Urteil des LSG Bayern vom 26.04.2005

LSG Bayern: universität, fakultät, auskunft, beitragsnachforderung, studienjahr, aufzeichnungspflicht, arbeitskraft, student, immatrikulation, beitragspflicht

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 26.04.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 10 KR 215/02
Bayerisches Landessozialgericht L 5 KR 87/03
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 6. Februar 2003 wird
zurückgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist eine Beitragsnachforderung in Höhe von 1.628,69 DM.
Bei der Klägerin, Betreiberin einer Eisdiele mit mehreren, u.a. geringfügig Beschäftigten, führte die Beklagte am
22.11.2000 betreffend den Zeitraum vom 01.01.1996 bis 31.12.1999 eine Betriebsprüfung durch. Mit Bescheid vom
06.12.2000 forderte sie abschließend einen Beitrag in Höhe von 3.990,31 DM nach.
Dem widersprach der Steuerberater der Klägerin am 02.01.2001 u.a. unter Vorlage einer der Beigeladenen zu 1) am
22.10.1994 ausgestellten Immatrikulationsbescheinigung der Universität P. betreffend das Studienjahr 1994/95. Der
Klägerbevollmächtigte teilte mit, die Bemühungen seiner Mandantin um eine Studienbescheinigung für das Jahr 1996
seien aus unbekannten Gründen erfolglos geblieben. Die Beigeladene zu 1) habe aber ausweislich einer am
01.07.1996 unterschriebenen Erklärung angegeben, Studentin zu sein und während der letzten 12 Monate keine
weitere Beschäftigung ausgeübt zu haben.
Mit Teilabhilfebescheid vom 30.11.2001 reduzierte die Beklagte ihre Nachforderung auf 1.628,69 DM. Mangels
Nachweises der Versicherungsfreiheit erfolge im Hinblick auf die Beigeladene zu 1) keine Abhilfe. Im
Widerspruchsbescheid vom 26.06.2002 heißt es, die vorgelegte Erklärung der Beigeladenen zu 1) sei auf einem am
06.04.1999 aufgelegten Musterformular der Beklagten erstellt und daher ohne Beweiswert. Die Glaubhaftmachung der
Versicherungsfreiheit sei nicht möglich und würde der Intention der Beitragsüberwachungsverordnung widersprechen.
Dagegen hat die Klägerin am 31.07.2002 Klage erhoben und geltend gemacht, die Erklärung der Beschäftigten sei im
Nachhinein zur Vervollständigung der Arbeitgeberakten bezogen auf den 01.07.1996 erstellt worden und per Fax am
02.01.2001 aus Italien übermittelt worden. Den Status als Studentin habe die Klägerin auch in ihrem Personalbogen
vom 01.07.1996 festgehalten.
Nach ihrer Beiladung hat die Beigeladene zu 1) am 02.12.2002 dem Gericht telefonisch mitgeteilt, sie sei 1996 und
1997 nicht als Studentin eingeschrieben gewesen, habe damals das Studium unterbrochen gehabt. Am 16.12.2002 ist
eine am 10.12.2002 von ihr unterschriebene Bestätigung eingegangen, dass sie in den Jahren 1996/97 keine
Studentin war.
Das Sozialgericht Regensburg hat die Klage am 06.02.2003 abgewiesen. Selbst wenn die Beigeladene zu 1)
immatrikuliert gewesen wäre, wäre sie keine ordentliche Studierende gewesen, da sie ihr Studium unterbrochen
gehabt habe. Gegen das am 05.03.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.04.2003 Berufung unter Vorlage
einer Bescheinigung der Universität P. vom 28.03.2003 eingelegt, dass die Beigeladene zu 1) in den Jahren 1994/95,
1995/96 und 1996/97 eingeschrieben war. Nach Ansicht des Klägerbevollmächtigten hatte die Beigeladene zu 1) im
Zeitpunkt des Beginns der Beschäftigung bei der Klägerin offensichtlich nicht die Absicht, ihr Studium zu
unterbrechen, da sie in der damaligen Erklärung sich weiterhin als Studentin bezeichnet habe und ihre
Beschäftigungszeit auf die vorlesungsfreie Zeit an den Hochschulen in Italien beschränkt gewesen sei. Bei der
Erklärung, ihr Studium unterbrochen zu haben, handle es sich um eine nachträgliche Beurteilung.
Auf Anfrage hat das zuständige INPS A. am 04.02.2005 mitgeteilt, die Beigeladene zu 1) sei im Zeitraum vom
01.06.1996 bis 30.09.1996 nicht Studentin in Italien, sondern in Deutschland bei der Klägerin beschäftigt gewesen.
1996 habe die Beigeladene zu 1) eine Arbeitstätigkeit in Italien nur im April für eine Woche ausgeübt.
Der Klägerbevollmächtigte hat die Mitteilung des INPS für unzutreffend gehalten und eine Auskunft der Universität P.
, Juristische Fakultät, vom 28. Oktober 2004 vorgelegt, wonach diese sich im streitgegenständlichen Zeitraum von
Juli bis September 1996 im zweiten Studienjahr befunden und erst am 16. Februar 1998 auf die Fortführung des
Studiums verzichtet habe.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 06.02.2003 und die Bescheide der Beklagten
vom 06.12.2000 und 30.11.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2002 aufzuheben, soweit sie
die Beigeladene zu 1) betreffen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 06.02.2003
zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Regensburg sowie
der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil
des Sozialgerichts Regensburg vom 06.02.2003 ist ebensowenig zu beanstanden wie die Bescheide der Beklagten
vom 06.12.2000 und 30.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06. 2002. Die Klägerin ist
verpflichtet, wegen der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 01.07.bis 30.09.1996
Versicherungspflichtbeiträge in Höhe von 1.329,26 DM nachzuentrichten. Der Nachweis der Versicherungsfreiheit der
Beigeladenen zu 1) ist nicht geführt.
Rechtsgrundlage für die Beitragsnachforderung sind die §§ 28e Abs.1 Satz 1, 28d Satz 1 und 2 SGB IV i. V. m. § 1
Satz 1 Nr.1 SGB VI, § 5 Abs.1 SGB V, 20 SGB XI, 25 SGB III. Unstreitig stand die Beigeladene zu 1) im strittigen
Zeitraum zur Klägerin in einem nicht geringfügigen Beschäftigungsverhältnis. Zu Unrecht beruft diese sich auf die
Versicherungsfreiheit der Beigeladenen zu 1).
Versicherungsfrei sind Personen, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Fachschule
oder Hochschule gegen Arbeitsentgelt beschäftigt oder selbständig tätig sind (§ 5 SGB VI in der bis 30.09.1996
gültigen Fassung, § 6 Abs.1 Ziffer 3 SGB V, § 27 Abs.4 Nr.2 SGB III). Sinn der Regelung ist es, in der Regel kürzere,
dem Studium untergeordnete entgeltliche Beschäftigungen versicherungsfrei zu lassen. Wer Student ist und daneben
arbeitet, ist in der Beschäftigung versicherungsfrei, wer dagegen in einem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis
steht und nur daneben studiert, ist auf Grund des Beschäftigungsverhältnisses versicherungspflichtig. Zwar war die
Beigeladenen zu 1) ausweislich der Bescheinigung der Universität P. vom 28.03.2003 und 28.10.2004 im Kalenderjahr
1995/1996 ebenso wie im Kalenderjahr 1996/1997 an der juristischen Fakultät eingeschrieben. Nicht nachgewiesen ist
jedoch, dass sie im Jahre 1996 ordentliche Studierende war.
Neben der förmlichen Aufnahme bzw. Immatrikulation muß das Studium, das auch ein Zweit- oder Aufbaustudium
sein kann, Zeit und Arbeitskraft des Studierenden ganz oder überwiegend in Anspruch nehmen (BSG SozR 2200 §
172 Nr.19). Davon kann angesichts der Einlassung der Beigeladenen zu 1) nicht ausgegangen werden.
Zwar hat sie der Klägerin gegenüber zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme am 01.07.1996 wohl erklärt, Studentin zu
sein. Dies hat sie mit ihrer Unterschrift unter das Formular "Erklärung zur kurzfristigen Beschäftigung" 2001 bekräftigt.
Gegenüber dem Sozialgericht hat die Beigeladene zu 1) aber mündlich und schriftlich erklärt, in den Jahren 1996 und
1997 das Studium unterbrochen zu haben. Angesichts dieser unmissverständlichen Aussage kann nicht davon
ausgegangen werden, dass die Beigeladene zu 1) lediglich während der Semesterferien berufstätig und im Übrigen
durch ihr Studium in Anspruch genommen war. Verstärkt wird diese Behauptung der Beigeladenen zu 1) dadurch,
dass sie laut Auskunft des INPS auch bereits im April 1996 versicherungspflichtig beschäftigt war.
Die Klägerin trägt die Folgen daraus, dass der Status der Beigeladenen zu 1) zweifelhaft ist. Zutreffend weist die
Beklagte darauf hin, dass sie ihre Aufzeichnungspflicht als Arbeitgeberin verletzt hat. Der Arbeitgeber hat nach § 28f
Abs.1 SGB IV für jeden Beschäftigten Lohnunterlagen zu führen und geordnet aufzubewahren. Die Aufzeichnungen
müssen so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick
über die Lohn- und Gehaltsabrechnung des Arbeitgebers vermitteln können. Aufzeichnungspflichtig sind nach der
Beitragsüberwachungsverordnung alle Tatbestände, die für eine Beurteilung der Versicherungspflicht oder
Versicherungsfreiheit von Bedeutung sind. Zur Betriebsprüfung wurden von der Klägerin keine Unterlagen vorgelegt,
die eine Versicherungsfreiheit der Beigeladenen zu 1) belegen.
Hat ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt und können dadurch die Versicherungs- oder
Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden, kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den
Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom
Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen (§ 28 f Abs.2 Satz 1 SGB IV). Die nachträglich vorgelegten
Unterlagen, nämlich die Studienbescheinigung für den Zeitraum 1994/1995, die 2001 erstellte Erklärung der
Beigeladenen zu 1), dass sie während der Beschäftigung Studentin gewesen ist, sowie die
Immatrikulationsbescheinigungen der Universität P. sind angesichts der entgegenstehenden Äußerungen der
Beigeladenen zu 1) gegenüber dem Sozialgericht nicht geeignet, die Versicherungsfreiheit mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen, so dass die strittigen Bescheide Bestand haben müssen. Weitere
Aufklärung ist nicht mehr möglich, nachdem lediglich die Beigeladene zu 1) nachweisen kann, dass sie ihre Zeit 1996
überwiegend dem Studium gewidmet hat, sie hierzu widersprüchliche Angaben gemacht hat und als Beteiligte eigene,
der Klägerin entgegengesetzte Interessen vertritt.
Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs.1 SGG i.V.m. § 154 Abs.1 VwGO.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.