Urteil des LSG Bayern vom 06.08.2009

LSG Bayern: ablauf der frist, ende der frist, entstehung, arbeitslosigkeit, merkblatt, aufnehmen, unterbrechung, firma, fristende, beratungspflicht

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 06.08.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 46 AL 1015/00
Bayerisches Landessozialgericht L 9 AL 121/06
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. September 2005 aufgehoben
und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der am 1940 geborene Kläger besitzt die österreichische Staatsangehörigkeit. Von Dezember 1974 bis August 1995
war er als technischer Angestellter bei der Firma H. GmbH in B. beschäftigt. Er meldete sich am 18. August 1995
arbeitslos, nachdem das Arbeitsverhältnis zum 31. August 1995 geendet hatte. Er erhielt zur Beendigung seines
Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 163.968,- DM.
Mit Bescheid vom 13. Oktober 1995 stellte die Beklagte daraufhin fest, der Leistungsanspruch des Klägers ruhe bis
zum 25. Februar 1996. Das Arbeitsverhältnis sei ohne Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist beendet worden.
Nachdem eine Sperrzeit von mindestens acht Wochen eingetreten sei, ergebe sich unter Berücksichtigung der
gesetzlichen Freibeträge wegen des Abfindungsanspruchs eine weitere Ruhenszeit vom 26. Februar 1996 bis 31.
März 1996. Darüber hinaus mindere sich die Dauer des Anspruchs auf 594 Werktage.
Mit Bescheid vom 20. Oktober 1995 wurde eine zwölfwöchige Sperrzeit vom 1. September 1995 bis 23. November
1995 festgestellt. Der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis bei der Firma H. im gegenseitigen Einvernehmen
beendet, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Diese Bescheide wurden bestandskräftig; die Beklagte nahm
die Arbeitslosengeldzahlung an den Kläger am 1. April 1996 auf.
Am 20. Juni 1996 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er ab 1. Juli 1996 eine
selbständige Arbeit als Berater aufnehme. Die Beklagte stellte deswegen die Arbeitslosengeldzahlung ab 1. Juli 1996
ein. Der Kläger stellte erneut Antrag auf Arbeitslosengeld am 21. September 1998 mit Arbeitslosmeldung zum 1.
Oktober 1998. Die Beklagte zahlte daraufhin Arbeitslosengeld ab dem 1. Oktober 1998 (Arbeitslosengeldbewilligung-
Verfügung vom 5. Oktober 1998)
Am 21. Dezember 1998 (Veränderungsmitteilung) erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, er werde ab dem 1.
Januar 1999 für circa 3 Monate selbständig sein. Er werde als freiberuflicher Berater für die Firma H. arbeiten.
Am 20. Mai 1999 sprach der Kläger erneut bei der Beklagten vor, meldete sich mit Wirkung zum 1. Juni 1999
arbeitslos und stellte Antrag auf Zahlung von Arbeitslosengeld. Er bestätigte in seinem Antrag vom 20. Mai 1999 unter
Ziffer 7, er habe das Merkblatt 1 für Arbeitslose, "Dienste und Leistungen", erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis
genommen. Die Beklagte zahlte dann Arbeitslosengeld ab dem 1. Juni 1999.
Mit weiterer Veränderungsmitteilung vom 14. November 1999 erklärte der Kläger, er werde ab dem 1. Dezember 1999
für circa drei Monate eine Tätigkeit als freiberuflicher Berater mit einem Umfang von 15 und mehr Stunden
aufnehmen. Im Begleitschreiben führte er aus, er wolle sich ab dem 30. November 1999 aus der Arbeitslosigkeit
abmelden, da er ab dem 1. Dezember 1999 einen Beratungsauftrag erwarte, der ihm ein Einkommen sichere.
Am 8. Mai 2000 meldete er mit Wirkung zum 1. Juni 2000 wieder arbeitslos und beantragte die Weiterzahlung von
Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 9. Mai 2000 wurde der Antrag abgelehnt. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld
könne nicht mehr geltend gemacht werden, da nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen seien. In dem
Beratungsvermerk der Beklagten ist festgehalten, der Kläger habe am 20. Mai 1999 anlässlich seines
Weiterzahlungsantrags vorgesprochen und hierbei das Merkblatt 1 der Beklagten ausgehändigt erhalten. Dabei wurde
vom Sachbearbeiter
der Beklagten (Herrn K.) festgestellt, dass der Wiederbewilligungsantrag nach freiberuflicher Tätigkeit erfolgt sei und
dass ein weiterer Zeitvertrag nachfolgen könne; derzeit sei jedoch keine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in
Aussicht. Der Sachbearbeiter Z. stellte bei einer Beratung am 29. November 1999 fest, seit dem 1. November 1999
sei der Kläger freiberuflich tätig.
Bei der nächsten Beratung am 8. Mai 2000 stellte der Kläger Antrag auf Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld.
Gegen den Bescheid vom 9. Mai 2000 legte er am 22. Mai 2000 durch seinen Prozessbevollmächtigten Widerspruch
ein. Die Beklagte habe ihre Auskunfts- und Beratungspflicht verletzt , da er nicht darüber aufgeklärt worden sei, dass
er möglicherweise mit erneuter Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit endgültig des ursprünglichen
Arbeitslosengeldanspruchs verlustig gehe und deshalb im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs
verlangen könne, so gestellt zu werden, als hätte er seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld rechtzeitig geltend
gemacht. Hätte die Beklagte ihn darüber aufgeklärt, dass er bei einer erneuten Unterbrechung der Arbeitslosigkeit mit
Aufnahme eines Beratervertrages den noch nicht verbrauchten Anspruch auf Arbeitslosengeld verliere, hätte er die
freiberufliche Tätigkeit nicht aufgenommen. Er habe die Beratungstätigkeit so gestalten können, dass vom zeitlichen
Aufwand her und auch von der Vergütung die Tätigkeit entweder unter Berücksichtigung von Nebeneinkommen dem
Bezug von Arbeitslosengeld nicht im Wege gestanden wäre oder er die Tätigkeit erst nach voll ständiger
Ausschöpfung des Arbeitslosengeldes aufgenommen hätte. Im Merk- blatt 1 der Bundesagentur für Arbeit (damals
Bundesanstalt für Arbeit) werde ausgeführt, "der erworbene Anspruch auf Arbeitslosengeld bleibt ihnen vier Jahre lang
erhalten. Das bedeutet, dass sie innerhalb dieser Frist auf eine nicht verbrauchte Anspruchsdauer zurückgreifen
können, falls sie durch ein neues Beschäftigungsverhältnis oder durch andere Zeiten nicht erneut die Anwartschaft
erfüllen".
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach Ablauf von vier
Jahren nach seiner Entstehung und damit mit Ablauf
des 1. September 1999 sei der Leistungsanspruch erloschen. Eine Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 1. Juni 2000
im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs komme ebenfalls nicht in Betracht, da die Beklagte
insbesondere ihre Auskunfts- und Beratungspflichten nicht verletzt habe. Dem Kläger sei bei seiner erneuten
persönlichen Vorsprache am 20. Mai 1999 sowohl ein Antrag auf Wiederbewilligung des Arbeitslosengeldes mit
Wirkung zum 1. September 1999, als auch ein Merkblatt für Arbeitslose ausgehändigt worden. Diesem Merkblatt habe
er in Kapitel 3 entnehmen können, dass ein erworbener Anspruch auf Arbeitslosengeld vier Jahre erhalten bleibe.
Mit der bei Sozialgericht München (SG) dagegen erhobenen Klage vom 6. Juli 2000 hat der Prozessbevollmächtigte
des Klägers vorgetragen, der Kläger habe seit seiner Arbeitslosmeldung immer wieder freiberufliche Tätigkeiten
ausgeübt, die er jedoch weitgehend flexibel habe gestalten können. Die Beklagte habe im Rahmen der letzten
Meldung versäumt, den Kläger darüber aufzuklären, dass nach Ablauf von vier Jahren nach Entstehung des
erstmaligen Anspruchs eine Weiterbewilligung nicht mehr möglich sei. Dabei könne allein die Übergabe eines
Merkblatts die Beklagte von der gesetzlichen Beratungspflicht nicht entbinden.
In ihrer Klageerwiderung hat die Beklagte ausgeführt, bei der Arbeitslosmeldung am 20. Mai 1999 habe der Kläger das
Merkblatt 1 für Arbeitslose bekommen. Er hätte die Möglichkeit gehabt, sich beraten zu lassen. Zum Zeitpunkt der
Meldung zum 1. Dezember 1999 sei die Frist gestrichen gewesen. Bei Eingang der Veränderungsmitteilung am 16.
November 1999 habe sie lediglich die Möglichkeit gehabt, dem Kläger auf schriftlichem Weg davon abzuraten eine
freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, er habe im Juni 2000 eine Beschäftigung aufgenommen mit
einer maximalen Beschäftigungsdauer von fünf Stunden pro Woche. Darüber hinaus habe er bisweilen seine bereits
früher ausgeübte Beratertätigkeit ausgeübt. Der Berater K. habe ihm anlässlich seiner Beratungen erklärt, dass er den
Bezug von Arbeitslosengeld immer wieder aussetzen könne, wenn er Arbeit finde.
Das SG hat mit Urteil vom 23. September 2005 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger dem Grunde
nach Arbeitslosengeld ab dem 1. Juni 2000 zu zahlen. Die Beklagte habe ihre Beratung - und Hinweispflichten
gegenüber dem Kläger schuldhaft verletzt. Anlässlich der persönlichen Vorsprache am 20. Mai 1999 sei sie
verpflichtet gewesen, ihn auf die Rechtsfolgen der Vierjahresfrist hinzuweisen. Ihr sei bekannt gewesen, dass der
Kläger nicht in der Lage war, eine neue Anwartschaft für einen Arbeitslosengeldbezug zu begründen. Die Beklagte
habe ihn auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig
aufdrängen und die von jedem verständigen Versicherten maßgeblich genutzt werden. Bei richtiger Beratung hätte der
Kläger die befristete selbstständige Tätigkeit nicht oder jedenfalls zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen. Es sei
daher so zu stellen, als wäre bei seiner Antragstellung am 8. Mai 2000 sein Anspruch auf Arbeitslosengeld noch nicht
erloschen.
Mit der dagegen eingelegten Berufung vom 24. März 2006 macht die Beklagte geltend, es bestehe keine allgemeine
Pflicht, Leistungsbezieher über die Erlöschensfrist zu informieren. Sie sei nicht verpflichtet, eine Beratung hinsichtlich
der Erlöschensfrist durchzuführen, wenn das mit der Beratung zu erreichende Ziel ihren Aufgaben widerspricht. Der
Kläger habe bei seiner Vorsprache am 20. Mai 1999 angegeben, dass möglicherweise ein weiterer Zeitvertrag für eine
freiberufliche Tätigkeit kommen würde, er aber noch nichts Konkretes in Aussicht habe. Erst am 14. November 1999
habe der Kläger mitgeteilt, dass er ab dem 1. Dezember 1999 wieder eine freiberufliche Tätigkeit aufnehmen werde.
Selbst bei Bejahung einer Beratungspflicht am 20. Mai 1999 könne im Wege eines sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs kein Arbeitslosengeldanspruch des Klägers ab dem 1. Juni 2000 hergeleitet werden.
Tatsächliche Gegebenheiten und ihre Rechtsfolgen, deren Änderung dem Verwaltungshandeln der Beklagten nicht
zugänglich seien, ließen sich mithilfe des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht aus der Welt schaffen. Im
Zeitraum vom 1. Dezember 1999 bis zum 31. Mai 2005 habe der Kläger eine selbstständige Tätigkeit mit einer Dauer
von über 15 Stunden wöchentlich ausgeübt. Diese Tatsache lasse sich im Wege eines sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs nicht beseitigen. Bei der erneuten Arbeitslosmeldung am 8. Mai 2000 zum 1. Juni 2000 habe
damit ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht mehr geltend gemacht werden können.
In der Berufungserwiderung vom 21. November 2006 trägt der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, er habe die
Auskunft bekommen, der Anspruch auf Arbeitslosengeld werde durch die selbstständige Tätigkeit einfach
unterbrochen werden. Diese Auskunft ohne die Beschränkung auf die vier Jahre sei unzutreffend gewesen. Bei immer
nur kurz unterbrochenen selbstständigen Tätigkeiten hätte es nahe gelegen, den Kläger auf die Vierjahresfrist
hinzuweisen. Die Beteiligten habe sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. September 2005 aufzuheben.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen auf die Verwaltungsakten sowie die
Gerichtsakten und die beigezogenen Akten des Sozialgerichts.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -). Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten einer Entscheidung ohne
mündliche Verhandlung nach § 14 Abs. 2 SGG zugestimmt haben.
Die Berufung ist begründet.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 9. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juni 2000, mit
dem es die Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger ab dem 1. Juni 2000 Arbeitslosengeld zu zahlen, weil die Vier-
Jahresfrist des § 147 Abs. 2 Sozialgesetzbuch III abgelaufen sei.
§ 147 Abs. 2 SGB III enthält eine besondere Ausschlussfrist für den Anspruch auf Arbeitslosengeld, nach deren
Ablauf der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden kann. Die Ausschlussfrist soll im Interesse der
Versichertengemeinschaft das in der Arbeitslosenversicherung versicherte Risiko dadurch begrenzen, dass lediglich
bei einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Versicherungsfall Leistungen zu erbringen sind. Der Anspruch auf
Arbeitslosengeld kann nach § 147 Abs. 2 SGB III nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung
mehr als vier Jahre verstrichen sind. Die Frist ist ausschließlich von Belang, soweit über die Wiederbewilligung der
Leistung nach einer Unterbrechung des Leistungsbezugs zu entscheiden ist. Ist bei Stellung des
Wiederbewilligungsantrags die Verfallsfrist gewahrt, so steht dem Arbeitslosen unabhängig von dieser Frist
Arbeitslosengeld im Umfang der vollen bis dahin noch nicht verbrauchten Restdauer des Anspruchs zu
(Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, (Voelzke) § 12, Rn. 472 - 483).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) handelt es sich bei der Ausschlussfrist nach §
147 Abs. 2 SGB III um eine Ausschlussfrist, die ohne Hemmungs- und Unterbrechungsmöglichkeiten kalendermäßig
abläuft. Der Arbeitslose hat den Anspruch auf Arbeitslosengeld rechtzeitig geltend gemacht, wenn er vor Ablauf der
Ausschlussfrist alle Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld erfüllt. Hat der Arbeitslose den Anspruch
rechtzeitig geltend gemacht, so steht ihm Arbeitslosengeld auch über das Fristende hinaus zu. Die Arbeitslosmeldung
und Antragstellung reicht nicht aus, wenn nicht auch sämtliche übrigen Voraussetzungen des
Arbeitslosengeldanspruchs vorliegen. Eine Umgehung der Ausschlussfrist wird also dadurch verhindert, dass für das
Merkmal der Geltendmachung erforderlich ist, dass ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld überhaupt noch
vorhanden ist (Spellbrink/Eicher (Voelzke), a.a.O.)
Für Berechnung von Beginn und Ende der Ausschlussfrist gelten die §§ 187-193 BGB entsprechend (§ 26
Sozialgesetzbuch X - SGB X). Die Frist endet mit Ablauf des Tages im vierten Jahr nach der Entstehung des
Anspruchs, der nach Benennung des Monats sowie seiner Zahl dem Tag der Entstehung des Anspruchs
(Arbeitslosmeldung) entspricht. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen
Sonnabend, endet die Frist mit dem Ablauf des nachfolgenden Werktags (§ 26 Abs. 3 S. 1 SGB X). Mit Ablauf der
Ausschlussfrist geht die gesamte Anspruchsberechtigung unter, das heißt, es entfällt die rechtliche Grundlage,
aufgrund deren der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erwerben kann (Spellbrink/Eicher (Voelzke),
a.a.O.)
Hat der Arbeitslose den Anspruch vor Ablauf der Frist geltend gemacht, stehen ihm Leistungen auch über das
Fristende hinaus zu; allerdings darf nach Fristende keine Unterbrechung eintreten und danach ein "Geltendmachen"
des Anspruchs erforderlich sein (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juli 1977, SozR 4100, § 134 Nr. 3).
Danach war die Vierjahresfrist am 1. September 1999 verstrichen, da der streitgegenständliche Anspruch auf
Arbeitslosengeld des Klägers bei seiner ersten Arbeitslosmeldung am 1. September 1995 entstanden ist. Mit Ablauf
des 1. September 1999 hat somit der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld nicht mehr geltend gemacht werden
können. Der am 8. Mai 2000 mit Wirkung zum 1. Juni 2000 gestellte Wiederbewilligungsantrag ist zu Recht von der
Beklagten abgelehnt worden.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld nach den Bestimmungen des sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs. Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf
Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustands gerichtet, der bestehen würde, wenn der
Sozialleistungsträger eine ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsene Nebenpflicht ordnungsgemäß
wahrgenommen hätte, dies aber pflichtwidrig unterblieben ist (vgl. dazu allgemein Funk DAngVers 1981, 26; Bieback
DVBl 1983, 159). In solchen Fällen können gewisse sozialrechtliche Voraussetzungen für die Gewährung von
Leistungen, wie etwa eine verspätete Antragstellung, eine verspätete Beitragsentrichtung, eine verspätete Vorlage von
Unterlagen als erfüllt angesehen werden, wenn die Verspätung gerade auf einem pflichtwidrigen Verhalten des
Leistungsträgers beruht. Allerdings gilt dies nicht für außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegende Tatbestände,
die nach materiellem Recht für das Entstehen des Sozialrechtsanspruchs erforderlich sind (BSG, Urteil vom 13. Mai
1980, SozR 2200 § 1233 Nr. 17 und BSG, Urteil vom 12. Dezember 1984, SozR 4100 § 56 Nr. 18); andernfalls
verpflichtete der Herstellungsanspruch den Sozialleistungsträger zu einer Gesetz und Recht widersprechenden
Handlung, was unzulässig wäre (BSG, Urteil vom 23. Juni 1977, SozR 2200 § 886 Nr.1; BSG, Urteil vom 12. Oktober
1979, SozR 2200 § 1418 Nr. 8; BSG; Urteil vom 22. Februar 1980, SozR 2200 § 172 Nr. 14; BSG, Urteil vom 17.
Dezember 1980, SozR 2200 § 381 Nr. 44; BSG, Urteil vom 19. März 1986, SozR 4100 § 105 Nr. 2; BSG, Urteil vom
22. August 1984, SozR 4100, § 102 Nr. 6).
Das SG hat angenommen, die Beklagte hätte bei der Vorsprache des Klägers bei der Beklagten am 20. Mai 1999, bei
der er sich zum 1. Juni 1999 arbeitslos meldete und einen Antrag auf Zahlung von Arbeitslosengeld stellte, von sich
aus auf den erkennbaren Ablauf der Verfallsfrist des § 147 Abs. 2 SGB III hinweisen müssen, um ihn in die Lage zu
versetzen, eine befristete angebotene selbstständige Tätigkeit nicht oder jedenfalls zu einem späteren Zeitpunkt
aufzunehmen beziehungsweise seine Beratungstätigkeit so zu gestalten, dass vom zeitlichen Aufwand her und auch
von der Vergütung her die Tätigkeit entweder unter Berücksichtigung von Nebeneinkommen dem Bezug von
Arbeitslosengeld nicht entgegengestanden wäre oder er eine Tätigkeit erst nach voller Ausschöpfung des
Arbeitslosengeldes aufgenommen hätte.
Nach Auffassung des Senats besteht keine allgemeine Pflicht der Beklagten, Leistungsbezieher über den Ablauf der
Verfallsfrist des § 147 Abs. 2 SGB III aufzuklären. Die Beklagte hat allerdings stets zu beraten, wenn der
Anspruchsinhaber einen entsprechenden Wunsch erkennen lässt. Das gilt auch ohne ausdrückliche Nachfrage, wenn
sich hier ein Beratungsbedarf aufdrängen muss, der in den Rahmen ihres Pflichtenkreises gehört (§ 14
Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil SGB I).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 21. März 1990, BSGE 66, 258 - 268) hat es
grundsätzlich keinen Einfluss auf die eigenständigen Beratungspflichten des Sozialleistungsträgers, ob und in welcher
Weise der Beratene von der Aufklärung Gebrauch machen wird. Dies ist jedoch anders zu sehen, wenn das Ziel der
Beratung einzig darin bestehen kann, den Weg zu eröffnen, Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen zu können,
obwohl dies nach der Sach- und Rechtslage derzeit weder möglich noch erforderlich ist.
Die vom SG auch ohne entsprechenden Wunsch des Klägers als eigenständig für erforderlich gehaltene Beratung
über den Ablauf der Frist des § 147 Abs. 2 SGB III hätte einzig zu dem Zweck erfolgen müssen, dem Kläger durch
Verzicht auf eine angebotene umfangreichere selbstständige Tätigkeit oder überhaupt eine angebotene selbstständige
Tätigkeit Zugang zu Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu eröffnen. Ein solches Verhalten kann von der
Beklagten nicht erwartet werden.
Es stünde im Widerspruch zu den ihr übertragenen gesetzlichen Aufgaben (BSG, a.a.O.).
Die Veränderungsmitteilung vom 14. November 1999, in der der Kläger erklärte, er werde ab dem 1. Dezember 1999
für circa drei Monate eine Tätigkeit als freiberuflicher Berater aufnehmen, erfolgte nicht mehr nach einer Beratung
durch die Beklagte. Jede andere Beratung im Zeitraum ab dem 1. September 1999 hätte gegenüber dem Kläger zum
Inhalt haben müssen, ihn von einer Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit abzuhalten. Dies ist mit den Aufgaben der
Beklagten nicht vereinbar.
Selbst bei einem (unterstellten) Fehlverhalten der Beklagten - eine weitere Sachverhaltsaufklärung war daher nicht
erforderlich- kommt eine Korrektur im Wege des Herstellungsanspruchs nicht in Frage, weil ein Nachteilsausgleich auf
ein gesetzwidriges Handeln der Beklagten hinauslaufen würde (BSG, Urteil vom 31. Januar 2006, B 11 a AL 15/05 R
zitiert, nach juris).
Die in §§ 118, 119 SGB III geregelten tatsächlichen Anforderungen an die Arbeitslosigkeit schließen überdies aus,
den - hier erforderlichen - Eintritt bzw. das Bestehen von für die Zeit bis zum 31. Mai 2000 im Wege des
Herstellungsanspruchs in gesetzeskonformer Weise zu fingieren.
Der Kläger war ab dem 1. Dezember 1999 bis zum 31. Mai 2000 selbstständig als Berater tätig. Er war damit weder
objektiv noch subjektiv verfügbar. Damit war ab diesem Zeitpunkt unter Anwendung der Vierjahresfrist der Anspruch
auf Arbeitslosengeld erloschen. Ohne das Vorliegen von Arbeitslosigkeit des Antragstellers als Voraussetzung des
Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe ab dem 1. Juni 2000 kommt in entsprechender Anwendung der Rechtsprechung des
BSG auf die Fallvariante des Vorliegens einer selbständigen Tätigkeit eine Anwendung des sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs nicht in Betracht. Selbstständigkeit in einem Umfang über 15 Stunden wöchentlich und
Arbeitslosigkeit schließen sich aus. Tatsächliche Gegebenheiten, zum Beispiel der Bestand eines
Arbeitsverhältnisses, kann bis zum Ablauf der Verfallsfrist nicht mit Hilfe eines sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs aus der Welt geschafft werden (BSG, Urteil vom 21. März 1990, BSGE 66, 258 - 268). Das gilt
auch für eine tatsächlich ausgeübte selbständige Tätigkeit mit erwirtschaftetem Gewinn. Es ist ausgeschlossen, das
Vorliegen von Arbeitslosigkeit bzw. Verfügbarkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nachträglich
im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu fingieren (BSG, Urteil vom 7. Mai 2009, B 11 AL 71/08 B,
unter Verweis auf BSG, Urteil vom 31. Dezember 2006, Az.: B 11a AL 15/05 R, beide zitiert nach juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).