Urteil des LSG Bayern vom 18.09.2007

LSG Bayern: erwerbsunfähigkeit, behandlung, rentenanspruch, psychose, berufsunfähigkeit, diagnose, anschluss, minderung, härte, serbien

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 18.09.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 5 R 1402/05 A
Bayerisches Landessozialgericht L 6 R 341/07
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 23. Januar 2007 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Leistung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsminderung.
Der 1950 geborene Kläger, ein in seiner Heimat lebender serbischer Staatsangehöriger, hat in der Bundesrepublik
Deutschland ohne erlernten Beruf vom 02.03.1972 bis 29.07.1981 als Bauarbeiter versicherungspflichtig gearbeitet. Im
ehemaligen Jugoslawien hat er Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 16.09.1980 bis 01.01.1989
nach einer Mitteilung des dortigen Rentenversicherungsträgers aufzuweisen.
Am 02.04.1997 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Zahlung einer Rente wegen Berufs- bzw.
Erwerbsunfähigkeit. Im Gutachten nach Formblatt JU 207 vom 19.06.2003 bzw. 22.05.1998 kam die
Neuropsychiaterin Dr.L. zu der Auffassung, seit 23.05.1997 sei der Kläger nurmehr in der Lage, unter drei Stunden
täglich zu arbeiten.
Mit Bescheid vom 16.04.2002 lehnte die Beklagte den Rentenantrag daraufhin mit der Begründung ab, der Kläger
habe die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt, da im
Zeitraum zwischen dem 02.04.1992 und dem 01.04.1997 keine Pflichtbeitragszeiten vorhanden seien. Auch sei in der
Zeit vom 01.01.1984 bis 31.03.1997 nicht jeder Kalendermonat mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt, nämlich die
Monate Februar 1989 bis März 1997.
Den dagegen eingelegten Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2005 zurückgewiesen.
Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Landshut Klage erhoben und unter Vorlage ärztlicher Unterlagen
vorgetragen, er sei qualifizierter Schlosser und habe als solcher auch in Deutschland gearbeitet.
Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das Sozialgericht das von dem Neurologen und Psychiater Dr.Dr.W. am
28.11.2006 nach Aktenlage erstattete Gutachten eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, beim Kläger liege eine
depressive Psychose vor, diesbezüglich hätten vermutlich erste ambulante Behandlungsbedürfnisse seit dem Jahre
1985 bestanden. Vom 07.11.1989 bis 19.03.1991, dem ersten stationären Aufenthalt, sei der Kläger arbeitsunfähig
gewesen. Seit 09.01.1997 sei sein Leistungsvermögen aufgehoben; über den Zeitraum zwischen 19.03.1991 und
09.01.1997 könnten mangels entsprechender Unterlagen keine sicheren Aussagen getroffen werden. Dies gelte auch
für den Zeitraum vor 1989.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.01.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger sei im
Januar 1991 noch in der Lage gewesen, täglich sechs Stunden und mehr Arbeiten von wirtschaftlichem Wert zu
verrichten. Es müsse davon ausgegangen weden, dass er seit 09.01.1997 nicht mehr in der Lage gewesen sei, einer
Erwerbstätigkeit von wirtschaftlichem Wert nachzugehen und er sei deshalb seit diesem Zeitpunkt voll
erwerbsgemindert. Eine Rentengewährung scheide jedoch aus, da der Kläger die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen nicht mehr erfülle. Es scheide auch eine Nachentrichtung fehlender Beiträge aus.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, nach dessen Auffassung zwischen dem Gutachten des Dr.Dr.W. und
den Ausführungen des Sozialgerichts ein Widerspruch bestehe.
Mit Schreiben vom 12.07.2007 hat der Senat den Kläger darauf hingewiesen, dass dem Gutachten des Dr.Dr.W.
eindeutig zu entnehmen sei, dass beim ihm die Aufhebung des Leistungsvermögens erst ab Januar 1997
nachgewiesen sei und für die Zeit davor mangels ärztlicher Unterlagen keine Aussage getroffen werden könne. Damit
seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht gegeben; zu Recht gehe das
Sozialgericht auch davon aus, dass eine rückwirkende Zahlung von Beiträgen zur Füllung der bestehenden Lücken im
Versicherungsverlauf nicht möglich sei, was auch für das serbische Recht gelte. Eine Äußerung hierzu ist bei Gericht
nicht eingegangen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Landshut vom 23.01.2007 sowie des
Bescheides vom 16.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2005 zu verpflichten, ihm
aufgrund des Antrags vom 02.04.1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit, weiter
hilfsweise - für die Zeit ab 01.01.2001 - wegen Erwerbsminderung zu leisten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Tatbestandes wird im Übrigen verwiesen auf den Inhalt der Akten des Gerichts
und der beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts Landshut, die sämtlich Gegenstand der
mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und somit zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der
Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut ist im Ergebnis nicht zu beanstanden,weil der Kläger gegen die
Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung hat.
Die Rechtslage beurteilt sich zunächst gemäß § 300 Abs.2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) noch nach
den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.), da ein Leistungsbeginn vor dem
01.01.2001 im Streit steht (Antrag vom 02.04.1997). Gemäß den §§ 43 und 44 SGB VI a.F. hatte u.a. ein Versicherter
Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit, der berufs- bzw. erwerbsunfähig war und in
den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeitragszeiten hatte. Dies ist
beim Kläger im Hinblick auf den von Dr.Dr.W. in seinem Gutachten vom 28.11.2006 festgestellten Eintritt der
Erwerbsunfähigkeit nicht der Fall. Zwar sind die vom Sozialgericht dem Sachverständigen vorgelegten Fragen, die
dieser nach Aktenlage beantwortet hat, nicht geeignet, zur Lösung des Rechtsstreits beizutragen (z.B. ob die
Leistungsminderung vor dem 01.12.2000 oder erst nach dem 30.11.2000 eingetreten sei u.ä.), die nach Aktenlage
getroffenen Feststellungen von Dr.Dr.W. sind jedoch eindeutig genug, die letztlich vom Sozialgericht getroffene
Lösung zu stützen.
Dr.Dr.W. weist zunächst darauf hin, dass der Kläger erstmals vom 13.11.1989 bis 19.03.1991 stationär behandelt
wurde, sodann ist die medizinische Anamnese leer bis zu den erneuten stationären Behandlungen in den Jahren ab
1997. Der Kläger wurde dabei jeweils unter der Diagnose einer depressiven Psychose aufgenommen. Aus den
vorgelegten Unterlagen ergibt sich ergänzend, dass der Kläger seit 1985 ambulant behandelt worden war, im
Anschluss an Selbstmorddrohungen im Jahre 1989 kam es zur erstmaligen stationären Behandlung. Dr.Dr.W. führt
aus, dass der Kläger in jedem Fall während des ersten stationären Aufenthalts zwischen November 1989 und März
1991 arbeitsunfähig war, eine Minderung des Leistungsvermögens im rentenberechtigenden Ausmaß darüber hinaus
auf Dauer lässt sich den Unterlagen nicht entnehmen. Ab 09.01.1997, dem Beginn des zweiten stationären
Aufenthalts, der weitere nach sich gezogen hat, war das Leistungsvermögen nachweisbar auf Dauer aufgehoben.
Nachdem für die Zwischenzeit keinerlei Unterlagen vorliegen und eine irgendwie geartete Behandlung auch nicht
behauptet wurde, war der Sachverständige auch nicht in der Lage, hierüber eine sozialmedizinische Beurteilung
abzugeben. Entsprechend den Grundsätzen der objektiven Beweislast muss dies zu Lasten des Klägers gehen.
Die Beklagte weist in ihrer angefochtenen Entscheidung zutreffend darauf hin, dass im maßgebenden
Fünfjahreszeitraum vom 09.01.1992 bis 08.01.1997 für den Kläger keinerlei Pflichtbeiträge vorhanden sind, weshalb
ein Rentenanspruch trotz eingetretenem Leistungsfall aus versicherungsrechtlichen Gründen nicht bestehen kann.
Auch ist der Kläger nicht in der Lage, gemäß § 241 Abs.2 SGB VI die Zeiten von Februar 1989 bis Dezember 1996
durch die Nachentrichtung etwa freiwilliger Beiträge zu füllen. So führt die Beklagte unter Bezugnahme auf §§ 197
Abs.2, 198 SGB VI zu Recht aus, dass freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung noch für Zeiten ab
01.01.1996, nicht aber auf die vorher liegenden unbelegten Zeiten gezahlt werden können. Auf den Umstand, dass
eine derartige Nachentrichtung dem Kläger auch in Serbien nicht möglich ist, wurde er ausdrücklich hingewiesen, ohne
sich dagegen zu wenden. Auch die für die Fälle besonderer Härte vorgesehene außerordentliche
Nachentrichtungsmöglichkeit gemäß § 197 Abs.3 SGB VI ist für den Kläger nicht mehr möglich. Es besteht somit
weder ein Rentenanspruch nach dem bis 31.12.2000 geltenden Recht noch wegen voller bzw. teilweiser
Erwerbsminderung nach den ab 01.01.2001 geltenden Vorschriften, da die beitragsrechtlichen Voraussetzungen auch
danach weiterhin Gültigkeit besitzen.
Da das Sozialgericht im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente abgelehnt hat,
war die Berufung gegen den angefochtenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut als unbegründet
zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.