Urteil des LSG Bayern vom 22.06.2005

LSG Bayern: anhaltende somatoforme schmerzstörung, eintritt des versicherungsfalls, stationäre behandlung, rente, fraktur, rehabilitation, ausschluss, arbeiter, stress, kernspintomographie

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 22.06.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 18 RJ 785/02
Bayerisches Landessozialgericht L 19 R 495/04
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.06.2004 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung beanspruchen kann.
Der am 1954 geborene Kläger schloss 1973 erfolgreich eine Berufsausbildung zum Instandhaltungsmechaniker für
technologische Ausrüstungen des Bauwesens ab. Nach seinen Angaben war er nach dem Wehrdienst (1973 bis 1975)
in der Zeit von 1976 bis 1980 als Fahrer, 1981 bis 1986 als Betriebsschlosser und 1987 bis 1989 als Fahrer und
Handwerker beschäftigt. Er befand sich aufgrund einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen versuchter
Republikflucht vom 19.06.1989 bis 07.11.1989 in Untersuchungs- und Strafhaft (rehabilitiert durch Beschluss des
Bezirksgerichts M. am 10.05.1991). Danach verzog er nach Nürnberg und war dort bis 1997 in unterschiedlichen
Beschäftigungsverhältnissen tätig. Seit dieser Zeit ist der Kläger nur geringfügig als Wachmann versicherungsfrei
beschäftigt gewesen.
Nach einem Unfall im häuslichen Bereich am 26.11.2001 (LWK 1- Berstungsfraktur nach Sturz bei fraglichem
cerebralen Krampfanfall) befand sich der Kläger in stationärer Behandlung und Anschlussheilbehandlung (10.01.2002
bis 14.02.2002). Die Entlassung erfolgte als arbeitsunfähig. Nach dem Reha-Entlassungsbericht vom 26.02.2002 war
zu erwarten, dass der Kläger nach weiterer Rekonvaleszenz in der Lage sein werde, auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung und unter Beachtung weiterer qualitativer
Einschränkungen vollschichtig auszuführen.
Am 07.05.2002 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte
Auskünfte von Arbeitgebern ein, nach denen der Kläger vom 01.04.1996 bis 28.06.1996 als Druckereihelfer, vom
01.07.1996 bis 08.11.1996 als Hausmeister und vom 13.11.1996 bis 21.03.1997 als Fahrer tätig war. Mit Bescheid
vom 05.07.2002 und Widerspruchsbescheid vom 16.10.2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Erwerbsfähigkeit
des Klägers sei nach den ärztlichen Feststellungen aufgrund der Untersuchung am 28.06.2002 u.a. durch folgende
Gesundheitsstörungen beeinträchtigt: Eingeschränkte Beweglichkeit und Belastbarkeit der Lendenwirbelsäule (LWS)
bei Zustand nach stabiler LWK 1-Fraktur, skoliotische Verbiegung der Wirbelsäule und leicht zunehmendes
Wirbelkörpergleiten bei LWK 5/S 1, Zustand nach fraglichem cerebralen Krampfanfall, Fehlhaltung der Halswirbelsäule
(HWS) und degeneratives HWS-Syndrom. Der Kläger sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im
Wechselrhythmus ohne häufiges Bücken, ohne Eigen- und Fremdgefährdnung sowie nicht auf Leitern und Gerüsten
mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, sofern er keiner Exposition durch Feuchte, Kälte, Nässe und Zugluft
ausgesetzt sei. Aufgrund seines beruflichen Werdeganges sei der Kläger auf das gesamte Tätigkeitsfeld des
allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.
Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG). Er habe massive Probleme mit der Wirbelsäule,
nämlich erhebliche Bewegungseinschränkungen und enorme Schmerzen. Er sei nicht mehr belastbar und müsse sich
mehrmals am Tag hinlegen.
Das SG zog die Versichertenakte der Beklagten, die Akten des Amtes für Versorgung und Familienförderung
Nürnberg (AVF) sowie die Leistungsakten der Agentur für Arbeit Nürnberg bei. Befundberichte mit Fremdberichten
(u.a. stationäre Behandlung Klinikum N. 26.11.2001 bis 10.01.2002, Kompaktkur 24.03.2002 bis 14.04.2003) holte es
von den Orthopäden Dr.W. und Dr.R. und vom Allgemeinarzt Dr.L. ein.
Sodann ernannte das SG den Orthopäden Prof. Dr.L. zum gerichtlichen Sachverständigen (Gutachten vom
22.10.2003). Prof. Dr.L. stellte nach klinischer und röntgenologischer Untersuchung an wesentlichen
Gesundheitsstörungen fest: - Endlagig diskrete Bewegungsbehinderung der HWS ohne nachweisbare
Nervenwurzelreizerscheinungen bei röntgenologisch nachgewiesenen degenerativen Veränderungen,
- mit Fehlform stabil ausgeheilte Fraktur des 1. LWK, Wirbelsäulenfehlstatik, Wirbelgleitprozess LWK 5 auf S 1,
Bewegungsbehinderung der Rumpfwirbelsäule ohne nachweisbare Nervenwurzelreizerscheinungen,
- Bewegungsbehinderungen beider Arme in den Schultergelenken bei röntgenologisch nachgewiesenem Impingement
bds. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte Arbeiten im Wechselrhythmus in geschlossenen Räumen ohne schweres
Heben und Tragen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten mit Armvorhalt in
der Horizontalen und unter Belastung der Rumpfwirbelsäule, sowie Heben und Tragen mittelschwerer und schwerer
Lasten. Ebenso seien Arbeiten unter Feuchtigkeit und Nässe und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten zu vermeiden.
Der ebenfalls vom SG zum Sachverständigen bestellte Neurologe und Psychiater Dr.W1. kam in seinem Gutachten
vom 16.04.2004 nach persönlicher Untersuchung des Klägers am 14.04.2004 zum Schluss, dass beim Kläger ein
Leistungsvermögen für leichte bis stellenweise mittelschwere Arbeiten im Wechselrhythmus für mindestens sechs
Stunden täglich bestehe. Arbeiten unter überdurchschnittlichem Stress wie Bandarbeit, Akkord, Nachtschicht könnten
nicht mehr abverlangt werden. Der Kläger leide unter folgenden Gesundheitsstörungen:
- Zustand nach cerebralem Gelegenheitsanfall,
- chronische psychosomatische Störung,
- sekundäre anhaltende somatoforme Schmerzstörung,
- posttraumatische Fehlstatik der LWS,
- Wirbelgleiten L 5 Grad 1,
- reaktive myofasziale Rückenschmerzen,
- Ausschluss neurogen begründbarer Funktionsstörungen im Bewegungsapparat.
Der Kläger nahm zum Gutachten des Dr.W1. Stellung. Unzutreffend seien dessen Ausführungen, dass Entzündungen
im Afterbereich nicht erkennbar seien. Dem würden ärztliche Untersuchungen - ebenfalls aus dem April 2004 -
widersprechen.
Mit Urteil vom 24.06.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Es folge den Ausführungen des Prof. Dr.L. und des
Dr.W1., nach denen der Kläger in der Lage sei, unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen leichte
Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Im Hinblick auf die von der Beklagten eingeholten
Arbeitgeberauskünfte und nach dem Inhalt der Leistungsakte der Agentur für Arbeit (versicherungspflichtige
Beschäftigung des Klägers zuletzt vom 01.07.1997 bis 25.08.1997 bei einem SB-Großmarkt als Mitarbeiter bei der
Warenverbringung) sei der Kläger als ungelernter Arbeiter auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sozial
verweisbar.
Während des Berufungsverfahrens - der Kläger hat am 04.08.2004 Berufung gegen das Urteil vom 24.06.2004 zum
Bayer. Landessozialgericht eingelegt - nahm der Kläger vom 15.09.2004 bis 20.10.2004 an einer medizinischen
Maßnahme zur Rehabilitation teil. Nach dem Entlassungsbericht vom 26.10.2004 leide er an folgenden
Gesundheitsstörungen: - Anhaltende somatoforme Schmerzstörung, - Persönlichkeitsstörung mit schizoidem und
paranoidem Anteil, - dysthyme Entwicklung, - posttraumatische Fehlstatik der LWS nach stabil ausgeheilter Fraktur
des LWK 1, - Fehlhaltung der HWS und degeneratives HWS-Syndrom. Dem Bericht zufolge könne sowohl aus
orthopädischer als auch aus psychosomatischer Sicht ein aufgehobenes Leistungsbild nicht festgestellt werden. Der
Kläger sei vollschichtig leistungsfähig für leichte körperliche Tätigkeiten in Wechselschicht und wechselnder
körperlicher Haltung. Nicht mehr zumutbar seien Überkopfarbeiten sowie Heben schwerer Gegenstände, Exposition
von Nässe oder Zugluft oder Ersteigen von Leitern und Gerüsten. Aufgrund eingeschränkter geistig-psychischer
Belastbarkeit seien auch Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen sowie
an Umstellungs- und Anpassungsvermögen nicht mehr zumutbar. Die sozialmedizinische Prognose erscheine bei
erheblich chronifiziertem Krankheitsbild allerdings fraglich. Dem Kläger werde eine ambulante Psychotherapie
dringend empfohlen, wobei die Motivation hierzu fraglich erscheine. Die Entlassung erfolgte als arbeitsfähig.
Zur Begründung der Berufung führte der Kläger aus, dass er nicht in der Lage sei, eine Beschäftigung von sechs
Stunden täglich auszuüben. Sein Gesundheitszustand zwinge ihn dazu, dass er sich täglich mehrmals hinlegen
müsse. Zum Entlassungsbericht vom 26.10.2004 gab er an, dass er seinen langsamen, schleichenden geistigen und
körperlichen Verfall auf die Behandlung während seiner Haftzeit zurückführe. Dem Gericht übermittelte er
Befundberichte u.a. über medizinische Behandlungen in der Zeit vom Februar bis Juli 2004 (Dr.Söhnlein vom
24.02.2002, Dr.W2. vom 29.03.2004, Dr.Zimber vom 14.04.2004 und 11.05.2004, Dr.Simon vom 20.04.2004,
Stadtkrankenhaus S. vom 26.04.2002 und 03.07.2004, Krankenhaus M.M. - Behandlung 01.07. bis 06.07.2004, Dr.G.
vom 23.07.2004 und einen Bericht des Dr.D. über eine Kernspintomographie vom 11.05.2005).
Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 24.06.2004 und den Bescheid der Beklagten vom 05.07.2002
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm auf
seinen Antrag vom 07.05.2002 hin Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und auf den Entlassungsbericht vom
26.10.2004. Einen Antrag des Klägers vom 25.10.2004 auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben habe sie wegen
Fehlens der medizinischen Voraussetzungen abgelehnt (Bescheid vom 18.11.2004 und Widerspruchsbescheid vom
02.03.2005).
Der Senat hat neben den Versichertenakten der Beklagten die Akten des AVF beigezogen und einen Befundbericht
mit Fremdberichten vom Allgemeinarzt Dr.L. vom 25.04.2005 eingeholt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten sowie auf die Gerichtsakten beider Instanzen
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-
). In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Denn das SG hat im angefochtenen Urteil vom 24.06.2004 zu
Recht entschieden, dass der Kläger die von ihm beantragte Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung
nicht beanspruchen kann.
Rente wegen Erwerbsminderung erhalten nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Versicherte bis zur
Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie u.a. teilweise oder voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs 3 SGB VI
ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs
Stunden erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Beim Kläger liegen nach der Überzeugung des Senats die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer
Rente wegen Erwerbsminderung nicht vor. Dies ergibt sich aus den Ausführungen der vom SG gehörten
Sachverständigen und dem Bericht über die medizinische Maßnahme zur Rehabilitation vom 26.10.2004.
Nach dem Gutachten des Orthopäden Prof. Dr.L. vom 22.10.2003 ist der Kläger für leichte Tätigkeiten des
allgemeinen Arbeitsmarktes bei Beachtung bestimmter Funktionseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich
einsetzbar. Die rentenrechtlich relevante Wegstrecke ist nicht eingeschränkt, die Einhaltung betriebsunüblicher
Pausen ist nicht erforderlich.
Prof. Dr.L. stellte nach persönlicher Untersuchung des Klägers aufgrund der erhobenen Röntgenbefunde und einer
kernspintomographischen Aufnahme vom 15.10.2003 fest, dass der Bruch des LWK 1 stabil ausgeheilt sei. Als Folge
der Verletzung finde sich jedoch eine ausgeprägte Fehlstatik der Rumpfwirbelsäule (dorsolumbale Kyphose). Daneben
bestehe ein Wirbelgleitprozess LWK 5 auf S 1. Die Beweglichkeit der Rumpfwirbelsäule sei herabgesetzt, ohne dass
radikuläre Symptome vorlägen. Weiter leide der Kläger im Bereich der HWS unter degenerativen Veränderungen und
muskulären Verspannungen, allerdings ebenfalls ohne radikuläre Symptomatik oder motorische Ausfälle.
Sozialmedizinisch relevante Funktionseinschränkungen seien nicht feststellbar. Dies gelte auch für die beim Kläger
bestehenden degenerativen Veränderungen im Bereich der Schultergelenke und des rechten Kniegelenkes (keine
Lockerung des Bandhalts).
Auch nach den Ausführungen des Psychiaters und Neurologen Dr.W1. ist von einem Leistungsvermögen des Klägers
für leichte bis stellenweise mittelschwere Arbeiten im Wechselrhythmus unter Berücksichtigung einer reduzierten
Belastbarkeit der Wirbelsäule auszugehen. Die Wegefähigkeit ist nicht eingeschränkt.
Dr.W1. geht davon aus, dass Ursache des im Januar 2001 erlittenen Unfalls ein cerebraler Gelegenheitsanfall
gewesen ist. Zu weiteren cerebralen oder peripher neurogenen Ausfällen sowie epileptischen Entäußerungen ist es
beim Kläger nicht gekommen. Der Kläger leidet seit seiner Kindheit an einer psychosomatischen Störung. Daneben
besteht eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, wobei die seit mehr als zehn Jahren beklagten
Rückenschmerzen und eine seitdem immer deutlicher werdende psychische Begleitstörung mit innerer Unruhe,
Schlaflosigkeit und depressiv-dysthymer Verstimmung durch den Unfall verstärkt wurden. Hinzu kommt nunmehr ein
Afterbrennen ohne fassbare organische Ursache. Nach Dr.W1. ist nach den neurologischen Befunden kein Grund
erkennbar, der einer leichten vollschichtigen Tätigkeit des Klägers entgegensteht. Allerdings ist die Befindlichkeit des
Klägers wegen der psychischen Beteiligung an den Leiden des Bewegungsapparates bzw. der mangelnden Fähigkeit
des Klägers zur Verarbeitung dieser Leiden erheblich beeinträchtigt.
Zwar beeinträchtigen die Gesundheitsstörungen das körperliche Leistungsvermögen des Klägers, jedoch führt dies
nicht zu einer quantitativen Einschränkung des Leistungsvermögens. Vielmehr besteht eine Leistungsfähigkeit
hinsichtlich leichter Arbeiten für mindestens sechs Stunden täglich. Indes sollten aufgrund der Gesundheitsstörungen
im orthopädischen und psychosomatischen Bereich nach den von Prof. Dr.L. und Dr.W1. genannten qualitativen
Einschränkungen insbesondere wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten und Arbeiten unter überdurchschnittlichem Stress
wie Bandarbeit, Akkord, Nachtschicht, vermieden werden.
Bestätigt wird die Bewertung des Leistungsvermögens durch den Entlassungsbericht vom 26.10.2004 über die
medizinische Maßnahme zur Rehabilitation vom 15.09.2004 bis 20.10.2004. Eine quantitative Leistungseinschränkung
der Leistungsfähigkeit konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Vielmehr ist auch nach dem Ergebnis der
Maßnahme davon auszugehen, dass der Kläger vollschichtig leistungsfähig für leichte körperliche Tätigkeiten in
Wechselschicht und wechselnder körperlicher Haltung ist. Gegenüber den Vorgutachten hinzugetreten ist die
Einschränkung, dass dem Kläger aufgrund eingeschränkter geistig-psychischer Belastbarkeit auch Arbeiten mit
erhöhten Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen sowie an Umstellungs- und
Anpassungsvermögen nicht mehr zumutbar sind.
Dieses Leistungsbild hat auch weiterhin Gültigkeit. Die vom Kläger vorgebrachte Behandlung während seiner Haftzeit
ist nicht maßgebend für den Eintritt des Versicherungsfalls der Erwerbsminderung. Hierfür ist die sozialmedizinische
Bewertung seines Leistungsvermögens entscheidend, also die Beurteilung der Fähigkeiten, über die der Kläger unter
Berücksichtigung vorhandener Funktionseinschränkungen noch verfügt.
Den vom Kläger beigebrachten und vom Senat beigezogenen Befundberichten ist zu entnehmen, dass es seit dem
Datum des Reha-Entlassungsberichts vom 26.10.2004 zu keiner für das Leistungsvermögen wesentlichen
Befundveränderung gekommen ist. Sozialmedizinisch ohne Bedeutung ist die Entzündung im Enddarm und das
zweitgradige Hämorrhoidalleiden (u.a. Bericht Stadtkrankenhaus S. vom 26.04.2004). Ein äußeres Analekzem konnte
nicht festgestellt werden (Untersuchung Dr.W1., Bericht Stadtkrankenhaus S. vom 26.04.2004 und 03.07.2004,
Untersuchung Dr.H. am 02.11.2004 - SG-Verfahren S 12 SB 911/02). Im Juli 2004 musste sich der Kläger einer
Schilddrüsenoperation unterziehen (Bericht des Krankenhauses M.M.). Bei nachfolgender
Hormonsubstitutionstherapie ergab sich keine dauerhafte Schilddrüsen-Hormonstoffwechselstörung (Gutachten Dr.H.
vom 02.11.2004). Im März 2004 wurde beim Kläger eine Vorsteherdrüsenvergrößerung festgestellt (Bericht Dr.W2.
vom 29.03.2004). Diese Harnblasenentleerungsstörung führt bei einer noch funktionierenden Harnableitung zu keiner
zeitlichen Begrenzung des Leistungsvermögens, sondern - wie im Entlassungsbericht berücksichtigt - zu der
Einschränkung, dass insbesondere Überkopfarbeiten, schweres Heben und Tragen, Arbeiten auf Gerüsten und Leitern
sowie eine Exposition von Nässe zu vermeiden sind. Weiter leidet der Kläger unter einem allergischen Asthma.
Allerdings ergab eine Lungenfunktionsanalyse mit Messung des Atemwegswiderstandes normgerechte Befunde
(Bericht Dr.G. vom 23.07.2004). Nach dem Bericht des Dr.D. vom 11.05.2005 ist beim Kläger eine
Kernspintomographie der HWS durchgeführt worden. Bei Ausschluss eines Prolaps wurden degenerative
Veränderungen der unteren und oberen HWS sowie potentielle Nervenwurzelirritationen festgestellt. Degenerative
Veränderungen der HWS hatte bereits Prof. Dr.L. festgestellt (Gutachten vom 22.10.2003). Allein aus diesem Befund
und dem akuten Beschwerdebild (Cervicobrachialgie rechts) lässt sich nicht auf eine dauerhafte Einschränkung des
Leistungsvermögens schließen, zumal eine Schädigung der Nervenwurzel nicht gesichert ist.
Auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit
gemäß § 240 SGB VI liegen nicht vor. Der Kläger genießt keine Berufsschutz. Zwar hat der Kläger eine
Berufsausbildung zum Instandhaltungsmechaniker absolviert, jedoch hat er diesen Beruf nicht durchgehend ausgeübt
und zuletzt ausschließlich Tätigkeiten als ungelernter Arbeiter verrichtet (01.04.1996 bis 28.06.1996 Druckereihelfer,
01.07.1996 bis 08.11.1996 Hausmeister, 13.11.1996 bis 21.03.1997 Fahrer, 01.07.1997 bis 25.08.1997 Mitarbeiter bei
der Warenverbringung). Aus den von der Beklagten eingeholten Arbeitgeberauskünften ist ersichtlich, dass diese
Tätigkeiten nicht mit besonderen Vorkenntnissen oder einer mehr als kurzfristigen Anlernzeit von drei Monaten
verbunden waren. Der Kläger ist damit uneingeschränkt auf einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes
sozial verweisbar. Da der Kläger nicht an der Ausübung einer regelmäßigen Ganztagsbeschäftigung gehindert ist,
braucht vorliegend eine zustandsangemessene Tätigkeit weder nachgewiesen noch benannt zu werden. Denn solange
ein Versicherter in der Lage ist, unter betriebsüblichen Bedingungen vollschichtig bzw sechs Stunden täglich
regelmäßig Erwerbsarbeit zu leisten, besteht keine Pflicht der Verwaltung und Gerichte, konkrete Arbeitsplätze und
Verweisungstätigkeiten mit im Einzelnen nachprüfbaren Belastungselementen zu benennen. Vielmehr ist in solchen
Fällen von einer ausreichenden Zahl vorhandener Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen (BSG
SozR 2000 § 1246 Nr 90). Auf entsprechende Tätigkeiten muss sich der Kläger zumutbar verweisen lassen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).