Urteil des LSG Bayern vom 13.03.2002

LSG Bayern: psychisch kranker, sicherstellung, anteil, psychiatrische behandlung, subjektives recht, versorgung, aussetzung, arztpraxis, stadt, gemeinschaftspraxis

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 13.03.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 22 KA 1241/00
Bayerisches Landessozialgericht L 12 KA 124/00
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger haben der Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. III. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erweiterung der Praxis- und/ oder Zusatzbudgets zur Sicherstellung eines
besonderen Versorgungsbedarfs wegen der Betreuung von psychisch Kranken und Suchtkranken gemäß A I. B 4.3
EBM streitig.
Die Kläger nahmen als Ärzte für Allgemeinmedizin in Gemeinschaftspraxis bis 30. Juni 2001 in München an der
vertragsärztlichen Versorgung teil. Aus der Honorarabrechnung für das Quartal 3/97 ist ersichtlich, dass die Beklagte
ein qualifikationsgebundenes Zusatzbudget für "Psychosomatik, übende Verfahren" gemäß A I. B 4.1 des EBM und
die bedarfsabhängigen Zusatzbudgets "Phlebologie (ohne Zusatzbezeichnung)" und "Allergologie (ohne
Zusatzbezeichnung)" gemäß A I. B 4.2 EBM berücksichtigt hat.
Mit Schreiben vom 30. Juni 1997 und 10. November 1997 haben die Kläger beantragt, ihnen ein Zusatzbudget wegen
eines besonderen Erweiterung dieses Zusatzbudgets zur Sicherstellung des besonderen Versorgungsbedarfs wegen
der langjährigen Betreuung von psychisch Kranken und Suchtkranken zu gewähren. In ihrer Praxis werde ein
überdurchschnittlich hoher Anteil von Suchtkranken und psychisch Kranken hausärztlich betreut. Dies sei
zurückzuführen auf die besondere Konzeption der Praxis, die dazu geführt habe, dass in Kontakt zu
Selbsthilfegruppen und Sozialdiensten viele Notfälle aus dem Suchtbereich in die Praxis kämen und im
psychiatrischen Bereich mehrere psychiatrische Wohngemeinschaften von chronisch psychisch Kranken in engem
Kontakt mit dem jeweiligen Betreuer von ihnen mitbetreut würden. Seit Praxisgründung werde Basisarbeit in
Behandlung und Prävention geleistet. Deren kostensparenden Effekt könne man zwar nicht in den Abrechnungen
erkennen, er werde jedoch in der Forschung zunehmend als Kosteneinsparung für das gesamte Gesundheitssystem
erkannt und in Fortbildungsstrategien umgesetzt.
Mit Bescheid vom 20. November 1997 lehnte die Beklagte den Antrag der Kläger ab, weil die in der "Vereinbarung zur
Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997" geforderten Voraussetzungen nicht vorlägen.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie vortrugen, es liege ein
psychiatrischer Versorgungsschwerpunkt zur Sicherstellung eines Bedarfs vor. 38 % ihres Krankengutes wiesen eine
psychiatrische Diagnose auf. Sie lägen dementsprechend mit der Abrechnungshäufigkeit der Nrn.11, 19, 21, 850 und
851 BMÄ/E-GO erheblich über dem Fachgruppendurchschnitt. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung seien diese
hohen Abrechnungswerte wegen Praxisbesonderheiten stets als wirtschaftlich anerkannt worden, mit der Begründung,
es seien die "Mehraufwendungen der Nrn.19 und 21 auf die Besonderheit der Betreuung von Sucht- und
Alkoholkranken zurückzuführen". Damit sei ihr Versorgungsschwerpunkt "Suchtbehandlung" vom Prüfungsausschuss
anerkannt worden. Somit liege auch ein psychiatrischer Versorgungsschwerpunkt zur Sicherstellung eines Bedarfs
vor. Die Sicherstellung der Versorgung der oftmals sehr von Suizid, respektive Rückfall im Betäubungsmittelabusus
gefährdeten Patienten sei in der notwendigen Intensität und Kontinuität mit dem zuerkannten Budget nicht mehr
möglich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2000 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch
zurück. Für die beantragten Leistungen sei ein Zusatzbudget nicht vorgesehen. Diese Leistungen seien Bestandteil
des Praxisbudgets. Eine im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung anerkannte Praxisbesonderheit allein sei weder
einem Praxisschwerpunkt noch einem besondereren Versorgungsbedarf nach den Allgemeinen Bestimmungen A I. B
4.3 des EBM gleichzusetzen, zumal es sich auch nicht um die in der Vereinbarung explizit genannten Krankheitsfälle
oder spezifischen Betreuungsleistungen handele.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage ging am 29. Mai 2000 beim Sozialgericht München ein. Zu ihrer
Begründung wurde ausgeführt, zwar sei den Klägern inzwischen ein bedarfsabhängiges Zusatzbudget für die
"Betreuung in beschützenden Einrichtungen" (A I. B 4.2 EBM) eingeräumt worden. Zu Unrecht sei jedoch die
Erweiterung des Praxisbudgets hinsichtlich der Nrn.11, 19 und 21 BMÄ/E-GO sowie ein durchaus mögliches
Zusatzbudget "Psychosomatik" nicht gewährt worden. Das Zusatzbudget bezüglich der Nr.15 BMÄ/E-GO werde den
besonderen Versorgungsbedarf, der in der Praxis der Kläger durch die Betreuung der Sucht- und psychisch Kranken
entstehe, auch materiell nicht gerecht. Die Betreuung dieser Patienten stelle einen Schwerpunkt der Praxistätigkeit
der Kläger dar, der eine Ausnahme auch hinsichtlich der Nrn.11, 19, 21, 850 und 851 BMÄ/E-GO zwingend nach sich
ziehen müsse. Jede ärztliche Leistung, die im Zusammenhang mit der Betreuung eines besonderen Patientengutes
aufgrund des besonderen Versorgungsbedarfes bestehe, müsse von der Budgetierung ausgenommen werden. In der
"Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997" (Deutsches Ärzteblatt 94 Heft 7 vom 14. Februar
1997, S. A 404)" sei keine abschließende Aufzählung der Krankheitsfälle oder spezifischen Betreuungsleistungen
erfolgt, die den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellen müssten, um die Notwendigkeit der Sicherstellung eines
Versorgungsbedarfes beurteilen zu können. Dies ergebe sich bereits aus der Verwendung des Begriffs
"insbesondere". Die in dieser Vereinbarung genannten Krankheiten setzten zur Behandlung alle eine kontinuierliche
Betreuung voraus, was verdeutliche, dass Budgeterweiterungen nach dem Willen der Vertragspartner besonders dann
gewährt werden sollten, wenn eine ganz spezifische Betreuungsleistung erforderlich sei. Eine solche spezifische
Betreuungsleistung erbrächten die Kläger bei der Behandlung von Suchtkranken und psychisch Kranken, die gerade
nicht das allgemein übliche Patientengut von Allgemeinmedizinern bildeten, sondern in der Regel in hierfür speziell
geschaffenen Einrichtungen versorgt werden müssten. Diese Leistungen stellten einen Praxisschwerpunkt der Kläger
dar. Ein "besonderer Versorgungsbedarf" liege in einer Praxis dann vor, wenn die betreffenden Leistungen, für die eine
Budgeterweiterung erstrebt werde, in ca. 10 % der Fälle erbracht würden oder nach einer anderen Rechtsauffassung
dann, wenn die abgerechnete Punktzahlmenge für die entsprechenden Leistungen die Grenze von 1 % des
Gesamtleistungsbedarfes überschreite. Die Leistungen nach den Nrn.11, 19, 850 und 851 BMÄ/E-GO seien in den
Quartalen 3/98, 1/99 und 3/99 zumeist in mehr als 10 % der Fälle erbracht worden. Die angeforderte Punktzahl für die
Nrn.11, 19, 21 und 851 BMÄ/E-GO habe in den drei angeführten Quartalen jeweils für jede Nummer mehr als 1 % des
Gesamtleistungsbedarfs betragen. Damit stelle die Betreuung der Sucht- und psychisch Kranken eine
Praxisbesonderheit dar, die auch gesondert behandelt werden müsse. Die Kläger hätten diese Nummern seit längerem
in höherem Umfang als die Kollegen ihrer Fachgruppe abgerechnet, was sich aus den als wirtschaftlich anerkannten
Vergleichswertüberschreitungen ersehen lasse.
Die Beklagte hat hierzu in einer Stellungnahme ausgeführt, für die von den Klägern angeführten Leistungen liege ein
besonderer Versorgungsbedarf nicht vor. Die Betreuung psychisch Kranker Nervenärzte und Psychiater hinreichend
sichergestellt. Derzeit werde im Planungsbereich München-Stadt bei Nervenärzten ein Versorgungsgrad von 110,8 %
erreicht, der Versorgungsgrad bei Psychiatern betrage im Planungsbereich München-Stadt 107,9 %. Von
exemplarisch 1.457 ausgewerteten Scheinen im Quartal 1/99 seien bei 537 Scheinen Diagnosen festgestellt worden,
die auf eine psychische Erkrankung und Suchterkrankung schließen ließen. Bei der Durchsicht dieser Scheine seien
jedoch keine außergewöhnlichen Leistungen aufgrund dieser Erkrankungen erkennbar. Das angeforderte
Leistungsspektrum unterscheide sich nicht von dem anderer Allgemeinärzte. Für den besonderen Versorgungsbedarf
im Sinne von A I. B 4.3 EBM würden höhere Voraussetzungen gefordert als sie für die Berücksichtigung der
Praxisbesonderheit im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu berücksichtigen seien.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 17. Oktober 2000 erklärte der Kläger zu 1), dass über lange
Zeit etwa 10 % der Behandlungsfälle Suchtkranke gewesen seien. Auf Frage eines ehrenamtlichen Richters, ob durch
die Nrn.11, 19, 21 und 851 das Spektrum der suchtmedizinischen Behandlung voll abgedeckt werde, bejahte der
Kläger zu 1) diese Frage.
Mit Urteil vom 17. Oktober 2000 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zwar sei grundsätzlich die Erweiterung oder
Aussetzung der Budgets auch dann möglich, wenn die Betreuung von psychisch Kranken und Suchtkranken im
Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfes notwendig sei und die dadurch verursachten
Krankheitsfälle oder spezifischen Betreuungsleistungen einen Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellten. Dies sei im
vorliegenden Streitverfahren jedoch nicht der Fall. Bezüglich der Frage, wann ein Versorgungsschwerpunkt
angenommen werden könne, der die Befreiung von einem Teilbudget oder eine Budgeterweiterung bedingen könne,
habe das Bundessozialgericht am 6. September 2000 entschieden, dass ein Versorgungsschwerpunkt nur
angenommen werden könne, wenn zumindest 20 % des abgerechneten Punktzahlvolumens auf einem bestimmten
von der Teilbudgetierung erfassten Leistungsbereich entfielen. Der Kläger zu 1) habe in der mündlichen Verhandlung
ausdrücklich erklärt, dass über einen langen Beobachtungszeitraum etwa 10 % der Behandlungsfälle Suchtkranke
gewesen seien und dass durch die Nrn.11, 19, 21 und 851 des EBM das Spektrum der suchtmedizinischen
Behandlung voll abgedeckt sei. Auch nach den eigenen Angaben der Kläger in ihrer Klagebegründung ergebe sich,
dass sie mit diesen Leistungspositionen in keinem der Quartale die vom BSG festgelegte Marke von 20 % erreicht
oder gar überschritten hätten, so dass bereits aus diesem Grund der Antrag abzulehnen sei. Daraus, dass der
Prüfungsausschuss bezüglich des Quartals 2/97 eine Praxisbesonderheit hinsichtlich der Mehraufwendungen der
Gemeinschaftspraxis für die Nrn.9, 10 und 21 des EBM anerkannt habe, die auf die Betreuung von Sucht- und
Alkoholkranken zurückzuführen sei, sei keine andere Beurteilung abzuleiten. Eine anerkannte Praxisbesonderheit sei
nicht mit einem Versorgungsschwerpunkt gemäß der Definition des BSG gleichzusetzen. Aus der Häufigkeitsstatistik
ergebe sich zudem, dass die Nr.11 von 89,2 %, die Nr.19 von 77 %, die Nr.21 von 73 % und die Nr.851 von 77 %
aller Allgemeinärzte abgerechnet worden sei, so dass sich hieraus ein besonderer Versorgungsbedarf nicht ergebe.
Dem Antrag der Klägerbevollmächtigten, alle Behandlungsscheine der Kläger für das Quartal 1/99 beizuziehen und sie
der Bewertung durch die fachkundig besetzte Kammer zu unterstellen bzw. der Anregung, diesbezüglich einen
Sachverständigen hinzuzuziehen, sei nicht zu entsprechen, da es für die Entscheidung des anhängigen
Rechtsstreites hierauf nicht mehr ankomme.
Die gegen das den Klägerbevollmächtigten am 28. November 2000 zugestellte Urteil eingelegte Berufung ging am 30.
November 2000 beim Bayer. Landessozialgericht ein. Zur Begründung der Berufung tragen die
Prozessbevollmächtigten der Kläger vor, der im EBM geforderte besondere Versorgungsbedarf für die von den
Klägern durchgeführte Behandlung von Suchtkranken und psychisch Kranken liege vor. In Ziffer 4.3 des EBM selbst
sei kein Hinweis auf die Voraussetzungen für den unbestimmten Rechtsbegriff "besonderer Versorgungsbedarf"
enthalten. Nach der Rechtsprechung anderer Kammern des Sozialgerichts München und unter Berücksichtigung der
Rechtsprechung des Landessozialgerichtes Baden-Württemberg bestehe dann ein besonderer Versorgungsbedarf,
wenn die Leistungen, für welche eine Budgeterweiterung verlangt werde, in ca. 10 % der Fälle erbracht würden oder
aber zumindest dann, wenn die abgerechnete Punktzahlmenge für die entsprechenden Leistungen die Grenze von 1
% des Gesamtleistungsbedarfs überschreite. Die Erbringung der Leistungen, für die die Kläger eine Budgeterweiterung
beantragt hätten, sei zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung auch notwendig. Die Versagung der
Budgeterweiterung führe dazu, dass den Klägern die medizinische Versorgung der durch sie betreuten Suchtkranken
und psychisch Kranken unmöglich werde. Dabei sei die Erbringung psychiatrischer Leistungen unabdingbar, da es in
geradezu allen Fällen der Suchtbehandlung zu Krisensituationen komme, die nur durch spezifische psychiatrische
Behandlung überwunden werden könne. Für die Patienten der Kläger sei es nicht zumutbar, wenn das bestehende
Vertrauensverhältnis zu ihren betreuenden Ärzten durch Überweisung an andere Allgemeinärzte zerstört werden solle.
Unabhängig vom jeweiligen Versorgungsgrad im Planungsbereich sei in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob die
Erbringung bestimmter Leistungen aufgrund der konkreten regionalen Situationen tatsächlich sichergestellt sei. Dabei
sei zum einen immer die genaue Zusammensetzung des Patientenklientels zu berücksichtigen und zusätzlich im
Rahmen des Beurteilungsspielraumes auch die räumliche Verteilung der Nachfrage aufgrund der vorhandenen
Verkehrsbedingungen und der Anzahl und räumliche Verteilung der anderen Ärzte im Planungsbereich. Tatsächlich sei
die konkrete Versorgung der Suchtkranken durch den bloßen Hinweis auf andere Leistungserbringer im
Planungsbereich bzw. dem Hinweis auf den Versorgungsgrad in keinem Fall sichergestellt.
Die Klägerbevollmächtigten beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. Oktober 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. November
1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten,
über den Antrag der Kläger vom 20. November 1997 auf Erweiterung/Aussetzung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets
zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfes wegen der Betreuung von psychisch Kranken und
Suchtkranken (Allgemeine Bestimmungen A I. B 4.3 EBM) unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats
erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie trägt zur Begründung ihres Antrages vor, Grundvoraussetzung für die Aussetzung/Erweiterung des Praxis-
und/oder Zusatzbudgets nach den Allgemeinen Bestimmungen des EBM sei das Vorliegen eines besonderen
Versorgungsbedarfes sowie der Schwerpunkt der Praxistätigkeit gerade auf dem Gebiet des besonderen
Versorgungsbedarfs. Es müsse ein Sachverhalt vorliegen, bei dem ein Vergleich der Praxisverhältnisse mit denen der
durchschnittlichen Gruppenverhältnisse zu nicht mehr hinnehmbaren Verzerrungen führe, welche es vor der
Honorargerechtigkeit als unzumutbar erschienen ließen, den Betreffenden hinsichtlich des mit dem Versorgungsbedarf
zusammenhängenden Leistungsmehrbedarfs auf die Erfassung und Abgeltung durch die vorgängigen
Budgetregelungen zu verweisen. Bei den Klägern habe ein besonderer Versorgungsbedarf nicht festgestellt werden
können. Die von den Klägern abgerechneten Leistungen, für die eine Erweiterung des Praxisbudgets bzw. des
Zusatzbudgets begehrt werde, würden von der Mehrheit aller Allgemeinärzte abgerechnet. Der Anteil der Leistungen
nach den Nrn.11, 19, 21, 850 und 851 BMÄ/E-GO am Gesamtpunktzahlvolumen betrage in den Quartalen 3/97 bis
2/01 durchschnittlich 18,8 %. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass es bei der Aussetzung/Erweiterung des Praxis-
und/oder Zusatzbudgets auf den Schwerpunkt der Praxistätigkeit ankomme und nicht wie bei den Teilbudgets auf
einen Schwerpunkt. Bei Allgemeinärzten liege jedoch der Schwerpunkt der Praxistätigkeit in der Regel bei den
Gesprächsleistungen. In der Praxis des Klägers werde kein nachweislich hoher Anteil an suchtkranken Patienten
behandelt, der einen erhöhten Bedarf an Gesprächsleistungen erforderlich mache. Nach der Entscheidung des BSG
vom 16. Mai 2001 könne der "besondere Versorgungsbedarf" jedenfalls nicht damit begründet werden, dass in einer
Arztpraxis, die keine von der Typik der Arztgruppe deutlich abweichende Ausrichtung erkennen lasse, vermehrt
psychosomatische Leistungen erbracht würden.
Dem Senat liegen zur Entscheidung die Verwaltungsunterlagen der Beklagten sowie die Klageakte mit dem Az.: S 22
KA 1241/00 und die Berufungsakte mit dem Az.: L 12 KA 124/00 zur Entscheidung vor. Auf deren Inhalt,
insbesondere den der vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten und die zur Niederschrift erfolgten Feststellungen,
wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie nach § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht
eingelegte Berufung der Kläger ist zulässig, jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 20.
November 1997 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2000 sind rechtlich nicht zu
beanstanden. Das Sozialgericht hat deshalb die gegen diese Bescheide erhobene Klage mit dem angefochtenen Urteil
vom 17. Oktober 2000 im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Bei den Klägern liegen die Voraussetzungen für eine
Aussetzung/Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets gemäß Kapitel A I Teil B 4.3 der Allgemeinen
Bestimmungen zum EBM nicht vor.
Mit den Beschlüssen des Bewertungsausschusses vom 19. November 1996 und 11. März 1997 sind in den
Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B EBM auf der Grundlage des § 87 Abs.2 Satz 1 iVm Abs.2a Satz 1, 2 und 8
SGB V (in der Fassung des 2. GKV-Neurodnungsgesetzes vom 23. Juni 1997 - BGBl.I S.1520 -) zum 1. Juli 1997
Praxis- und Zusatzbudgets eingeführt worden. Danach unterliegen die im EBM enthaltenen ärztlichen Leistungen nach
Maßgabe näherer Bestimmungen je Arztpraxis und Abrechnungsquartal u.a. für die Gruppe der Allgemeinärzte, der die
Kläger angehören, einer fallzahlabhängigen Budgetierung (Allgemeine Bestimmungen A I Teil B Nr.1 iVm N.1.5 EBM).
Die von den Budgets umfassten Leistungen sind je Arztpraxis und Abrechnungsquartal jeweils nur bis zu einer
begrenzten Gesamtpunktzahl abrechnungsfähig, deren Höhe sich aus dem Produkt der Fallpunktzahl und der Zahl der
Fälle ergibt.
Diese Regelungen haben zum Ziel, die Auswirkungen des seit Jahren zu beobachtenden Punktwertverfalls zu
begrenzen und den Vertragsärzten mehr Kalkulationssicherheit zu geben. Die Einführung der Praxisbudgets steht mit
höherrangigem Recht im Einklang, wie das Bundessozialgericht mit Urteilen vom 8. März 2000 (SozR 3-2500 § 87
Nr.24) und 16. Mai 2001 (SozR 3-2500 § 87 Nr.31) entschieden hat. Dies ist auch ständige Rechtsprechung des
Senats (siehe zuletzt Urteile vom 10. Oktober 2001, Az.: L 12 KA 87/00 und vom 24. Oktober 2001, Az.: L 12 KA
81/00). Im Einzelnen sind die Regelungen des EBM 1997 so ausgestattet, dass für die betroffenen Arztgruppen drei
verschiedene Leistungsbereiche gebildet werden. Den Praxisbudgets ("grüner Bereich") unterfallen ca. 70 % der das
Behandlungsspektrum der jeweiligen Arztgruppe typischerweise abdeckenden ärztlichen Leistungen. Neben den
Praxisbudgets sind bestimmte ärztliche Leistungspositionen bei den einzelnen Arztgruppen spezifischen
Zusatzbudgets ("gelber Bereich") zugewiesen, die ca. 10 % des Leistungsspektrums ausmachen. Ein noch
verbleibender, etwa 20 % ausmachender Leistungsbereich bleibt unbudgetiert ("roter Bereich"), ebenso wie
bestimmte, nur auf Überweisung in Anspruch genommene oder hoch spezialisierte Arztgruppen gänzlich davon
unberührt sind (siehe BSG, Urteil vom 16. Mai 2000, a.a.O. mit weiteren Hinweisen).
Den Klägern ist von der Beklagten das ihnen als Allgemeinarzt zustehende Praxisbudget zuerkannt worden. In dieses
allgemeine Praxisbudget fallen die Leistungen nach den Nrn.11, 19 und 21 EBM bzw. BMÄ/E-GO, die die Kläger im
Rahmen ihrer suchtmedizinischen Behandlung erbringen und nach ihren eigenen Angaben einen Schwerpunkt ihrer
Praxistätigkeit darstellen. Nach Kapitel A I Teil B Nr.4 EBM sind für die in den Nrn.4.1 und 4.2 aufgeführten
Leistungsbereiche Zusatzbudgets gebildet worden. Durch diese Zusatzbudgets sollen solche Praxisbesonderheiten
innerhalb einzelner Arztgruppen berücksichtigt werden, die sich entweder aus einer besonderen zusätzlichen
fachlichen Qualifikation oder durch eine schwerpunktmäßige Ausrichtung der Arztpraxis auf ein besonderes
Leistungsspektrum ergeben, für das ein besonderer Versorgungsbedarf besteht (vgl. Kölner Kommentar zum EBM,
Stand Juli 1997, Anm.6 zu Kapitel A I Teil B). Von diesen Zusatzbudgets haben die Kläger das
qualifikationsgebundene Zusatzbudget (Nr.4.1) "Psychosomatik, übende Verfahren" zuerkannt erhalten, das die
Leistungen nach den Nrn.850 bis 851 des EBM umfasst. Im Rahmen der suchtmedizinischen Behandlung erbringen
die Kläger dabei Leistungen nach den Nrn.850 und 851 EBM bzw. BMÄ/E-GO, die nach ihren Angaben ebenfalls
einen Schwerpunkt ihrer Praxistätigkeit bilden und für die Erweiterung des Zusatzbudgets beantragt wird. Auf einen
besonderen Antrag hin haben die Kläger zusätzlich noch die bedarfsabhängigen Zusatzbudgets (Nr.4.2) "Phlebologie",
"Allergologie" und "Betreuung in beschützenden Einrichtungen" erhalten.
Über diese qualifikationsgebundenen fallzahlenabhängigen Zusatzbudgets und die bedarfsabhängigen Zusatzbudgets
auf besonderen Antrag hin kann gemäß Kapitel A I Teil B Ziffer 4.3 EBM die Beklagte auf Antrag des Vertragsarztes
im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Erweiterung des Praxis- und/oder
Zusatzbudgets gewähren. Diese Regelung soll einer atypischen, aber versorgungsgerechten Ausrichtung einer
Arztpraxis Rechnung tragen, die nicht bereits nach den Ziffern 4.1 und 4.2 Kapitel A I Teil B EBM berücksichtigt
wurde (vgl. Kölner Kommentar zum EBM a.a.O., Anm.6 zu Kapitel A I Teil B; Urteile des Senats vom 26. Juli 2000,
Az.: L 12 KA 136/99, vom 7. Februar 2001, Az.: L 12 KA 60/99 und vom 21. März 2001, Az.: L 12 KA 99/99, vom 10.
Oktober 2001, Az.: L 12 KA 87/00 und vom 24. Oktober 2001, Az.: L 12 KA 81/00).
Die Partner der Bundesmantelverträge haben diese Regelung des EBM in Ziffer 4 der Vereinbarung zur Einführung
des Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 (vgl. Deutsches Ärzteblatt 1997, A 403 f) dahingehend ausgelegt, dass die
Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag des Vertragsarztes die Budgets insbesondere dann erweitern oder aussetzen
kann, wenn nachfolgend genannte Krankheitsfälle oder spezifische Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der
Praxistätigkeit darstellen: Betreuung von HIV-Patienten; onkologische Erkrankungen; Diabetes; Mukoviszidose;
Schmerztherapie (Teilnehmer an der Schmerztherapie-Vereinbarung); kontinuierliche Patientenbetreuung in
beschützenden Einrichtungen; erheblich über dem Arztgruppendurchschnitt liegender Überweisungsanteil. Aus der
Wortwahl "insbesondere" ergibt sich, dass die Aufzählung in Ziffer 4 der Vereinbarung zur Einführung von
Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 nicht abschließend ist. Entsprechend dem Charakter dieser Vereinbarung als
Interpretation haben die Vertragspartner beispielhaft einige Fallgruppen bestimmter spezifischer
Schwerpunktsetzungen genannt, bei denen im Einzelfall ein konkret nachgewiesener besonderer Versorgungsbedarf
angenommen werden kann. Aus Gründen der Gleichbehandlung (Art.3 Abs.1 GG) muss es sich jedoch bei den
weiteren Ausnahmetatbeständen, die eine Erweiterung oder Aussetzung des Praxis- und/oder Zusatzbudgets nach
Kapitel A I Teil B Ziffer 4.3 de EBM rechtfertigen, um Tatbestände handeln, die mit den in Ziffer 4 der Vereinbarung
genannnten vergleichbar sind. Nach dem Wortlaut sowie dem Zweck der Regelung kommt deshalb in Anknüpfung an
die aufgezählten Beispiele eine Budgeterweiterung nur bei einer spezifischen Schwerpunktsetzung und bei der
Übernahme der Behandlung von bestimmten schwerwiegenden Gesundheitsstörungen oder spezifischen
Betreuungsleistungen in einem quantitativ relevanten Ausmaß in Betracht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. März 2000,
Az.: B 6 KA 64/99 B). Es muss sich also um eine für die Arztgruppe atypische Praxisbesonderheit handeln, die den
besonderen Schwerpunkt der Praxistätigkeit bildet, für die ein besonderer Versorgungsbedarf besteht und die durch
die Ziffern 4.1, 4.2 des Kapitels A I Teil B EBM und die in der Vereinbarung genannten Beispielsfälle noch nicht
berücksichtigt ist.
Der Regelung in der Nr.4.3 a.a.O. des EBM kommt nicht nur objektiv-rechtlicher Charakter zu, sie begründet vielmehr
auch ein subjektives Recht des betroffenen Arztes zumindest auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der
Kassenärztlichen Vereinigung über die Erweiterung eines Praxis- bzw. Zusatzbudgets bei Vorliegen der in der Norm
geregelten Voraussetzungen. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzung der "Sicherstellung eines besonderen
Versorgungsbedarfes" im Einzelfall erfüllt sind, steht der Kassenärztlichen Vereinigung ein der gerichtlichen
Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum aber nicht zu (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr.31).
Durch die Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 (Deutsches Ärzteblatt 1997, Heft 7 vom
14. Februar 1997) wurden den Kassenärztlichen Vereinigungen die Befugnis übertragen, in Ausfüllung unbestimmter
Rechtsbegriffe eine Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets zu gewähren. Hierbei handelt es sich nicht um
eine zulässige Delegation der Rechtsetzungskompetenz an den Rechtsanwender. Allerdings darf der Gebrauch eines
unbestimmten Rechtsbegriffes nicht dazu führen, dass der Rechtsanwender einen Entscheidungsspielraum erhält, der
nur dem Normsetzer selbst zusteht. Der Normgeber muss vielmehr die wesentlichen Bestimmungen in der Norm
selbst treffen und auf lediglich die Konkretisierung von Einzelheiten anderen Stellen überlassen (BSG Urteil vom 6.
September 2000, Az.: B 6 KA 40/99 R). Diesen Anforderungen genügt die Regelung in Ziffer 4 der Vereinbarung zur
Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 vom 14. Februar 1997 (siehe Urteile des Senats vom 26. Juli 2000,
Az.: L 12 KA 136/99, vom 7. Februar 2001, Az.: L 12 KA 60/99, vom 21. März 2001, Az.: L 12 KA 99/99 und vom 24.
Oktober 2001, Az.: L 12 KA 81/00).
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ist in der Praxis der Kläger eine für die Arztgruppe
atypische Praxisbesonderheit, die den Schwerpunkt der Praxistätigkeit bildet, für die ein besonderer
Versorgungsbedarf besteht und die durch die Ziffern 4.1, 4.2 des Kapitels A I Teil B EBM und die in der Vereinbarung
genannten Beispielsfälle noch nicht berücksichtigt ist, in einem quantitativ relevanten Ausmaß nicht zu erkennen. Die
Kläger begehren eine Erweiterung des Praxis und Zusatzbudgets für die Durchführung von Leistungen nach den
Nrn.11, 19, 21 und 851 EBM. Nach der Erklärung des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem
Sozialgericht München am 17. Oktober 2000 wird durch diese Leistungen das Spektrum der suchtmedizinischen
Behandlung voll abgedeckt. Die Leistungen nach den Nrn.11, 19 und 21 sind Gegenstand des allgemeinen
Praxisbudgets ("grüner Bereich"), die Leistung nach der Nr.851 EBM gehört zu dem qualifikationsgebundenen
Zusatzbudget für Ärzte für Allgemeinmedizin "Pschosomatik, übende Verfahren" nach A I. Teil B Nr.4.1 der
Allgemeien Bestimmungen des EBM. Die Kläger waren als Allgemeinärzte in München an der vertragsärztlichen
Versorgung in einer Gemeinschaftspraxis beteiligt. Die Behandlung von Suchtkranken gehört zwar in einer Großstadt
wie München zur hausärztlichen Versorgung vieler Allgemeinmediziner, dennoch dürfte ein Anteil von etwa 10 % der
Behandlungsfälle für die hausärztliche Betreuung von Suchtkranken überdurchschnittlich hoch sein. Die streitigen
Leistungen nach der Nr.11 BMÄ/E-GO ("Diagnostik und/oder Behandlung einer psychischen Destabilisierung oder
psychischen Krankheit durch hausärztliches Gespräch, Dauer mindestens 10 Minuten, Punktwert 300"), nach der
Nr.19 ("Erhebung der Fremdanamnese, ggf. bei mehreren Personen, über einen psychisch, hirnorganisch oder
krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestörten Kranken (z.B. Taubheit, Sprachverlust) und/oder Unterweisung
und Führung der entsprechenden Bezugsperson (EN), einmal im Behandlungsfall, Punktwert 500) und der Nr.21
BMÄ/E-GO ("sofortige ärztliche Intervention bei akuter psychischer Dekompensation (z.B. Suizidversuch), ggf.
einschließlich der ärztlichen Einflussnahme auf die unmittelbar betroffenen Personen des familiären und sozialen
Umfeldes des Kranken, Punktwert 800") sind Leistungen, die von der Mehrzahl der niedergelassenen Allgemeinärzte
erbracht werden. So wurde ausweislich der Häufigkeitsstatistik für das Quartal 3/97 die Nr.11 BMÄ/E-GO von 89,2 %,
die Nr.19 von 77 % und die Nr.21 von 73 % aller Allgemeinärzte abgerechnet. Ein besonderer Versorgungsbedarf für
die Erbringung dieser Leistungen durch die Kläger besteht deshalb in München nicht. Bei der Nr.851 BMÄ/E-GO
handelt es sich um eine Leistung aus dem Kapitel G III des EBM, "Psychosomatik, übende Verfahren", mit ihr wird
die verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen unter systematischer Nutzung der Arzt-
Patienten- Interaktion, je Sitzung (Dauer mindestens 15 Minuten) mit 450 Punkten vergütet. Diese Leistung fällt in das
den Klägern zugestandene Zusatzbudget "Psychosamatik, übende Verfahren". Auch diese Leistung wird von 77 %
aller Allgemeinärzte abgerechnet. Darüber hinaus wird diese Leistung vor allem von den für die Betreuung psychisch
Kranker und suchtkranker Patienten ebenfalls zuständigen Nervenärzten und Psychiatern erbracht. Die Betreuung von
Patienten, die dieser Leistung bedürfen, ist deshalb in München hinreichend sichergestellt. Die Erweiterung eines
qualifikationsabhängigen Zusatzbudgets setzt ebenso wie die Erweiterung des Praxisbudgets eine nachhaltig von der
Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung, einen besonderen Behandlungsschwerpunkt bzw. die
Konzentration auf die Erbringung von Leistungen aus einem Teilbereich des Fachgebietes voraus. Diese
Voraussetzungen können nicht schon durch den Hinweis darauf belegt werden, die Kläger haben die seit dem 1. Juli
1997 dem Praxisbudget bzw. einem qualifikationsgebundenen Zusatzbudget zugeordneten Leistungen in der
Vergangenheit häufiger als der Durchschnitt ihrer Fachgruppe erbracht, und das sei von den Gremien der
Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht beanstandet worden. Indizien für eine entsprechende Spezialisierung sind vielmehr
ein gegenüber dem Durchschnitt der Fachgruppe signifikant erhöhter Anteil der Leistungen, für die die Erweiterung des
Praxis- oder Zusatzbudgets begehrt wird, am Gesamtpunktzahlvolumen in der Vergangenheit sowie eine im
Leistungsangebot bzw. in der Behandlungsausrichtung der Praxis tatsächlich zum Ausdruck kommende
Spezialisierung. Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 25. August 2000 festgestellt, dass von exemplarisch 1.457
ausgewerteten Scheinen im Quartal 1/99 bei 537 Scheinen Diagnosen festgestellt worden seien, die auf eine
psychische Erkrankung und Suchterkrankung schließen ließen. Damit wären ca. ein Drittel der Patienten der Kläger
psychisch Kranke bzw. Suchtkranke. Dies ist sicherlich für die Arztgruppe der Allgemeinärzte ein erhöhter Anteil. Die
Kläger betreuen dieses Patientenklientel jedoch nicht fachärztlich, sondern allgemeinärztlich. Dass dabei bestimmte
Leistungen wie die hier streitigen Nrn.11, 19, 21 und 851 BMÄ/E-GO häufiger anfallen als in der Vergleichsgruppe, ist
deshalb erklärbar. Durch den erhöhten Anteil von psychisch Kranken bzw. Suchtkranken am Patientenklientel der an
der hausärztlichen Versorgung als Allgemeinmediziner teilnehmenden Kläger erbringen diese jedoch in anderen
Bereichen Leistungen in geringerem Umfang, wie sie z.B. von Allgemeinärzten erbracht werden, in deren
Patientenklientel ein signifikant höherer Anteil an Berufstätigen, Altenheimbewohnern oder z.B. Sportlern gegeben ist.
Es bedeutet deshalb für die Kläger keine besondere, unzumutbare Härte, wenn die Leistungen nach den Nrn.11, 19
und 21 BMÄ/E-GO in das Praxisbudget bzw. die Leistungen nach der Nr.851 BMÄ/E-GO in das
qualifikationsgebundene Zusatzbudget fallen. Die streitigen Leistungen können, worauf die Beklagte und das SG
bereits zutreffend hingewiesen haben, von der Vielzahl der Allgemeinärzte bzw. von den für die Betreuung psychisch
Kranker und Suchtkranker zuständigen Nervenärzten und Psychiater ebenfalls durchgeführt werden. Allein die
Bereitschaft der Kläger, in vermehrtem Umfang psychisch Kranke und Suchtkranke zu betreuen, als dies die anderen
niedergelassenen Allgemeinärzte in München tun, rechtfertigt eine Erweiterung ihres Praxisbudgets nicht. Jedenfalls
ist nicht ersichtlich, dass dies zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs erforderlich wäre.
Das BSG hat in der Entscheidung vom 16. Mai 2001 (SozR 3-2500 § 87 Nr.31) festgestellt, dass die ab 1. Juli 1997
geltenden Praxisbudgets im Gegensatz zu den zwischen dem 1. Juli 1996 und dem 30. Juli 1997 geltenden
Teilbudgets als Dauerregelung eingeführt wurden. Der zur Auslegung des Ausnahmetatbestandes der Nr.4 der
Weiterentwicklungsvereinbarung vom 7. August 1996 vom BSG herangezogene Gesichtspunkt, aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit dürfe eine von vornherein nur befristete Vergütungsregelung bestimmte langjährig gewachsene
Praxisausrichtungen nicht nachhaltig gefährden (BSG, SozR 3-2500 § 87 Nr.26), könne deshalb auf die Regelung in
Nr.4.3 a.a.O. des EBM nicht übertragen werden. Vor allem schließe der mehrstufige Aufbau von allgemeinem
Praxisbudget, qualifikationsgebundenen Zusatzbudgets, bedarfsabhängigen Zusatzbudgets und Ansprüchen auf
erweiterung von Praxis- und/oder Zusatzbudgets eine Auslegung dieser Vorschrift in dem Sinne aus, dass jedem Arzt
die bestehende Ausrichtung seiner Behandlungstätigkeit schlechthin ohne Einbuße beim Honorar auf Dauer garantiert
werden könne.
Soweit die Rechtsprechung (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr.26) davon ausgegangen ist, dass ein
Versorgungsschwerpunkt im Sinne der Nr.4 der Weiterentwicklungsvereinbarung vom 7. August 1996 grundsätzlich
nur gegeben ist, wenn auf den als solchen geltend gemachten Leistungsbereich ein Anteil von mindestens 20 % der
von der Praxis abgerechneten Gesamtzahl entfällt, kann das auf die Auslegung des Merkmals "besonderer
Versorgungsbedarf" im Sinne der Nr.4.3 a.a.O. des EBM nicht uneingeschränkt übertragen werden. Die Vielzahl der
Zusatzbudgets nach Nr.4.1 und 4.2 a.a.O. des EBM, deren vielfach geringes Leistungsvolumen und die Möglichkeit
einer Praxis, mehrere Zusatzbudgets in Anspruch zu nehmen, werden es nur selten zulassen, dass ein Arzt allein mit
Leistungen aus einem einzelnen Zusatzbudget 20 % der Gesamtpunktzahl seiner Praxis erreicht. Gleichwohl kann ein
Versorgungsschwerpunkt im Sinne der zitierten Entscheidung des BSG (SozR 3-2500 § 87 Nr.26 S.137) auch im
Rahmen der Ausnahmeregelung nach Nr.4.3 a.a.O. EBM Bedeutung haben, weil sich aus dessen Vorliegen
Rückschlüsse auf die Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs ergeben können. Wie bereits ausgeführt,
lässt sich jedoch aus der vermehrten Erbringung der Leistungen nach den Nrn.11, 19, 21 und 851 BMÄ/E-GO durch
die Kläger ein besonderer Versorgungsbedarf für die allgemein- ärztliche Betreuung von psychisch Kranken und
Suchtkranken in München nicht herleiten.
Es ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 20. November
1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2000 den Antrag des Klägers auf Erweiterung und/oder
Aussetzung des Praxis- und/oder Zusatzbudgets abgelehnt hat. Aus diesen Gründen ist die Berufung der Kläger
gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. Oktober 2000 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs.1 und Abs.4 Satz 2 SGG a.F., der vorliegend noch anzuwenden
ist, und beruht auf der Erwägung, dass die Kläger mit ihrer Berufung ohne Erfolg blieben. § 193 SGG a.F. gilt in
vertragsärztlichen Streitigkeiten, die vor dem 2. Januar 2002 rechtshängig geworden sind, in allen Rechtszügen fort.
Im Hinblick auf die Übergangsregelung des Art.17 Abs.1 des 6. SGG-Änderungsgesetzes und aus Gründen des auch
verfassungsrechtlich gebotenen prozessualen Vertrauensschutzes kommen für die Kostentragungspflicht der
Beteiligten die Vorschriften der §§ 154 ff. VwGO über § 197a SGG nur in vertragsarztrechtlichen Streitverfahren zur
Anwendung, die nach dem In-Kraft-Treten der Umgestaltung des Kostenrechts rechtshängig werden.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.