Urteil des LSG Bayern vom 25.01.2006

LSG Bayern: stationäre behandlung, rente, berufsunfähigkeit, berufliche tätigkeit, ärztliche untersuchung, psychotherapeutische behandlung, zumutbare tätigkeit, erwerbsfähigkeit, psychiater

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 25.01.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bayreuth S 2 RA 132/01
Bayerisches Landessozialgericht L 13 R 4116/03
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 25. März 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit/Erwerbsminderung.
Die 1962 geborene Klägerin hat den Beruf der Rechtsanwaltsgehilfin erlernt und war bis zum Eintritt einer
längerfristigen Arbeitsunfähigkeit am 18. September 1997 zuletzt als Sachbearbeiterin Kredittechnik
versicherungspflichtig beschäftigt. Im Anschluss an Krankengeld bezog sie bis zum 25. August 1999
Arbeitslosengeld. Die Bewilligung wurde wegen fehlender Arbeitsbereitschaft aufgehoben, nachdem in einem
arbeitsamtsärztlichem Gutachten vom 28. Juli 1999 eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für den allgemeinen
Arbeitsmarkt festgestellt worden war.
Einen Antrag der Klägerin vom 9. April 1999, ihr Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren, lehnte die
Beklagte nach ambulanter Begutachtung durch den Nervenarzt Dr. K. und den Orthopäden Dr. R. ab (Bescheid vom
16. Juli 1999). Die Klägerin sei trotz Wirbelsäulenbeschwerden ohne neurologische Ausfälle, psychosomatischer
Störungen und Schmerzmittelabusus in der Lage, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Den dagegen
am 25. August 1999 nach Rückkehr aus einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme (vom 14. Juli bis
18. August 1999) verspätet erhobenen Widerspruch sah die Beklagte als Antrag nach § 44 des Zehnten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB X) an. Sie lehnte diesen Antrag ab, nach dem der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr.
K. sowie der Orthopäde Dr. A. nach erneuter ambulanter Begutachtung der Klägerin wieder eine vollschichtige
Leistungsfähigkeit festgestellt hatten (Bescheid vom 19. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 29. März 2001).
Auf die am 30. April 2001 zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhobene Klage hat das SG u. a. den Entlassungsbericht
über eine vom 11. Dezember 1997 bis 13. Januar 1998 wegen Wirbelsäulenbeschwerden und psychovegetativer
Erschöpfung durchgeführten stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme (Entlassungsbericht vom 31.
Januar 1998), Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. T. (Internist), Dr. N. (Orthopäde) und Dr. K. , ein
arbeitsamtsärztliches Gutachten vom 15. Dezember 1999, Behandlungsunterlagen der Fachklinik E. über eine
stationäre Behandlung vom 25. Oktober bis 15. November 2000 sowie eine Auskunft des letzten Arbeitgebers
beigezogen und die Klägerin ambulant durch den Internisten, Arbeitsmediziner, Sozialmediziner und Rheumatologen
Dr. H. (Gutachten vom 15. August 2002) begutachten lassen.
Dr. H. hat bei der Klägerin ein somatoformes Schmerzsyndrom bei multiplen, klinisch nachrangigen Veränderungen
am Stütz- und Bewegungsapparat, eine leichte rechtsbetonte Struma diffusa und einen einmalig nachgewiesenen
grenzwertigen Protein-S-Mangel diagnostiziert sowie ein Fibromyalgiesyndrom ausgeschlossen. Aus medizinischer
Sicht könne die Klägerin noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten aus dem Berufskreis als Sachbearbeiterin oder
als Bankangestellte ausüben. Seit 1997 hätten sich zeitweilig die Gewichtungen der im Vordergrund stehenden
Symptome verändert, der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich seither aber nicht wesentlich geändert. Eine
mehr als geringfügige Besserung der Beschwerden sei nicht auszuschließen, eine Prognose aber mangels
Krankheitseinsicht nicht möglich.
Das SG hat sich nach Vorlage von Entlassungsberichten über stationäre Behandlungen vom 19. bis 30. Juli 2002, 12.
bis 14. Mai 2002 und 14. bis 20. September 2002 der Beurteilung des Sachverständigen Dr. H. angeschlossen und die
Klage abgewiesen (Urteil vom 25. März 2003). Die Klägerin sei nicht erwerbsunfähig, denn sie könne nach dem
Ergebnis der Beweiserhebung noch vollschichtig leichte Arbeiten bei gelegentlichem Positionswechsel ohne schweres
Heben und Tragen von Lasten, ohne häufiges Bücken und ohne Witterungseinflüsse, ohne Bindung an einen Zeittakt
oder stresshafte Belastungen mit rasch wechselnden Anforderungen verrichten. Auch Berufsunfähigkeit liege nicht
vor, denn die Klägerin könne ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Kreditsachbearbeiterin weiterhin vollschichtig
ausüben.
Gegen das am 16. Mai 2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4. Juni 2003 (Eingang bei Gericht) beim
Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt mit der Begründung, im Gutachten des Sachverständigen
Dr. H. seien nicht alle leistungsmindernden Gesundheitsstörungen erfasst bzw. gewürdigt worden. Insbesondere die
Schmerzsituation stelle sich erheblich gravierender dar, als vom Sachverständigen angenommen. Außerdem seien
die im Anschluss an die Begutachtung durchgeführten stationären Behandlungen gutachtlich nicht gewürdigt worden.
Der Senat hat u.a. den Bericht über eine stationäre Behandlung der Klägerin in der T.-Klinik K. vom 12. bis 29. August
2003 sowie vom 1. bis 3. September 2003 mit zwischenzeitlicher kardiologischer Untersuchung im Klinikum St. E. am
29. August 2003 beigezogen und die Klägerin ambulant durch den Neurologen und Psychiater Dr. H. (Gutachten vom
26. Februar 2004) sowie auf Antrag der Klägerin durch den Neurologen und Psychiater Dr. S. (Gutachten vom 31.
Januar 2005) begutachten lassen. Dr. H. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin die zuletzt ausgeübte
Tätigkeit weiterhin vollschichtig verrichten könnte. Dr. S. hat sich dem angeschlossen.
Die Klägerin hat vor, während und nach der Begutachtung weitere Befundunterlagen über stationäre und ambulante
Behandlungen vorgelegt. Der Senat hat zuletzt einen Befundbericht des Gynäkologen Dr. K. eingeholt. Eine vom
behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. K. bereits im Januar 2005 empfohlene psychotherapeutische
Behandlung hat die Klägerin nach eigenen Angaben bisher nicht aufgenommen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 25. März 2003 sowie den Bescheid der
Beklagten vom 19. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2001 aufzuheben und die
Beklagte zu verpflichten, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Juli 1999 aufgrund des Antrags vom 9. April
1999 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise Rente wegen Erwerbsminderung, zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt
der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich in einem Erörterungstermin am 30. November 2005 mit einer Entscheidung durch Urteil
ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht
begründet.
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1,
124 Abs. 2 SGG).
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 19. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
29. März 2001, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Juli
1999 auf ihren Antrag vom 9. April 1999 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise wegen
Erwerbsminderung, zu zahlen. Das SG hat die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 25. März 2003 zu Recht
abgewiesen.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für
die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht
unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit
deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese
Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Bescheid vom 16. Juli 1999 ist formell und materiell nicht
zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Rente wegen
Erwerbsminderung.
Der mit Bescheid vom 16. Juli 1999 abgelehnte (Leistungs)Anspruch der Klägerin richtet sich nach den Vorschriften
des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.), da
sie den zu Grunde liegenden Rentenantrag vor dem 3. April 2001 gestellt hat und Rente (auch) für Zeiten vor dem 1.
Januar 2001 begehrt (§ 300 Abs. 2 SGB VI i.V.m. § 26 Abs. 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X -).
Soweit ein Anspruch auf Rente dem Grunde nach erstmals für Zeiten nach dem 31. Dezember 2000 in Betracht
kommt, richtet sich der Anspruch der Klägerin nach den Vorschriften des SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden
Fassung (n.F.).
Nach § 43 SGB VI (a.F.) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen
Berufsunfähigkeit, wenn sie 1. berufsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähig keit drei
Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Be schäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Berufsunfähigkeit
die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin nicht erfüllt. Zwar hat sie die allgemeine Wartezeit (§§ 50 Abs. 1 Satz 1,
51 Abs. 1 SGB VI) erfüllt, doch liegt bei ihr keine Berufsunfähigkeit vor.
Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte
derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen
Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von
Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter
Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen
Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die
Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind.
Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige
Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2 SGB VI a.F.).
Ausgangspunkt für die Prüfung von Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige
Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat. In der Regel ist dies die letzte, nicht nur vorübergehende
versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist,
wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246
Nrn. 130, 164). Kann ein Versicherter seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben, liegt Berufsunfähigkeit aber nur
dann vor, wenn es nicht zumindest eine andere berufliche Tätigkeit gibt, die sozial zumutbar und für ihn sowohl
gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach
der Wertigkeit des bisherigen Berufes.
Ist der Versicherte nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI, so liegt auch keine Erwerbsunfähigkeit nach
§ 44 SGB VI vor (vgl. BSG Urteil vom 5. April 2001 - B 13 RJ 61/00 R -).
Die Klägerin ist nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 SGB VI a.F., denn sie kann ihre letzte Tätigkeit als
Sachbearbeiterin Kredittechnik sowie ihren erlernten Beruf als Rechtsanwaltsgehilfin weiterhin vollschichtig ausüben.
Das SG hat auf der Grundlage des von ihm eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dr. H. ein
untervollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin zu Recht verneint, insoweit wird auf die Begründung des
angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Diese Leistungseinschätzung wird durch das im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr.
H. bestätigt. Dieser hat bei der Klägerin nach eigener Untersuchung unter Berücksichtigung der umfangreichen
Vorbefunde eine anhaltende Somatisierungsstörung, eine Angst- und depressive Störung, einen Bandscheibenvorfall
C 6/7 ohne Nervenkompressionssymptomatik, einen medialen Bandscheibenvorfall L 5/S 1 ohne radikuläre Ausfälle
sowie eine leichte, rechtsbetonte Struma diffusa bei euthyreoter Stoffwechsellage diagnostiziert und ein Fibromyalgie-
Syndrom ausgeschlossen. Er hat hierzu in Übereinstimmung mit den Vorgutachten ausgeführt, dass bei der Klägerin
eine Fülle von Beschwerdebildern vorliegt, die viele verschiedene Organsysteme betreffen. Bei seiner Untersuchung
lag die Akzentuierung der Klagen auf thorakalen Schmerzen im Sinne von Herzbeschwerden, die seit Juni 2003
angegeben werden. Anlässlich der damals durchgeführten Diagnostik konnte jedoch eine Herzerkrankung eindeutig
ausgeschlossen werden. Es wurde lediglich eine minimale Wandverkalkung der Riva festgestellt, die zu einer
Überprüfung der Stoffwechsellage und der Empfehlung zur Cholesterinsenkung führte. Aus den für die Folgezeit
beigezogenen und von der Klägerin vorgelegten medizinischen Unterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine
von ihr selbst angegebene Verschlechterung der kardialen Situation. Gleichwohl hat sie gegenüber Dr. H. erneut
Brustschmerzen mit starker Angst, Beklemmung und Ausstrahlung in den gesamten linken Arm sowie in den
Kieferwinkel angegeben, die zu einem weitgehenden sozialen Rückzug und erheblichen Vermeidungsverhalten geführt
hätten. Sie hat auch ihm gegenüber darauf hingewiesen, aus einer Risikofamilie mit häufigen Myokardinfarkten und
cerebralen Insulten zu stammen.
Die Vorbefunde, insbesondere die Berichte über die stationären Behandlungen im Jahr 2002 und 2003 spiegeln diese
Angst der Klägerin, die wiederholt notfallmäßig ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat, deutlich wieder. Dabei ist -
worauf auch Dr. H. hinweist - auffallend, dass die Angaben der Klägerin über ihre Beschwerden gerade hinsichtlich der
im Jahr 2002 geklagten Sehstörungen und Gefühlstörungen, aber auch hinsichtlich der kardialen Verhältnisse sehr
unterschiedlich sind. So gab die Klägerin über Sehstörungen vom Mai 2002 am Folgetag eine ca. fünfzehnminütige
Dauer an, im Januar 2003 dagegen mehrere Intervalle von zuletzt 25 bis 30 Minuten Dauer. Im Juli gab sie ein
Taubheitsgefühl während einer Autofahrt ohne Verlust der Kontrolle über Arme und Beine an, im Januar 2005
beschrieb sie dieses Ereignis als dreistündige komplette Lähmung der linken Körperhälfte. Bezüglich der
umfangreichen kardiologischen Diagnostik vom September 2003 teilte sie ihrem behandelnden Nervenarzt im Januar
2005 mit, sie leide an einer koronaren Herzkrankheit und müsse sich wohl einer Bypass-Operation unterziehen,
obwohl nach den ihr bekannten Arztberichten eine koronare Herzerkrankung ausdrücklich ausgeschlossen und nach
den vorliegenden Unterlagen weder anlässlich der damaligen Untersuchung noch in der Folgezeit die Indikation für
eine Bypass-Operation gestellt worden ist.
Bezüglich der Wirbelsäulenbeschwerden findet nach den vorliegenden medizinischen Berichten lediglich eine
gelegentliche symptomatische Behandlung statt. Auch Dr. H. fand bei seiner Untersuchung keine Anhaltspunkte für
eine diesbezügliche Verschlechterung. Einen Schmerzmittelabusus hält er für eher unwahrscheinlich. Bezüglich der
im Jahr 2002 aufgrund der Angaben der Klägerin über Gefühlsstörungen diagnostizierten transitorischen ischämischen
Attacken, die nach ihren jetzigen Angaben laufend etwa dreimal pro Woche auftreten, hatte sich bereits bei der
umfangreichen Diagnostik in den Jahren 2002 und 2003 keine Ursache finden lassen. Dr. H. geht hier nachvollziehbar
davon aus, dass - wie bereits in den Vorbefunden angesprochen - diese Angaben sowie von der Klägerin wiederholt
beschriebene Schwindelerscheinungen und Kopfschmerzen Ausdruck einer Somatisierungsstörung sind. Auch ein
Fibromyalgiesyndrom konnte er anlässlich seiner Untersuchung - wie bereits Dr. H. - nicht bestätigen. Dr. H. geht in
seinem Gutachten auch auf die zahlreichen weiteren Beschwerden und Symptome der Klägerin ein, insbesondere die
von ihr angegebenen Verdauungsprobleme, Durchfälle und Magenschmerzen und weist zutreffend darauf hin, dass die
gastroenterologischen Untersuchungen bisher keine sozialmedizinisch relevanten Gesundheitsstörungen aufgezeigt
haben.
Dr. H. leitet aus den von ihm erhobenen Befunden als Gesundheitsstörungen nachvollziehbar eine anhaltende
Somatisierungsstörung sowie in Abweichung von den Vorgutachten zusätzlich eine leichte bis mittelschwere
gemischte Angst- und depressive Störung ab, wobei die Klägerin ihm gegenüber u.a. soziale Rückzugstendenzen,
Antriebsarmut, Interessenverlust, erhöhte Ermüdbarkeit und Libidoverlust angegeben hat. Insoweit ist nach den
Ausführungen des Sachverständigen von einer Verschlechterung seit 1999 auszugehen. In der
Untersuchungssituation zeigte sich die Klägerin überwiegend depressiv verstimmt, nur eingeschränkt
schwingungsfähig und brach wiederholt in Tränen aus, Symptome, die in den Vorgutachten in dieser Weise noch nicht
beschrieben worden sind. Anhaltspunkte für eine schwerwiegende neurologische Erkrankung, eine
bandscheibenbedingte radikuläre Symptomatik oder eine Tumorerkrankung des zentralen oder peripheren
Nervensystems liegen dagegen nicht vor.
Zum Leistungsvermögen hat Dr. H. überzeugend ausgeführt, dass die Klägerin trotz der bei ihr bestehenden
Gesundheitsstörungen und des feststellbaren Leidensdrucks noch in der Lage ist, einer vollschichtigen
Erwerbstätigkeit als Sachbearbeiterin Kreditwesen oder als Rechtsanwaltsgehilfin nachzugehen. Aufgrund der
verringerten psychischen Belastbarkeit sind ihr Tätigkeiten mit gebundenem Zeittakt und Arbeiten im
Wechselschichtbetrieb, wegen der Wirbelsäulenbeschwerden Arbeiten mit häufigem Bücken, Heben und Tragen
schwerer Lasten, häufige Überkopfarbeiten, Tätigkeiten in unphysiologischer Zwangshaltung und unter
Witterungseinflüssen nicht mehr zumutbar. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit hat der Sachverständige in
Übereinstimmung mit den Vorgutachtern nicht festgestellt. Nach Einleitung einer adäquaten Therapie (antidepressive
Medikation und ein stationäres psychotherapeutisches Heilverfahren) könnte nach seinen Ausführungen die
depressive Verstimmung und die Angstsymptomatik in absehbarer Zeit deutlich gebessert und eine erhöhte
psychische Belastbarkeit im Beruf erreicht werden. Bezüglich der Somatisierungsstörung kann mangels Einsicht in
die Art der Erkrankung und die sich daraus ergebenden Therapieerfordernisse in absehbarer Zeit dagegen nicht mit
einer Besserung gerechnet werden. Der Senat schließt sich dieser Leistungsbeurteilung an.
Der im Auftrag der Klägerin gehörte Sachverständige Dr. S. hat ergänzend dazu zwar als Diagnosen eine
vordiagnostizierte Migräne und einen chronischen Tinnitus aurium genannt, jedoch keine über die Vorgutachten
hinausgehenden Leistungseinschränkungen festgestellt und die Klägerin ebenfalls für fähig erachtet, als
Sachbearbeiterin Kredittechnik, Rechtsanwaltsgehilfin und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt acht Stunden täglich
erwerbstätig zu sein. Wegen morgendliche Anlaufschwierigkeiten hat er lediglich angeregt, eine Tätigkeit erst ab 8.00
Uhr zu beginnen.
Eine weitergehende Begutachtung haben beide Sachverständige nicht für erforderlich erachtet. Auch die von der
Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen geben hierzu keinen Anlass. Die aufgrund der
Angaben der Klägerin anlässlich der stationären Behandlungen im Mai, Juli und September 2002 diagnostizierten und
von der Klägerin als fortbestehend angegebenen sensiblen rechtstransitorischen ischämischen Attacken haben bei
der Begutachtung Berücksichtigung gefunden. Auf orthopädischem Gebiet ergeben sich auch aus dem Bericht des
Orthopäden Dr. N. vom 16. September 2005 keine Anhaltspunkte für weitere leistungsmindernde
Gesundheitsstörungen. Die von ihm empfohlene nochmalige neurologische Untersuchung hat die Klägerin bisher
offenbar nicht wahrgenommen. Internistisch wurde im Rahmen wiederholter Untersuchungen keine wesentliche
Gesundheitsstörung festgestellt. Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte für eine koronare Herzerkrankung oder eine
leistungsmindernde Magen- oder Darmerkrankung vor. Die letzte Gastroskopie am 29. Juli 2005 ergab lediglich
Anzeichen für kleinere abgelaufene gastrointestinale Blutungen ohne therapeutische Konsequenzen. Die
zwischenzeitliche Entfernung eines Papilloms der linken Brust sowie eine attestierte chronische Othitis und
chronische Gehörgangsekzeme sind ohne erkennbare Relevanz für das Leistungsvermögen der Klägerin. Bezüglich
des Papilloms wurde nur eine Mammographiekontrolle für erforderlich gehalten (Bericht vom 12. April 2005), die HNO-
ärztliche Untersuchung lässt keine Minderung des Hörvermögens erkennen (Bericht vom 4. Mai 2005). Auch der
Bericht des Neurologen und Psychiaters Dr. K. über eine einmalige Untersuchung am 11. Januar 2005 gibt keinen
Anlass zu weiteren Ermittlungen. Die dort angegebenen Beschwerden hatte die Klägerin bereits gegenüber Dr. H.
geäußert. Die von Dr. K. gestellte Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode entspricht den Feststellungen
des Sachverständigen Dr. H ... Eine weitere fachärztliche Behandlung ist seither nicht erfolgt. Die auch von Dr. K.
empfohlene ambulante Psychotherapie hat die Klägerin nach ihren Angaben im Erörterungstermin vom 30. November
2005 nicht begonnen.
Gegen die von allen Sachverständigen übereinstimmend geäußerte Beurteilung, dass die Klägerin auch unter
Berücksichtigung ihrer qualitativen Leistungseinschränkungen den Beruf der Rechtsanwaltsgehilfin und die zuletzt
ausgeübte Tätigkeit als Sachbearbeiterin Kredittechnik noch vollschichtig ausüben kann, bestehen keine rechtlichen
Bedenken. Es handelt sich um körperlich leichte Bürotätigkeiten, die einen Wechsel der Körperhaltung zulassen,
keine besonderen Anforderungen (z.B. im Sinne von Heben und Tragen von Lasten, häufigen Überkopfarbeiten oder
häufigen Bücken) an die Belastbarkeit der Wirbelsäule und der Gelenke stellen und weder Wechselschicht noch
taktgebundene Arbeit beinhalten.
Liegt bei der Klägerin keine Berufsunfähigkeit vor, so kommt auch eine Erwerbsunfähigkeit (§ 44 SGB VI a.F.) oder
eine teilweise oder volle Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI n.F.) bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei
Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI n.F.) nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass die Klägerin mit ihrem Klagebegehren auch im
Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.