Urteil des LSG Bayern vom 17.01.2007

LSG Bayern: freiwillige versicherung, erwerbsfähigkeit, mitgliedschaft, anschluss, zivilprozessordnung, prozesskosten, beitrittserklärung, krankenversicherung, bekanntgabe, krankenkasse

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 17.01.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Bayreuth S 8 KR 269/06
Bayerisches Landessozialgericht L 4 B 985/06 KR PKH
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 28. November 2006 wird aufgehoben. II. Der Klägerin wird
Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt K. gewährt.
Gründe:
I.
Die Klägerin führt vor dem Sozialgericht Bayreuth einen Rechtsstreit wegen freiwilliger Mitgliedschaft bei der
Beklagten.
Die 1955 geborene Klägerin hat sich bereits im Januar 2005 bei der Beklagten als Empfängerin von Arbeitslosengeld
II gemeldet, nachdem sie vorher Sozialhilfeempfängerin war. Zwischen der Beklagten und der Agentur für Arbeit B.
war die Erwerbsfähigkeit der Klägerin streitig. Nachdem der von der Beklagten eingeschaltete Medizinische Dienst der
Krankenversicherung Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 8 SGB II angenommen hatte, bestätigte die Beklagte mit
Schreiben vom 25.05.2005 die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin. Am 05.12.2005 stellte der Ärztliche Dienst der
Agentur für Arbeit, B. , fest, die Klägerin sei nur noch weniger als drei Stunden täglich einsatzfähig. Mit Bescheid vom
10.01.2006 wurde die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II ab 01.02.2006 aufgehoben. Die
Klägerin meldete sich am 02.01.2006 bei der Beklagten zur freiwilligen Versicherung an. Die Beklagte lehnte mit
Bescheid vom 01.02.2006 die Mitgliedschaft mit der Begründung ab, die Klägerin sei wegen der Schwere ihrer
Erkrankung nicht in der Lage gewesen, eine Beschäftigung auszuüben und habe das Arbeitslosengeld II zu Unrecht
erhalten. Die Vorversicherungszeiten seien deshalb nicht erfüllt. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid
vom 26.07.2006 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zum Sozialgericht Bayreuth erhobene Klage. Das
Sozialgericht hat den am 23.05.2006 gestellten Antrag auf einstweilige Anordnung mit Beschluss vom 05.07.2006
abgewiesen. Beschwerde wurde hiergegen nicht eingelegt. Mit Schreiben vom 05.10.2006 beantragt der
Bevollmächtigte der Klägerin Prozesskostenhilfe. Das Sozialgericht teilte seine Auffassung mit, ein
Rechtsschutzbedürfnis für die Hauptsacheklage dürfte fehlen, weil gegen den Beschluss vom 05.07.2006
Rechtsmittel nicht ergriffen wurden.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde mit Beschluss vom 28.11.2006 abgelehnt. Zur Begründung
wird auf den Inhalt des Beschlusses vom 05.07.2006 hingewiesen, wonach der Bezug von Arbeitslosengeld II
spätestens nach Bekanntgabe des MDK-Gutachtens vom 05.12.2005 an die Klägerin am 16.12.2005 nicht mehr
rechtmäßig war. Weil jedoch unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Leistungsbezugs die Versicherung bis
31.01.2006 fortbestanden habe, habe ab 02.01.2006 noch kein Beitrittsrecht der Antragstellerin bestanden. Nach dem
02.01.2006 sei keine neue Beitrittserklärung abgegeben worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die damit begründet wird, die Klägerin habe vom
01.01.2005 bis 31.01.2006 Arbeitslosengeld II formell rechtmäßig bezogen. Die Auffassung der Beklagten, ab
16.12.2005 habe keine Erwerbsfähigkeit mehr vorgelegen, sei unzutreffend. Die Beklagte könne nicht bestimmen,
wann und zu welchem Zeitpunkt die ARGE ihre Leistungsgewährung einzustellen habe und wann die
Pflichtmitgliedschaft beginne. Die Entscheidung, ob und wielange jemand Leistungen nach dem SGB II zustehen,
treffe einzig und allein die ARGE und nicht die Krankenkasse. Nachdem von der ARGE keine Leistungen
zurückgefordert wurden, sei die Leistungsgewährung bis 31.01.2006 zu Recht erfolgt.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts Bezug
genommen.
II.
Die Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§§ 172, 173, 174 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -). Die Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht geht unzutreffend davon aus, dass wegen fehlender
Erfolgsaussicht Prozesskostenhilfe nicht zu gewähren ist. Gemäß § 73 SGG gelten die Vorschriften der
Zivilprozessordnung (ZPO) über die Prozesskostenhilfe entsprechend. Nach § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die
nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder
nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht
besteht, wenn das Gericht den Standpunkt der Klägerin aufgrund deren Angaben und der von ihr vorgelegten
Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält. Das Gesetz verlangt hier vom Richter eine überschlägige
rechtliche Wertung des bekannten Sachverhalts. Der Senat hält auf jeden Fall die im angefochtenen Beschluss
geäußerte Auffassung des Sozialgerichts, die Klägerin sei im Januar 2006 nicht berechtigt gewesen, den Antrag auf
freiwillige Versicherung zu stellen, nicht für zutreffend. Der Klägerin bzw. dem Bevollmächtigten war aufgrund des
Gutachtens des MDK seit Dezember 2005 bekannt, dass der Bezug von Arbeitslosengeld II in absehbarer Zeit enden
werde. Der Beitritt zur freiwilligen Versicherung im Anschluss an eine Pflichtversicherung kann auch während
bestehender Pflichtversicherung angezeigt werden.
Soweit das Sozialgericht von der Unrechtmäßigkeit des Leistungsbezugs bereits ab Kenntnis des Gutachtens im
Dezember 2005 ausgeht, bestehen Zweifel, ob diese Auffassung rechtlich haltbar ist. Die Auffassung des
Klägerbevollmächtigten, dass über die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes nicht ein anderer Leistungsträger zu
entscheiden hat, scheint überzeugender. Die ARGE hat in Kenntnis des MDK-Gutachtens den die Leistung
Arbeitslosengeld II gewährenden Bescheid erst zum 31.01.2006 aufgehoben. Auch das Sozialgericht geht davon aus,
dass bis dahin die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten bestand. Damit dürfte auch die 12-monatige
Mitgliedszeit (01.01.2005 bis 31.01.2006) gem. § 9 Abs.1 Nr.1 SGB II erfüllt sein.
Da die Klägerin Leistungen nach dem SGB II bezieht, ist sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen nicht imstande, Prozesskosten zu bezahlen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).