Urteil des LSG Bayern vom 23.07.2002

LSG Bayern: zumutbare tätigkeit, berufsunfähigkeit, erwerbsunfähigkeit, höhere gewalt, unverschuldetes hindernis, erwerbsfähigkeit, arbeitsunfähigkeit, gesundheitszustand, heimat

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 23.07.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 7 RJ 943/97 A
Bayerisches Landessozialgericht L 6 RJ 261/01
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 31. Juli 1998 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise - ab 01.01.2001
- auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Klägerin, die am 1945 geboren und Staatsangehörige der Bundesrepublik Jugoslawien ist, hat in ihrem
Herkunftsland vom 20.10.1965 bis 12.09.1967 und vom 13.10.1989 bis 22.05.1995 jeweils ohne Unterbrechungen
Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt. In der Bundesrepublik Deutschland weist
sie mit Unterbrechungen Pflichtbeitragszeiten vom 18.08.1969 bis 06.09.1982 auf, wobei diejenigen nach dem
29.08.1981 auf dem Bezug von Leistungen von der Bundesanstalt für Arbeit beruhen. Mit rentenrechtlichen Zeiten
nicht belegt ist der Zeitraum 01.10.1982 bis 30.09.1989.
Die Klägerin gibt an, keine Berufsausbildung durchlaufen und in Deutschland keine Facharbeitertätigkeit ausgeübt zu
haben; sie sei für ihre Berufstätigkeit in Deutschland auch nicht angelernt worden. Der letzte deutsche Arbeitgeber,
bei dem die Klägerin vom 06.01.1975 bis 29.08.1981 beschäftigt gewesen ist, die Firma V. KG in D. (Fa. D.), besteht
nicht mehr.
Die Klägerin gibt an, in ihrer Heimat Invalidenrente der I. Kategorie zu beziehen.
Mit Bescheid vom 04.11.1996 und Widerspruchsbescheid vom 15.07.1997 lehnte die Beklagte den am 23.10.1993
gestellten Antrag der Klägerin auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit ab. Die Versicherte
habe keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, da sie nach den im
Verwaltungsverfahren zu ihrem Gesundheitszustand und beruflichen Leistungsvermögen sowie zu ihrem beruflichen
Werdegang getroffenen Feststellungen nicht berufsunfähig im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift sei; sie
habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, da sie erst recht
nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB VI sei.
Gesundheitszustand und berufliches Leistungsvermögen entnahm die Beklagte hierbei im Wesentlichen den Befunden
eines in Pristina erstatteten Rentengutachtens vom 24.04.1996.
Mit der am 11.08.1997 zum Sozialgericht Landshut (SG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihren Rentenanspruch
weiter. Das SG erhob über Gesundheitszustand und berufliches Leistungsvermögen der Klägerin Beweis durch
Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Z. (vom
29.07.1998), der zum Ergebnis kam, dass die Klägerin vollschichtig arbeiten könne. Hierauf gestützt wies das SG die
Klage mit Urteil vom 31.07.1998 ab.
Am 26.10.1998 ging die Berufung der Klägerin gegen dieses ihr in ihrer Heimat zugestellte Urteil beim Bayer.
Landessozialgericht ein. Sie begehre Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit aufgrund ihres Antrags vom
23.10.1993, da sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert habe und sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht
mehr vermittelbar sei.
Der Senat zog die Klageakten des SG Landshut sowie die Verwaltungsakten der Beklagten bei und erholte
medizinische Sachverständigengutachten von dem Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. L. (Gutachten vom
25.03.2002) und von dem Internisten Dr. S. (Gutachten vom 05.04.2002).
Dr. L. stellte bei der Klägerin folgende wesentliche Gesundheitsstörungen fest: 1. Mittelschweres
Halswirbelsäulensyndrom, Schulter-Arm-Syndrom und Lendenwirbelsäulensyndrom mit sich daraus ergebendem
gravierendem Funktionsdefizit ohne Zeichen eines peripher-neurogenen Defekts. 2. Gonarthrose und
Femoropatellararthrose rechts bei Senk-Spreiz-Füßen beidseits mit verminderter Geh- und Stehfähigkeit. 3. Vena-
saphena-parva-Varikosis.
Dr. L. führte aus, seit dem Zeitpunkt der Untersuchung (25.03.2002) könne die Klägerin nur noch weniger als sechs,
jedoch noch mindestens vier Stunden täglich arbeiten. Davor habe sie unter den üblichen Bedingungen eines
Arbeitsverhältnisses leichte, zeitweise auch mittelschwere Arbeiten in geschlossenen Räumen und mit der
Möglichkeit zum gelegentlichen Wechsel der Ausgangslage (Sitzen, Stehen, Gehen) vollschichtig (acht Stunden
täglich) verrichten können; hierbei sei Heben oder Tragen von Lasten über zehn Kilogramm ebensowenig zumutbar
gewesen wie häufiges Bücken. Die Klägerin könne auch jetzt noch Fußwege von mehr als 500 Metern an einem
Stück in angemessener Geschwindigkeit (höchstens 15 Minuten für 500 Meter) zurücklegen, um die Entfernungen
zwischen Wohnung, öffentlichem Verkehrsmittel und Arbeitsplatz vor Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende zu
überwinden.
Dr. S. erhob bei der Klägerin folgende Diagnosen: 1. Möglicherweise latente muskuläre Insuffizienz. 2. Chronisch
bronchitisches Syndrom leichten Grades. 3. Magenulcusanamnese, derzeit ohne Anhaltspunkt für ein florides
Geschehen. 4. Neigung zu tetaniformen Verkrampfungen im linke Arm. 5. Oberflächenvarikose rechts mehr als links.
Der Sachverständige bezog sich bezüglich des beruflichen Leistungsvermögens der Klägerin auf die Aussagen im
Gutachten von Dr. L ... Aufgrund der Befunde auf internistischem Fachgebiet schloß er zusätzlich häufiges
Treppensteigen und Arbeiten in kalt-feuchter Umgebung sowie unter Reizgasexposition aus.
Der Senat gab den Beteiligten ein Rechtsgutachten des Rechtsanwalts P. vom 24.09.1998 zur Kenntnis, das im
Berufungsverfahren L 6 RJ 626/97 eingeholt worden war, und aus dem sich ergibt, dass eine freiwillige
Beitragsleistung (der "Hinzukauf von Beiträgen") in der Bundesrepublik Jugoslawien nicht möglich ist. Das Schreiben
des Senats vom 06.05.2002, mit dem die Klägerin aufgefordert worden ist, sich die dem ggf. entgegenstehende
Möglichkeit einer freiwilligen Beitragszahlung durch den heimischen Versicherungsträger bescheinigen zu lassen, ist
von der Klägerin nicht beantwortet worden.
Die in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und auch nicht vertretene Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des SG Landshut vom 31.07.1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04.11.1996 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15.07.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr aufgrund ihres Antrags vom
23.10.1993 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise - ab 01.01.2001 - eine
Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den
Inhalt der beigezogenen Akten und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden
Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG Landshut vom 31.07.1998 ist nicht zu beanstanden, weil
die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit und - ab
01.01.2001 - auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Der Anspruch der Klägerin auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung
vor dem 31.03.2001 an den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) zu messen, da
geltend gemacht ist, dass dieser Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.2001 besteht, vgl. § 300 Abs.
2 SGB VI. Für den Anspruch der Klägerin sind aber auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden
Fassung (n.F.) maßgebend, soweit sinngemäß auch (hilfsweise) vorgetragen ist, dass jedenfalls ein Anspruch auf
Rente wegen Erwerbsminderung seit einem Zeitpunkt nach dem 31.12.2000 gegeben sei, vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (zum Begriff vgl. § 33 Abs. 3 Nr. 1
und 2 in der bis 31.12.2000 geltenden a.F.) nach den §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI a.F.
Ebensowenig hat die Klägerin ab 01.01.2001 einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gemäß den §§ 43,
240 SGB VI n.F.
Nach den §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI a.F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufs-
bzw. Erwerbsunfähigkeit, wenn sie - neben anderen Voraussetzungen - 1. berufs- bzw. erwerbsunfähig sind und 2. in
den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte
Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Das unter Nr. 2 genannte Tatbestandsmerkmal der versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nur bis zu einem (nicht gegebenen, vgl. unten) Eintritt der Berufs- bzw.
Erwerbsunfähigkeit spätestens im Juni 1997: der Fünf-Jahres-Zeitraum 01.06.1992 bis 31.05.1997 enthält gerade
noch drei Jahre Pflichtbeitragszeiten (vom 01.06.1992 bis 31.05.1995).
Die Klägerin ist - §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI a.F. - bis einschließlich Juni 1997 und
weiter bis 31.12.2000 (im Übrigen auch hypothetisch darüber hinaus bis Februar 2002, wenn der alte Rechtszustand
über den 31.12.2000 hinaus gegolten hätte) weder berufs- noch erwerbsunfähig gewesen.
Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a. F. sind nur solche Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit aus
gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung
und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die
Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst hierbei alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten
entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen
Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2).
Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige
Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4).
Die hier genannten Tatbestandsmerkmale der Berufsunfähigkeit sind bei der Klägerin jedenfalls im Juni 1997 und auch
weiterhin bis 31.12.2000 nicht erfüllt gewesen.
Das nach Satz 1 der Vorschrift zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen der Klägerin ist vor März 2002
bereits eingeschränkt gewesen. Sie hat aber bis Februar 2002 unter den üblichen Bedingungen eines
Arbeitsverhältnisses leichte, zeitweise auch mittelschwere Arbeiten in geschlossenen Räumen und mit der
Möglichkeit zum gelegentlichen Wechsel der Ausgangslage (Sitzen, Stehen, Gehen) vollschichtig (acht Stunden
täglich) verrichten können; hierbei sind Heben oder Tragen von Lasten über zehn Kilogramm ebensowenig zumutbar
gewesen wie häufiges Bücken, häufiges Treppensteigen und Arbeiten in kalt-feuchter Umgebung sowie unter
Reizgasexposition. Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte haben nicht vorgelegen, da die Klägerin
die durchschnittlich erforderlichen Fußwege hat zurücklegen können (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr.
10).
Diese Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens der Klägerin für Juni 1997 und auch für die Folgezeit ergibt
sich aus dem Gutachten, das Dr. Z. im Auftrag des SG erstattet hat, und vor allem aus den vom Senat eingeholten
Gutachten der medizinischen Sachverständigen Dr. L. und Dr. S ...
Bei der Klägerin liegen folgende wesentlichen Gesundheitsstörungen vor: 1. Mittelschweres Halswirbelsäulensyndrom,
Schulter-Arm-Syndrom und Lendenwirbelsäulensyndrom mit sich daraus ergebendem gravierendem Funktionsdefizit
ohne Zeichen eines peripher-neurogenen Defekts. 2. Gonarthrose und Femoropatellararthrose rechts bei Senk-Spreiz-
Füßen beidseits mit verminderter Geh- und Stehfähigkeit. 3. Vena-saphena-parva-Varikosis. 4. Möglicherweise latente
muskuläre Insuffizienz. 5. Chronisch bronchitisches Syndrom leichten Grades. 6. Magenulcusanamnese, derzeit ohne
Anhaltspunkt für ein florides Geschehen. 7. Neigung zu tetaniformen Verkrampfungen im linke Arm. 8.
Oberflächenvarikose rechts mehr als links.
Das von Dr. L. und Dr. S. auch unter Bezugnahme auf das Gutachten Dr. Z. festgestellte vollschichtige
Leistungsvermögen bis Februar 2002 und von weniger als sechs Stunden, jedoch mindestens vier Stunden täglich
(erst) ab März 2002 ergibt sich aus einer Befundverschlechterung gegenüber der Bestandsaufnahme Dr. Z. vom Juli
1998. Das chronische Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom mittelschwerer Prägung erfordert jetzt zwingend den
Wechsel der Arbeitsposition zwischen Gehen, Stehen und Sitzen. Dabei kommt es aber zu einer unzumutbaren
Belastung des rechten Kniegelenks, dessen Zustand grundsätzlich eine überwiegend sitzende Tätigkeit erfordern
würde (mit der Konsequenz einer Verschlimmerung des Wirbelsäulensyndroms). Damit ist der Klägerin erst ab März
2002, dem Zeitpunkt der Feststellung der Verschlechterung des Gesundheitszustands, eine vollschichtige
Arbeitsleistung nicht mehr möglich; bis dahin hat sie aber unter Beachtung der oben dargestellten qualitativen
Einschränkungen vollschichtig arbeiten können.
Nach dem beruflichen Leistungsvermögen ist weiterer Ausgangspunkt für die Feststellung der Berufsunfähigkeit der
Hauptberuf des Versicherten. Bei dessen Bestimmung ist grundsätzlich von der zuletzt ausgeübten
versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit auszugehen (vgl. KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rdnr. 21 ff.
mit weiteren Nachweisen). Maßgeblicher Hauptberuf ist vorliegend derjenige, den die Klägerin zuletzt in der
Bundesrepublik Deutschland bei der Fa. D. ausgeübt hat. Da sich über die Art dieser Berufstätigkeit überhaupt keine
objektivierbaren Erkenntnisse mehr gewinnen lassen, muß nach den im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden
Regeln der objektiven Beweislast davon ausgegangen werden, dass die Klägerin eine irgendwie geartete
Hilfsarbeitertätigkeit ausgeübt hat, was auch den eigenen Angaben der Klägerin entspricht, keine Berufsausbildung
durchlaufen und in Deutschland keine Facharbeitertätigkeit ausgeübt zu haben und auch für ihre Berufstätigkeit in
Deutschland nicht angelernt worden zu sein.
Auch wenn man zugunsten der Klägerin davon ausginge, dass sie bereits im Zeitpunkt des Rentenantrags vom
23.10.1993 (in der Berufungsschrift ist "1995" ein offensichtlicher Schreibfehler) und in der Folgezeit den fraglichen
Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr hat ausüben können, so wäre sie aber dennoch nicht berufsunfähig.
Für die Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es nämlich nicht aus, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht
mehr ausüben kann; vielmehr sind - wie sich aus § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. ergibt - Versicherte nur dann
berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder
sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. SozR 2200 1246 RVO Nr. 138).
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs.
Um diese zu beurteilen, hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind
ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet
worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw.
des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbi1dungsberuf mit einer
Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer
Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG SozR 2200 §
1246 RVO Nr. 138 und 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht
auschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr
allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für
den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten
Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen
Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 27 und 33). Grundsätzlich darf der
Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG
SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 143 m.w.N.; SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 5).
Unter Anwendung dieser Grundsätze und der Grundsätze der objektiven Beweislast ist die Klägerin der Gruppe mit
dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters (keine Anlernzeit oder eine solche von weniger als 3 Monaten, Arg. BSG-
Urteil vom 29.03.1994 - 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 45), zuzuordnen.
Als ungelernter Arbeiterin sind der Klägerin alle Berufstätigkeiten sozial zumutbar gewesen, denen sie körperlich,
geistig und seelisch gewachsen ist. Der Benennung eines konkreten Verweisungsberufs bedarf es grundsätzlich nicht.
Auch hat bei der Klägerin bis Februar 2002 weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch
eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorgelegen, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten
Verweisungstätigkeit auch bei einer Versicherten erforderlich machen würde, die der Gruppe mit dem Leitberuf des
ungelernten Arbeiters zuzuordnen ist. Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz auf dem Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland tatsächlich hätte vermittelt werden können, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen
Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen
Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist; dementsprechend
bestimmt § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI, dass nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig
ausüben kann, und dass hierbei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (vgl. zum Vorstehenden
zusammenfassend den Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 SGB
VI Nr. 8).
Die Klägerin, die bis 31.12.2000 keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gehabt hat, weil sie nicht
berufsunfähig gewesen ist, hat erst recht keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs. 1
SGB VI gehabt, weil sie die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des
zweiten Absatzes dieser Vorschrift nicht erfüllt hat. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI sind solche Versicherte
nicht erwerbsunfähig, die - wie die Klägerin bis Februar 2002 - (irgend)eine Berufstätigkeit noch vollschichtig ausüben
können; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin hat unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen über ihren Gesundheitszustand und ihr
berufliches Leistungsvermögen sowie ihr Berufsbild ab 01.01.2001 auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI n.F., weil sie nicht berufsunfähig im Sinn des
zweiten Absatzes dieser Vorschrift ist; diese stimmt nämlich wörtlich mit § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. überein.
Seit 25.03.2002 - vgl. das Gutachten Dr. L. (und das zustimmende Gutachten Dr. S.) - ist die Klägerin zwar
erwerbsgemindert im Sinn des § 43 SGB VI n.F. In diesem Zeitpunkt erfüllt sie jedoch die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI n.F. nicht mehr, da sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt
der Erwerbsminderung offensichtlich keine drei Jahre Pflichtbeiträge mehr aufzuweisen hat; der letzte Pflichtbeitrag ist
von der Klägerin nämlich 1995 gezahlt worden.
Gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI n.F. verlängert sich der Fünf-Jahres-Zeitraum um darin liegende Anrechnungszeiten und
Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (Nr. 1 und 3), um Berücksichtigungszeiten (Nr. 2)
und Ausbildungszeiten (Nr. 4). Solche Verlängerungstatbestände, die ab Juni 1995 (im Anschluß an den letzten
jugoslawischen Pflichtbeitrag) vorliegen müßten, sind bei der Klägerin nicht gegeben:
Von den in den §§ 58, 252 genannten Anrechnungszeiten (vgl. § 43 Abs. 4 Nr. 1 und 3 SGB VI) kommen nach
Sachverhalt allenfalls Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1), Zeiten der
Arbeitslosigkeit (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) oder Rentenbezugszeit (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB VI) in Betracht.
Diese Möglichkeiten scheiden jedoch aus: Auch wenn man davon ausginge, dass die Klägerin im Anschluss an ihre
Beitragsleistung in Jugoslawien, die im Mai 1995 endet, arbeitsunfähig krank gewesen wäre, könnte diese Zeit nicht
als Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI berücksichtigt werden, da der Tatbestand der
Unterbrechung einer in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung nach
Abs. 2 der Bestimmung fehlt; die Unterbrechung einer Beschäftigung bzw. einer Pflichtversicherung im Ausland - wie
vorliegend - genügt nicht (vgl. KassKomm-Niesel § 58 SGB VI Rdnr. 95 und 99, hier s.v. "Ausländische
Beitragszeiten"). Im Übrigen wäre der Tatbestand der Arbeitsunfähigkeit bei der Klägerin nicht mehr zu ermitteln, weil
ihre in Deutschland ausgeübte Berufstätigkeit, die den Ausgangspunkt für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
bildet, unbekannt ist. Sofern die Klägerin nach Mai 1995 in ihrer Heimat arbeitslos gewesen sein sollte, könnte diese
Arbeitslosigkeit auch nicht als Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI berücksichtigt werden, da
hierfür nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes die Meldung bei einem deutschen Arbeitsamt erforderlich
gewesen wäre und sich aus dem deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommen nichts anderes ergibt (vgl.
hierzu BSG-Urteil vom 03.11.1994 - 13 RJ 69/92 = SozR 3-2000 § 1246 Nr. 48 - S. 201 -). Der Bezug einer
jugoslawischen stellt keine Rentenbezugszeit im Sinn von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB VI dar, da in der
jugoslawischen Rente keine Zurechnungszeit im Sinn des deutschen Rentenrechts enthalten sein kann; konstitutives
Merkmal der Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB VI ist die Zurechnungszeit, die zugunsten es
Versicherten berücksichtigt werden soll. Die Frage des Vorliegens einer Anwartschaftserhaltungszeit ist allein nach
deutschen Rechtsvorschriften zu beantworten (vgl. BSG SozR Nr. 51 zu § 1251 RVO). Das deutsch-jugoslawische
Sozialversicherungsabkommen, welches nach dem Notenwechsel der beteiligten Regierungen vom 31.07./ 05.10.1992
vorläufig weiter anzuwenden ist (vgl. die Bekanntmachung des Bundesministers des Auswärtigen vom 26.10.1992,
BGBl II, 1146), enthält diesbezüglich keine der Klägerin günstige Regelung. Art. 25 Abs. 1 regelt allein die
Berücksichtigung vertragsstaatlicher Versicherungszeiten für den Erwerb des Leistungsanspruchs und enthält bislang
keine Gleichstellung von Tatbeständen für die Berücksichtigung von Anrechnungszeiten (vgl. GesamtKomm.-
Baumeister-Jugoslawien Abk, Art. 25 Anm. 2, Art. 26 Anm. 1).
Der Invalidenrentenbezug ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch nicht als Rentenbezugszeit im Sinn
des § 43 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu berücksichtigen (vgl. BSG-Urteil vom 23.03.1994 - 5 RJ 24/93 = SozR 3-
2200 § 1246 RVO Nr. 46 - Seiten 194/195; KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rdnr. 135 mit weiteren Nachweisen).
Eine Berücksichtigungszeit (vgl. § 43 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI n.F.), die die Erziehung eines Kindes voraussetzt, kann
bei der Klägerin schon deshalb nicht vorliegen, weil sie sich seit 1982 wieder in Jugoslawien aufhält und somit das
Kind, sofern es ein solches überhaupt gibt, nicht - wie aber erforderlich wäre - in Deutschland erzogen haben kann,
vgl. §§ 57, 56 SGB VI.
Nichts deutet darauf hin, dass bei der Klägerin ab 1982 irgendwann einmal Zeiten einer schulischen Ausbildung nach
Vollendung des 17. Lebensjahres vorgelegen haben könnten (vgl. § 43 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI n.F.).
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind auch nicht nach den §§ 43 Abs. 5 SGB VI n.F. in Verbindung mit
§ 53 SGB VI erfüllt, weil es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass die Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines Tatbestandes
eingetreten wäre, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, Wehr-
oder Zivildienstbeschädigung, Gewahrsam im Sinne des § 1 des Häftlingshilfegesetzes, Eintritt der
Erwerbsunfähigkeit vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung).
Auch nach der Übergangsvorschrift des § 241 Abs. 2 SGB VI n.F. erfüllt die Klägerin die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht.
Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der
Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit (§ 240) für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 01.01.1984 die
allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der
Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit (§ 240) mit 1. Beitragszeiten, 2. beitragsfreien Zeiten, 3. Zeiten, die nur
deshalb nicht beitragsfreie Zeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht
unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag,
eine beitragsfreie Zeit oder eine Zeit nach Nummer 4, 5 oder 6 liegt, 4. Berücksichtigungszeiten, 5. Zeiten des Bezugs
einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder 6. Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet vor
dem 01.01.1992 (Anwartschaftserhaltungszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit (§
240) vor dem 01.01.1984 eingetreten ist. Satz 2 der Vorschrift bestimmt, dass für Kalendermonate, für die eine
Beitragszahlung noch zulässig ist, eine Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich ist.
Beitragszeiten vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit (vgl. oben Nr.
1) liegen bei der Klägerin nicht vor und sind auch nicht mehr herstellbar. Nach den vorliegenden deutschen und
jugoslawischen Versicherungsverläufen ist der Zeitraum 01.10.1982 bis 30.09.1989 und die Zeit ab Juni 1995
unbelegt. Eine nachträgliche Belegung mit Beiträgen - es kommen nur freiwillige in Betracht - ist nicht mehr zulässig.
Nach der seit 01.01.1992 in Kraft befindlichen Vorschrift des § 197 Abs. 2 SGB VI sind freiwillige Beiträge nur
wirksam, wenn sie bis zum 31.03. des Jahres, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen, gezahlt werden (zur
Anwendbarkeit des § 197 Abs. 2 SGB VI auf freiwillige Beiträge für das Jahr 1991, jedoch nicht für die Jahre davor,
vgl. BSG-Urteil vom 15.12.1994 - 12 RK 55/93 = SozR 3-2600 § 197 SGB VI Nr. 1 - S. 3/4). Die in § 197 Abs. 2 SGB
VI genannte Frist wird gemäß § 198 Satz 1 SGB VI durch ein Verfahren über einen Rentenanspruch, vorliegend also
seit dem Rentenantrag vom 23.10.1993, unterbrochen. Hieraus folgt, dass wegen des laufenden Rentenverfahrens für
die nicht belegte Zeit ab Juni 1995 eine Beitragszahlung noch möglich ist. Dies gilt aber nicht für die Beiträge, die im
Zeitraum 01.10.1982 bis 30.09.1989 fehlen.
Eine Hemmung der in § 197 Abs. 2 SGB VI vorgesehenen Beitragszahlungsfrist bezüglich dieser Beiträge in
entsprechender Anwendung des § 203 BGB ist nicht eingetreten (vgl. zum folgenden das BSG-Urteil vom 11.05.2000
- B 13 RJ 85/98 R = SozR 3-5750 Art. 2 § 6 ArVNG Nr. 18 - Seiten 65/66 -). Zwar könnten die in der Sozialistischen
Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) bestehenden devisenrechtlichen Beschränkungen, die es der Klägerin
unmöglich gemacht haben, von ihrer Heimat aus Rentenversicherungsbeiträge nach Deutschland zu überweisen,
grundsätzlich als Verhinderung durch höhere Gewalt im Sinn des § 203 Abs. 2 BGB angesehen werden; die Klägerin
ist jedoch dadurch nicht im Sinn von § 203 BGB gehindert worden, die Frist des § 197 Abs. 2 zu waren, da sie sich
zur Lösung des Problems an die Beklagte oder die jugoslawische Verbindungsstelle hätte wenden können und
müssen, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Klägerin von den Voraussetzungen einer Anwartschaftserhaltung
Kenntnis gehabt hat oder nicht.
Auch § 197 Abs. 3 SGB VI greift nicht zugunsten der Klägerin ein (vgl. zum folgenden Abschnitt BSG-Urteil vom
11.5.2000 - B 13 RJ 85/98 R = SozR 3-5750 Art. 2 § 6 ArVNG Nr. 18 - Seite 67 -). Nach Satz 1 dieser Bestimmung ist
in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente, auf Antrag der
Versicherten die Zahlung von Beiträgen auch nach Ablauf der in § 197 Absatz 1 und 2 SGB VI genannten Frist
zuzulassen, wenn die Versicherten an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert waren. Selbst
wenn man eine etwaige Unkenntnis der §§ 240 Abs. 2, 241 Abs. 2 SGB VI, die auf unzureichende
Informationsmöglichkeiten am ausländischen Wohnsitz eines Versicherten zurückzuführen ist, als unverschuldetes
Hindernis der Beitragszahlung anerkennen würde, so könnte sich die Klägerin dennoch nicht mehr auf mangelndes
Verschulden berufen. Sie hat nämlich hinsichtlich der Beiträge für die Zeit 01.10.1982 bis 30.9.1989 die in § 27 Abs. 3
SGB X geregelte Jahresfrist, die auch im Rahmen des § 197 Abs. 3 SGB VI entsprechend gilt, versäumt; die
Nachzahlung wäre - § 27 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB X - demnach allenfalls dann noch zuzulassen, wenn diese -
anders als im vorliegenden Fall (vgl. oben) - zuvor infolge höherer Gewalt unmöglich gewesen ist.
Auch ein Fehlverhalten der Beklagten in Gestalt eines Verstoßes gegen ihre Beratungspflicht nach § 14 SGB I, das in
anderem Zusammenhang Grundlage für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wäre und vorliegend zu einer
besonderen Härte im Sinn des § 197 Abs. 3 SGB VI führen könnte (vgl. KassKomm-Peters § 197 SGB VI Rdnr. 19),
liegt nicht vor, nachdem ein erster Kontakt mit der Beklagten erst anläßlich des Rentenantrags zustandegekommen
ist, also zu einer Zeit, in der eine Beitragszahlung für die Vergangenheit nicht mehr möglich gewesen ist.
Zwar könnte eine Entrichtung von freiwilligen Beiträgen zu einem vom Abkommen zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien vom 12.10.1968 (Abk Jugoslawien SozSich)
erfaßten ausländischen Rentenversicherungssystem zur Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 240 Abs. 2, 241 Abs.
2 SGB VI ebenfalls ausreichen, sie ist jedoch im vorliegenden Fall ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus dem
Gutachten, das der Senat von Rechtsanwalt P. im Berufungsverfahren L 6 RJ 626/97 eingeholt hat. Die sog.
hinzugekauften Beiträge sind nämlich nicht geeignet, die Anwartschaft nach deutschem Rentenrecht zu erhalten, da
sie keinem bestimmten Zeitraum zugeordnet werden; mit ihnen könnten also nicht die Jahre ab 1984 aufgefüllt
werden. Die Möglichkeit, das Gutachten des Rechtsanwalts P. durch Vorlage einer entgegenstehenden Bestätigung
des heimischen Versicherungsträgers zu widerlegen, auf die die Klägerin vom Senat hingewiesen worden ist, ist von
dieser nicht genutzt worden.
Damit sind Beitragszeiten nicht mehr herstellbar.
Die Zeit ab Januar 1984 ist auch nicht (vgl. § 241 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3) mit beitragsfreien Zeiten, also mit
Anrechnungszeiten, einer Zurechnungszeit oder Ersatzeiten belegt, vgl. § 54 Abs. 4 SGB VI. Eine Zurechnungszeit
im Sinn des § 59 SGB VI scheidet schon deshalb aus, da sie erst mit dem Eintritt der Erwerbsminderung beginnen
kann, vgl. § 59 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI. Ersatzzeiten gemäß den §§ 250, 251 SGB VI kommen nicht in Betracht, da
diese nur Tatbestände betreffen, die im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg und dessen Folgen sowie im
Zusammenhang mit der deutschen Teilung stehen. Von den in den §§ 58, 252 SGB VI genannten Anrechnungszeiten
wäre nur an eine Anrechnungszeit wegen Krankheit (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI), wegen Arbeitslosigkeit (§ 58
Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI) oder an eine Rentenbezugszeit (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB VI) zu denken, die aber -
vgl. oben - allesamt ausscheiden. Insbesondere liegt beim Kläger auch keine Anrechnungszeit in Gestalt der
Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit vor, die vor dem 31.12.1983 begonnen und bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit
angedauert hätte (vgl. hierzu BSG-Urteil vom 22.04.1992 - 5 RJ 74/91 = SozR 3-2200 § 1259 RVO Nr. 12), dies schon
deshalb, weil die Arbeitsunfähigkeit nicht mehr feststellbar ist; ob Arbeitsunfähigkeit vorliegt, hängt nämlich vom
Inhalt der bis dahin ausgeübte Beschäftigung ab, die aber vorliegend inhaltlich nicht mehr genau umrissen werden
kann. Im übrigen deutet nichts auf eine solche Arbeitsunfähigkeit hin, nachdem die Klägerin in Deutschland bis
29.08.1981 normal erwerbstätig, dann nur zwei Tage krank und anschließend bis 06.09.1982 arbeitslos gemeldet -
somit nicht krank - gewesen ist.
Die sonstigen in § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI genannten Tatbestände, nämlich Berücksichtigungszeiten, Zeiten des
Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet,
liegen, wie bereits oben ausgeführt, nicht vor oder sind ganz offensichtlich nicht gegeben. Ebensowenig ist die
Erwerbsminderung bzw. die Berufsunfähigkeit im Sinn des § 240 SGB VI n.F. vor dem 01.01.1984 eingetreten,
nachdem die Klägerin nachweislich erst seit März 2002 erwerbsgemindert ist.
Da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung beim
Eintritt der Erwerbsminderung im März 2002 nicht mehr vorgelegen haben und auch nicht mehr herstellbar sind, die
Klägerin somit keinen Rentenanspruch hat, war ihre Berufung gegen das Urteil des SG Landshut vom 31.07.1998
zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.