Urteil des LSG Bayern vom 08.11.2006

LSG Bayern: grundsatz der gleichbehandlung, soziale sicherheit, extensive auslegung, wartezeit, gewalt, anwendungsbereich, form, begriff, altersrente, tschechoslowakei

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 08.11.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 3 R 625/04 SK
Bayerisches Landessozialgericht L 16 R 891/05
Bundessozialgericht B 13 R 38/07 B
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 22. Juli 2005 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Regelaltersrente ins Ausland nach den
Vorschriften des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) streitig.
Die 1926 in der Tschechoslowakei geborene Klägerin jüdischer Abstammung ist slowakische Staatsangehörige und
wohnhaft in der Slowakei. Nach dem Besuch der Volks-Mittelschule bis 1940 war sie nach ihren Angaben wegen
Furcht vor der Deportation vom 1.06.1942 bis 30.08.1944 im "Arbeitslager-Ghetto" Novaky in der Slowakei auf dem
Feld und in der Schneiderei gegen Entgelt beschäftigt; während dieser Zeit wurden weder an die deutsche noch an die
slowakische Rentenversicherung Beiträge abgeführt. Von 1959 bis 1984 war sie in der ehemaligen Tschechoslowakei
versicherungspflichtig beschäftigt. Zur deutschen Rentenversicherung wurden zu keinem Zeitpunkt Beiträge
entrichtet.
Am 17.06.2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, ihr die Zeit von Juni 1942 bis August 1944 als
Beschäftigungszeit wegen Verfolgung in einem Ghetto anzuerkennen und deshalb Regelaltersrente zu gewähren. Die
Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 21.01.2004 ab, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei. Die
Voraussetzungen des § 1 ZRBG seien nicht erfüllt. Da die Slowakei vom 23.06.1941 bis 17.02.1945 ein verbündeter
Staat des Deutschen Reiches gewesen sei, und die Klägerin in einem Zwangsarbeitslager, nicht aber in einem Ghetto
untergebracht gewesen sei, finde das ZRBG keine Anwendung. Ersatzzeiten für die erlittene Verfolgungszeit könnten
nicht berücksichtigt werden, weil auf Grund der fehlenden Beitragszeiten die Versicherteneigenschaft in der deutschen
Rentenversicherung nicht gegeben sei.
Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin unter Hinweis auf die Stellungnahme des Historischen
Armeeinstitutes Prag vom 13.01.2004 sowie auf die Stellungnahme der Frau Dr. K.Z. vom Institut des Staates und
des Rechtes der Akademie der Wissenschaften, Slowakei, vom 01.02.2004 geltend, dass die Slowakei kein
verbündeter Staat des Deutschen Reiches gewesen sei.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2004 als unbegründet zurückgewiesen. Denn das ZRBG
finde keine Anwendung für Verfolgte, die sich in einem Ghetto aufgehalten hätten, das sich auf dem Gebiet des
Deutschen Reichs (Stand 31.12.1937) oder auf dem Gebiet eines mit Deutschland verbündeten Staates befunden
habe. Die Slowakei sei in der Zeit vom 23.06.1941 bis 17.02.1945 ein mit dem Deutschen Reich verbündeter Staat
gewesen. Dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten des historischen Armeeinstituts Prag vom 13.01.2004 könne
nicht gefolgt werden, weil es nicht von einer kompetenten slowakischen Einrichtung erstellt worden sei und gegenüber
der in der historischen Forschung vorherrschenden Auffassung eine Außenseitermeinung darstelle. Die Frage, ob die
Slowakei ein mit dem Deutschen Reich verbündeter Staat gewesen sei, sei bislang nur im Bereich der Ersatzzeiten
von Bedeutung gewesen und sei in der Vergangenheit noch niemals in Zweifel gezogen worden. Auch stehe die
Beschäftigung in einem Zwangsarbeitslager nicht einem zwangsweisen Aufenthalt in einem Ghetto gleich. Da der freie
Wille zur Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses fehle, sei Zwangsarbeit anzunehmen. Die Gewährung eines
geringen Lohns in Form von Geld oder Naturalien lasse keine andere Beurteilung zu.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut trug die Klägerin unter Verweisung auf die bereits
im Widerspruchsverfahren vorgelegten historischen Stellungnahmen weiter vor, dass ihr die Tätigkeit in dem Ghetto
Novaky auf Grund eigener Bemühungen durch den Judenrat vermittelt worden sei. Als Entlohnung habe sie drei
tägliche Mahlzeiten, zusätzliche Lebensmittel und Bargeld erhalten. Auch wenn der Beschäftigungs-ort Novaky in der
historischen Literatur als "Arbeitslager" bezeichnet werde, und die Umstände in diesem Beschäftigungsort größtenteils
besser waren als in allen anderen bekannten Ghettos, so sei dieser Ort nach den tatsächlichen Verhältnissen
dennoch als Ghetto einzustufen. Denn er habe über einen Judenrat, eine Schule, ein Krankenhaus, ein
Leichtathletikfeld und ein Schwimmbad verfügt. Später sei ein Kulturprogramm entwickelt worden.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 22.07.2005 ab, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung von
Regelaltersrente habe. Denn sie erfülle nicht die gemäß §§ 35, 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 und 4 Sechstes
Sozialgesetzbuch (SGB VI) erforderliche Wartezeit von 60 Kalendermonaten. Sie habe keine Versicherungszeiten in
Deutschland und in der deutschen Rentenversicherung zurückgelegt. Die geltend gemachte Zeit von Juni 1942 bis
August 1944 in Novaky/Slowakei könne nicht als Versicherungszeit im Sinn des ZRBG anerkannt werden. Denn nach
den Feststellungen des Simon Wiesental - Centers und der Encyclopedia of the Holocaust stehe zweifelsfrei fest,
dass die Klägerin in Novaky in einem Arbeitslager und nicht in einem Ghetto tätig gewesen sei. Auch habe sich
dieses Lager auf dem Territorium eines mit dem Deutschen Reich verbündeten Staates befunden, so dass das ZRBG
nicht anwendbar sei. Die von der Klägerin vorgelegten Stellungnahmen des Historischen Armeeinstitutes Prag vom
13.01.2004 und von Dr. K.Z. vom 01.02.2004 seien nicht überzeugend, weil sie nicht historisch-wissenschaftlich
fundiert seien. Sie seien nicht geeignet, präzise definierte gesetzliche Tatbestandsvoraussetzungen zu belegen.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, dass es sich bei dem Beschäftigungsort
Novaky nach den tatsächlichen Verhältnissen nicht um ein typisches Zwangsarbeitslager gehandelt habe, und dass
nach dem Rechtsgedanken des ZRBG und der Rechtsprechung des BSG das Merkmal "Ghetto" nicht
tatbestandsausschließend angewandt werden dürfe, sondern nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung diejenigen
Betroffenen in den Anwendungsbereich des ZRBG einzubeziehen seien, die unter ghettoähnlichen oder -gleichen
Umständen gearbeitet hätten. Auch sei die Slowakei tatsächlich kein verbündeter Staat des Deutschen Reiches
gewesen. Im Vergleich zu anderen verbündeten Staaten, wie etwa Rumänien, habe die Slowakei eine ganz andere
Stellung gehabt. Vorgelegt wird hierzu eine Stellungnahme von Dr. H., selbstständige wissenschaftliche Mitarbeiterin
des Historischen Institutes der slowakischen Akademie der Wissenschaften.
Der Senat hat zur Ermittlung des Sachverhalts von Dr. Ha. vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin ein
Gutachten eingeholt. Dieser kommt in seinem Gutachten vom 06.04.2006 zu dem Ergebnis, dass die Slowakei zwar
formal selbstständig gewesen sei, faktisch aber mit dem Abschluss des "Vertrags über das Schutzverhältnis
zwischen dem Deutschen Reich und dem slowakischen Staat vom 18./23. März 1939" in eine Art Vasallenverhältnis
zum Großdeutschen Reich eingetreten sei. Während sich die slowakische Außenpolitik ganz der deutschen
untergeordnet habe, habe das autoritär-klerikale Regime unter Tiso innenpolitisch eine gewisse Selbstständigkeit
wahren können. Nach dem Abschluss der Entwaffnung des Aufstandes vom 28.08.1944 am 1./2. September 1944 sei
die Regierung unter dem Kabinett von Tiso ab 05.09.1944 als reine Marionettenregierung zu bezeichnen. Spätestens
ab diesem Zeitpunkt habe die Slowakei den letzten Rest staatlicher Souveränität verloren und sei ein besetztes
Territorium gewesen. Das Lager in Novaky habe zunächst ab Frühjahr 1942 als Durchgangsstation für die
Deportationstransporte in die Vernichtungslager in Polen und später als Zwangsarbeitslager für Juden gedient. Eine
Einstufung dieses Ortes als Ghetto erweise sich als schwierig, da dieser Begriff nicht verbindlich definiert sei. In dem
Lager herrschten ohne Zweifel Zustände wie in vielen Ghettos, insbesondere durch die Unterbringung ganzer Familien
und durch die Einrichtung eines Judenrates.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils vom 22.07.2005 sowie des Bescheides vom 21.01.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18.05.2004 zu verurteilen, ihr Altersrente nach Maßgabe der gesetzlichen
Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus, dass der gerichtliche Sachverständige Dr. Ha. die völkerrechtlichen Fragen, wann von
einer Eingliederung oder einer Besetzung eines Staatsgebietes gesprochen werden könne, nicht wissenschaftlich
erörtert habe. Vorgelegt werden zur Begründung eine Besprechung des VDR vom Juli 2005 sowie eine Abhandlung
von Jana Möller in der Zeitschrift des Vereins des Widerstands, Museum Ebensee, vom November 1999. Danach sei
die Slowakei mangels Eingliederungsakt nicht eingegliedert worden. Sie sei auch zu keinem Zeitpunkt vom Deutschen
Reich besetzt worden in dem Sinn, dass der besetzende Staat vorläufig die tatsächliche Gewalt über ein fremdes
Staatsgebiet ausgeübt habe (verwiesen wird zu diesen allgemeinen völkerrechtlichen Überlegungen auf die Haager
Landkriegsordnung). Denn sie sei infolge ihrer Unabhängigkeitserklärung vom 14.03.1939 und des Schutzvertrages ein
formal unabhängiger Satellitenstaat des nationalsozialistischen Deutschlands gewesen. Ein weiteres Indiz für diese
formale Unabhängigkeit sei der Beitritt der Slowakei zum Dreimächtepakt am 24.11.1940. Bereits drei Tage nach dem
deutschen Überfall auf Polen sei sie den Kampfhandlungen auf deutscher Seite beigetreten, und sei bis zum
Kriegsende ein Alliierter des Deutschen Reiches gewesen. Schließlich sei das Lager in Novaky immer als Arbeitslager
und nie - im Gegensatz zu vielen anderen Lagern - als Ghetto bezeichnet worden.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Akte der
Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
zulässig. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen, weil der angefochtene Bescheid vom 21.01.2004 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2004 nicht zu beanstanden ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
Gewährung von Regelaltersrente in die Slowakei ab 01.07.1997 (auf ihren gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 ZRBG fingierten
Antrag vom 18.06.1997). Sie hat zwar das 65. Lebensjahr vollendet, aber keine von der Beklagten zu
berücksichtigende rentenrechtliche Zeiten zurückgelegt. Es liegen weder Bundesgebiets-Beitragszeiten noch Ghetto-
Beitragszeiten vor.
Gemäß § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die
allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) erfüllt haben. Auf diese allgemeine Wartezeit
sind nach § 51 Abs. 1 und 4 SGB VI Kalendermonate mit Beitrags- und Ersatzzeiten anzurechnen. Beitragszeiten
sind nach § 55 Abs.1 Satz 1 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt
worden sind. Nach Satz 2 dieser Regelung sind Pflichtbeitragszeiten auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach
besonderen Vorschriften als gezahlt gelten.
Die Klägerin, die aufgrund des nicht auf die Slowakei erstreckten Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze
nicht von diesen Gesetzen erfasst war, hat unstreitig weder Beiträge im Sinn des § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI an die
deutsche Rentenversicherung gezahlt noch Ersatzzeiten im Sinn des § 250 SGB VI zurückgelegt. Da die Klägerin, für
die in der Zeit von Juni 1942 bis August 1944 keine Beiträge an den slowakischen Versicherungsträger gezahlt
worden sind, nicht zu dem gem. § 1 Fremdrentengesetz (FRG) begünstigten Personenkreis gehört, sind auch keine
Versicherungszeiten nach § 16 FRG zu berücksichtigen; im übrigen wäre die Zahlung einer auf diesen
Beschäftigungszeiten beruhenden Rente ins Ausland ausgeschlossen (vgl. hierzu etwa BSG, Urteil vom 23.08.2001,
Az. B 13 RJ 59/00 R und BT-Drucks. 14/8583 S. 5).
Auch wenn die allgemeine Wartezeit allein durch die begehrte Anerkennung der Beschäftigungszeiten in dem Lager
Novaky nach dem ZRBG noch nicht erfüllt wäre, so wäre sie unter Anrechnung der in der Slowakei von 1959 bis 1984
zurückgelegten Beitragsmonate nach Art. Art. 45 Abs. 1 VO-EWG 1408/71 (Rückwirkung der Bestimmungen des
Europäischen Gemeinschaftsrechts, die gemäß Art. 6 VO-EWG 1408/71 an die Stelle des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Slowakischen Republik über Soziale Sicherheit vom 12.09.2002, BGBl 2003 II
S.678 treten, auf Versicherungszeiten vor ihrem Inkrafttreten in der Slowakei bei ihrem Beitritt zur Europäischen
Gemeinschaft am 01.05.2004 gem. Art. 94 Abs. 2 VO-EWG 1408/71) erfüllt.
Für die Klägerin gelten aber Pflichtbeiträge nach § 2 Abs. 1 ZRBG für Zeiten der Beschäftigung in einem Ghetto nicht
als gezahlt im Sinn des § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI, weil der Anwendungsbereich für dieses Gesetz nicht eröffnet ist.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG gilt dieses Gesetz nur für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die
sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande
gekommen ist, gegen Entgelt ausgeübt wurde und das Ghetto sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen
Reich besetzt oder diesem eingegliedert war, soweit für diese Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System
der sozialen Sicherheit erbracht wird.
Die Slowakei, auf dessen Territorium das Lager Novaky errichtet war, war in dem Zeitraum von Juni 1942 bis August
1944 nach dem geschichtlichen Ablauf weder vom Deutschen Reich besetzt noch in dieses eingegliedert worden.
Die Slowakei ist niemals formell in das Deutsche Reich eingegliedert worden (so BSG, Urteil vom 18.03.1982, Az. 11
RA 28/81 und BVerwGE 38, 122, 124). Der Einmarsch der deutschen Truppen am 15.03.1939 in das Gebiet der
späteren Schutzzone ist mangels Machtfülle der deutschen Staatsführung innerhalb dieses Gebietes noch keine
Besetzung der Slowakei (so BVerwGE 39, 22, 24). Auch wenn die Slowakei ab dem 28.07.1940 wegen einer von
Hitler erzwungenen Regierungsumbildung durch Staatspräsident Tiso in den unmittelbaren Einflussbereich der
deutschen Staatsführung gelangt war, so ist dieser Zeitpunkt nur als Beginn des Verfolgungszeitraumes im Sinn des
Lastenausgleichsgesetzes, nicht aber als Beginn der Besetzung eines fremden Gebietes zu qualifizieren (s.
BVerwGE 38, 122 f.). Die Slowakei ist ab der Selbständigkeitserklärung ihres Landtags vom 14.03.1939 bis 1945 ein
völkerrechtlich selbstständiger Staat ("vom NS-Regime geschützter Fremdstaat") geblieben (BSG, Urteil vom
18.03.1982, a.a.O.; so im Ergebnis auch BayLSG, Urteil vom 27.04.2006, Az. L 13 R 61/06)).
Der in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZRBG genannte Begriff "besetzt" ist im ZRBG selbst nicht definiert. Zugrundzulegen ist
daher seine völkerrechtliche Regelung in Art. 42 der Haager Landkriegsordnung (RGBl. 1910, 132, 147), wonach ein
Gebiet als besetzt gilt, wenn es sich tatsächlich in der Gewalt des feindlichen Heeres befindet. Die Besetzung
erstreckt sich nach Satz 2 dieser Vorschrift nur auf Gebiete, wo diese Gewalt hergestellt ist und ausgeübt werden
kann. Diese Auslegung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Er unterstellte nämlich, "dass ein Ghetto in
den eingegliederten oder besetzten Gebieten in besonderem Maße der hoheitlichen Gewalt des Deutschen Reichs
ausgesetzt war" (so BT-Drucks. 14/8583 S. 6). Ferner verwendete er die Formulierung "vom Deutschen Reich
beherrschtes Gebiet" (a.a.O. S. 5). Eine derartige (bewaffnete) Besetzung der Slowakei durch das Deutsche Reich ist
auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Ha. jedenfalls nicht bis August
1944 anzunehmen, weil die nach ihrem Aufstand erfolgte Entwaffnung der slowakischen Soldaten durch deutsche
Truppen am 1./2. September 1944 abgeschlossen und erst ab 05.09.1944 unter Tiso eine reine Marionettenregierung
gebildet worden war. Auch wenn die Slowakei bereits vor diesem Zeitpunkt außenpolitisch nicht mehr selbstständig
war, so griff die deutsche Staatsführung nicht in ihre innenpolitischen Verhältnisse ein. Die Slowakei sollte als
Visitenkarte des Deutschen Reiches für die Behandlung schutzbefohlener Staaten erscheinen (so BVerwGE 38, 122,
125 f.). Der mit dem ZRBG primär verfolgte Zweck, ausnahmsweise Ghetto-Beitragszeiten (nur) für die Erbringung von
Rentenleistungen ins Ausland als Bundesgebiets-Beitragszeiten zu behandeln und so einen "Export von Renten" für
ausschließliche Zeiten der Beschäftigung in einem Ghetto zu ermöglichen (so BT-Drucks. a.a.O. S. 6; s. auch BSG,
Urteil vom 03.05.2005, Az. B 13 RJ 34/04 R)) sowie ferner eine Beitragszahlung für Zeiten außerhalb des jeweiligen
Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze nur für vom Deutschen Reich besetzte und in dieses
eingegliederte Gebiete zu fingieren (im Regelfall wurden etwa für die eingegliederten Gebiete besondere
Einführungsvorschriften für die Anwendung der Reichsversicherungsgesetze erlassen, s. etwa KassKomm-Niesel §
247 SGB VI Rdnr. 20 f. m.w.N.), erlaubt wegen seines besonderen Ausnahmecharakters hinsichtlich des geltenden
deutschen Rentenrechts keine extensive Auslegung des Begriffs "besetzt". Die im ZRBG ausdrücklich bestimmte
Beschränkung seines räumlichen Geltungsbereiches auf besetzte (und eingegliederte) Gebiete darf daher nicht im
Wege der Auslegung auf die Vorstufen einer Besetzung, wie etwa die unmittelbare Einflussnahme, erweitert werden.
Die Ausführungen in den von der Klägerin vorgelegten Stellungnahmen tschechischer und slowakischer Historiker,
dass aufgrund des erheblichen Einflusses des Deutschen Reiches in heimischen und internationalen
Zusammenhängen durch dessen Befehle, Bestimmungen und Berater die Slowakei bereits ab 1939 ein vom
Deutschen Reich abhängiger und beherrschter Satellitenstaat gewesen sei, erfüllen daher nur die graduell an Intensität
zunehmenden Vorstufen einer Einflussnahme des Deutschen Reiches auf die Slowakei, aber noch nicht die letzte
Stufe einer bewaffneten Besetzung.
Da die Slowakei bis August 1944 vom Deutschen Reich weder besetzt noch diesem eingegliedert war, kann die
Frage, ob das Lager Novaky ein Zwangsarbeitslager oder ein Ghetto war, offen bleiben.
Die Berufung war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung keinen Erfolg hat.
Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.