Urteil des LSG Bayern vom 07.01.2009
LSG Bayern: aufschiebende wirkung, geschäftsbetrieb, bürgschaft, anfechtungsklage, rückzahlung, hauptsache, sicherheitsleistung, firma, rechtsschutzgarantie, finanzen
Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 07.01.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 37 AL 764/08 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 9 AL 229/08 ER
Die aufschiebende Wirkung wird angeordnet, falls der Kläger bis spätestens 20. Februar 2009 eine schriftliche,
unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb
nach dem Kreditwesengesetz befugten Kreditinstituts in Höhe von 5.468,23 Euro vorlegt.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I. Mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 1. März 2007, der an den Kläger adressiert war, nahm die
Beklagte den Bescheid zum 1. April 2003 über die Bewilligung eines Eingliederungszuschusses für besonders
betroffene Schwerbehinderte für die Einstellung von M. P. für die Zeit vom 1. Februar bis 30. September 2003 ganz
zurück. Der Kläger habe im Antrag auf die Leistung vom 24. Januar 2003 die Frage nach einer Verwandtschaft mit M.
P. zu Unrecht verneint; M. P. sei der Bruder des Klägers. Der zu Unrecht gewährte Zuschuss in Höhe von 5.468,26
Euro sei zu erstatten. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit dem Widerspruchsbescheid vom 1.
Oktober 2007 zurück. Die Förderung eines Arbeitsverhältnisses bei Ehegatten, Eltern und sonstigen
Verwandten/Verschwägerten sei grundsätzlich ausgeschlossen. Sie sei ausnahmsweise möglich, wenn die Initiative
zur Einstellung von der Agentur für Arbeit ausgeht und anderweitige Vermittlungsbemühungen wiederholt erfolglos
waren und für den zu besetztenden Arbeitsplatz ein Vermittlungsauftrag des antragstellenden Arbeitgebers ohne
Beschränkung auf bestimmte Personen erteilt wurde. Erst im Rahmen der Erkenntnisse des Ermittlungsverfahrens
gegen den Kläger beim Polizeipräsidium Niederbayern/Oberpfalz sei bekannt geworden, dass es sich beim
geförderten Arbeitnehmer um den Bruder des Klägers handle. Der Kläger sei nach seinen dortigen Angaben zu keiner
Zeit tatsächlich Firmeninhaber gewesen, sondern dies sei sein Bruder gewesen, für den ihm der
Eingliederungszuschuss bewilligt wurde. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat am 23. Juli 2008 beim
Sozialgericht München (SG) sinngemäß beantragt, die "Vollstreckung aus dem Bescheid der Beklagten vom 1. März
2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2007 einzustellen" bis die Rechtskraft des
klageabweisenden Urteils des Sozialgerichts München in dieser Sache von 11. Juli 2008 eintritt (S 37 AL 764/08 ER).
Die Beklagte hatte am 30. Januar 2008 die sofortige Vollziehung der Bescheide angeordnet. Das SG hatte mit den
Beschlüssen vom 16. April 2008 und 11. Juni 2008 die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage bis zu den
Verhandlungsterminen am 16. Mai und 11. Juli 2008 angeordnet (S 37 AL 350/08 ER bzw. S 37 AL 603/08 ER).
Nach Angaben des Prozessbevollmächtigten im Schreiben an das SG vom 22. Juli 2008 (Eingang beim Bayer.
Landessozialgericht am 6. Oktober 2008) hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 1. März 2007 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2007 abgewiesen, mit denen die Beklagte von der Firma A. A. die mit
Bescheid vom 1. April 2003 bewilligte Eingliederungshilfe zurückgefordert hatte. Das Urteil sei noch nicht zugestellt,
aber einstweiliger Rechtschutz sei schon jetzt geboten. Die Beklagte entgegnete, dem Kläger gehe es in erster Linie
um das Hinausschieben der Vollstreckung.
Der Prozessbevollmächtigte legte am 11. August 2008 gegen das Urteil für den Kläger Berufung ein (L 9 AL 183/08).
Zur Begründung führte er aus (Schriftsatz vom 16. September 2008), die genannten Bescheide beträfen nicht den
Kläger, sondern die Firma A. A ... Sie seien unzutreffend ausgestellt und nicht wirksam zugestellt worden. Der
Bescheid vom 1. März 2007 sei aus formellen Gründen nichtig. Die Rückforderung der Eingliederungshilfe sei nicht
berechtigt.
Das SG übersandte den Antrag des Klägerbevollmächtigten auf vorläufigen Rechtschutz vom 22. Juli 2008 dem
Bayerischen Landessozialgericht am 6. Oktober 2008. Die Beklagte teilte mit, das Urteil des SG liege noch nicht vor,
eine Übersendung der Akten sei nicht möglich. Auf Anfrage des Senats nach dem Rechtschutzziel teilte der
Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2008 mit, es stehe nicht fest, ob und inwieweit die
Verpflichtung der Rückzahlung den Kläger treffen könne und werde. Solle eine Rückzahlung nicht stattfinden können,
sei "zu erkennen, dass die Staatskasse, würde der Kläger bezahlt haben, möglicherweise bei dem derzeitigen
Debakel der bayerischen Finanzen Gefahr laufe, eine Rückerstattung nicht zu erfahren". Auch das Arbeitsamt und die
Bundesanstalt für Arbeit stünden "sicherlich in gleicher finanzieller Problematik".
Der Bescheid vom 1. März 2007, der Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2007 sowie das am 9. Dezember 2008
zugestellte Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Juli 2008 wurden vom Klägerbevollmächtigten dem Senat am
2. Januar 2009 übersandt. Dem Urteil ist zu entnehmen, dass die Klage unter Bezugnahme auf den
Widerspruchsbescheid abgewiesen wurde. II.
Es geht hier um einstweiligen Rechtsschutz im Bereich der aufschiebenden Wirkung (§ 86b Abs. 1
Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Der Antrag des Klägerbevollmächtigten, ist als Antrag auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage auszulegen (§ 123 SGG).
Nach dieser Vorschrift kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und
Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung (§ 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG) haben, die aufschiebende Wirkung ganz
oder teilweise anordnen. Voraussetzung für eine derartige Entscheidung ist aber stets, dass eine Erfolgsaussicht des
Hauptsacheverfahrens und Dringlichkeit bestehen. Da sich nicht prüfen lässt, ob die Verwaltungsakte offensichtlich
rechtswidrig sind oder ob die Berufung aussichtslos ist, bleibt nur eine allgemeine Interessenabwägung anhand der
Grundsätze für die Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Die Regelung des § 86b SGG trägt der
verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz Rechnung, in dem der Bürger vor
irreparablen Entscheidungen geschützt wird. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz stellt aber
besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, dass nämlich ohne die Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die
durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden können. Die zu Grunde liegenden Tatsachen müssen
glaubhaft gemacht werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b , Rn. 2a, 12f, 12i m.w.N.).
Auf Anfrage des Senats hat der Klägerbevollmächtigte zunächst lediglich mitgeteilt, dass der Kläger angesichts des
"Debakels der bayerischen Finanzen" im Falle des Obsiegens in der Hauptsache befürchten müsse, eine zu Unrecht
zurückgezahlte Eingliederungshilfe nicht mehr erstattet zu erhalten. Hiermit ist nicht glaubhaft gemacht worden, dass
ein derartiger Fall eintreten könnte. Es sind auch nicht andere Gesichtspunkte bei der Abwägungsentscheidung
glaubhaft gemacht worden, wie z.B. die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers oder eine unbillige Härte.
Es ist vorliegend aber zu berücksichtigen, dass auch nach den Ausführungen der Beklagten im
Widerspruchsbescheid unter bestimmten Voraussetzungen ein Eingliederungszuschuss für besonders betroffene
schwerbehinderte Menschen auch bei verwandtschaftlichen Beziehungen zum antragstellenden Arbeitgeber gewährt
werden kann. Ob diese Voraussetzungen hier gegeben sind, kann mangels Vorlage der Akten nicht geprüft werden.
Da auch der Sachverhalt im Übrigen nicht geklärt und somit der Ausgang des Berufungsverfahrens noch offen ist,
wird gemäß § 86b Abs. 1 S. 3 SGG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von der Vorlage einer
Sicherheitsleistung in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft eines zum Geschäftsbetrieb im Inland nach dem
Kreditwesengesetz befugten Kreditinstituts in Höhe von 5.468,23 Euro bis spätestens 20. Februar 2009 abhängig
gemacht. Gemäß § 108 Zivilprozessordnung, der nach § 202 SGG hier entsprechend anzuwenden ist, kann das
Gericht in den Fällen der Bestellung einer prozessualen Sicherheit nach freiem Ermessen bestimmen, in welcher Art
und Höhe die Sicherheit zu leisten ist. Die Sicherheitsleistung ist durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte
und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu bewirken.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG in entsprechender Anwendung); Anhaltspunkte für die
Anwendung des § 197a SGG sind gegenwärtig nicht gegeben, da dem Senat weder die Akten der Beklagten noch die
Entscheidungen des SG vorgelegt worden sind.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).