Urteil des LSG Bayern vom 08.10.2009

LSG Bayern: ärztliche behandlung, krankenkasse, erblindung, krankheit, versorgung, gefahr, abrechnung, dienstleistung, sachleistung, therapie

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 08.10.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Würzburg S 6 KR 573/06
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 107/08
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11. März 2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung für die am 08., 11., 29.11. und am 02.12.2005 durchgeführten
Rheopheresebehandlungen in Höhe von 6.000,00 EUR streitig.
Die 1936 geborene Klägerin ist bei der Beklagten in der KVdR versichert. Sie litt an einer beidseits trockenen
altersabhängigen Maculadegeneration mit weichen Drusen. Das Sehvermögen war rechts auf 1/35 herabgemindert,
links auf 0,5 teilweise. Zwischenzeitlich liegt bei der Klägerin eine aggressive feuchte Maculadegeneration vor, deren
Behandlungskosten die Beklagte trägt.
Nach dem ärztlichen Attest der Augenklinik A-Stadt vom 14.09.2007 wurde für die Klägerin am 06.10.2005 eine
Überweisung an die Anästhesie zur Voruntersuchung vor geplanter Rheopherese ausgestellt.
Am 24.10.2005 unterschrieb die Klägerin sowohl eine Patienteneinverständniserklärung als auch eine
Honorarvereinbarung. In der Honorarvereinbarung heißt es, dass die Kosten der Rheopheresebehandlung von einer
Krankenkasse nur nach schriftlicher Zusage übernommen würden. Läge eine Zusage nicht vor, verpflichte sich die
Klägerin, die Kosten der Behandlung selbst zu übernehmen. Diese würden sich pro Behandlung auf 1.500,00 EUR
belaufen.
Mit Schreiben vom 25.10.2005 hatte sich der Ehemann der Klägerin an das Landesamt für Finanzen - Bezügestelle-
Beihilfe - gewandt, worauf die Beihilfestelle mit Schreiben vom 31.10.2005 mitteilte, dass die Rheopheresebehandlung
nicht beihilfefähig sei.
Am 08., 11., 29.11. und am 02.12.2005 wurde bei der Klägerin jeweils eine Rheopheresebehandlung durchgeführt.
Nach den vorgelegten Rechnungen des Rheopheresezentrums A-Stadt vom 29.11.2005 beliefen sich die Kosten auf
insgesamt 6.000,00 EUR.
Bereits am 25.10.2005 hatte sich die Beklagte per Internet über "klinische Studien mit neuen Therapieansätzen"
informiert. U.a. befasst sich dieser Artikel mit der Rheopherese.
Mit Schreiben vom 14.12.2005 unterrichtete die Beklagte die Klägerin, dass ihr Antrag auf Kostenübernahme einem
ärztlichen Fachgutachter übermittelt worden sei.
Am gleichen Tag übersandte die Beklagte dem MDK den Vorgang. Nach Vorlage weiterer Unterlagen kam die
Gutachterin Dr. S. in ihrem Gutachten vom 03.02.2006 zusammengefasst zu dem Ergebnis, bei dem Erkrankungsbild
einer trockenen Maculadegeneration gebe es derzeit keine Standardtherapie. Der Arbeitsausschuss "Ärztliche
Behandlung" des Gemeinsamen Bundesausschusses habe sich 2002 mit der Anwendung therapeutischer
Hemapharesen auch bei der altersabhängigen Maculadegeneration beschäftigt. Die Studienergebnisse seien noch
nicht soweit fortgeschritten, dass eine erneute Zulassung beim Gemeinsamen Bundesausschuss beantragt worden
sei. Des Weiteren läge keine Lebensgefährdung bei dem Erkrankungsbild vor und es handele sich auch nicht um eine
derartig singuläre Erkrankung, bei der eine klinische Überprüfung einer Behandlung nicht vorgenommen werden könne.
Mit streitigem Bescheid vom 13.02.2006 lehnte daraufhin die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme unter
Berufung auf das Gutachten ab. Zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs ließ die Klägerin u.a. auf
einen Bericht des Apheresefor-schungsinstituts vom 03.04.2006 verweisen. Im Übrigen lägen auch die
Voraussetzungen für die Anwendung des sogenannten Nikolausbeschlusses (BVerfG vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98)
vor, wenn auch keine lebensbedrohliche Erkrankung bestanden habe. Es könne für die Gefahr einer schweren
Behinderung wie der Erblindung nichts Anderes gelten.
In einem weiteren Gutachten des MdK vom 11.04.2006 wurde erneut auf die Feststellungen des Ausschusses
verwiesen, wonach sich die Behandlungsmethode immer noch im Stand der Forschung und Erprobung befinde. Erste
positive Zwischenergebnisse aus der Mira-1-Studie mit 43 Patienten müssten noch mit einer größeren Patientenzahl
bestätigt werden. Geplant sei die Fortsetzung dieser Mira-1-Studie mit 150 Patienten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin erneut auf den
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 verweisen lassen. Sie sei auf dem linken Auge von
Erblindung bedroht, was mit der vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Konstellation vergleichbar sei.
Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2008 hat das SG unter Bezug auf BSG vom 27.03.2007 - B 1 KR
25/06 R - darauf hingewiesen, dass die Frage der Einhaltung des Beschaffungsweges fraglich sei und darüber hinaus
keine Abrechnung vorliege, die den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte entspreche und mit Urteil vom
gleichen Tage die Klage abgewiesen. Es hat den Erstattungsanspruch u.a. abgelehnt, da keine den Vorschriften der
GOÄ entsprechende Abrechnung vorgelegt worden sei.
Gegen das Urteil des SG vom 11.03.2008 richtet sich die Berufung der Klägerin. Die behandelnden Ärzte hätten am
26.06.2008 für die streitgegenständlichen Rheopheresebehandlungen Abrechnungen nach den Vorschriften der GOÄ
ausgestellt. Im Übrigen lässt die Klägerin auf ihr bisheriges Vorbringen verweisen.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.03.2008 sowie den
zugrunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 13.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
19.05.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten der im Jahr 2005 durchgeführten
Rheopherese-Behandlungen in Höhe von 6.000,00 EUR zu erstatten.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten sowie der gewechselten Schriftsätze Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG - form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung
gemäß § 140 SGG bedarf, ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet. Das Urteil des SG Würzburg vom
11.03.2008 ist nicht zu beanstanden.
Gegenstand des Verfahrens (§ 95 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 13.02.2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 19.05.2006, mit dem diese die Kostenerstattung für die im November und Dezember
2005 durchgeführten Rheopheresebehandlungen abgelehnt hat.
Zulässig verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch (§ 123 SGG) mit der kombinierten Anfechtungs- und
Leistungsklage (§ 54 Abs.4 SGG).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erstattung von insgesamt 6.000,00 EUR für die im November und Dezember
2005 durchgeführten Rheopheresebehandlungen.
Für die begehrte Kostenerstattung kommt als Anspruchsgrundlage allein § 13 Abs.3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch
(SGB V) in Betracht. Danach sind den Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die
Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder eine Leistung zu Unrecht
abgelehnt hat und sich der Versicherte deshalb die Leistung selbst beschafft.
§ 13 Abs.1 SGB V beruht auf dem Sachleistungsprinzip des § 2 Abs.1 Satz 2 SGB V, das besagt, das sächliche
Mittel und persönliche Dienste von der Krankenkasse beschafft und den Versicherten unter Beachtung des
Wirtschaftlichkeitsgebots in Natur zur Verfügung gestellt werden, soweit diese Leistungen nicht der
Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden können. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs.3
SGB V tritt an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung und besteht deshalb nur, soweit die selbst
beschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als
Sachleistung zu erbringen sind (BSG vom 14.12.2006 - SozR 4-2500 § 13 Nr.12 Rdnr.9 oder bereits BSG vom
24.09.1996 - BSGE 79, 125, 126).
Die genannten Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
§ 13 Abs.3 SGB V sieht in seiner 1. Alternative eine Kostenerstattungspflicht der Krankenkassen vor, wenn sie eine
unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte und dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte
Leistung Kosten entstanden sind.
Eine nicht aufschiebbare Leistung ist dann anzunehmen, wenn sie so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht
keine Zeit mehr bleibt, die Krankenkasse vorher einzuschalten (BSG vom 14.12.2006 - SozR 4-2500 Nr.12 Rdnr.23),
um ihr Gelegenheit zu geben, ihre Leistungspflicht zu prüfen.
Eine unaufschiebbare Leistung im aufgezeigten Sinn liegt hier nicht vor. Zugunsten der Klägerin ist hier (zwar) zu
unterstellen, dass sie sich vor der ersten Behandlung am 08.11.2005 wegen einer Kostenübernahme mit der
Beklagten in Verbindung gesetzt hat. Dafür spricht, hier ist dem SG zu folgen, dass aufgrund des in der
Beklagtenakte enthaltenen Internetausdrucks mit der Datumsangabe "25.10.2005" jedenfalls davon auszugehen ist,
dass sich die Klägerin an die Beklagte wandte. Hinzu kommt, dass der Ehemann der Klägerin bei der Beihilfestelle
am 25.10.2005 einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Unterstellt, die Klägerin habe ihrem eigenen Vorbringen
gemäß vor der ersten Behandlung eine telefonische Ablehnung erhalten, so wäre der sogenannte Beschaffungsweg
eingehalten. Denn ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet nach der
ständigen Rechtsprechung des BSG aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse
einzuschalten und ihre Entscheidung abzuwarten (BSG vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 12
und vom 02.11.2007 - B 1 KR 14/07 R - BSGE 99, 180 bis 189).
Ebenfalls liegen die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs.3 Satz 1 2. Alternative
SGB V nicht vor, da die Beklagte die begehrte Leistung nicht geschuldet hat. Der Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs.3 Satz 1 2. Alternative SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch und setzt
daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung - Behandlung - zu den Leistungen gehört, welche die
Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl.
Urteil vom 26.09.2006 - B 1 KR 3/06 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 10 und vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R - SozR 4-
2500 § 27 Nr. 8 = Breithaupt 2006, 893 bis 904)).
Gemäß § 27 Abs.1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine
Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Hierbei
müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht
überschreiten (§ 12 Abs.1 SGB V). Alle Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, dürfen die
Leistungserbringer nicht bewirken, die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs.1 Satz 2 SGB V). Die Versicherten
können sie nicht beanspruchen.
Gemäß § 135 Abs.1 SGB V dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen
Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag
der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der
Krankenkassen in den BUB-Richtlinien, also der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Bewertung
medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs.1 SGB V, Empfehlungen u.a. über die
Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat. Diese Vorschrift
hat unmittelbare Auswirkungen auch auf das Verhältnis zwischen Krankenkasse und Versichertem. Dieser kann die
Anwendung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode zu Lasten der Krankenkasse nur beanspruchen,
wenn eine positive Empfehlung in den Richtlinien vorliegt.
Dies ist hier nicht der Fall. Bei der Rheopherese-Therapie bei trockener altersabhängiger Maculadegeneration handelt
es sich um eine bisher wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode und damit um keine zugelassene
Behandlungsmethode im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung, sondern um eine außervertragliche Leistung.
Dies ist insbesondere aus dem Gutachten des MDK vom 03.02.2006 zu folgern. Hinzu kommen die Äußerungen des
MDK im Gutachten vom 10.04.2006. Dort heißt es u.a., dass bei der Beratung der therapeutischen Hemapharesen
durch den Bundesausschuss auch die Rheopherese bei altersabhängiger Maculadegeneration geprüft und die
vorhandene wissenschaftliche Datenlage ausgewertet wurden. So wurde im Bericht des Arbeitsausschusses
"ärztliche Behandlung" vom 25.07.2003 festgestellt: " ... die bisherigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen zur
Rheopherese können die Wirksamkeit und den Nutzen dieser Therapie bei keiner Form der altersabhängigen
Maculadegeneration belegen ...".
Im Rahmen der Beratung der therapeutischen Hemapharesen durch den Bundesausschuss 2003 wurde auch die
Indikation der altersabhängigen Maculadegeneration geprüft und in der Folge als Leistung der ambulanten
vertraglichen Versorgung ausgeschlossen. Diese Behandlung befindet sich immer noch im Stadium der Forschung
und Erprobung. Erste positive Zwischenergebnisse aus der Mira-1-Studie mit 43 Patienten müssen noch mit eine
größeren Patientenzahl bestätigt werden.
Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus einem sogenannten Systemversagen. Ein solches liegt nach der
Rechtsprechung des BSG - nur - in Fällen vor, in denen die im Gesetz vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien
rechtswidrig unterblieben ist, also die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen
ist, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und
inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. In einem solchen Fall muss die
Möglichkeit bestehen, das Anwendungsverbot zu überwinden (BSGE 81, 54, 65f; Urteil vom 26.09.2006 - B 1 KR 3/06
R - Rdnr.24). Ein Systemversagen liegt hier (eindeutig) nicht vor.
Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (Az.: 1 BvR 347/98 BverfGE 115, 25) erfolgt
ebenfalls kein anderes Ergebnis. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es mit den Grundrechten
aus Art.2 Abs.1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art.2 Abs.2 Satz 1 Grundgesetz
nicht vereinbar sei, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche
Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung
steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn
eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den
Krankheitsverlauf besteht. Diese Aussage präzisiert das Bundesverfassungsgericht in den Entscheidungsgründen
dahingehend, dass Fallgestaltungen gemeint seien, für die eine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard
entsprechende Behandlungsmethode nicht existiere, der behandelnde Arzt jedoch eine Methode zur Anwendung
bringe, die nach seiner Einschätzung im Einzelfall den Krankheitsverlauf positiv zugunsten des Versicherten
beeinflusse (BverfGE a.a.O., Rz.62).
Das BSG hat im Anschluss an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zahlreiche Urteile gefällt. U.a. vertritt
es die Auffassung, dass auch die Prüfung der allgemeinen Voraussetzungen des SGB V-Erstattungsanspruchs
unberührt bleibt (Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/04 R - a.a.O. Rdnrn. 28 ff. mit weiteren Nachweisen), bevor eine
verfassungskonforme Ergänzung der bestehenden gesetzlichen Regelung in Betracht komme.
Darüber hinaus leidet die Klägerin zwar zweifellos an einer nachhaltigen, die Lebensqualität auf Dauer
beeinträchtigenden Krankheit. Diese Krankheit ist aber, anders als vom Bundesverfassungsgericht vorausgesetzt,
nicht lebensbedrohlich oder gar regelmäßig tödlich verlaufend. Sie kann noch von ihrer Schwere und dem Ausmaß der
aus ihr folgenden Beeinträchtigungen her solchen Krankheiten nicht gleichgestellt werden, so dass auch nicht eine
gleichzusetzende "Notstandssituation" in Betracht kommt. Denn die trockene AMD mit Drusenbildung - wie hier - führt
zu Sehbehinderungen, jedoch nie zur völligen Erblindung (für eine Gleichstellung mit einer lebensbedrohlichen
Erkrankung bei Gefahr akut drohender Erblindung bei einem Kind wohl BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/04 R -
a.a.O. Rdnr. 31 und 14.12.2006 - B 1 KR 12/06 - SozR 4-2500 § 31 Nr. 8).
Auch hier ist auf das Gutachten des MDK vom 03.02.2006 zu verweisen. Danach drohte (zum damaligen Zeitpunkt)
unter Berücksichtigung der Erkenntnisse über den Allgemeinverlauf der vorliegenden Erkrankung - trockene
Maculadegeneration - bei einer Sehschärfe von 0,5 pp auf dem besseren Auge seinerzeit nicht die Gefahr des Eintritts
einer Erblindung innerhalb absehbarer Zeit. Bei der Ausgangssehschärfe seinerzeit auf dem Partnerauge 1/95 sind die
Patienten in die Studien nicht mehr eingeschlossen und es ist bei einem so geringen Sehrest von einem
austherapierten Fall auszugehen, bei dem grundsätzlich keine Visusverbesserung mehr zu erwarten ist. Der
Ansatzpunkt für die hier vorgeschlagene Rheopherese kann hier nur der Visuserhalt bzw. die Visusverbesserung auf
dem linken Auge sein (Ausgangssehschärfe 0,5 pp). Dort allerdings vermochte der Gutachter die Wirksamkeit der
Behandlung nicht zu bestätigen. Somit, das führte der Gutachter weiter aus, sei hier keine Lebensgefährdung bei dem
Krankheitsbild vorliegend und es handele sich auch nicht um eine derart singuläre Erkrankung, bei der eine klinische
Überprüfung einer Behandlung nicht vorgenommen werden könne.
Diese Angaben finden ihre Bestätigung im MDK-Gutachten vom 10.04.2006. Dort heißt es u.a. auch, zweifelsohne
bestehe hier eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende fortschreitende Erkrankung. Eine
lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung im Sinne des sogenannten Nikolausbeschlusses
läge aber nicht vor und es handele sich auch nicht um eine singuläre unerforschbare Erkrankung.
Nach Auffassung des Senats besteht auch kein Anlass, die Rechtsgedanken des Bundesverfassungsgerichts in
seinem Beschluss vom 06.12.2005 a.a.O. auf weitläufigere Bereiche auszudehnen, indem der Gesetzgeber aus wohl
erwogenen Gründen den Leistungsumfang der GKV durch Schaffung besonderer Verfahren und mit besonderem
Sachverstand ausgestatteter Institutionen bewusst begrenzt (BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/04 R sowie B 1
KR 12/05 R - jeweils a.a.O.). Denn entscheidend ist insoweit, dass das vom Bundesverfassungsgericht
herangezogene Kriterium bei weiter Auslegung sinnentleert würde, weil nahezu jede schwere Krankheit ohne
therapeutische Einwirkung irgendwann auch einmal lebensbedrohende Konsequenzen nach sich zieht. Das kann aber
ersichtlich nicht ausreichen, das Leistungsrecht des SGB V und die hierzu ergangenen unter gesetzlichen Regelungen
nicht mehr als entscheidenden rechtlichen Maßstab für die Leistungsansprüche der Versicherten zu sehen.
Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass auch weiterhin keine der GOÄ entsprechende Rechnung vorliegt. Die
Rechnungen vom 26.06.2008 enthalten für die eigentlichen Rheopherese-Behandlungen gerade keine GOÄ-Ziffer.
Welche Konsequenzen hieraus zu ziehen sind, hat das Sozialgericht im angefochtenen Urteil ausführlich und
überzeugend dargelegt. Den Ausführungen schließt sich der Senat gemäß § 153 Abs.2 SGG an und sieht von einer
weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe bezüglich dieses Problems des Nichtvorliegens einer Abrechnung nach
den Vorschriften der GOÄ ab.
Somit ist die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Würzburg vom 11.03.2008 zurückzuweisen.
Der Klägerin sind keine Kosten zu erstatten, da sie unterlegen ist (§ 193 SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 SGG liegen nicht vor.