Urteil des LSG Bayern vom 09.11.2005
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Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 09.11.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 17 LW 9/03
Bayerisches Landessozialgericht L 16 LW 29/04
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12. August 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der 1946 geborene Kläger ist seit 01.09.1968 als Landwirt bei der Beklagten versichert. Seit dem 01.10.1976 legt er
als Weiterversicherter Versicherungszeiten mit Beitragspflicht zurück, wobei erhebliche Beitragsrückstände bestehen.
Der Kläger ist arbeitslos und bezog Hilfe zum Lebensunterhalt. Nunmehr erhält er Leistungen nach dem SGB II.
Am 30.08.2001 stellte er Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Im Antragsformular gab er an, sich
selbst zu therapieren, da er von der gesetzlichen Krankenversicherung im Oktober 1992 mangels Beitragszahlung
ausgeschlossen worden sei. Er hält sich für erwerbsunfähig aufgrund von Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck,
Kreislaufstörungen, einer Bronchitis, einem Wirbelsäulenleiden und einem im Januar 1986 erlittenen Lungen-, Leber-
und Gallenblasentrauma.
Die Beklagte wies den Antrag durch den Bescheid vom 13.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
07.01.2003 zurück.
Die Beklagte hatte zuvor ein Gutachten des Dr.B. vom 07.11. 2001 eingeholt. Der Arzt stellte die Diagnosen des
Verdachts auf eine Persönlichkeitsstörung/Psychose und auf ein Wirbelsäulenleiden und regte eine orthopädische
sowie psychiatrische Begutachtung an. Eine psychiatrische Begutachtung lehnte der Kläger jedoch ab. Der daraufhin
beauftragte orthopädische Sachverständige Dr.R. (Gutachten vom 14.03.2002) stellte die Diagnose "beginnende
Osteochondrose der HWS, Spondylose der Brustwirbelsäule". Einsatzfähigkeit bestünde für leichte bis mittelschwere
Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden täglich und darüber hinaus.
Im Widerspruchsverfahren war der Kläger nochmals zu einer psychiatrischen Begutachtung geladen worden. Der
Aufforderung zum Erscheinen kam der Kläger nicht nach.
Gegen die ablehnende Entscheidung hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Regensburg erhoben. Er weist darauf
hin, dass Bedienstete der ehemaligen Deutschen Bundespost und der Bundesbahn schon wegen wesentlich
geringerer Gesundheitsstörungen rentenmäßig versorgt worden seien.
Das Sozialgericht hat ein internistisches Sachverständigengutachten durch Dr.H. G. vom 27.01.2004 nach
persönlicher Untersuchung veranlasst. Dort schilderte der Kläger, er habe einen Bluthochdruck; außerdem komme es
zu Atembeschwerden bei körperlicher Belastung, wie z.B. Dauerlauf. Er habe Dauerschmerzen im linken Hüftgelenk,
was sich allerdings in den letzten Jahren etwas gebessert habe. Zeitweilig leide er auch unter Kreuzschmerzen bei
körperlicher Belastung.
Der Sachverständige diagnostizierte das Vorliegen folgender Gesundheitsstörungen:
1. Verschleißschäden an der Wirbelsäule, derzeit kein Nachweis einer stärkeren Funktionseinschränkung, 2.
medikamentös gut kompensierter arterieller Bluthochdruck, 3. chronische Atemwegserkrankung geringer Ausprägung
bei Niko tinkonsum, 4. diffuser Leberparenchymschaden ohne Einschränkung der Syn theseleistung der Leber, 5.
Adipositas Grad II 6. Hypercholesterinämie.
Der Kläger könne noch regelmäßig leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten in wechselnder Haltung und in
geschlossenen Räumen ausüben. Übermäßige nervliche Belastungen, Einwirkung von Bronchialreizstoffen,
Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefährdung und mit stärkeren Belastungen des Stütz- und Bewegungsapparates
(häufiges Bücken, Heben und Tragen schwerer Las-ten, Zwangshaltungen) seien zu vermeiden. Der Kläger könne
unter Beachtung dessen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich noch mindestens
sechs Stunden Arbeiten verrichten. Eine nervenärztliche Begutachtung hielt der Sachverständige für nicht erforderlich.
Daraufhin wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 12.08.2004 ab. Dabei stützte es sich auf die
Leistungsbeurteilung des Sachverständigen Dr.G ...
Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Der Kläger lässt durch seinen früheren
Bevollmächtigten vortragen, dass er nach wie vor der festen Überzeugung sei, dass ihm eine mindestens
sechsstündige Erwerbstätigkeit gleich welcher Art nicht abverlangt werden könne. In Kenntnis der Schwierigkeiten im
Rahmen des Vorverfahrens werde dennoch angeregt, den Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet von Amts wegen
untersuchen zu lassen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.08.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom
13.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2003 aufzuheben sowie die Beklagte zu
verurteilen, dem Kläger auf den Antrag vom 30.08.2001 Versichertenrente wegen Erwerbsminderung nach Maßgabe
der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst, die Anregung des ehemaligen Klägerbevollmächtigten aufgreifend, Herrn Dr.H. mit der
Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens beauftragt. Der Kläger teilte daraufhin mit,
dass eine psychiatrisch-neurologische Inquisition abgelehnt werde und nahm den Untersuchungstermin nicht wahr.
Der Kläger übersandte einen Bericht des Orthopäden Dr.R. vom 13.04.2004 sowie einen ärztlichen Entlassungsbericht
der Reha-Klinik Bad F. vom 05.02.2005 über einen Aufenthalt vom 05.01. bis 26.01.2005. Das Leistungsvermögen
des Klägers wird darin auf sechs Stunden und mehr bezogen auf leichte bis mittelschwere Arbeiten bei Vermeidung
von schweren körperlichen Belastungen und länger anhaltendem Stehen, Gehen und häufigem Bücken geschätzt. Die
Psyche wird als geordnet bei mäßiger psychosomatischer Überlagerung beschrieben. Der Kläger teilte mit, dass er
eine arbeitsmedizinische Untersuchung beabsichtige.
Der Senat hat sodann den Arbeitsmediziner Dr.H. mit der Erstellung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens
beauftragt.
Herr Dr.H. hat sein Gutachten unter dem Datum des 15.08.2005 nach persönliche Untersuchung des Klägers am
12.08.2005 erstellt. Nach seiner Einschätzung sei der Kläger seit August 2001 in der Lage, leichte Arbeiten unter den
üblichen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses acht Stunden täglich mit gewissen Einschränkungen qualitativer Art
zu verrichten. Mittelschwere Arbeiten seien noch mindestens vier Stunden, jedoch weniger als sechs Stunden täglich
möglich. Die Leistungseinschränkung für mittelschwere Arbeiten ergebe sich aus der Kombination der
Gesundheitsstörungen Wirbelsäulensyndrom, Retropatellararthrose beidseits, beginnende Coxarthrose beidseits,
Übergewicht und Bluthochdruckleiden. Bei mittelschweren Tätigkeiten sei auch das Heben und Tragen von Lasten in
gewissem regelmäßigen Umfang, längeres Stehen bis zuweilen längeres Gehen erforderlich; dies sei nur noch
halbtags zumutbar. Aufgrund der bestehenden Wirbelsäulenerkrankung sei der Kläger nicht in der Lage, Lasten von 15
kg oder mehr zu heben oder zu tragen. Das Übergewicht des Klägers wirke sich hier ebenfalls leistungsmindernd aus.
Ungeeignet sei die Einwirkung von Kälte, Nässe und Zugluft; ebenso ungeeignet seien Zwangshaltungen sowie
überwiegendes Stehen oder Sitzen. Aufgrund der chronischen Atemwegserkrankung sei die Einwirkung von Gasen,
Stäuben, Dämpfen, Rauch und Reizstoffen zu vermeiden. Bei der Untersuchung habe sich kein Hinweis auf eine
psychische Erkrankung gefunden. Da der Kläger über Jahrzehnte mit Kundenkontakt gearbeitet habe, werde
Publikumsverkehr für zumutbar gehalten. Auch Fingerfeinarbeiten seien möglich. Betriebsunübliche Pausen seien
nicht notwendig. Nicht möglich seien dagegen andauernde Überkopfarbeit, Steigen auf Leitern und Gerüste sowie
Arbeiten im Knien, dies aufgrund der degenerativen Wirbelsäulenerkrankung und der Retropatellararthrose.
Akkordarbeit und taktgebundene Arbeiten seien möglich. Die mit einem Arbeitsverhältnis verbundenen Wege könnten
vom Kläger in angemessener Geschwindigkeit bewältigt werden. Die Gehstrecke sei, auch eigenen Angaben zufolge,
nicht eingeschränkt. Der Kläger könne sich auf eine andere Erwerbstätigkeit umstellen, zumal er im Rahmen eines
FH-Studiums bereits in der Vergangenheit ein hohes Maß an geistiger Flexibilität gezeigt habe. Die degenerativen
Veränderungen der Wirbelsäule seien bisher ohne bleibende motorische oder sensible Ausfallserscheinungen, aber mit
belastungsabhängiger Schmerzsymptomatik bei LWS und BWS-Syndrom mit Interkostalneuralgie geblieben. Das
Bluthochdruckleiden sei medikamentös kompensiert eingestellt. Die chronische Atemwegserkrankung besitze nur eine
geringe Ausprägung.
Mit Schreiben vom 21.09.2005 teilte der Kläger mit, dass er nur noch leichte Arbeiten mit weniger als drei Stunden
täglich verrichten könne; auch dabei seien etwa halbstündige Unterbrechungsintervalle notwendig, da es zu
Dauerschmerzen und Schmerzgraderhöhung im Thorax komme.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Beklagtenakte, der beigezogenen Akte des
Sozialgerichts Nürnberg sowie der Streitakte des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung erweist sich als nicht begründet. Der Kläger ist weder als teilweise noch als voll
erwerbsgemindert im Sinne des § 13 Abs.1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte - ALG - in
Verbindung mit § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI - jeweils in den ab 01.01.2001 geltenden
Fassungen anzusehen, da er noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
und ohne Berücksichtigung der jeweiligen Arbeitsmarktlage mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§
43 Abs.3 SGB VI). Dabei weist der Senat die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils des
Sozialgerichts Nürnberg vom 12.08.2004 zurück. Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der
Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs.2 SGG).
Hervorzuheben ist, dass auch der Senat von der Richtigkeit des darin zugrunde gelegten Leistungsprofils des Klägers
überzeugt ist. Der Senat stützt seine Überzeugung auch auf das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten des
Arbeitsmediziners Dr.H. vom 15.08.2005. Der Sachverständige hat darin das Vorliegen eines über sechsstündigen
Leistungsvermögens für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bestätigt.
Dabei sind in qualitativer Hinsicht das Heben und Tragen von Lasten von 15 kg und mehr sowie die Einwirkung von
Kälte, Nässe und Zugluft, die Verrichtung von Arbeiten in Zwangshaltung sowie im überwiegenden Stehen oder Sitzen
ausgeschlossen. Zu vermeiden sind überdies die Einwirkung von Gasen, Stäuben, Dämpfen, Rauch und Reizstoffen
und Arbeiten, die das Besteigen von Leitern und Gerüsten sowie dauerendes Knien erfordern. Weder besteht eine
Einschränkung des Anmarschweges noch eine Beschränkung der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeiten auf
andere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Da weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher
Leistungseinschränkungen vorliegt, reichen die getroffene Feststellungen zum Leistungsbild aus, um das Fehlen einer
Erwerbsminderung im Sinne des § 13 Abs.1 ALG i.V.m. § 43 Abs.3 SGB VI zu bejahen. Dessen ungeachtet sind dem
Kläger fachlich und medizinisch Bearbeitertätigkeiten im Bürodienst, die gelegentliches Wechseln der
Arbeitspositionen erlauben, zumutbar.
Eine Einschränkung des Leistungsbildes in psychiatrischer Hinsicht hat sich nicht nachweisen lassen. Der Senat ist
der Aufforderung des ehemaligen Klägerbevollmächtigten zur Einholung eines psychiatrischen Gutachtens gefolgt.
Jedoch hat sich der Kläger der Erstellung eines solchen Gutachtens, wie bereits im Verwaltungsverfahren,
verschlossen. Der gerichtliche Sachverständige Dr.H. vermochte keine leistungseinschränkende psychische
Gesundheitsstörung zu erkennen. Der Kläger steht auch nicht in nervenärztlicher Behandlung.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Gründe dafür, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).