Urteil des LSG Bayern vom 28.04.2010

LSG Bayern: ermächtigung, stadt, versorgung, gewährleistung, leistungserbringer, dialyse, konkurrenz, genehmigung, vorrang, sicherstellung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 28.04.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 39 KA 1516/06
Bayerisches Landessozialgericht L 12 KA 72/08
Bundessozialgericht B 6 KA 27/10 R
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. Februar 2008 wird
zurückgewiesen. II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu erstatten. Der Kläger hat auch die
notwendigen Auslagen des Beigeladenen zu 1. in beiden Rechtszügen zu erstatten. III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich im Wege der defensiven Konkurrentenklage gegen die Sonderbedarfszulassung des
Beigeladenen zu 1.
Der Kläger, das Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e.V. (KfH), ein gemeinnütziger Verein, betreibt seit
seiner Gründung im Jahr 1969 bundesweit Dialysezentren, so auch in der Kreisstadt C-Stadt (KfH C-Stadt).
Nach Inkrafttreten der Neuregelung der Dialyseversorgung durch § 2 Abs. 7 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMVÄ) und §
2 Abs. 7 Ersatzkassenvertrag-Ärzte i.V.m. Anlage 9 des (BMVÄ; gleichlautend Ersatzkassenvertrag-Ärzte) im Jahre
2002 (heute Anlage 9.1, BMVÄ) war dem KfH C-Stadt mit Bescheid vom 08.08.2003 eine Institutsermächtigung gem.
§ 10 Abs. 1 Anl. 9.1 BMVÄ bis zum 30.06.2013 erteilt worden, die nach Ablauf ohne Bedarfsprüfung um weitere 20
Jahre zu verlängern ist. Die Ermächtigung umfasst die Durchführung besonderer Versorgungsaufträge nach § 3 Abs.3
Buchst. d Anl. 9.1, BMVÄ für die definierten Patientengruppen im Sinne des § 2 Abs.1 Nr.1und Nr.2 sowie Abs.2 Nr.3
Nr.4, Nr.5 Anl. 9.1, BMVÄ. Ärztliche Leiter des KfH-Instituts C-Stadt sind u.a. Dr. H. und Dr. N., die die Zulassung
des Beigeladenen zu 1. ebenfalls angefochten haben (Az. L 12 KA 71/08, Senatsurteil vom gleichen Tage). Die
Versorgungsregion des KfH C-Stadt umfasst auch das Gebiet der Kreisstadt E ...
Der Beigeladene zu 1. stellte im Februar 2000 Antrag auf Sonderbedarfszulassung nach Nr.24b
Bedarfsplanungsrichtlinien Ärzte (BeplaR) mit Vertragsarztsitz in E ... Der Sonderbedarfstatbestand der Nr.24e
BeplaR war zum Antragszeitpunkt noch nicht existent.
Nach Ablehnung durch den Zulassungsausschuss kam auch der Beklagte nicht dem Anliegen der Erteilung einer
Sonderbedarfszulassung nach Nr.24b BeplaR nach. In seinem Bescheid vom 17. März 2003 unterschied der Beklagte
zwischen Leistungen der Dialyseversorgung und weiteren nephrologischen Leistungen. Die Leistungen der
Dialyseversorgung würden durch das ermächtigte KfH C-Stadt vollauf gedeckt und seien nur im Rahmen des neu
geschaffenen Nr. 24 e BeplaR zu prüfen. Dessen Voraussetzungen lägen aber nicht vor. Die weiteren nephrologischen
Leistungen würden durch die niedergelassenen Internisten weitestgehend gedeckt.
Diese Entscheidung hat der Beigeladene zu 1. zum Sozialgericht München angefochten und dort obsiegt (Urteil vom
17. Januar 2006, S 45 KA 612/03). Die Zulassungsversagung wurde aufgehoben und der Beklagte zur
Neuentscheidung verpflichtet. In den Gründen war ausgeführt, dass eine Zulassung nach Nr. 24 e BeplaR in der Tat
nicht in Betracht komme. Jedoch sei eine Zulassung nach Nr. 24 b BeplaR erneut zu prüfen.
Erstmals im Neuentscheidungsverfahren sind sowohl das KfH als auch die ärztlichen Leiter des KfH C-Stadt, Dres. H.
u. N. am Verfahren beteiligt worden.
Mit dem am 11. August 2006 ausgefertigten Bescheid (Sitzung 18. Juli 2006) ließ der 1. Berufungsausschuss für
Ärzte Bayern den Beigeladenen zu 1. nach Nr.24b BeplaR als Internist/Nephrologe für den Vertragsarztsitz B-straße
in E. zur Erbringung von Leistungen des Schwerpunktes Nephrologie inklusive Dialyse zu. Man stimme nunmehr dem
Sozialgericht zu, dass Dialyseleistungen zur Nephrologie zählten und daher im Rahmen einer Zulassung nach Nr.24b
BeplaR auch eine Zulassung zur Dialyse erfolge. Sodann wird ausgeführt, dass ein Bedarf nach den erhobenen Daten
zu bejahen sei.
Gegen die nunmehr erfolgte Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht
München erhoben und dargelegt, dass diese aus verschiedenen Gründen rechtswidrig sei.
Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 20. Februar 2008 die Klage abgewiesen. Unter Hinweis auf die
Rechtsprechung vor Inkrafttreten der Anl. 9 BMVÄ hat es die Anfechtungsberechtigung des Klägers verneint. Im
Übrigen sei ein ermächtigter Leistungserbringer nicht berechtigt, eine Sonderbedarfszulassung anzufechten.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Zusammengefasst wird vorgetragen, dass die
Anfechtungsberechtigung sich aus dem Vorrang des eigenen Ermächtigungsstatus, aber auch aus sonstigen
individualschützenden Positionen ergeben könne. Die Ermächtigung des Klägers vermittle bereits deshalb einen
gleichrangigen Status, weil sie einen Versorgungsbedarf nicht voraussetze. Hinzu trete, dass § 6 Anlage 9.1 BMVÄ
das ermächtigte Institut verpflichte, eine "wirtschaftliche Versorgungsstruktur" zu gewährleisten, mithin für eine
Auslastung der Dialyseplätze Sorge zu tragen. Der Normgeber wolle den Ermächtigten eine Auslastung der
Dialysekapazitäten gewährleisten, um sie vor dem Risiko der Vernichtung der Investitionen zu schützen. Dies
vermittle eine individualschützende Position. Dieser Individualschutz berechtige dazu, die Sonderbedarfszulassung
von Ärzten anzufechten, die gleiche Leistungen im Versorgungsgebiet des Klägers anbieten wollen, weil dadurch die
wirtschaftliche Versorgungsstruktur des Institutes beeinträchtigt werde. Sodann wird zur Rechtswidrigkeit des
Bescheides vorgetragen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. Februar 2008 und den Bescheid des Beklagten
vom 18. Juli 2006, dem zufolge der Beigeladene zu 1. gemäß § 101 Abs.1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit Nr.24 lit.
b BeplaR als Internist/Nephrologe für den Vertragsarztsitz B-straße , E. zur Erbringung von Leistungen des
Schwerpunkts Nephrologie inklusive Dialyse zugelassen ist, aufzuheben und den entsprechenden Antrag des
Beigeladenen zu 1. zurückzuweisen, hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, dem Beigeladenen zu 1. einen neuen
Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu erteilen.
Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt. Er hat mitgeteilt, nicht Stellung nehmen zu wollen.
Der Beigeladene zu 1. beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Seiner Ansicht nach besteht eine
Anfechtungsberechtigung nicht. Zu verweisen sei auf den Beschluss des Bayer. LSG vom 10.10.2008 (L 12 KA
439/08 ER). Dort sei ausgeführt worden, dass die §§ 4 und 6 Anl. 9.1 BMVÄ nur mittelbar zu einem Schutz
wirtschaftlicher Interessen der von weiterer Konkurrenz bedrohten Leistungserbringer führen könnten, aber keinen
Drittschutzcharakter begründeten. Auch sei die Tätigkeit des KfH nicht vorrangig gegenüber Dritten. Ein Nachrang der
Sonderbedarfszulassung gegenüber der Ermächtigung des Klägers sei nicht zu erkennen.
Die Beigeladenen zu 3., 5., 6. und 8. schließen sich dem Antrag des Klägers an. Die weiteren Beigeladenen haben
keinen Antrag gestellt.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten, der Streitakte des
Sozialgerichts München sowie der Verfahrensakte des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie erweist sich jedoch als unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das
Sozialgericht die Berechtigung des Klägers zu einer Drittanfechtung der Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen
zu 1. verneint. Eine derartige Anfechtungsberechtigung steht auch einer nach Anlage 9.1 BMVÄ ermächtigten ärztlich
geleiteten Einrichtung nicht zu.
Die Prüfung der Begründetheit von Drittanfechtungen erfolgt zweistufig. Zunächst ist zu klären, ob der Anfechtende
berechtigt ist, die dem Konkurrenten erteilte Begünstigung anzufechten. Nur wenn das zu bejahen ist, ist zu prüfen,
ob die den Dritten begünstigende Entscheidung in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig ist.
Unter welchen Voraussetzungen Leistungserbringer anfechtungsberechtigt sind, hat bereits das Bundessozialgericht
in seinem Urteil vom 07.02.2007 (B 6 KA 8/06, SozR 4-1500 § 54 Nr. 10) im Anschluss an die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichtes vom 17.08.2004 (1 BvR 378/00, SozR 4-1500 § 54 Nr.4) im Einzelnen dargestellt. Da es
einen Grundrechtsschutz vor Konkurrenz nicht gibt, kann sich eine Befugnis zur Abwehr eines Konkurrenten nur aus
einschlägigen einfach-rechtlichen Regelungen ergeben. Dies ist dann der Fall, wenn der Regelung ein Gebot der
Rücksichtnahme auf die Interessen derer zu entnehmen ist, die schon eine Position im Markt innehaben und diesen
einen sog. "Drittschutz" vermitteln. Dies ist nicht der Fall, wenn die ins Auge gefasste Norm nicht - auch - den Dritten
ggü. zu schützen beabsichtigt, sondern ausschließlich öffentliche Interessen schützende Zielrichtungen verfolgt.
Ausgehend davon hat das Bundesverfassungsgericht dem § 116 SGB V Drittschutz zugebilligt, weil dieser einen
Nachrang der Krankenhausärzte ggü. der Zulassung von Vertragsärzten ausdrückt, die ihrerseits durch
Bedarfsplanung und Budgetierung gefesselt, einen begrenzten Markt aufteilen (BVerfG v. 17.08.2004 a.a.O.).
Mit Blick auf das gesamte Vertragsarztrecht hat das BSG dazu formuliert, dass eine Anfechtungsberechtigung nur
dann besteht, wenn (1.) der Kläger und der Konkurrent im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anbieten
und (2.) dem Konkurrenten die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet oder erweitert und nicht nur
ein weiterer Leistungsbereich genehmigt wird sowie (3.) der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber
demjenigen des Anfechtenden nachrangig ist. Letzteres ist der Fall, wenn die Einräumung des Status an den
Konkurrenten vom Vorliegen eines Versorgungsbedarfs abhängt, der von den bereits zugelassenen Ärzten nicht
abgedeckt wird (BSG vom 07.02.2007 a.a.O.).
Wenngleich die ersten beiden Voraussetzungen erfüllt erscheinen, stellt sich gleichwohl der Teilnahmestatus des
nach § 31 Abs. 2 Ärzte-ZV i.V.m. § 2 Abs. 7 BMVÄ, §§ 9, 10 Anl. 9.1 BMVÄ ermächtigten Instituts als letztlich
nachrangig gegenüber der Sonderbedarfszulassung dar.
Nach § 2 Abs.7 BMVÄ können die Vertragspartner zur Sicherung der Versorgungsqualität und der Wirtschaftlichkeit
der Leistungserbringer Inhalt und Umfang der Versorgung von definierten Patientengruppen durch besondere
Versorgungsaufträge festlegen. Ein Versorgungsauftrag ist dabei die Übernahme der ärztlichen Behandlung und
Betreuung für eine definierte Patientengruppe im Sicherstellungsauftrag unter Einbeziehung konsiliärer ärztlicher
Kooperation, die eine an der Versorgungsnotwendigkeit orientierte vertraglich vereinbarte Qualitätssicherung
voraussetzt. Dabei können zur persönlichen Leistungserbringung abweichende Bestimmungen festgelegt werden. Die
Durchführung der in den Versorgungsaufträgen genannten Leistungen kann unter einen Genehmigungsvorbehalt
gestellt werden (Verweis auf Anlage 9).
Anlage 9.1 definiert in seinem § 2 bestimmte Patientengruppen. In § 3 Abs.3 Anl. 9.1 BMVÄ werden verschiedene
besondere Versorgungsaufträge bezogen auf diese Patientengruppen geschaffen. Der Kläger nimmt hier nach § 3
Abs.3 Buchst. d Anl. 9.1 BMVÄ einen besonderen Versorgungsauftrag zur Dialysevorbereitung, Dialyseversorgung,
Transplantationsvorbereitung und Nachsorge für die in §§ 2 Abs.1 Nr.1 und Nr.2 sowie Abs.2 Nr.3 bis 5 Anl. 9.1
BMVÄ definierten Gruppen wahr. Dieser Versorgungsauftrag ist nach § 3 Abs.3 Satz 2 Anl. 9.1 BMVÄ
genehmigungspflichtig. Die Genehmigung findet sich bei ärztlich geleiteten Instituten eingebunden in die
Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Rahmen des besonderen Versorgungsauftrags,
die nach den §§ 9, 10 Anl. 9.1 BMVÄ erteilt wird (§ 5 Anl. 9.1 BMVÄ). Kraft der übergangsrechtlichen Vorschrift des §
10 Anl. 9.1 BMVÄ konnte der Kläger für das schon vorgängerrechtlich ermächtigte Institut eine von der Prüfung eines
Bedarfs unabhängige, auf zehn Jahre befristete (umgewandelte) Ermächtigung beanspruchen, die um weitere zwanzig
Jahre prolongierbar ist. Nach Ablauf dieser Frist wird die Ermächtigung nach Maßgabe des § 9 erteilt (§ 10 Abs. 2
Satz 2 Anl. 9.1 BMVÄ).
Auch nach § 9 Absätze 1 und 6 Anl. 9.1 BMVÄ ist die Ermächtigung ohne Feststellung eines besonderen
Versorgungsbedarfs zu verlängern. Dies schafft nicht bereits einen Vorrang gegenüber einer Sonderbedarfszulassung.
Zudem regelt § 9 Abs. 1 Satz 5 Anl. 9.1 BMVÄ, dass die Ermächtigung nicht erteilt werden darf, wenn zum Zeitpunkt
der Verlängerungsentscheidung ein Vertragsarzt oder ein zulassungswilliger Arzt eine Genehmigung für die
Übernahme eines besonderen Versorgungsauftrags beantragt hat. Dies macht die Ermächtigung zwar nicht abhängig
von dem Bestehen eines besonderen Versorgungsbedarfs, jedoch gleichwohl nachrangig gegenüber der
Versorgungsübernahmebereitschaft zulassungswilliger Ärzte bzw. bereits zugelassener Vertragsärzte.
Der Senat verkennt nicht, dass sich ein Drittschutz nicht nur aus einem vorrangigen Teilnahmestatus, sondern auch
aus sonstigen, einen Drittschutz vermittelnden Normen ergeben könnte. Letztlich stellt der vorrangige
Teilnahmestatus nur einen Fall normierter Vermittlung von Drittschutz dar, ohne eventuelle weitere Normierungen
auszuschließen. Indes vermitteln die §§ 9, 4 Abs.1 Satz 2 Nr. 3, 6 Anl. 9.1 BMVÄ (Gewährleistung wirtschaftlicher
Versorgungsstruktur) keinen solchen Drittschutz.
Die Genehmigung zur Übernahme eines besonderen Versorgungsauftrags setzt die Erfüllung u.a. der §§ 4 Abs.1 Satz
2 Nr. 3, 6 Anl. 9.1 BMVÄ voraus (für Institute Prüfung nach § 9 Abs.1 Satz 1 2. Halbsatz Anl. 9.1 BMVÄ), der die
Gewährleistung einer wirtschaftlichen Versorgungsstruktur für die Dialysepraxis als betriebsstättenbezogene
Voraussetzung fordert. Diese wirtschaftliche Versorgungsstruktur ist nach § 6 Anl. 9.1 BMVÄ gewährleistet, wenn die
Versorgungsregion (10, 20 o. 30 km Radius) der neuen Praxis nirgendwo diejenigen bestehender Praxen mit
besonderem Versorgungsauftrag (Dialysepraxis) überlappt. Kommt es zu einer Überschneidung, müssen die im
Überschneidungsgebiet gelegenen Dialysepraxen zu mind. 90 % ausgelastet sein. Ist dies der Fall, kann die
bestehende Dialysepraxis gleichwohl ihre Kapazität durch Anstellung geeigneter Ärzte oder Bildung von
Gemeinschaftspraxen erweitern und so mittelbar die wirtschaftliche Versorgungsstruktur des Teilnahmeaspiranten
gefährden.
Wie der Senat bereits entschieden hat (Beschluss vom 10.10.2008, L 12 KA 438/08 ER, Juris), dienen die §§ 4 Abs.1
S. 2 Nr. 3, 6 Anl. 9.1 BMVÄ nicht dem Schutz des Teilnehmers vor Konkurrenz, sondern dem Allgemeininteresse an
einer Versorgungsstruktur, die Überkapazitäten vermeidet und durch eine effektive Auslastung eine hochwertige, aber
zugleich wirtschaftliche Versorgung sicherstellt. Alleiniger Zweck ist mithin die Sicherung fachlich fundierter
Behandlung unter zumutbaren Bedingungen und Kosten (vgl. § 2 Abs. 7 BMVÄ). Dafür spricht auch die Qualifizierung
der Gewährleistung wirtschaftlicher Versorgungsstruktur als betriebsstättenbezogene Voraussetzung für die Praxis
des Antragstellers. Die Norm vermeidet die Unwirtschaftlichkeit der antragstellenden Praxis und sichert nicht die
Auslastung der bereits Tätigen. Dies geschieht nur mittelbar dadurch, dass Maßstab für die Wirtschaftlichkeit der
Neupraxis das Erreichen einer nicht mehr erweiterbaren Kapazitätsgrenze der Altpraxen ist. Auch das
Erweiterungsrecht der Einrichtung bei einem Auslastungsgrad von 90 % und mehr dient keinen individualschützenden
Interessen. Denn die Bedingung, dass durch Neueröffnungen der wirtschaftliche Betrieb der bestehenden Praxen nicht
gefährdet werden darf, zielt ausschließlich auf den Schutz des Patienten, der Qualität und der
Versorgungssicherstellung. Sie bezweckt allein zu verhindern, dass ein Betreiber durch weitere Zulassungen bei
begrenzter Patientenzahl in Kostenbedrängnis gerät und seine Leistungen durch Kostensenkungen qualitativ
verschlechtert. Letztlich verlangt das Allgemeininteresse der Sicherstellung einer wirtschaftlichen Dialyseversorgung,
der Erweiterung bestehender Einrichtungen den Vorrang vor Neuerrichtungen einzuräumen. Dass dies den
wirtschaftlichen Interessen der Altpraxen nützt, stellt nur einen Reflex dar (Abgr. v. LSG Baden-Württemberg
Beschluss vom 09.12.2009, L 5 KA 2164/08 ER, Juris; LSG Hessen, Beschluss vom 26.04.2005, L 4 KA 13/05 R,
Juris).
Im Ergebnis besteht mangels drittschützendem Recht keine Anfechtungsberechtigung des Klägers, die
Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen zu 1. anzufechten (vgl. aber Senatsurteil vom 28.04.2010, L 12 KA 71/08,
zur Anfechtungsberechtigung der im ermächtigten Dialyseinstitut tätigen Vertragsärzte). Aus diesem Grund war die
Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Der Kläger hat auch die
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. in beiden Rechtszügen zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten
der übrigen Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
1. Ein nach § 31 Abs. 2 Ärzte-ZV i.V.m. § 2 Abs. 7 BMV-Ä i.V.m. §§ 9, 10 Anlage 9.1 BMV-Ä ermächtigtes Institut
ist nicht berechtigt, die Sonderbedarfszulassung eines Internisten/Nephrologen (auch) für Dialysetätigkeit
anzufechten.
2. Ein Drittschutz ergibt sich nicht aus §§ 4 Abs. 1 Satz 2, 6 Anlage 9.1 BMV-Ä. Die Gewährleistung einer
wirtschaftlichen Versorgungsstruktur bezweckt den Schutz der Sicherstellung der Versorgung und nicht (auch) der
Interessen der ermächtigten Dialyseeinrichtung.