Urteil des LSG Bayern vom 25.06.2010
LSG Bayern: künstler, berechnung der steuer, stadt, niedersachsen, ergänzung, tarifvertrag, gefahr, nachforderung, akte, theater
Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 25.06.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bayreuth S 6 R 6006/08
Bayerisches Landessozialgericht L 5 R 140/08
Bundessozialgericht B 12 R 13/10 R
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 15. Januar 2008
abgeändert und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 17. März 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2006 vollumfänglich abgewiesen. II. Die Berufung der Klägerin wird
zurückgewiesen. III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. IV. Der Streitwert wird auf 4.095,94 Euro
festgesetzt. V. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beigeladenen zu 3) bis 6) als gastspielverpflichtete Künstler während ihrer
Tätigkeit am Landestheater E-Stadt in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin
standen und für welchen Zeitraum die geleisteten Gagen bei der Beitragsberechnung jeweils zugrunde zulegen sind.
Die Klägerin betreibt das Landestheater E-Stadt. In der Zeit vom November 2003 bis Dezember 2004 verpflichtete sie
die Beigeladenen zu 3) bis 6) durch Gastspielverträge zur Mitwirkung an verschiedenen Darbietungen als Sänger,
Tänzer oder Schauspieler. Die vertraglichen Vereinbarungen enthielten neben einer Probenpauschale und einem
festen Vorstellungshonorar, bei den Beigeladenen zu 3), 4) und 6) nebst Reise- und Übernachtungskosten (§ 2 der
vertraglichen Vereinbarung), die folgenden weitgehend wortgleichen Regelungen: "§ 3: [ ...] informiert sich in
Absprache mit dem künstl. Betriebsbüro über alle angesetzten Proben und Vorstellungen und sichert seine
Erreichbarkeit für evtl. erforderlich werdende Vorstellungsänderungen zu. § 4: Die vereinbarte Gage unterliegt im
Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen der Lohnsteuer und der Sozialversicherungspflicht. Ebenso kommen die
Altersversorgungsabgaben zur Verrechnung. Die Sozialversicherungsbeiträge und die Altersversorgungsabgabe
werden bestimmungsgemäß von den Vertragsparteien getragen. Der Gast wird die erforderlichen Unterlagen für die
Berechnung der Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge zum Probenbeginn der Bühnenverwaltung vorlegen. Die
Auszahlung der Probenpauschale sowie der Vorstellungshonorare erfolgt über die monatliche Lohnabrechnung des
Landestheaters (keine Auszahlung über Scheck möglich.) Mit der Zahlung der in § 2 genannten Beträge sind alle
Ansprüche gegen die Bühne aus der zu erbringenden Leistung einschließlich eines Urlaubsanspruches abgegolten."
Die Beigeladenen zu 3) bis 6) waren in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum jeweils an mehreren Spieltagen für
die Klägerin tätig geworden. Zwischen den einzelnen Spieltagen lagen in der Regel nur wenige spielfreie Tage, an
denen die Beigeladenen zu 3) bis 6) nicht für die Klägerin tätig wurden. Der längste Abstand zwischen den Spieltagen
betrug weniger als einen Monat. Die Klägerin hatte die Sozialversicherungsbeiträge zunächst für die Zeit von
Vertragsbeginn bis zum Tag der Premiere und im Anschluss daran nur für tageweise Beschäftigungsverhältnisse an
den jeweiligen Spieltagen abgeführt.
Die Beklagte führte bei der Klägerin am 14.03.2005 und 15.03.2005 eine Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 Viertes
Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) für den Prüfzeitraum vom 01.06.2001 bis 31.12.2004 durch. Mit Bescheid vom
17.03.2005 wurden Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 5.580,02 Euro nachgefordert. Diese Nachforderung
beruht in Höhe der streitgegenständlichen 4.095,94 Euro auf der Feststellung, dass nach der Auffassung der
Beklagten der gastspielverpflichtete Beigeladene zu 3) in der Zeit vom 02.11.2003 bis 20.12.2003, der Beigeladene zu
6) in der Zeit vom 01.02.2004 bis 04.05.2004, der Beigeladene zu 5) in der Zeit vom 16.01.2004 bis 22.04.2004 und
die Beigeladene zu 4) in der Zeit vom 21.10.2004 bis 31.12.2004 bei der Klägerin durchgehend in einem abhängigen
und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden seien.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung wurde vorgebracht, dass Gastspielverträge
in keiner Weise mit den üblichen Bühnenverträgen zu vergleichen seien, da nach § 1 Abs. 5 des Tarifvertrages NV-
Bühne AT die Anwendung des Tarifvertrages auf die zum Gastspiel verpflichteten Künstler ausgeschlossen sei.
Ferner seien die zum Gastspiel verpflichteten Künstler nur zur Ergänzung des Ensembles und für eine bestimmte
Anzahl von Aufführungen verpflichtet gewesen. Da in den Gastspielverträgen die einzelnen Termine kalendertäglich
oder nach Absprache mit der Theaterleitung festgelegt worden seien, habe ein durchgängiges Gastspiel nicht
bestanden. Auch bestünde durch die Nachforderung die Gefahr einer überhöhten Abführung von
Sozialversicherungsbeiträgen, da die gastspielverpflichteten Künstler in den proben- und vorstellungsfreien Zeiten
anderweitig sozialversichert gewesen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2006 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Beklagte
führte aus, dass die Tatsache, dass Gastspielverträge ausdrücklich vom Tarifvertrag NV-Bühne AT ausgeschlossen
seien, auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigungsverhältnisse keinen Einfluss habe. Die
gastspielverpflichteten Künstler seien neben ihren Auftritten auch zur Teilnahme an den Probetagen verpflichtet, was
sich aus den einzelvertraglichen Regelungen in § 3 der Arbeitsverträge ergebe. Auch bestehe eine Abrufbereitschaft
bei Änderungen im Spielplan oder dem Ansetzen einer Probe, so dass während der gesamten Spielzeit von einem
durchgehenden Beschäftigungsverhältnis auszugehen sei mit der Folge, dass die bezogenen Gagen gleichmäßig auf
die Laufzeit des Vertragsverhältnisses zu verteilen seien. Daher sei eine Kürzung des beitragspflichtigen Entgelts auf
die anteiligen Beitragsbemessungsgrenzen für die jeweiligen Spieltage nicht möglich. Die Gefahr einer überhöhten
Beitragsabführung bestehe nicht, da § 22 Abs. 2 SGB IV die Beitragsberechnung von Sozialversicherungsbeiträgen
aus mehreren Beschäftigungsverhältnissen regele.
Hiergegen hat der Klägerbevollmächtigte Klage erhoben zum Sozialgericht Bayreuth mit Schriftsatz vom 29.08.2006.
Das Sozialgericht Bayreuth hat mit Gerichtsbescheid vom 15.01.2008 den Bescheid der Beklagten vom 17.03.2005 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2006 dahingehend abgeändert, dass festgestellt wurde, dass der
Beigeladene zu 3) in der Zeit vom 02.11.2003 bis 20.12.2003 und die Beigeladene zu 4) in der Zeit vom 21.10.2004
bis 31.12.2004 in keinem abhängigen und damit auch in keinem sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin standen. Im Übrigen hat das Sozialgericht Bayreuth die Klage abgewiesen.
Das Sozialgericht hat ausgeführt, dass die Grundsätze zur Beurteilung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses
nach § 7 Abs. 1 SGB IV auch auf Künstler anzuwenden seien. Diese könnten sowohl abhängig beschäftigt als auch
selbständig tätig sein. Die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger hätten nach Beratung in verschieden
Arbeitskreisen auch unter Beteiligung der Interessenverbände aus dem künstlerischen und publizistischen Bereich
einen Abgrenzungskatalog für die im Bereich Theater, Orchester, für Rundfunk- und Fernsehanbieter sowie für Film-
und Fernsehproduktionen künstlerisch und publizistisch tätigen Personen erstellt. Nach diesem Abgrenzungskatalog
(Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vom 05.07.2005 - Anlage 1) sei ein
wichtiges Kriterium für die Beurteilung der Selbständigkeit bzw. der abhängigen Beschäftigung von Künstlern, ob sie
vertraglich verpflichtet seien, an festen Proben teilzunehmen, ob sie eine im voraus festgesetzte Gage bekommen, ob
sie auf die Vertragsverhandlungen mit Veranstalter bzw. Programmgestaltung und die Programmdurchführung Einfluss
haben usw ... Dieser Abgrenzungskatalog sei jedoch für die Gerichte nicht bindend. Vielmehr seien zur Beurteilung
der Frage, ob eine abhängige Beschäftigung vorliege, die nach der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu prüfen.
Das Sozialgericht gelangte zu der Überzeugung, dass zwar die Beigeladenen zu 3) und 4) selbständig tätig gewesen
seien, nicht jedoch die Beigeladenen zu 5) und 6). Diese beiden Künstler seien nach Auffassung und Überzeugung
des Gerichts in der Zeit vom 16.01.2004 bis 22.04.2004 bzw. 01.02.2004 bis 04.05.2004 bei der Klägerin in einem
abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Diese beiden Künstler
seien bei der Klägerin nicht solo tätig gewesen. Die Vorstellungstermine seien nicht fest vereinbart sondern von der
Klägerin einseitig vorgegeben gewesen, damit habe Weisungsgebundenheit bestanden. Darüber hinaus gäben die
Lebensläufe der Beigeladenen zu 5) und 6) keine Anhaltspunkte dafür, dass hier von einer herausragenden
künstlerischen Stellung auszugehen sei, welche die beiden Künstler in die Lage versetzt hätte, ihre Bedingungen der
Klägerin gegenüber durchzusetzen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Auch die Beklagte hat Berufung eingelegt. Die Klägerin ist
insbesondere der Auffassung, dass die zum Gastspiel verpflichteten Beigeladenen zu 3) bis 6) in dem
streitgegenständlichen Zeitraum in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu ihr gestanden seien. Die zum
Gastspiel verpflichteten Bühnenmitglieder seien nicht in den allgemeinen Dienstbetrieb der Bühne eingegliedert
gewesen. Die Verpflichtungen zur Teilnahme an erforderlichen Proben und Verfügbarkeit im Fall von
Spielplanänderungen stelle keine Abrufbereitschaft dar, sondern sei eine grundsätzliche Mitwirkungsverpflichtung für
die Darstellung der übernommenen Aufgaben. Hieraus könne keine Beitragspflicht zur Rentenversicherung abgeleitet
werden. Darüber hinaus vertritt sie die Ansicht, dass, sofern es sich dennoch um ein abhängiges
Beschäftigungsverhältnis handeln sollte, das vereinbarte Honorar jedenfalls nicht monatsweise abzurechnen sei, da
die Beschäftigungsverhältnisse nicht durchgehend gewesen seien.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 15.01.2008
abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 17.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
28.07.2006 vollständig aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 15.01.2008
abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass es sich bei den Gastspielverträgen um durchgehende abhängige
Beschäftigungsverhältnisse handelte mit der Folge, dass die Vergütung monatsweise abzurechnen sei mit der
entsprechenden beitragrechtlichen Berücksichtigung.
Zur Ergänzung wird Bezug genommen auf die Akte des Bayerischen Landessozialgerichts sowie auf die Akte des
Sozialgerichts Bayreuth und die Akten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen sind zulässig gem. §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die Berufung der Beklagten ist auch
begründet.
Die Beigeladenen zu 3), 4), 5) und 6) standen bei der Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis im
Rahmen ihrer Gastspielverträge. Hinsichtlich der jeweiligen gesamten Vertragszeit ist bei allen gastspielverpflichteten
Künstlern von einem durchgehenden Beschäftigungsverhältnis auszugehen mit der Folge, dass die
Vorstellungshonorare nicht nur für an einzelnen Tagen bestehende Beschäftigungsverhältnisse gezahlt wurden. Daher
ist eine Kürzung des beitragspflichtigen Entgelts auf die anteiligen tageweise berechneten
Beitragsbemessungsgrenzen nur für die jeweiligen Spieltage nicht zulässig.
Die Beigeladenen zu 3), 4), 5) und 6) waren bei der Klägerin als gastspielverpflichtete Künstler tätig. Für die
vertraglich geschuldeten Spielzeiten leistete die Klägerin die geschuldete Gage und führte - wie vertraglich vereinbart -
für die Künstler Sozialversicherungsbeiträge und Steuern ab.
Entgegen der Feststellungen des Sozialgerichts waren nach Auffassung des erkennenden Senats die Beigeladenen
zu 3), 4), 5) und 6) gleichermaßen als gastspielverpflichtete Künstler in einem sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnis gestanden. Zutreffend hat das Sozialgericht Bayreuth ausgeführt, dass die Grundsätze zur
Beurteilung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nach § 7 Abs. 1 SGB IV auf Künstler anzuwenden sind.
Diese können sowohl abhängig beschäftigt als auch selbständig tätig sein. Der von den Spitzenverbänden der
Sozialversicherungsträger erarbeitete Abgrenzungskatalog für die Unterscheidung einer selbständigen von einer
freiberuflichen Tätigkeit von Künstlern beinhaltet wichtige Aspekte, die bei der Einzelfallentscheidung durchaus in
Erwägung zu ziehen sind, jedoch sind die Gerichte hieran nicht gebunden. Unter Zugrundelegung der von der
Rechtsprechung entwickelten Kriterien liegen hier bei den Beigeladenen zu 3), 4), 5) und 6) abhängige
Beschäftigungsverhältnisse vor. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Tarifvertrag NV-Bühne AT auf die
Beigeladenen zu 3) bis 6) anzuwenden ist.
Im vorliegenden Fall sind die Beteiligten übereinstimmend davon ausgegangen, dass es sich bei dem
Beschäftigungsverhältnis um eine abhängige Beschäftigung handelt. Dementsprechend wurden auch
Sozialversicherungsbeiträge für die Künstler abgeführt. Die Ausgestaltung der Beschäftigungsverhältnisse war
offensichtlich von den Beteiligten als ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis geplant, wie es sich auch aus den
jeweiligen Gastspielverträgen ergibt. Auch die tatsächliche Ausführung der Gastspielverträge spricht für ein
abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Alle beigeladenen Künstler waren nach den getroffenen vertraglichen
Vereinbarungen gleichermaßen verpflichtet, ihre Arbeitsleistung entsprechend den Vorgaben der Klägerin zu erbringen,
sowohl hinsichtlich Zeit und Ort, als auch hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der künstlerischen Darbietung. Sie
mussten sich auch außerhalb der konkret vorher vereinbarten Proben und Aufführungstermine für eventuelle
Änderungen verfügbar halten. Letztlich ist auch nicht erkennbar, inwieweit die Beigeladenen zu 3), 4), 5) und 6) in
irgendeiner Weise die konkrete Vertragsgestaltung und die Rahmenbedingungen der Leistungserfüllung hätten mit
bestimmen können. Dies alles wurde von der Klägerin vorgegeben. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sind
auch die Lebensläufe der Beigeladenen zu 3) und 4) nicht geeignet, eine selbständige Tätigkeit im Rahmen der
Gastspielverpflichtung zu begründen. Der Wunsch nach nur vorübergehenden Engagements an verschiedenen
Bühnen spricht allein noch nicht gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Insoweit war das Urteil des
Sozialgerichts Bayreuth aufzuheben.
Streitig blieb letztlich, inwieweit die Gagen, die die Künstler bei ihren Auftritten vereinbart hatten, aus einem
einheitlichen Beschäftigungsverhältnis stammen oder ob hier zu Gunsten der Klägerin wie auch der Beigeladenen zu
3), 4), 5) und 6) von einzelnen Tagesverdiensten auszugehen ist mit der Folge, dass geringere
Sozialversicherungsbeiträge abzuführen wären. Diesbezüglich gelangte der Senat zu der Überzeugung, dass auch die
einzelnen Auftrittstage der Künstler dem gesamten Vertragszeitraum des Gastspielvertrages zuzurechnen sind.
Gegenstand der Gastspielverträge waren in allen Fällen die Proben zu bestimmten Opern bzw. Ballettstücken und
auch die Auftritte an konkreten Spieltagen. Damit umfasste der Gastspielvertrag einen konkreten Zeitraum, nämlich
vom ersten Probenbeginn bis zum Zeitpunkt der letzten Aufführung. Nachdem die gastspielverpflichteten Künstler
sich nach § 3 der vertraglichen Vereinbarungen auch außerhalb der konkreten Proben und Auftrittstermine für die
Klägerin zur Verfügung halten mussten, um eventuellen Terminänderungen Rechnung zu tragen, standen die Künstler
in dem gesamten Zeitraum in der Arbeitsverpflichtung bei der Klägerin. Es ist nach den geschlossenen Verträgen
nicht ersichtlich, dass die Künstler innerhalb dieses Zeitraumes die Möglichkeit gehabt hätten, für eine begrenzte
Zwischenzeit nicht verfügbar zu sein. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit eines
Bühnenkünstlers sich nicht darauf beschränkt, an gewissen Proben teilzunehmen und seine Auftritte an den vorher
vereinbarten Terminen zu leisten. Vielmehr hat ein Bühnenkünstler auch in der Zwischenzeit regelmäßig seine Rolle
zu üben, als Sänger seine Stimme zu trainieren, als Tänzer seinen Körper. Die Rolle muss regelmäßig wiederholt
werden, damit die Details nicht in Vergessenheit geraten. All dies leistet der Bühnenkünstler außerhalb der offiziell
vereinbarten Proben und Aufführungstermine. Erst wenn der letzte Auftritt abgeschlossen ist, endet auch das
regelmäßige Üben und Wiederholen der Rolle, die im Vertrag vereinbart war. Insofern erscheint es nicht
nachvollziehbar, eine Zäsur vorzunehmen und den Zeitraum der Proben bis zur Premiere anders zu behandeln als den
Zeitraum, in dem die Auftritte absolviert wurden. Vielmehr handelt es sich hier um ein einheitliches
Beschäftigungsverhältnis vom Tag der ersten Probe bis zum Tag des letzten Auftritts.
Dementsprechend waren auch die Honorare für die jeweiligen Auftritte nicht nur als Einkünfte eines einzelnen Tages
zu berücksichtigen, sondern dem gesamten Zeitraum des Beschäftigungsverhältnisses zuzuordnen. Daraus folgt,
dass die Beklagte zu Recht Sozialversicherungsbeiträge nach erhoben hat, die aufgrund der anderweitigen Beurteilung
durch die Klägerin zunächst nicht abgeführt worden waren.
Der Senat folgt insoweit nicht der Argumentation im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-B-Stadt vom 27.
Januar 2010 (L 1 KR 622/08, bislang nicht veröffentlicht). Das LSG Niedersachsen-B-Stadt ging zwar ebenfalls davon
aus, dass es sich bei den Tätigkeiten der gastspielverpflichteten Künstler um abhängige Beschäftigungsverhältnisse
handelte. Jedoch sei zu differenzieren zwischen der Zeit vom Probenbeginn bis einschließlich der Premiere und den
im weiteren Verlauf folgenden Aufführungsterminen. Dies habe zur Folge, dass die Gagen für die Aufführungstermine
nach der Premiere als Tageseinnahmen zu betrachten seien und dies entsprechend bei der Anwendung der
Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen sei. Die einzelnen Vorstellungstermine wurden mit den Beigeladenen
zu 3) bis 6) jeweils detailliert im Gastspielvertrag festgelegt. Zwar wurden für die Zeiten der Probentermine bis zur
Premiere jeweils Probenpauschalen vereinbart, wohingegen die einzelnen Auftritte mit Tageshonoraren zu vergüten
waren. Das lässt jedoch entgegen der Auffassung des LSG Niedersachsen in seinem Urteil vom 27. Januar 2010
(a.a.O) nicht den Schluss zu, dass keine fortbestehenden Beschäftigungsverhältnisse vorgelegen hätten. Ebenso
wenig eignen sich in diesem Fall die vereinbarten vertraglichen Regelungen zur Erstattung von Reise- und
Übernachtungskosten zur Differenzierung, ob ein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis vorgelegen hat. Die
Regelungen hinsichtlich der Reise- und Hotelkosten spiegeln lediglich die äußeren Umstände der
Beschäftigungsverhältnisse wider, wonach während der Probenzeit eine durchgehende Anwesenheit erforderlich war,
während in dem Zeitraum der einzelnen Auftritte die Anwesenheit am Spieltag grundsätzlich ausreichte.
Dementsprechend war auch die Erstattung der Fahrtkosten sowie Übernachtungskosten ausgestaltet, so dass für den
Probenzeitraum eine Hin- und Rückfahrt sowie durchgehend Übernachtungskosten erstattet wurden, während der
Spielzeit hingegen zu jedem Auftritt eine Hin- und Rückfahrt mit einer Übernachtung. In der Vereinbarung des
Beigeladenen zu 5) findet sich im Übrigen hierzu keine Regelung, da dieser Beigeladene im relevanten Zeitraum in der
Stadt wohnte, in dem die Klägerin ihr Theater betreibt.
In dem hier zu entscheidenden Fall ergab sich kein Anhaltspunkt für die Annahme von befristeten
Arbeitsverhältnissen bis zur Premiere. Auch bestanden in allen Fällen zwischen den Aufführungsterminen keine
Lücken von einem Monat oder mehr, so dass auch unter Anwendung von § 7 Abs. 3 Satz 1 SGB IV von einem
fortbestehenden Arbeitsverhältnis auszugehen ist. Eine ausdrückliche Freistellung der gastspielverpflichteten Künstler
in den Zeiten zwischen den einzelnen Auftritten ist in den Verträgen nicht enthalten. Insbesondere die wesentlichen
Merkmale eines Arbeitsverhältnisses hinsichtlich der geschuldeten Leistung einschließlich des Weisungsrechts des
Arbeitgebers bestanden fort, zumal die Gastspielverträge vorsahen, dass die Künstler für eventuelle
Terminänderungen der einzelnen Vorstellungen für den Arbeitgeber erreichbar sein mussten. Dies bestätigt das
Vorliegen eines durchgehenden Beschäftigungsverhältnisses nach § 7 SGB IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die
Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).