Urteil des LSG Bayern vom 03.09.2002

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Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 03.09.2002 (rechtskräftig)
Sozialgericht München S 20 U 600/99
Bayerisches Landessozialgericht L 3 U 221/02
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 16.04.2002 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Beschwerden des Klägers im Lendenwirbelsäulenbereich als
Berufskrankheit nach der Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung - BKVO - zu entschädigen hat.
Der am 1949 geborene Kläger lebte bis 1965 in Mazedonien. Dort war er als Maurer beschäftigt. Von 1971 bis 1995
verrichtete er in der Bundesrepublik Deutschland - überwiegend in seinem Beruf als Maurer - im Baugewerbe
verschiedene Tätigkeiten.
Die AOK Bayern zeigte der Beklagten am 23.11.1995 den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit beim
Kläger an. In einer ärztlichen Anzeige vom 04.07.1996 führte Dr.F. ein Wurzelreizsyndrom im unteren
Lendenwirbelsäulenbereich links und einen Bandscheibenprolaps bei L4/L5 links an. Aus einer Auskunft der AOK
erhielt die Beklagte Kenntnis über Behandlungen des Klägers vom 20.04. bis 25.04.1989 wegen einer Lumboischialgie
und vom 12.05.1995 bis 10.06.1996 wegen einer Lumbalgie und eines Diskusprolaps. Die behandelnden Ärzte Dr.K.
und Dr.F. bestätigten diese Diagnosen. Die Beklagte veranlaßte eine Stellungnahme ihres technischen
Aufsichtsdienstes - TAD - zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der als Berufskrankheit geltend gemachten
Beschwerden. Während der TAD die technischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach der
Nr. 2108 bejahte, lehnte er diese für eine Berufskrankheit nach der Nr. 2109 ab. Das im Auftrag der Beklagten
erstattete Gutachten des Orthopäden Dr.G. vom 23.04.1998 legte dar, dass beim Kläger erhebliche degenerative
Veränderungen im Bereich aller Wirbelsäulenabschnitte vorliegen. Es sei nicht wahrscheinlich, dass der
Bandscheibenvorfall bei L4/L5 auf einer beruflichen Belastung beruhe. Dieser Auffassung stimmte die Gewerbeärztin
Dr.H. zu. Mit Bescheid vom 08.07.1998 lehnte die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung von
Berufskrankheiten nach den Nrn. 2108 bzw. 2109 der Anlage 1 zur BKVO ab. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg
(Widerspruchsbescheid vom 26.08.1998).
Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht München Klage erhoben. Das zunächst unter dem Aktenzeichen S 23 U
681/98 geführte Verfahren wurde nach dem Ruhensbeschluß vom 03.12.1998 am 29.07.1999 wieder aufgenommen
und unter dem Aktenzeichen S 20 U 600/99 fortgesetzt. Das Sozialgericht hat nach Beiziehen aktueller
Befundberichte und der einschlägigen Röntgen- und Computertomographieaufnahmen den Chirurgen Dr.K. zum
Sachverständigen ernannt. In seinem Gutachten vom 20.06.2000 hat dieser die Auffassung vertreten, die
medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung von Berufskrankheiten nach den Nrn. 2108 und 2109 lägen nicht
vor. Denn beim Kläger seien im Bereich der gesamten Wirbelsäule degenerative Veränderungen zu finden, so dass
der zudem nur im Bereich des Wirbelkörpers L4/L5 zu erkennende Bandscheibenvorfall nicht als Ausdruck einer
berufsadäquaten Belastung zu qualifizieren sei. Der auf Antrag des Klägers (§ 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG -)
gehörte Orthopäde Dr.H. bestätigte in seinem Gutachten vom 27.12. 2000 die Auffassung von Dr.K ... Der Kläger hat
daraufhin vorgebracht, er begehre zwar nicht mehr die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 2109, jedoch
eine solche nach der Nr. 2108. Das Bundessozialgericht habe in seinem Urteil vom 23.03.1999 daraufhingewiesen, die
Unterlassung der schädigenden Tätigkeit habe die Funktion eines typischen Kausalanzeichens. Zudem seien die
Sachverständigen Dr.K. und Dr.H. nicht auf die im vorgenannten Urteil vom Bundessozialgericht aufgestellten
Kausalitätsanforderungen eingegangen. Es sei daher ein weiteres Gutachten nach § 106 SGG durch den Orthopäden
Dr.F. einzuholen.
Mit Urteil vom 16.04.2002 hat das Sozialgericht die auf Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach
der Nr. 2108 gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die vorliegenden
Sachverständigengutachten seien nicht geeignet mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Ursächlichkeit zwischen
der Bandscheibenerkrankung des Klägers und seiner beruflichen Belastungen zu belegen. Dies entnehme es den
Gutachten von Dr.K. und Dr.H ... Soweit sich der Kläger auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beziehe,
habe er diese mißverstanden. In keiner Weise habe das Bundessozialgericht die Auffassung vertreten, die
Berufsaufgabe indiziere den ursächlichen Zusammenhang zur Erkrankung. Auch die medizinische Literatur fordere
einen belastungskonformen Schaden an der Wirbelsäule und lehne einen ursächlichen Zusammenhang zwischen
Wirbelsäulenerkrankungen und Berufseinwirkung ab, wenn über sämtliche Wirbelsäulenabschnitte verteilt
Degenerationen zu finden seien. Letzteres sei beim Kläger der Fall, so dass seine Klage nicht zum Erfolg habe führen
können. Ein weiteres Sachverständigengutachten sei nicht erforderlich gewesen.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt ohne diese schriftsätzlich zu begründen.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 16.04.2002 sowie
des Bescheids vom 08.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.08.1998 zu verurteilen, eine
Berufskrankheit der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen zu erbringen;
hilfsweise ihn auf orthopädischem Fachgebiet von Dr.V. F. begutachten zu lassen; hilfsweise diesen Arzt nach § 109
SGG zu beauftragen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gem. § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht einen Anspruch des Klägers auf Anerkennung und Entschädigung
seines Lendenwirbelsäulenleidens als Berufskrankheit nach der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO in der hier
maßgebenden Fassung vom 18.12.1992 (BGBl.I S.2343) verneint. Der Senat schließt sich dem an und sieht gem. §
153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträgen war nicht zu entsprechen. Der Kläger hat nicht dargelegt, aus
welchen Gründen er den Sachverhalt durch die vom Sozialgericht eingeholten Gutachten der Sachverständigen
Dres.K. und H. nicht hinreichend aufgeklärt sieht. Er hat nicht einmal vorgetragen, dass die Gutachten unschlüssig
und/oder ergänzungsbedürftig seien. Der Senat kann solche Gründe auch nicht erkennen. Der Sachverständige Dr.K.
hat sich eingehend mit der gesundheitlichen Situation des Klägers auseinandergesetzt; seine Auffassung entspricht
der derzeit herrschenden medizinischen Lehrmeinung. Gleiches gilt für das von Dr.H. , den der Kläger nach § 109
SGG benannt hat, erstattete Gutachten. Der Senat hält die Gutachten - wie das Sozialgericht - für überzeugend. Für
ihn bestand kein Anlass in eine weitere Beweiserhebung einzutreten. § 109 SGG räumt dem Kläger das Recht ein,
einen Arzt seines Vertrauens zu benennen. Das Gericht hat diesen so vom Kläger ausgewählten Arzt mit der
Erstattung eines Gutachtens zu betrauen. Hat dieser Arzt ein Gutachten erstattet, so ist das Recht des Klägers aus §
109 SGG verbraucht, auch wenn dieser Sachverständige - wie im vorliegenden Fall - zu einem für den Kläger
negativen Ergebnis kommt. Der Kläger hat keine Gründe vorgebracht, weswegen ein weiteres Gutachten auf
orthopädischem Gebiet eingeholt werden solle, zumal der von ihm in erster Instanz benannte Dr.H. Orthopäde ist. Der
Senat brauchte daher den Hilfsanträgen nicht zu entsprechen. Die Berufung des Klägers hat er zurückgewiesen, da
das angefochtene Urteil der Sach- und Rechtslage entspricht und ein Anspruch des Klägers auf Leistungen wegen
einer Berufskrankheit nach der Nr. 2108 nicht zu begründen ist.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Ein Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).