Urteil des LSG Bayern vom 22.09.2004

LSG Bayern: gerichtsgebühr, auflage, klagerücknahme, devolutiveffekt, beschwerdeinstanz, behandlung, beschwerdegegenstand, hauptsache, beitragsnachforderung

Bayerisches Landessozialgericht
Kostenbeschluss vom 22.09.2004 (rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 10 KR 88/02
Bayerisches Landessozialgericht L 5 B 398/04 KR
Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 29. März 2004 in Ziff. 2
aufgehoben.
Gründe:
I.
Die Klägerin wandte sich mit ihrer am 22. April 2002 erhobenen Klage gegen eine Beitragsnachforderung im
Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung gem. § 28 p Abs.1 SGB IV. Diese Klage nahm sie im Erörterungstermin am
19.09.2002 nach dem umfangreichen Sachvortrag des Vorsitzenden und seinem Hinweis auf die fehlende
Erfolgsaussicht zurück.
Mit Beschluss vom 29. März 2004 hat das Sozialgericht neben der Streitwertfestsetzung unter Ziff.2 verfügt, dass
Gerichtskosten, insbesondere die Gerichtsgebühr, nicht zu tragen seien. Begründet hat es dies mit dem
Kostenverzeichnis, wonach dann im sozialgerichtlichen Verfahren keine Gebühr anfällt, wenn keine mündliche
Verhandlung anberaumt und kein Beweisbeschluss ergangen oder keine Beweiserhebung angeordnet worden war (KV
4110). Zwar habe gem. § 154 Abs.2 VwGO i.V.m. § 197a SGG derjenige, der seine Klage zurücknehme, die Kosten
des Verfahrens zu tragen. Eine Gerichtsgebühr sei aber nicht fällig geworden, weil die Klage noch vor einer Handlung
des Gerichts zurückgezogen worden sei.
Dieser Beschluss ist lediglich den Beteiligten des Klageverfahrens, nicht hingegen der Staatskasse zugestellt worden.
Gegen den Beschluss vom 29.03.2004 in Ziff.2 hat der Bezirksrevisor beim Bayer. Landessozialgericht mit
Schriftsatz vom 21.07.2004 Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, diese Entscheidung widerspreche eindeutig
der sich aus § 155 Abs.2 VwGO ergebenden Kostentragungspflicht; soweit darin festgestellt werde, dass eine
Gerichtsgebühr nicht zu tragen sei, sei dies ebenfalls rechtswidrig, da eine derartige Entscheidung nur in einem
gerichtlichen Verfahren über eine nach § 5 Abs.1 Gerichtskostengesetz zulässig eingelegte Erinnerung ergehen
könnte. Bislang sei jedoch noch kein Kostenansatz durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erfolgt. Im
Übrigen seien auch die Voraussetzungen der KV-Nr.4110 nicht erfüllt.
Die Staatskasse beantragt,
den Beschluss vom 29.03.2004 in Ziff.2 aufzuheben und festzustellen, dass ausgehend von dem Streitwert von
1.914,83 Euro für das vorliegend gewesene Klageverfahren von der Klägerin eine allgemeine Verfahrensgebühr nach
KV-Nr.4110 zu § 11 Abs.2 Gerichtskostengesetz in Höhe von 73,00 Euro zu zahlen ist. Hilfsweise wird nur eine
Aufhebung des Beschlusses vom 29.03.2004 in Ziff.2 beantragt.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Beschwerdegegenstand ist eine Kostengrundentscheidung gem. § 197a SGG i.V. mit einer Kostennebenentscheidung
im Sinne des § 8 Gerichtskostengesetzes. Der Tenor des Beschlusses vom 29.03.2004 ist in Anbetracht der Gründe
dahin auszulegen, dass die Klägerin trotz ihrer grundsätzlichen Kostentragungspflicht gem. § 154 Abs.2 SGG von der
Gerichtsgebührenpflicht freigestellt werden soll. Um eine Entscheidung gem. § 5 Abs.1 Gerichtskostengesetzes kann
es sich trotz der Bezugnahme auf KV-Nr.4110 schon deshalb nicht handeln, weil, wie der Bezirksrevisor zutreffend
feststellt, sowohl ein Kostenansatz durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle als auch eine von Klägerin oder
Staatskasse eingelegte Erinnerung fehlen.
Der Hilfsantrag des Beschwerdeführers ist zulässig und begründet.
Die Beschwerde ist nach § 5 Abs.2 Gerichtskostengesetz zulässig. Ein Beschwerdeauschluss gem. § 158 Abs.2
VwGO kommt nicht in Betracht. Zwar ist in den Fällen, in denen in der Hauptsache eine Entscheidung nicht ergangen
ist, die Entscheidung über die Kosten nicht anfechtbar (Beschluss des 5.Senats vom 29.07.2004, Az.: L 5 B 239/04
KR). Davon zu unterscheiden ist jedoch die grundsätzlich dem Kostenansatzverfahren vorbehaltene Entscheidung,
von Gerichtsgebühren abzusehen. Diese Entscheidung ist auch dann nach § 5 Abs.2 Gerichtskostengesetz
beschwerdefähig, wenn sie - wie hier - bereits in Verbindung mit einer Kostengrundentscheidung ergeht (ebenso OVG
Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22.11.1994, Az.: 13 E 11732/94 m.w.N.). Der Hilfsantrag des Beschwerdeführers ist
begründet. Die Nichterhebung von Kosten kann nicht auf § 8 Gerichtskostengesetz gestützt werden. Danach werden
Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Das gleiche gilt bei der
Zurücknahme eines Antrags, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnisse beruht (§ 8 Abs.1 Satz 3 Gerichtskostengesetz in der bis 30. Juli 2004 gültigen Fassung). Das Gericht
hat selbst seine Entscheidung nicht auf § 8 Gerichtskostengesetz gestützt. Unverschuldete Unkenntnis der
rechtlichen Verhältnisse kann insbesondere deshalb nicht geltend gemacht werden, weil die Rücknahme des
Klageantrags nach umfangreicher Belehrung durch den Vorsitzenden erfolgt ist (Hartmann, Kostengesetze, 32.
Auflage, § 8 GKG Rzi 51).
Ob die Gerichtsgebühr gemäß der Nr.4110 des Kostenverzeichnisses wegen rechtzeitiger Zurücknahme der Klage
entfällt, wie dies das Sozialgericht behauptet, oder angesichts der Umstände der Klagerücknahme nach
umfangreicher Erörterung abzulehnen ist, wie dies der Bezirksrevisor ausführt, kann vom Beschwerdegericht nicht
entschieden werden. Ebensowenig wie das Sozialgericht befugt war, eine Entscheidung gem. § 5 Abs.1
Gerichtskostengesetz zu treffen, ist Beschwerdeinstanz berechtigt, die Voraussetzungen der Nr.4110 KV zu prüfen.
Der Devolutiveffekt der Beschwerde beschränkt sich auf die ergangene Entscheidung, die - wie eingangs klargestellt -
keine Entscheidung gem. § 5 Abs.1 Gerichtskostengesetz darstellt. Aus diesem Grund kann dem Hauptantrag des
Beschwerdeführers nicht entsprochen werden.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei (§ 5 Abs.6 Satz 1 Gerichtskostengesetz).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).