Urteil des LSG Bayern vom 08.09.2008
LSG Bayern: wiedereinsetzung in den vorigen stand, post, fax, brief, urkunde, rechtsmittelbelehrung, beschwerdefrist, zwangsvollstreckung, auskunft, unrichtigkeit
Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 08.09.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 1 U 5053/07
Bayerisches Landessozialgericht L 3 B 165/08 U PKH
I. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 04.01.2008 wird als
unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
In dem vor dem Sozialgericht (SG) München anhängigen Verfahren streiten die Beteiligten noch über die Feststellung
der etwaigen Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem für vollstreckbar erklärten Forderungsbescheid der
Beklagten vom 19.03.2007.
Der 1958 geborene Kläger ist Eigentümer forst- und landwirtschaftlich genutzter Flächen in der Gemarkung P ... Die
Beklagte hat den oben angeführten Forderungsbescheid vom 19.03.2007 (infolge eines Schreibversehens Datum:
17.03.2007) über Umlagen für 2006 in Höhe von EUR 123,55 inklusive Mahngebühren am 16.04.2007 für vollstreckbar
erklärt und die Zwangsvollstreckung eingeleitet.
II.
Nach Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts T. - Vollstreckungsgericht vom
28.06.2007 betreffend ein Konto des Klägers bei der HypoVereinsbank erhob der Kläger Vollstreckungsabwehrklage
und beantragte die sofortige Einstellung der Pfändungsmaßnahme. Mit Schreiben vom 23.07.2007 gab das
Amtsgericht T. die Vollstreckungsabwehrklage an das SG München ab. Am 27.07.2007 verrechnete die Beklagte die
Beitragsforderung mit einem Guthaben des Klägers bei der Land- und Forstwirtschaftlichen Alterskasse Franken und
Oberbayern und teilte gemäß § 28 SGB IV der Drittschuldnerin mit, der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss
könne gelöscht werden.
Die 1. Kammer des SG München forderte den Kläger mit Schreiben vom 22.08.2007 unter Fristsetzung bis
10.09.2007 auf, im Einzelnen aufgeführte Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
glaubhaft zu machen, ansonsten sei der gestellte PKH-Antrag bereits aus diesem Grunde abzulehnen.
Der Kläger übermittelte lediglich Kontoauszüge aus dem Zeitraum 01. mit 22.08.2007, ohne unter anderem Einnahmen
aus Vermietung und Verpachtung, ein Darlehen, eine Gutschrift in Höhe von EUR 1.939,86 sowie eine Miete in Höhe
von EUR 690,00 zu substantiieren. Wegen der teilweise unvollständigen und insbesondere fehlenden
Glaubhaftmachung wesentlicher persönlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse wurde der PKH-Antrag durch
Beschluss vom 04.01.2008 abgelehnt. Dieser wurde dem Kläger laut der vom Bediensteten F. E. unterzeichneten
Zustellungsurkunde der Deutschen Post vom 15.01.2008 unter der im Rubrum aufgeführten Anschrift persönlich
übergeben.
III.
Mit Fax vom 23.02.2008 (Samstag), eingegangen laut Faxjournal am selben Tag, erhob der Kläger hiergegen
Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG), der das SG nicht abgeholfen hat. Auf Aufforderung des
Senats bestritt der Kläger, dass der Beschluss des SG vom 04.01.2008 ihm wegen krankheitsbedingter Abwesenheit
am 15.01.2008 zugestellt worden sei. Ein fehlerhaftes Verhalten des Zustellers könne nicht ihm angelastet werden.
Auf Anfrage des Senats bestätigte die Deutsche Post durch den Kundenservice Brief am 24.06.2008, der
Stammzusteller E. habe wie in der Zustellungsurkunde vermerkt den Zustellungsauftrag am 25.01.2008 absolut sicher
persönlich an den Kläger übergeben. Diese Auskunft wurde dem Kläger bekanntgegeben. Mit Fax vom 20.07.2008
beantragt er, das Verfahren auszusetzen.
IV.
Die am 25.02.2008 dem Fax des LSG entnommene statthafte und formgerecht eingereichte Beschwerdeschrift vom
23.02.2008 (eingegangen laut Faxjournal am 23.02.2008) gegen den am 15.01.2008 laut Zustellungsurkunde
zugestellten Beschluss des SG München vom 04.01.2008 erweist sich als nicht fristgerecht, § 173 Sätze 1, 2 SGG.
Denn sie ist nicht innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe eingelegt worden, auch liegen Gründe für die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor, so dass das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen ist.
Gemäß § 63 Abs.2 SGG i.V.m. §§ 176, 182 ZPO wurde der oben angeführte Beschluss dem Kläger laut
Zustellungsurkunde am 15.01.2008 persönlich übergeben. Die ordnungsgemäße ausgefertigte und vom
Stammzusteller unterzeichnete Urkunde begründet nach §§ 202 SGG, 182, 418 ZPO den vollen Beweis der in ihr
bezeugten Tatsachen, hier der Übergabe des Beschlusses vom 04.01.2008 am 15.01.2008 an den Kläger unter der
oben angeführten Adresse durch den Postbediensteten E ...
Der grundsätzlich mögliche Gegenbeweis der Unrichtigkeit dieser in der Urkunde bezeugten Tatsachen erfordert den
Beweis eines anderen als des beurkundeten Geschehensablaufs, der ein Fehlverhalten des Zustellers und eine
Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde belegt. Ein solcher ist zur Überzeugung des Senats nach der
vorliegenden Auskunft des Kundenservices Brief der Deutschen Post vom 24.06.2008 nebst Anlagen nicht erbracht,
vgl. BayVerfGH, Beschlüsse vom 31.07.2007, Vf.16-VI.07 sowie vom 12.10.2007, Vf.36-VI.07. Die aus der dem
Beschluss beigefügten ordnungsgemäß erfolgten Rechtsmittelbelehrung ersichtliche Beschwerdefrist, welche am
16.01.2008 zu laufen begonnen und am 15.02.2008 geendet hat, §§ 173 Satz 1, 2, 64 Abs.1, 2 SGG, wurde somit
durch die erst am 23.02.2008 beim LSG eingegangene Beschwerde nicht gewahrt. Wiedereinsetzung in vorigen Stand
konnte hiergegen nicht gewährt werden, § 67 Abs.1 SGG. Der Kläger war nämlich zur Überzeugung des Senats nicht
ohne sein Verschulden gehindert, die aus der Rechtsmittelbelehrung unmissverständlich ersichtliche Beschwerdefrist
von einem Monat einzuhalten. Glaubhafte Gründe, welche eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten, wurden
nämlich weder vorgebracht noch sind sie sonst ersichtlich.
Bei der Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass der Kläger auch im Beschwerdeverfahren seine persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht hat.
Diese Entscheidung ergeht kostenfrei und endgültig, §§ 183, 177 SGG.