Urteil des LSG Bayern vom 26.10.2006
LSG Bayern: landwirtschaft, versicherungspflicht, rente, unternehmer, form, unternehmen, bewirtschaftung, eigenschaft, ehepaar, vertreter
Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 26.10.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Bayreuth S 6 KR 3/04
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 59/05
Bundessozialgericht B 10 KR 4/07 B
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 17. März 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das Bestehen der Versicherungspflicht zur Landwirtschaftlichen Kranken- und
Pflegeversicherung seit 01.10.2002 und über die deswegen geforderten Beiträge der Beklagten.
Die über 70 Jahre alte Klägerin ist Eigentümerin eines Bauernhofes in der Gemeinde C. , Ortsteil S. , samt
landwirtschaftlicher Nutz- und Forstflächen in den umliegenden Gemarkungen von circa 40 Hektar. Der Hof wurde von
ihr und ihrem Ehemann G. M. - G.M. - als Nebenerwerb bewirtschaftet. Über den Hauptberuf von G.M. waren beide bei
der örtlichen AOK krankenversichert. Nach Verpachtung der Landwirtschaft an den Sohn H. M. (H.M.) Ende 1992 auf
zehn Jahre und nach Einsetzen einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bestand für die Klägerin ab 01.01.2001
Pflichtversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung bei der Beklagten. Zum 01.10.2002 zog sich H.M. aus der
Landwirtschaft zurück. Diese wird seitdem von seinen Eltern weiter betrieben und zwar in Form einer
"Notgeschäftsführung", wie sich die Klägerin ausdrückt. Leistungen des Amts für Landwirtschaft sind für den Betrieb
seitdem laufend auf den Namen der Klägerin bzw. den von G.M. bezogen worden.
Nachdem die Beklagte von der Wiederbewirtschaftung des landwirtschaftlichen Anwesens durch die Klägerin erfahren
hatte, stellte sie mit Bescheid vom 14.10.2003 fest, dass die Mitgliedschaft als Bezieherin einer Rente mit dem
30.09.2002 geendet habe und ab 01.10.2002 Versicherungspflicht als landwirtschaftliche Unternehmerin in der
Kranken- und Pflegeversicherung besteht. Gleichzeitig verpflichtete sie die Klägerin zur Zahlung von bis dahin
aufgelaufenen Beiträgen in Höhe von 3.307,68 EUR. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte für beide
Versicherungszweige mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2003 zurück, weil ihrer Ansicht nach die Klägerin erneut
landwirtschaftliche Unternehmerin geworden sei und weil auch - entgegen der klägerischen Ansicht - keine
Vorrangversicherung bei der AOK oder sonst bestehe. Nunmehr ließ die Klägerin am 05.01.2004 Klage erheben und
damit begründen, sie sei weiterhin bei der AOK versichert und dürfe als über 65-jährige den Betrieb gar nicht mehr
führen. Das erledige seit 01.10.2002 G.M. Gleichzeitig kam es zu verschiedenen Verfahren wegen der von der
Alterskasse zum Ruhen gebrachten Rente der Klägerin und ihres Ehemannes. Seitens der Beklagten wurde
inzwischen schriftlich und fernmündlich vergeblich versucht, mit den Beteiligten Kontakt herzustellen und eine
tragbare Lösung zu suchen.
Mit Bescheid vom 28.01.2005 erfolgte eine Anhebung des monatlichen Beitrages auf 259,50 EUR für die
Krankenversicherung und 26,78 EUR für die Pflegeversicherung. Die geschuldeten Beiträge hatten sich inzwischen
(bis 15.02.2005) auf über achteinhalbtausend Euro summiert.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.03.2005, zu der H.M. erschienen war, wies dieser erneut darauf hin,
das G.M. der eigentliche Unternehmer sei und beantragte dazu, die Klägerin nicht als landwirtschaftliche
Unternehmerin, sondern als Bezieherin einer Rente zu versichern. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom gleichen Tage
die Klage abgewiesen und an Gründen für das Bestehen der Unternehmereigenschaft der Klägerin aufgezählt: Die
Klägerin sei gegenüber dem Landwirtschaftsamt B. und dem Amtsgericht B. in den Jahren 2003 und 2004 mehrfach
als Unternehmerin aufgetreten, spreche selbst von einer "Notgeschäftsführung" und sei schließlich Eigentümerin der
Landwirtschaft. Auch wenn G.M. sich mit an der Leitung des Unternehmens beteilige, habe die Beklagte von der ihr
von Gesetzes wegen eingeräumten Bestimmungsmöglichkeit nach § 2 Abs.3 Satz 4 KVLG 89 Gebrauch machen
können und die Klägerin zur landwirtschaftlichen Unternehmerin bestimmen dürfen. Die Pflichtversicherung als
landwirtschaftliche Unternehmerin sei auch vorrangig gegenüber anderen zur Versicherungspflicht führenden
Tatbeständen. Aus dieser Rechtsstellung ergebe sich ebenfalls die Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung.
Gegen das am 14.04.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin bereits am 18.03.2005 Berufung eingelegt und erneut ihre
Unternehmereigenschaft bestritten und die ihres Ehemannes hervorgehoben. Nachdem der Versuch einer Erörterung
gescheitert war, hat der Senat am 16.01.2006 den Antrag auf Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht
abgelehnt. Es deute alles darauf hin, dass die Klägerin Allein- oder Mitunternehmerin sei. Die Ländereien würden
weiterhin bewirtschaftet und andere Personen schieden als Unternehmer aus.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.10.2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 19.12.2003 und Aufhebung des Bescheides vom 28.01.2005 zu verurteilen, sie
weiterhin in der KVdR und entsprechend in der Pflegeversicherung zu versichern.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 144 ff. SGG). Das gleiche gilt für die vorausgegangene
Klage. Es handelt sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage. Der ergänzende Beitragsbescheid
vom 28.01.2005, mit dem eine Beitragserhöhung festgestellt wurde, ist Gegenstand des Verfahrens geworden.
Die Berufung ist unbegründet und zwar hinsichtlich beider Anliegen der Klägerin. Sie schuldet die geforderten Beiträge
zu den beiden Versicherungszweigen, weil dafür die gesetzlichen Voraussetzungen bestehen und andere mögliche
Versicherungstatbestände verdrängen (§ 2 Abs.5 KVLG 1989). Entscheindender rechtlicher Ausgangspunkt für die
von der Beklagten geforderten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ist die Eigenschaft der Klägerin als
landwirtschaftliche Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs.1 Nr.1 und Abs.2 KVLG 1989, die wiederum die
Pflichtversicherung und damit die Beitragslast (Tragung und Zahlung der Beiträge) nach sich zieht (§§ 47 ff. KVLG
1989; §§ 20 Abs.1 Nr.3 Nr.59, 60 SGB XI). Wie die Ermittlungen der Katasterabteilung der Beklagten ergeben haben
und von der Klägerin auch nicht bestritten wird, führt sie allein oder zusammen mit ihrem Ehemann die ererbte
Landwirtschaft, also ein auf Bodenbewirtschaftung (überwiegend Viehhaltung) bestehendes Unternehmen auf ihrem
Grund und Boden. Dass eine Landwirtschaft vorliegt, die weit über der Mindestgröße betrieben wird und darin die
Klägerin tätig ist, steht außer Zweifel. Dies wird von den Beteiligten auch nicht bestritten. Ebenso unzweifelhaft hat
H.M., an den der Betrieb bis September 2002 verpachtet war, sich von dessen Bewirtschaftung getrennt. Damit bleibt
zwangsläufig nur das Ehepaar M. übrig, für die tatsächlich durchgeführte Bewirtschaftung verantwortlich zu sein.
Gerade weil nach außen hin einmal die Klägerin als Unternehmerin auftritt und dann wieder ihr Ehemann, dessen
Unternehmereigenschaft die Klägerin so betont, ist hier die Anwendung des § 2 Abs.3 Satz 4 KVLG 1989 angezeigt.
Betreiben Ehepaare ein landwirtschaftliches Unternehmen gemeinsam und ist, wie im vorliegenden Fall, nicht genau
ersichtlich, wer von beiden letztendlich verantwortlich für die Unternehmensleitung ist, ist in dieser Vorschrift
vorgesehen, dass der Versicherungsträger einen von beiden als Unternehmer bestimmt. Wenn sich die Beklagte in
diesem Fall an die Eigentümerin hält, ist dies sachgerecht, zumal die Klägerin im Jahr 2003 nach außen hin auch
stets als diejenige aufgetreten ist, für deren Rechnung die Landwirtschaft betrieben wird, selbst wenn in der Folgezeit
verschiedene behördliche Bescheide gegenüber ihrem Ehemann ergangen sind, teilweise auch noch gegenüber ihrem
Sohn. Dies gilt auch für die zuletzt vorgelegten Einkommensteuerbescheide. Es handelt sich bei ihnen um
Schätzungen, nachdem die Einkommensteuererklärung der Eheleute M. , die vom Finanzamt zusammen veranlagt
werden, nicht abgegeben worden ist.
Dem Senat ist sehr wohl bewusst, dass hier eine unbefriedigende Situation für die betagte Klägerin besteht, kommt
aber nicht an der Tatsache vorbei, dass die Landwirtschaft nicht abgegeben worden ist und diese auch nicht brach
liegt. So lange die Abgabe nicht erfolgt, bleibt aber die Unternehmereigenschaft und damit auch die Pflicht zur
Zahlung von Beiträgen.
Der Senat hat in dieser Sache auch verhandeln und entscheiden können, obwohl die Klägerin nicht erschienen war.
Die Berufung ist von ihr eingelegt worden. Sie hat vom Termin rechtzeitig erfahren. Wenn sie die Reise nach München
nicht auf sich nehmen wollte, wäre es ihr erneut frei gestanden, ihren Sohn oder ihren Ehemann als Vertreter am
Termin teilnehmen zu lassen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.