Urteil des LSG Bayern vom 08.12.2008

LSG Bayern: verschlechterung des gesundheitszustandes, somatoforme schmerzstörung, psychische störung, arbeitsmarkt, rente, akte, verdacht, verkehrsmittel, behandlungsbedürftigkeit, erwerbstätigkeit

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 08.12.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 9 R 185/06
Bayerisches Landessozialgericht L 6 R 337/08
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 11. Februar 2008 wird
zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Klägerin ist 1952 geboren und war in Deutschland zuletzt von 1989 bis 1996 im Gastronomieunternehmen ihres
Ehemannes als Küchenhilfe und zeitweise als ungelernte Bedienung beschäftigt.
Nach einem im Jahre 2003 erfolglos ausgegangenen Rentenverfahren stellte die Klägerin am 06.07.2005 einen
erneuten Rentenantrag. Die Beklagte lehnte ihn zunächst mit Bescheid vom 21.10.2005 ab, weil die Klägerin nicht zur
gutachterlichen Untersuchung erschienen war. Mit Bescheid vom 16.12.2005 lehnte sie den Rentenantrag ab, weil die
Klägerin nach dem Ergebnis der medizinischen Begutachtung noch wenigstens sechs Stunden täglich auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt mit leichten Arbeiten erwerbstätig sein könne. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies
die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2006 als unbegründet zurück. Grundlage für die Entscheidungen
war ein Gutachten des Chirurgen Dr. M. vom 12.12.2005. Danach litt die Klägerin im Wesentlichen an
Wirbelsäulenbeschwerden bei Abnutzungserscheinungen, Aufbraucherscheinungen der Kniegelenke und an Gelenk-
und Weichteilschmerzen bei Verdacht auf Fibromyalgie-Syndrom. Ferner bestanden u.a. Restbeschwerden am
rechten Fuß nach Mehrfacheingriffen an den Zehen. Die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten als Küchenhilfe seien auf
Dauer nur noch unter drei Stunden zumutbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten leichte Tätigkeiten sechs
Stunden und mehr verrichtet werden. Es solle sich um Tätigkeiten handeln, die ohne dauerndes Stehen und Gehen,
ohne Zwangshaltungen und ohne häufiges Bücken verrichtet werden könnten.
Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Regensburg zunächst ein Gutachten der prakt. Ärztin und
Ärztin für Psychotherapie Dr. V. vom 24.10.2006 eingeholt. Die Sachverständige kommt zu den gleichen
Leistungseinschränkungen wie Dr. M. bei unveränderten Befunden. Weder fänden sich Hinweise auf eine
krankheitswertige psychische Störung - diesbezüglich erfolge auch keinerlei Therapie -, noch habe in den letzten
Jahren der früher bestehende Verdacht auf eine entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankung bestätigt werden
können. Eine regelrechte somatoforme Schmerzstörung hat die Sachverständige nicht feststellen können.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat das Sozialgericht ein Gutachten des behandelnden Orthopäden Dr. S.
vom 16.07.2007 eingeholt. Der Sachverständige hat bei der Klägerin eine degenerative Instabilität C5/C6 mit
Cervikobrachialgie und Cervikocephalgie, eine Uncovertebralarthrose mit vertebragenem Schwindel und zeitweisem
Tinnitus, ein Impingement-Syndrom beidseits, eine Partialruptur der Rotatorenmanschette links mit Kraftdefizit, ein
degenerative Facettensyndrom lumbal, eine Skoliose, eine zentromediale Coxarthrose, ein initiale Gonarthrose
beidseits, eine Bakerzyste links, Heberdenarthrose, Bouchardarthrose mit Aktivierungen und eine Algodystrophie des
rechten Fußes nach sechsfachen Vorfußoperationen diagnostiziert. Die Klägerin sei aus seiner Sicht nicht mehr in der
Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein. Es bestehe vielmehr eine Erwerbsunfähigkeit, da die
Klägerin auch leichte Tätigkeiten unter drei Stunden nicht ausüben könne. Es handle sich um eine dauerhafte
Schädigung ohne Aussicht auf Besserung. Der Zustand habe bereits vor Antragstellung im Juli 2005 bestanden.
Zusätzlich bestehe eine medizinisch eingeschränkte Wegefähigkeit mit weniger als viermal täglich 500 m in 20
Minuten.
Die Beklagte hat hiergegen durch ihren Ärztlichen Dienst eingewendet, die vorliegenden Befunde ließen sie davon
überzeugt sein, dass leichte körperliche Tätigkeiten sechs Stunden und mehr mit den bereits früher festgehaltenen
qualitativen Leistungseinschränkungen möglich sein sollten.
Das Sozialgericht hat weiter ein Gutachten des Facharztes für Chirurgie, Sozialmedizin und Sportmedizin Dr. P. vom
11.02.2008 eingeholt. Am 01.02.2008 war eine Versteifungsoperation der rechten Großzehe durchgeführt worden. Der
Sachverständige hat bei der Klägerin Beschwerden am rechten Vorfuß nach mehrfachen Operationen mit
Somatisierungstendenz festgestellt, ferner ein HWS- und LWS-Syndrom, degenerative Veränderungen der Hüft- und
Kniegelenke, ein Impingement-Syndrom beider Schultergelenke und eine Fingerpolyarthrose. Der rechte Fuß müsse
für drei Monate entlastet werden, mit einer deutlichen Besserung der Belastbarkeit des rechten Fußes sei zu rechnen.
Eine stärkere funktionelle Einschränkung der Wirbelsäule habe sich nicht gefunden. Eine wesentliche
Funktionseinschränkung der Gelenke lasse sich nicht objektivieren. Die Klägerin sei noch im Stande, einer
Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in gewisser Regelmäßigkeit nachzugehen. Es seien ihr noch
leichte Tätigkeiten sechs Stunden täglich zumutbar. Nach Abheilung des frischen postoperativen Zustandes könne
die Klägerin noch täglich in einem zumutbaren Zeitaufwand viermal eine Gehstrecke von mehr als 500 m zurücklegen.
Öffentliche oder private Verkehrsmittel könnten während der Hauptverkehrszeit problemlos genutzt werden.
Mit Urteil vom 11. Februar 2008 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin könne nach
dem Ergebnis der Beweisaufnahme auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch wenigstens sechs Stunden täglich
erwerbstätig sein und sei deshalb nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI. Der Sachverständige Dr. S.
habe allenfalls eine unterschiedliche Auffassung der Behandlungsbedürftigkeit darlegen können, eine Einschränkung
der Leistungsfähigkeit aufgrund der bestehenden und bekannten Gesundheitsstörungen war nach Ansicht des
Gerichts jedoch nicht überzeugend dargetan.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom
11.02.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 16.12.2005 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2006 bei ihr den Eintritt der vollen Erwerbsminderung ab
Antragstellung ab 06.07.2005 anzuerkennen und Leistungen nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Sie stützt sich hierbei im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. S. und legt zur Unterstützung dessen ärztliches
Attest vom 22.04.2008 vor. Darin führt Dr. S. auf, die Klägerin sei aus orthopädischer Sicht multimorbide. Die
Krankheiten auf orthopädischem Fachgebiet seien nicht adäquat berücksichtigt worden. Es sei eine Interpretation
seines Gutachtens erfolgt, wonach durch weitere Behandlungen eine zu erwartende Besserung des
Gesundheitszustandes erzielt werden könne. Dies sei von ihm in dieser Form nicht geäußert worden. Es drohe eine
weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes, somit könne die Erwerbsfähigkeit nicht gebessert werden. Die
schon seit vielen Jahren bestehenden Ruheschmerzen und Belastungsschmerzen im Bereich des Fußes nach
mehrfachen Operationen und einer Algodystrophie seien zu berücksichtigen, da hierdurch die Patientin an starken
Schmerzen permanent leide.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Parteien darauf hingewiesen, dass er nach § 153 Abs.4 SGG die Berufung durch Beschluss
zurückweisen könne, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich
halte und dass er erwäge, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Die Klägerin hat von der Möglichkeit, hierzu
innerhalb vier Wochen Stellung zu nehmen, keinen Gebrauch gemacht.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der Entscheidung waren die Akte der Beklagten und die Akte des
Sozialgerichts Regensburg in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach §
144 SGG besteht nicht.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn die Beklagte und das Sozialgericht haben zu Recht entschieden, dass
der Klägerin die begehrte Rente nicht zusteht.
Der Senat weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurück und sieht nach §
153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Auch aus Sicht des Senates enthält das
Gutachten des Sachverständigen Dr. S. zum einen keinerlei Begründung für die angenommenen
Leistungseinschränkungen, zum anderen enthält es keine objektivierten Funktionsbeeinträchtigungen, die die
Leistungseinschätzung als nachvollziehbar erscheinen ließen.
Hieran hat auch das im Berufungsverfahren vorgelegte Attest des Sachverständigen Dr. S. nichts geändert. Es
enthält wiederum keine Ausführungen zu konkreten Funktionseinschränkungen und keine Begründung der
Leistungseinschränkung. Soweit das Attest auf den Schmerzzustand hinweist, haben sich die Sachverständigen Dr.
V. und Dr. P. hierzu in überzeugender Weise geäußert. Die Frage der Besserungsfähigkeit spielt nur dann eine Rolle,
wenn eine rentenberechtigende Erwerbsminderung vorliegt. Eine solche sieht jedoch auch der Senat nicht.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass die Klägerin in beiden
Rechtszügen nicht obsiegt hat.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Der Senat konnte durch Beschluss entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche
Verhandlung nicht für erforderlich hielt.