Urteil des LSG Bayern vom 13.10.2009
LSG Bayern: vergleich, wiederaufnahme des verfahrens, übereinstimmende willenserklärungen, krankengeld, anfechtung, drohung, rechtsgeschäft, irrtum, ergänzung, befund
Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 10.02.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Würzburg S 5 AS 228/08
Bayerisches Landessozialgericht L 11 AS 404/08 NZB
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom
28.07.2008 - S 5 AS 228/08 - wird zurück- gewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Streitig ist die Absenkung des Arbeitslosengeldes II (Alg II) um 30 vH. Der Kläger, Vater von vier Kindern im Alter
zwischen eineinhalb und zwölf Jahren, erhielt von der Beklagten mit Bescheid vom 07.11.2007 für sich und seine
Familie für die Zeit vom 01.10.2007 bis 31.03.2008 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 1.032,71 EUR
monatlich. Wegen Nichtantritts einer Trainingsmaßnahme am 12.11.2007 senkte die Beklagte den dem Kläger
zustehenden Teil des Alg II vom 01.01.2008 bis 31.03.2008 in Höhe von monatlich 94,00 EUR herab. Das
Sozialgericht Würzburg (SG) hat die Klage auf Auszahlung des ungekürzten Alg II am 28.07.2008 abgewiesen. Der
Kläger habe keinen wichtigen Grund gehabt, die Trainingsmaßnahme nicht anzutreten, da die Arzttermine der ältesten
Tochter auf einen Zeitpunkt nach dem täglichen Ende der Therapiemaßnahme um 16.00 Uhr hätten gelegt werden
können und im Übrigen die Ehefrau als Begleitperson hätte fungieren können. Der notwendige Transport der
gehbehinderten Tochter zur Schule hätte bereits vor Beginn der Trainingsmaßnahme organisiert werden können und
das Abholen von der Schule hätte in der Seminarpause erfolgen oder durch eine Vereinbarung mit anderen Eltern
gelöst werden können. Zudem hätte auch die Ehefrau, die über einen Führerschein verfüge, die Tochter abholen
können. Zur Begründung der dagegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde hat
der Kläger vorgetragen, das Urteil leide zumindest unter Verfahrensmängeln. Insbesondere hätte die Ehefrau des
Klägers zu den häuslichen Umständen und zur Abkömmlichkeit des Klägers im betreffenden Zeitraum befragt werden
müssen. Ein förmlicher Beweisantrag sei hierzu nicht erforderlich gewesen. Dagegen hat die Beklagte eingewandt, der
Vortrag des Bevollmächtigten gehe in Richtung Beweisermittlung, die dem Ausforschungsbeweis diene statt eine
konkrete Tatsache zu benennen, welche durch die Befragung der Ehefrau des Klägers hätte bewiesen werden sollen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs 1 und 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich jedoch nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs 1
Satz 1 Nr 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Nach §
144 Abs 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil
von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der
Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht
(Nr 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und
vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Der
Rechtssache kommt zunächst keine grundsätzliche Bedeutung zu, da dies nur dann der Fall ist, wenn die angestrebte
Entscheidung über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat, wenn sie also insbesondere geeignet ist, die
Rechtseinheit zu erhalten oder die Fortbildung des Rechts zu fördern (BSG in SozR 1500 § 160 Nr 53). Im anhängigen
Rechtsstreit stand keine Rechtsfrage, sondern die tatsächliche Frage im Vordergrund, inwieweit der Kläger an der
Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme gehindert war. Vor diesem Hintergrund macht der Klägerbevollmächtigte auch
selbst nicht geltend, dass das Urteil des SG von einer Entscheidung der in § 144 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichte
abweicht. Das Urteil des SG leidet auch nicht an dem vom Klägerbevollmächtigten gerügten Verfahrensmangel. Ein
Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel
bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils, so dass es nicht um die Richtigkeit der Entscheidung gehen
kann, sondern lediglich um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil oder die Zulässigkeit des
Urteils. Der Kläger rügt mangelnde Sachaufklärung. Die Verletzung der Amtsermittlungspflicht stellt dann einen
Verfahrensmangel dar, wenn sich das Gericht zu weiteren Ermittlungen aus seiner rechtlichen Sicht hätte gedrängt
fühlen müssen (Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 144 Rdnr 34 mwN). Zutreffend weist der
Klägerbevollmächtigte daraufhin, dass nach § 103 Satz 1 SGG das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu
erforschen hat, d.h. sich nicht auf eine Beschränkung seiner Amtsermittlungs- pflicht durch einen fehlenden
Beweisantrag berufen kann. Anders als § 160 Abs 2 Nr 3 SGG verlangt § 144 Abs 2 Ziffer 3 SGG lediglich eine
schlüssige Geltendmachung des Verfahrensmangels. Daran fehlt es hier. Das SG hat die vom Kläger geltend
gemachten Hinderungsgründe in erster Linie deshalb verworfen, weil der Kläger selbst durch sein Verhalten in der
gemachten Hinderungsgründe in erster Linie deshalb verworfen, weil der Kläger selbst durch sein Verhalten in der
Lage gewesen wäre, die familiären Verpflichtungen infolge der Krankheit der Tochter mit dem Seminarbesuch in
Einklang zu bringen. Nur ergänzend hat es jeweils darauf abgestellt, dass auch die Ehefrau des Klägers einzelne
Pflichten hätte übernehmen können. Nach der Auffassung des SG kommt es daher nicht entscheidend darauf an, ob
die Ehefrau des Klägers tatsächlich in der Lage gewesen wäre, die Tochter von der Schule abzuholen bzw. diese zum
Arzt zu begleiten. Von seinem Standpunkt aus war es vielmehr maßgeblich, dass der Kläger selbst durch eigene
zumutbare Anstrengungen es hätte bewerkstelligen können, die zweifellos vorhandenen Erschwernisse zu
überwinden. Weil der Sachverhalt, wie er dem SG zurzeit der Urteilsfällung bekannt gewesen ist, vom sachlich
rechtlichen Standpunkt aus zur Entscheidung des Rechtsstreits ausreichte, musste sich das Gericht daher nicht zu
weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen. Die
Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar
(§ 177 SGG). Nach § 145 Abs 4 Satz 4 SGG wird das Urteil des SG mit der Ablehnung der Beschwerde durch das
Landessozialgericht rechtskräftig.