Urteil des LSG Bayern vom 26.01.2005

LSG Bayern: berufskrankheit, akte, gonarthrose, belastung, form, beschränkung, arbeitsunfall, wahrscheinlichkeit, sicherheit, auflage

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 26.01.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 5 U 241/99
Bayerisches Landessozialgericht L 2 U 332/03
I. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 25. Juni 2003 wird aufgehoben. Die Klage gegen den Bescheid der
Beklagten vom 13. November 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 1999 wird abgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind
außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger machte im Juni 1993 mehrere Berufskrankheiten geltend, darunter eine Kniegelenksabnützung beider Knie.
Der behandelnde Orthopäde sprach in seiner ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit von
Überlastungsbeschwerden des rechten Kniegelenkes bei Gonarthrose und degenerativer medialer Meniskopathie.
Der Kläger war von 1956 bis 1959 als Maurer und von 1959 bis 1992 als Ofenmaurer tätig. Der Technische
Aufsichtsdienst der Beklagten schätzte die Tätigkeit als ausreichend kniebelastend für eine Berufskrankheit ein.
Der von der Beklagten als Sachverständige gehörte Orthopäde Prof.Dr.S. kam in seinem Gutachten vom 06.03.1997
zu dem Ergebnis, dass eine Berufskrankheit nach Nr.2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung nicht vorliege.
Gegen eine berufsbedingte Meniskopathie spreche die erst seit zwei Jahren auftretende Schmerzsymptomatik. Es
bestünden zwar deutliche Meniskuszeichen, diese könnten aber auch im Rahmen der Gonarthrose und des damit
degenerativen Meniskus positiv ausfallen. Der Krankheitseintritt sei relativ spät, bei der berufsbedingten chronischen
Meniskopathie sei er früher als in der beruflich nicht belasteten Bevölkerung zu erwarten.
Mit Bescheid vom 13.01.1997 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil eine
Berufskrankheit nach Nr.2102 der Anlage zur BKV nicht vorliege.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht mehrere Gutachten des Chirurgen Dr.K. eingeholt, der die
Gesundheitsstörungen an beiden Knien des Klägers als wesentlich durch die beruflichen Belastungen mitverursacht
angesehen hat, wozu er auch die Belastungen durch das Beklopfen der Ziegelsteine genau über dem Knie zählt. Er
schätzt die dadurch bedingte MdE mit 20 v.H. ein. Die Beklagte hat hiergegen verschiedene Ärzte ins Feld geführt,
die einen solchen ursächlichen Zusammenhang nicht sehen, vielmehr ein nicht belastungskonformes Schadensbild
und eine schicksalhafte Verschleißkrankheit annehmen. Zuletzt hat die Beklagte ein Gutachten des Prof.Dr.B. und
des Prof.Dr.H. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M. vom 25.04.2003 vorgelegt. Darin ist im
wesentlichen ausgeführt, entscheidend für die Beurteilung einer Berufskrankheit Nr.2102 sei der Nachweis einer
primären Meniskopathie, d.h. es bedürfe des Nachweises, dass durch eine Überlastung beruflicher Art eine primäre
Meniskuserkrankung zustande gekommen sei. Es liege aber zu keinem Zeitpunkt der Nachweis eines primären
Meniskusschadens vor. Es seien vielmehr Arthrosezeichen an den Kniegelenken von Anfang an dokumentiert. Im
Kernspintomogramm beider Kniegelenke vom 06.02.2003 würden degenerative Abfaserungen des Innenmeniskus am
linken Knie festgestellt, am rechten Knie werde keine Meniskusläsion festgestellt. Damit sei am rechten Knie ein
Meniskusschaden nicht nachzuweisen, wohl aber die Arthrose. Am linken Knie sei die Arthrose nachzuweisen und in
der Folge ein degenerativer Meniskusschaden, nicht aber im Sinne der primären Meniskopathie.
Mit Urteil vom 25.06.2003 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Gewährung einer Rente
nach einer MdE um 20 v.H. verurteilt. Bezüglich des Vorliegens eines Meniskusschadens rechts stützt sich das Urteil
auf einen Befundbericht und bezüglich der Begründung einer Berufskrankheit und der dadurch bedingten MdE auf das
Gutachten des Dr.K ... Die von Prof.Dr.B. und Prof.Dr.H. als Ursache genannte Arthrose wird als mit den beruflichen
Einwirkungen konkurrierende Ursache abgehandelt und der beruflichen Belastung eine wesentliche Mitverursachung
zugeschrieben.
Im Berufungsverfahren hat der Senat ein Gutachten des Orthopäden Dr.F. vom 24.06.2004 eingeholt. Danach besteht
das als Berufskrankheit Nr.2102 anerkennungsfähige Krankheitsbild in einer primären Meniskopathie, die von einer
sekundären Meniskuserkrankung abzugrenzen sei. Die sekundäre Meniskopathie sei als Meniskuserkrankung
definiert, die im Gefolge zunächst ausgedehnter Knorpelschäden auftrete. Als ursächlich gälten minderwertige
Gelenkknorpel, arthrotische Veränderungen bei anlagebedingten oder posttraumatischen Achsenfehlstellungen,
Instabilitäten des Gelenks. Die Anerkennungsfähigkeit einer Meniskuserkrankung als beruflich verursacht stehe und
falle damit, ob zuerst die Meniskuserkrankung bestanden habe oder ob der Meniskuserkrankung ein Gelenkverschleiß
vorangegangen sei.
Eine primäre Meniskopathie sei weder für das linke noch für das rechte Kniegelenk gesichert worden, eine primäre
Meniskopathie sei damit nicht zu begründen. Es ergäben sich deutliche Anhaltspunkte dafür, dass sich die
Kniegelenksarthrosen und die daraus resultierende Meniskopathie aus innerer Ursache entwickelt haben müssten. Es
bestünden O-Beine, seit 30 Jahren sei Übergewicht bekannt, ferner seien metabolische Veränderungen festgestellt
worden, speziell eine Erhöhung der Harnsäure, welche als ursächlich für die Entwicklung von
Verschleißerscheinungen gelte. Des weiteren seien an allen größeren Gelenken der unteren Extremitäten
Funktionsstörungen, radiologisch zusätzlich auch an den Hüften degenerative Veränderungen zu verifizieren.
Hinzukämen die bekannten Stoffwechselstörungen des Klägers, wozu Diabetes und Fettstoffwechselstörungen
zählten. Damit liege auf der Hand, dass die Ursache der Meniskusveränderungen konstitutionell bzw. alimentär
bedingt sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 25. Juni 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte
des Sozialgerichts in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach
§ 144 SGG besteht nicht.
Die Berufung ist auch begründet. Beim Kläger besteht an beiden Kniegelenken keine Berufskrankheit, die die
Beklagte zu entschädigen hätte.
Das Sozialgericht hat das für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren maßgebliche Recht und die gesetzliche
Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ausführlich und zutreffend dargestellt. Einer wiederholten
Darlegung bedarf es nicht.
Das Sozialgericht hat jedoch zu Unrecht das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr.2102 der Anlage zur
Berufskrankheitenverordnung angenommen. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor. Dies ergibt sich aus dem
Gutachten des Sachverständigen Dr.F. , das insoweit mit den gutachterlichen Stellungnahmen des Prof.Dr.B. und
Prof.Dr.H. in Übereinstimmung steht. Allgemein gilt, dass allein das Vorliegen einer in der Anlage zur
Berufskrankheitenverordnung genannten Gesundheitsstörung und der dort genannten schädigenden Einwirkungen für
die Annahme einer Berufskrankheit nicht ausreicht. Es bedarf vielmehr zusätzlich der Begründung des
Ursachenzusammenhanges. Eine solche Begründung ist den Gutachten des Dr.K. insgesamt nicht zu entnehmen.
Die hierfür maßgeblichen Gesichtspunkte sind von den Sachverständigen Dr.F. , Prof.Dr.B. und Prof.Dr.H. in
Übereinstimmung mit dem derzeitigen medizinischen Wissensstand dargelegt worden (vgl. Schönberger-Mehrtens-
Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7.Auflage 2003, S.706 f). Danach sind von den berufsbedingten, primären
Meniskopathien die nicht berufsbedingten sekundären Meniskopathien zu unterscheiden. Bei sekundären
Meniskopathien haben grundsätzlich andere, körpereigene Faktoren und nicht die beruflich bedingte Belastung die
Schädigung des Meniskus zur Folge. Sowohl eine solche vorbestehende Arthrose als auch die schädigenden
körpereigenen Anlagen sind von den zuletzt genannten Sachverständigen mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit auch bezüglich des zeitlichen Eintretens vor der Meniskopathie nachgewiesen worden. Beim
Kläger besteht demnach keine Meniskopathie, die als Berufskrankheit anzuerkennen wäre.
Der Berufung war damit stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten
des Berufungsverfahrens stützt sich darauf, dass der Kläger in diesem Verfahren unterlegen ist. Bezüglich der
außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens war zu berücksichtigen, dass die Beklagte erstmals zum Ende des
Klageverfahrens ein Gutachten vorgelegt hat, das die zur Beurteilung einer Berufskrankheit Nr.2102 der Anlage zur
BKVO nach dem derzeitigen medizinischen Wissensstand maßgeblichen Kriterien berücksichtigt hat. Für das
Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt kann damit der Sachverhalt als nicht hinreichend ermittelt angesehen werden und
es wäre nicht gerechtfertigt, den Kläger seine außergerichtlichen Kosten des Verfahrens selbst tragen zu lassen.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.