oder sonstigen Personen, die Kraft
Satzung oder Auftrag mit Beratungsaufgaben betraut werden, lösen einen solchen Anspruch aus (BSG SozR 5755 Art
2 § 1 Nr 3).
Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Beratungspflichten von Sozialleistungsträgern und unter
Umständen auch anderen Behörden außerhalb ihres primären Aufgabenkreises auch dort bestehen, wo die primären
Aufgaben mit Aufgaben anderer Sozialleistungsträger verzahnt sind (BSG SozR 1200 § 14 Nr 13, 19, 28, 29; SozR 3-
4100 § 105 a Nr 2). Das ist zum einen dann der Fall, wenn die andere Behörde kraft gesetzlicher Vorschrift in ein
Verfahren eingebunden ist, wie dies bei der Krankenversicherung der Rentner der Fall ist (BSG SozR 2200 § 381 Nr
44; SozR 1200 § 14 Nr 13). Die Rechtsprechung ist aber inzwischen über diese Fälle hinausgegangen und hat eine
Beratungspflicht dort bejaht, wo ein Konkurrenzverhältnis zwischen zwei Leistungen besteht. Inzwischen ist der
Gedanke der Beratungspflicht und des Herstellungsanspruchs dahin weiter entwickelt worden, dass eine andere
Behörde auch dann beraten muss, wenn die Zuständigkeit beider Behörden in einer materiellen Frage miteinander
verknüpft ist und die andere Behörde im Zeitpunkt des Beratungsbedarfs der "aktuelle Ansprechpartner" ist (BSG
SozR 3-1200 § 14 Nr 22). Angesprochen sind z.B. Fälle, in denen das Arbeitsamt als einzige Stelle in Betracht
kommt, die den Arbeitslosen vor Schäden in der Rentenversicherung bewahren kann. Das BSG hat ferner
entschieden, dass das Arbeitsamt bei Ablehnung eines Antrags auf Arbeitslosengeld im Jahre 1984 den Versicherten
darauf hinweisen musste, dass freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung notwendig waren, um im Hinblick auf die
besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen die Anwartschaft auf Berufsunfähigkeits-
/Erwerbsunfähigkeitsrente zu erhalten.
Im Hinblick auf diese Rechtsprechung nimmt der Senat einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch der Klägerin
dahingehend an, dass die AOK die Klägerin auf die Stellung eines Rentenantrags wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit hätte hinweisen müssen. Nachgewíesen ist nämlich, dass sich die Klägerin im Jahre 1993 darum
bemühte, in die für sie günstigere KVdR aufgenommen zu werden. Sie hat deshalb bei der AOK vorgesprochen.
Seitens der AOK wurde dabei aber nicht auf die Möglichkeit der Rentenantragstellung wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit bis zum 31.12.1993 hingewiesen, was jedoch erforderlich gewesen wäre, wenn die Klägerin, die
während ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit freiwillig krankenversichert war, in die bis 31.12.1993 für sie zugängliche
KVdR aufgenommen werden wollte (vgl Art 56 Abs 3 Halbs 2 Gesundheitsreformgesetz 1993 = GRG). Insoweit
schließt sich der erkennende Senat der Auffassung des 4. Senates des BayLSG in der Berufungssache L 4 KR
103/02 an, die zu dem oben angeführten Vergleich vom 22.05.2003 geführt hat. Ausgangspunkt für den Abschluss
dieses Vergleichs war nämlich, dass es die AOK unterlassen hat, die Klägerin im Hinblick auf deren gesundheitlichen
Probleme und das Bekanntsein der Geschäftsaufgabe durch die Klägerin am 31.10.1993 auf die Möglichkeit einer
Antragstellung auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hinzuweisen. Dieses fehlerhafte Verwaltungshandeln
der AOK hat Folgen für die Rechtsstellung der Klägerin herbeigeführt, die bei einer pflichtgemäßen Beratung nicht
eingetreten wären. Das Beratungsbedürfnis der Klägerin lag auch offen zu Tage, da sie beabsichtigte, in die KVdR
aufgenommen zu werden. Die AOK hätte somit die Klägerin nicht nur auf die Möglichkeit einer Altersrente hinweisen
dürfen. Infolge dieser mangelhaften Beratung hat es die Klägerin unterlassen, rechtzeitig, d.h. vor dem 01.01.1994
einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu stellen.
Der Herstellungsanspruch scheitert vorliegend auch nicht daran, dass mögliche Mängel der Beratung nicht der
Beklagten, sondern der AOK anzulasten wären. Der Herstellungsanspruch hat seine Wurzel im
Folgenbeseitigungsanspruch, der auf Restitution gegenüber rechtswidrigem Verwaltungshandeln gerichtet ist. Mit ihm
kann deshalb auch nur die Herstellung eines Rechtszustandes verlangt werden, der bei ordnungsgemäßem, an der
Verwirklichung des Gesetzes zweckorientierten Verwaltungshandeln bestehen würde. Ist aber der
Herstellungsanspruch lediglich ein Instrument zur Erreichung und Sicherung des Gesetzeszwecks, so kann die
organisatorische Verlagerung von Teilen eines Verwaltungsverfahrens auf eine andere Behörde grundsätzlich kein
entscheidendes Argument gegen die Begründetheit des Anspruchs sein. Die letztlich zur Herstellung verpflichtete
Behörde - hier die Beklagte - hat jedenfalls kein berechtigtes Interesse, den Herstellungsanspruch daran scheitern zu
lassen, dass er auf Fehlern einer anderen Behörde beruht (vgl hierzu BSG SozR 2200 § 381 Nr 44).
Die mangelnde Beratung durch den aktuellen Ansprechpartner (hier die AOK) muss sich die Beklagte im Hinblick auf
die oben angeführte Rechtsprechung des BSG anrechnen lassen. Eine Beratungspflicht wurde in ähnlichen Fällen nur
dort verneint, wo keine Verknüpfung von Leistungen besteht und lediglich zwei Ansprüche aus verschiedenen
Rechtsgebieten nebeneinander in Betracht kommen (BSG SozR 1200 § 14 Nr 26). Verneint hat das BSG eine
Beratungspflicht auch dort, wo Behörden Auskünfte außerhalb ihrer Zuständigkeit gegeben haben (BSG SozR 1200 §
14 Nr 19; SozR 3-1200 § 14 Nr 8). Diese Rechtsprechung ist jedoch vorliegend nicht einschlägig.
Der Senat bejaht daher das Vorliegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu Gunsten der Klägerin. Die
Folge ist die Herbeiführung des Zustandes, der bestehen würde, wenn sich der Leistungsträger rechtmäßig verhalten
hätte. Der rechtmäßige Zustand ist dabei derjenige, der bestehen würde, wenn die Behörde die ihr aus dem
Versicherungsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Dies bedeutet: Die
Klägerin ist so zu stellen, als hätte sie vor dem 01.01.1994 Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit gestellt. Für die Klägerin heißt dies, sie hätte nach rechtmäßiger und vollständiger Beratung durch
die AOK Rente beantragt, entweder bei der AOK oder aber nach der Beratung durch die AOK bei der Beklagten. Der
Rentenantrag wäre somit vor dem 01.01.1994 gestellt worden und das Ziel der Klägerin, in die KVdR vor diesem
Zeitpunkt aufgenommen zu werden, wäre erreicht worden. Bezüglich des Leistungsfalles der BU schließt sich der
Senat der Auffassung des SG im angefochtenen Urteil an. Danach ist BU bei der Klägerin am 31.10.1993 eingetreten
mit der Abmeldung des Gewerbebetriebes. Leistungen wegen BU sind nach § 99 Abs 1 Satz 1 SGB VI ab 01.11.1993
zu zahlen.
Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen. Denn der Klägerin stehen Leistungen wegen EU nicht zu. Insoweit
schließt sich der Senat den Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil an und sieht von einer weiteren
Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs 2 SGG.
Die Kostenentscheidung gem. § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung nur zu einem Teil erfolgreich
war.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1
SGG).