Urteil des LSG Bayern vom 17.11.2008
LSG Bayern: aufschiebende wirkung, arbeiter, vollziehung, nettolohn, öffentliches interesse, entsendung, vorschuss, ungarn, stundenlohn, baustelle
Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 17.11.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 14 AL 249/08 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 10 B 679/08 AL ER
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.06.2008 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
III. Der Streitwert wird auf 5.000.- EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin (Ag) vom
22.04.2008, mit welchem diese die Antragstellerin (ASt) für ein Jahr ab Bekanntgabe des Bescheides von der
Erteilung von Arbeitsgenehmigungen - EU für Werkvertragsarbeitnehmer ausgeschlossen hat.
Die ASt ist ein ungarisches Unternehmen mit Sitz in A-Stadt und einer unselbständigen Zweigstelle in H ...
Mit Bescheid vom 10.07.2007 sicherte die Ag der ASt Arbeitserlaubnisse - EU im Rahmen eines von der ASt am
18.06.2007 mit der Fa. G. Hoch- und Tiefbau GmbH abgeschlossenen Werkvertrages zu. Die werkvertraglichen
Arbeiten waren im Zeitraum vom 10.07.2007 bis 30.09.2007 zu erbringen.
Am 07.09.2007 führte das Hauptzollamt S. auf der Grundlage von Durchsuchungsbeschlüssen des Amtsgerichts S.
eine Durchsuchungsaktion durch, bei welcher sowohl die auf der Baustelle angetroffenen Arbeiter der ASt befragt, als
auch Unterlagen der ASt und der Arbeitnehmer sichergestellt wurden. Zu diesem Zeitpunkt waren lediglich die
Arbeitseinkommen der Arbeiter der ASt für den Monat Juli 2007 abgerechnet.
Im Rahmen der Durchsuchung fanden sich Stundenaufzeichnungen der von den Arbeitnehmern der ASt geleisteten
Arbeitszeiten. Diese wurden vom Vorarbeiter der ASt in zweifacher Ausführung erstellt. In der einen
Stundenaufzeichnung waren für Juli 2007 8 Stunden (7:30 Uhr bis 16:30 Uhr abzüglich Pause) täglich dokumentiert,
insgesamt somit 112 Stunden für den Monat Juli 2007. In einer weiteren Stundenaufzeichnung für Juli 2007 fanden
sich deutlich längere Arbeitszeiten von montags bis freitags, sowie zusätzlich Arbeitsstunden am Samstag,
insgesamt 168 Stunden.
Darüber hinaus fand sich eine von den Arbeitnehmern unterschriebene Monatsabrechnung für Juli 2007, die eine
geleistete Stundenzahl der Arbeiter von 120 Stunden ausweist, sowie einen Stundenlohn von 10.- EUR (für den
Vorarbeiter Z. S.) sowie 9.- EUR (für die anderen Arbeitnehmer). Für alle Arbeitnehmer war ein Einreisebetrag von 75.-
EUR dokumentiert, eine Prämie von 150.- EUR (Vorarbeiter), bzw. 100.- EUR (andere Arbeiter), eine Auslöse für
Essen von 93,24 EUR, sowie ein Heimatlohn von 305,04 EUR, ein Nettolohn von 1.200.- EUR (Vorarbeiter) und
1.080.- EUR (andere Arbeiter), sowie Urlaubsgeld von 160.- EUR (Vorarbeiter) bzw. 144.- EUR (andere Arbeiter).
Danach ergab sich ein Nettolohn von 1.983,28 EUR (Vorarbeiter) und 1.797,28 EUR (andere Arbeiter).
Der Arbeitnehmer F. S. teilte auf Befragen des Hauptzollamts S. mit, dass die werktägliche Arbeitszeit von 07:30 Uhr
bis 16:30 Uhr gehe. Auf Vorhalt die Wahrheit zu sagen, wurde von ihm die Arbeitszeit auf 06:40 bis 18:00 Uhr
erweitert. Er gehe von einem Monatslohn während der Entsendung von 1.200.- oder 1.400.- EUR netto aus. Der
Arbeitnehmer T. S. sagte aus, die werktägliche Arbeitszeit sei zwischen 07:30 Uhr bis 16:30 Uhr, er blieb auch nach
Vorhalt bei seiner Aussage. Er berichtete über einen Nettolohn während der Entsendung von 1.150.- EUR inklusive
Provision. Er habe bei der ersten Anreise einen Vorschuss von 30.000.- Forint (ca. 120.- EUR) erhalten. Der
Arbeitnehmer A. A. bestätigte auch nach Ermahnung eine Arbeitszeit von 07:00 Uhr bis 16:30 Uhr und gab einen
monatlichen Nettolohn von 1.500.- bis 2.000.- EUR an. Im weiteren Verlauf der Vernehmung gab er eine tägliche
Arbeitszeit von 10,5 Stunden unter der Woche und 7 Stunden samstags an. A. P. erklärte zuerst eine
Wochenstundenzahl von 40 Stunden, bestätigte dann auf Vorhalt die Richtigkeit der längeren Stundenaufzeichnungen.
Für Juli 2007 habe er 1.150.- EUR bar in Ungarn erhalten, darüber hinaus 65.000 Forint (ca. 250.- EUR) sowie 75.-
EUR Fahrgeld für die erste Anreise. Der Arbeitnehmer T. S. gab eine tägliche Arbeitszeit von 07:30 Uhr bis 16:30 Uhr
an sowie den Erhalt von 60.000.- Forint als Überweisung in Ungarn und weiterer 600.- EUR bar in Ungarn, sowie 75.-
EUR für die Anreise. I. M. erklärte den Beginn der täglichen Arbeitszeit mit 07:15 Uhr bei 40 Wochenarbeitsstunden,
er habe 750.- EUR sowie 60.000.- Forint als Entgelt während der Entsendung erhalten.
Arbeitnehmer der Fa G., die mit den Arbeitnehmern der ASt auf der selben Baustelle arbeiteten, gaben den Beamten
des Zolls gegenüber an, dass an den Tagen, an denen die Arbeitnehmer der Firma G. länger auf der Baustelle waren
(18:00 Uhr), auch die Arbeitnehmer der ASt noch auf der Baustelle waren.
Mit Schreiben vom 19.09.2007 hörte die Ag die ASt zu den Feststellungen des Hauptzollamts S. und der
vorgeworfenen Nichteinhaltung des tariflichen Nettolohnes an.
Mit Bescheid vom 22.04.2008 schloss die Ag die ASt für die Dauer eines Jahres ab Bekanntgabe des Bescheides
von der Erteilung von Arbeitsgenehmigungen - EU für Werkvertragsarbeitnehmer aus. Auf der Grundlage der
beschlagnahmten Lohnabrechnung für Juli 2007 ergebe sich ein Nettolohn von 1.425, 04 EUR (Vorarbeiter) und 1.313,
04 EUR (andere Arbeiter). Daraus ergebe sich ein Netto-Stundenlohn von 8,48 EUR (Vorarbeiter), sowie 7,81 EUR
(andere Arbeiter). Unter Berücksichtigung des maßgeblichen Tariflohns von 10,49 EUR/Stunde (Vorarbeiter) und 8,92
EUR/Stunde (andere Arbeiter) ergebe sich eine Unterschreitung des tariflichen Nettostundenlohns von 2,01 EUR
(Vorarbeiter) und bis zu 1,11 EUR (andere Arbeiter). Dabei sei ein Heimatlohn von bis zu 65.000.- Forint (ca. 250.-
EUR) berücksichtigt.
Den Angaben der ASt, wonach die Arbeiter für den Monat Juli 2007 Nettostundenlöhne von 11,64 EUR (Vorarbeiter)
und 10,63 EUR (andere Arbeiter) erhalten hätten, könne nicht zugestimmt werden, da absichtlich falsche
Stundenaufzeichnungen geführt worden seien. Die in der Anhörung vorgebrachten Vorschusszahlungen von 300.-
EUR seien den befragten Arbeitnehmern ebenso unbekannt gewesen wie die Zahlung von Verpflegungsgeld. Der
Arbeitnehmer M. habe in seiner Vernehmung beispielhaft angegeben, für den Monat Juli 750.- EUR zuzüglich eines
Heimatlohnes von 60.000.- Forint (ca. 220.- EUR) erhalten zu haben, was unter Berücksichtigung der 168
Arbeitsstunden des Monats Juli 07 einen Nettostundenlohn von 5,77 EUR ergebe. Der Arbeitnehmer S. habe von
einem Vorschuss von 100.- EUR, einem Heimatlohn von 60.000.- Forint und einer weiteren baren Zahlung von 600.-
EUR berichtet, was einen Nettolohn von 5,77 EUR ergebe. Die Nennung von Urlaubsgeld könne nicht akzeptiert
werden. Nach Artikel 10 der deutsch-ungarischen Regierungsvereinbarung sei bei einer Verletzung der in Artikel 10
genannten rechtlichen Bestimmungen (insbesondere die Nichtgewährung des Lohns, den deutsche Tarifverträge für
vergleichbare Tätigkeiten vorsähen) geregelt, dass keine Werkverträge eines Unternehmens von der Bundesagentur
für Arbeit mehr genehmigt werden würden. Die sofortige Vollziehung des Bescheides wurde nach § 86a Abs. 2 Nr.5
SGG angeordnet, da sie aus überwiegendem öffentlichem Interesse erforderlich sei. Das Bayerische
Landessozialgericht habe bereits mehrfach entschieden, dass neben den generalpräventiven Überlegungen zu den
Interessen der Allgemeinheit , die vor allem zu berücksichtigen seien, das öffentliche Interesse an der Einhaltung der
gewachsenen Standards des deutschen Arbeitsrechts gehört. Damit komme der Sanktionierung eines Verstoßes eine
erhebliche ordnungspolitische Bedeutung zu, dem gegenüber das wirtschaftliche Einzelinteresse an der Durchführung
von Werkverträgen der ASt zurückstehen müsse.
Hiergegen hat die ASt Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist.
Am 20.05.2008 hat die ASt darüber hinaus beim Sozialgericht Nürnberg (SG) beantragt, die aufschiebende Wirkung
des Widerspruchs der ASt vom 30.04.2008 gegen den Bescheid der Ag vom 22.04.2008 gemäß § 86b Abs.1 Nr. 2
SGG anzuordnen. Mit dem Antrag sind u.a Abrechnungen der ASt von Juli 2007 und August 2007 vorgelegt worden,
wonach den Arbeitnehmern der ASt ein höherer als von der Ag berechneter Arbeitslohn bezahlt worden wäre; darüber
hinaus von den Arbeitnehmern gegengezeichnete Lohnabrechnungen für die Monate Juli, August und September 2007
und eine von den Arbeitnehmern der ASt gegengezeichnete Liste über die Auszahlung eines Vorschusses von 375.-
EUR, datiert auf den 06.07.2007.
Mit Beschluss vom 19.06.2008 hat das SG den Antrag abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass die
Anordnung der sofortigen Vollziehung formal richtig getroffen worden sei, insbesondere enthalte die Anordnung auch
die erforderliche schriftliche Begründung. Auch inhaltlich sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht zu
beanstanden, da ein besonderes Vollzugsinteresse bei nur geringen Erfolgsaussichten des Widerspruchsverfahrens
zu bejahen sei. Nach summarischer Prüfung läge eine Unterschreitung der tariflichen Nettolöhne um mehr als 5% vor.
Die ASt müsse sich an der beschlagnahmten Monatsabrechnung Juli 2007 festhalten lassen, den von ihr mit dem
Eilantrag vorgelegten Abrechnungen könne kein Glauben geschenkt werden. Für die Facharbeiter ergebe sich somit
für den Zeitraum vom 12.07.2007 bis 31.07.2007 ein Arbeitslohn von 1.413,04 EUR, was unter Berücksichtigung der
festgestellten Stundenzahl von 168 Stunden für den Monat Juli 2007 einen Netto-Stundenlohn von 8,41 EUR ergebe.
Dieser Stundenlohn läge mehr als 5% unter dem tariflichen Nettolohn von 8,92 EUR. Für den Vorarbeiter ergebe sich
für den Monat Juli 2007 ein monatlicher Nettolohn von 1.575,04 EUR, was geteilt durch die Stundenzahl von 168
Arbeitsstunden für Juli 2007 einen Netto-Stundenlohn von 9,38 EUR ergebe. Auch damit läge eine mehr als
5prozentige Unterschreitung unter Berücksichtigung eines tariflichen Netto-Stundenlohnes von 10,49 EUR vor. Bei
dieser Berechnung sei davon auszugehen, dass weder der 09.07.2007, noch der 10. und 11.07 berücksichtigt werden
könnten, da diese Tage vor der Arbeitsaufnahme am 12.07.2007 lagen.
Hiergegen hat die ASt am 23.07.2008 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung der Beschwerde ist vorgebracht worden,
dass die Arbeitnehmer der ASt neben dem eigentlichen Lohn von 1.797,28 EUR bzw. 1.983,28 EUR (Vorarbeiter)
einen Startvorschuss von 300.- EUR erhalten hätten. Ein Abzug von 72.- EUR auf den im Juli 2007 gezahlten Lohn -
wie vom SG vorgenommen - dürfe nicht erfolgen. Ein Urlaub vor der Entsendung sei nicht ungewöhnlich, da die
Arbeitnehmer der ASt auch vor der Entsendung in einem Arbeitsverhältnis gestanden hätten. Aus diesem
Arbeitsverhältnis wären Urlaubsansprüche entstanden, die dann in Deutschland genommen worden seien. Mit der
Beschwerde sind Bestätigungen der Arbeitnehmer T. S., S. F., M. T., S. T., I. M., S. Z., P. A. und A. A. vorgelegt
worden. Darüber hinaus ist ein Schreiben des Hauptzollamts S. vom 28.10.2008 vorgelegt worden, wonach die
Startprämie auf alle Arbeitsstunden der Arbeitnehmer während der Entsendung umzulegen ist.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Akten des Ag, sowie die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Eine
Abhilfeentscheidung seitens des SG ist wegen des Wegfalls des § 174 SGG a.F. nicht mehr erforderlich. Das
Rechtsmittel erweist sich aber als nicht begründet.
Nach § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG kann eine Behörde die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes anordnen (VzA),
wenn die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die
Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen hat, diese VzA mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an
der VzA anordnet.
Die Anordnung der VzA ist formal richtig getroffen worden, die VzA ist mit der erforderlichen schriftlichen Begründung
des besonderen Interesses erfolgt. Aus der Begründung muss hervorgehen, warum das besondere Interesse an der
VzA in diesem besonderen Fall andere Interessen überwiegt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer SGG 9.Aufl.
2008 § 86 a Rdnr. 21b). An die Begründung sind hohe Anforderungen zu stellen. Die schriftliche Begründung muss
nicht nur sämtliche Gesichtspunkte enthalten, die die Behörde in ihre Entscheidung einbezogen hat, sondern auch
erkennen lassen, warum im konkreten Einzelfall das öffentliche Interesse an der VzA überwiegt und warum die VzA
dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl Keller aaO). Vorliegend hat die Ag die VzA zwar - unter
Berücksichtigung der Rspr. - auf generalpräventive Aspekte gestützt, aber auch eine Würdigung der individuellen
Interessen der ASt vorgenommen. Unter Berücksichtigung des Sanktionscharakters der Regelung ergibt sich das
besondere Vollzugsinteresse auch schon aus der Eigenart der Regelung (vgl Keller aaO).
Die VzA ist auch begründet. Im Rahmen des für den einstweiligen Rechtsschutz erforderlichen Prüfungsumfangs
steht für den Senat fest, dass ein besonderes Vollzugsinteresse seitens der Ag besteht.
Öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung ist mehr als das für den Erlass des Verwaltungsaktes
erforderliche Interesse. Notwendig ist i.d.R. ein zusätzliches öffentliches Interesse an dem sofortigen Vollzug, so
dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsaktes nicht zur Begründung der VzA
ausreichen. Das besondere Interesse ist mit dem Interesse des Betroffenen abzuwägen. Abzuwägen sind die Folgen,
die eintreten würden, wenn die VzA angeordnet und dann ein Rechtsbehelf Erfolg haben würde, gegenüber den
Nachteilen, die entstehen, wenn die sofortige Vollziehung nicht angeordnet und ein Rechtsbehelf keinen Erfolg haben
würde. Die VzA ist gerechtfertigt, wenn eine umfassende Abwägung aller öffentlichen und privaten Belange zum
Ergebnis kommt, dass das Vollzugsinteresse überwiegt. Bei der Abwägung ist von Bedeutung, ob der Rechtsbehelf
Aussicht auf Erfolg hat oder nicht (vgl Keller Rdnr. 20, 20a aaO mwN)
Vorliegend sind bei dem für den einstweiligen Rechtsschutz notwendigen summarischen Prüfungsumfang
Erfolgsaussichten für das Rechtsbehelfsverfahren nicht zu sehen.
Die deutsch - ungarische Regierungsvereinbarung knüpft die Durchführung von Werkverträgen durch ungarische
Firmen an die Bedingung, dass die tariflichen deutschen Nettolöhne gezahlt werden. Art 10 der
Regierungsvereinbarung sieht in Fällen von Mindestlohnunterschreitungen den Ausschluss des entsprechenden
Unternehmens vom Werkvertragsverfahren vor. Es sollen daher nur ungarische Firmen in Deutschland tätig werden,
die die vorgesehenen tariflichen Nettolöhne auch tatsächlich zahlen. Dies dient dem öffentlichen Interesse an den
gewachsenen Standards des deutschen Arbeitsrechts.
Die ASt hat diese tariflichen Mindeststandards zur Auffassung des Senats nicht eingehalten. Der Senat schließt sich
insoweit den Ausführungen des SG an, § 142 Abs. 2 S. 3 SGG.
Unter Berücksichtigung der in sich schlüssigen Ausführungen des SG sind durch die ASt die tariflichen
Mindestvoraussetzungen nicht eingehalten.
Über die Auffassung des SG hinaus bestehen seitens des Senats aber auch erhebliche Zweifel an der
grundsätzlichen Glaubwürdigkeit der vom Hauptzollamt S. beschlagnahmten Lohnabrechnung für den Monat Juli 2007
(die das SG seiner Berechnung zugrunde legt).
Damit kann aber dieser Abrechnung kein Beweiswert hinsichtlich eines grundsätzlich anzusetzenden Grundlohns von
1.200.- EUR oder 1.080.- EUR zukommen. Vielmehr hat es bei den von den Arbeitnehmern der ASt mitgeteilten
Einkommenshöhen zu verbleiben.
Hierbei ist für den Senat entscheidend, dass auch diese Abrechnung von einer monatlichen Arbeitsleistung der
Arbeitnehmer von 120 Stunden ausgeht. Diese - geringere - Zahl der Arbeitsstunden ist aber offensichtlich
wahrheitswidrig zur Täuschung des deutschen Vertragspartners der Fa. G. oder der deutschen Behörden erfolgt. Eine
Vielzahl von Arbeitnehmern der ASt hat auf Vorhalt zugegeben, dass die von ihnen ursprünglich angegebene
Stundenzahl (7:30 Uhr bis 16:30 Uhr) wahrheitswidrig erfolgt ist (so z.B. die Arbeitnehmer S., Szerencses). Die
Arbeitnehmer der Fa. G. haben gegenüber dem Hauptzollamt S. längere Arbeitszeiten der Arbeitnehmer der ASt
(zumindest bis 18:00 Uhr) bestätigt.
Hierbei kann auch dahinstehen, ob die betroffenen Arbeitnehmer durch einen Dolmetscher nach dem
Dolmetschergesetz bzw. der Dolmetschergesetzausführungsbekanntmachung des Bayerisches Justizministeriums
befragt wurden oder nicht, da es sich hierbei zum einen um eine Sollbestimmung handelt und zum anderen eine
Unrichtigkeit der Übersetzung jedenfalls im Beschwerdeverfahren nicht mehr vorgetragen wird.
Darüber hinaus erscheint es auch keinesfalls glaubhaft, dass den Arbeitnehmern Urlaubsgeld ausbezahlt worden ist.
Hierbei ist zu beachten, dass sich nur in der wahrheitswidrigen - "offiziellen" - Stundenaufzeichnung für den 09.07. ein
"X" findet und in den Spalten für den 10.07 und 11.07 ein "U" (was für Urlaub stehen könnte) eingetragen ist. In der
wohl zutreffenden Stundenaufzeichnung, die zu einer Gesamtstundenanzahl von 168 Stunden für den Monat Juli 2007
kommt, sind die Spalten für den 09 - 11.07 leer. Urlaub oder Urlaubsentgelt ist den Arbeitnehmern somit zur
Auffassung des Senats nicht gewährt worden. Auch erscheint - entgegen der Auffassung der ASt - eine
Urlaubsgewährung vor dem Beginn der Entsendung, dem 12.07.2007 ausgeschlossen. Entgegen dem Vortrag der ASt
haben die Arbeitnehmer R., S., A., P., S., M., B. vor der Entsendung nicht für die ASt gearbeitet, eine
Urlaubsgewährung vor Arbeitsantritt ist sinnwidrig und insbesondere in der Zusammenschau des gesamten
Vorbringens der ASt unglaubwürdig.
Damit hat es - über die Auffassung des SG hinaus - bei der erforderlichen summarischen Prüfung, bei den von den
Arbeitnehmern mitgeteilten Löhnen zu verbleiben.
Diese haben bei ihrer Vernehmung vor den Beamten des Hauptzollamtes S. am 07.09.2007 u.a. Nettolöhne von
1.200.- oder 1.400.- EUR (S. F.); 1.150.- EUR inkl. Provision (T. S.); 1.150.- EUR in Ungarn (A. P.) oder 1.500.- bis
2.000.- EUR brutto (A. A.) bestätigt. Damit erscheinen die nunmehr von den Arbeitnehmern genannten Nettolöhne von
1.798,28 EUR zuzüglich 300.- EUR Startvorschuss nicht wahrheitsgemäß. Bei der Vernehmung durch die Beamten
des Hauptzollamts S. hat keiner der befragten Arbeitnehmer einen Arbeitslohn von 1.798,28 EUR oder einen
Startvorschuss von 300.- EUR bestätigt. Dies erscheint umso erstaunlicher als - nach Angabe der ASt - die
Arbeitnehmer den Erhalt dieser Summe erst kurze Zeit vor der Vernehmung durch Unterschrift bestätigt haben sollen.
Auch hat - bis auf eine Ausnahme - keiner der befragten Arbeitnehmer einen Vorschuss von 300.- oder 375.- EUR bei
der Befragung bestätigt. Dies, obwohl nach den Angaben der ASt der Erhalt von 375.- EUR erst 2 Monate vor der
Befragung von den Arbeitnehmern schriftlich bestätigt worden ist. Bei der Frage nach dem Lohn für Juli 2007 auch
einen angeblich erhaltenen Startvorschuss zu nennen, würde sich eigentlich aufdrängen; dies um so mehr, als z.B. S.
T. sowie auch T. R. ausdrücklich einen gezahlten Vorschuss erwähnten. Hierbei ist zur Auffassung des Senats insb.
auch zu beachten, dass es sich bei einem Vorschuss von 300.- oder 375.- EUR um einen unter Berücksichtigung des
Mindestlohns in Ungarn von ca. 400.- EUR durchaus erheblichen Betrag handelt.
Damit sind auch die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bescheinigungen der Arbeitnehmer unglaubhaft. Unter
Berücksichtigung der tatsächlich bezahlten Nettolöhne liegt ohne jeden Zweifel ein mehr als 5prozentiges
Unterschreiten der tariflichen Nettolöhne vor.
Die vom Vorarbeiter der ASt geführten doppelten Stundenaufzeichnungen konnten nur einen Zweck haben, nämlich
die angemeldete Stundenzahl (169 Stunden) nach außen zu dokumentieren, während die zweite Stundenaufzeichnung
die wirkliche - bedeutend höhere - Stundenzahl intern feststellte. Diese Vorgehensweise kann nur einen Zweck haben,
nämlich durch Täuschung der deutschen Behörden Arbeitserlaubnisse - EU in Deutschland zu erhalten und
gleichzeitig seinen Arbeitnehmern einen tariflich zu geringen Arbeitslohn zu zahlen. Es steht somit zur Überzeugung
des Senats bei summarischer Prüfung fest, dass die ASt von vorneherein eine deutliche - weit mehr als 5%tige -
Unterschreitung der tariflichen Nettolöhne beabsichtigte und auch zahlte.
Damit ist auch die von der Ag selber vorgenommene Einschränkung der Sanktionierung auf 1 Jahr und die Anordnung
der sofortigen Vollziehung dieses Bescheides unter Berücksichtigung der individuellen Interessen der ASt
verhältnismäßig.
Die Einhaltung der gewachsenen deutschen Standards des deutschen Arbeitsrechts kann nur gewährleitstet werden,
wenn Ausschlussgründe auch (sofort) vollzogen werden können. Würde hier ein Widerspruch aufschiebende Wirkung
haben, wäre die Einhaltung dessen, was als Vertragsgrundlage der deutsch-ungarischen Regierungsvereinbarung
anzusehen ist, nämlich die Einhaltung der deutschen tariflichen Nettolöhne, nicht mehr gewährleistet, weil durch die
Einlegung von Rechtsmitteln der Eintritt der Sanktion auf unbestimmte Zeit verhindert werden könnte. Den betroffenen
Firmen wäre es dann auf unbestimmte Zeit möglich, gegen fundamentale Prinzipien dieser Vereinbarung zu verstoßen
und durch eine Ausbeutung der eigenen Belegschaft einen durch Nichts zu rechtfertigenden finanziellen Vorteil zu
erlangen. Der Sanktionscharakter dieser Vereinbarung würde in sein Gegenteil verkehrt.
Die Beschwerde war somit unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a SGG i.V.m. 154 Abs. 1 VwGO.
Die Sreitwertfestsetzung beruht auf §§ 197a SGG i.V.m. 52 Abs. 2, 47 Abs. 2 S. 1 GKG.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.