Urteil des LSG Bayern vom 14.08.2002

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Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 14.08.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 3 KR 20/02
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 82/02
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 8. März 2002 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger in Italien in einem beitragspflichtigen Versicherungsverhältnis stand.
Der am 1965 geborene Kläger hat mit der Firma C. Internet Services International in M. am 06.04.2000 einen Vertrag
über freie Mitarbeit geschlossen, wonach er für die Zeit vom 01.05.2000 bis 31.10.2000 gegen ein Pauschalhonorar
von monatlich 18.000,00 DM arbeiten sollte. Der Kläger war für die C. Italia SPA in Rom vom 01.05.2000 bis
04.08.2000 tätig und führt dort ebenfalls einen Rechtsstreit. Die BfA hat dem Kläger mit Schreiben vom 09.10.2000
mitgeteilt, sie gehe davon aus, er sei im Rahmen einer Entsendung in Italien in einem abhängigen
Beschäftigungsverhältnis tätig gewesen. Die Beklagte hat nach vorangegangenen Ermittlungen bei der Vertragsfirma
mit Bescheid vom 05.12.2000, gerichtet sowohl an die Bevollmächtigten der vermeintlichen deutschen Arbeitgeberin
wie an den Kläger, festgestellt, bei der Beschäftigung des Klägers vom 05.05.2000 bis 04.08.2000 handele es sich
nicht um eine abhängige und weisungsgebundene Tätigkeit. Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 21.11.2000,
bei der Beklagten eingegangen am 11.12.2000, Widerspruch eingelegt. Die Beklagte wies den Widerspruch mit
Widerspruchsbescheid vom 07.11.2001 zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Vater des Klägers am
10.11.2001 durch einen Postbediensteten ausgehändigt. Am 09.01.2002 erhob der Kläger persönlich zur Niederschrift
Klage beim SG München und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil er sich im Ausland aufgehalten
habe.
Nachdem die Beklagte beantragt hatte, die Klage als unzulässig abzuweisen, führte der Kläger im Schreiben vom
29.01.2002 aus, der Widerspruchsbescheid sei nicht persönlich an ihn, sondern an seinen Vater, der auch die PZU
unterschrieben habe, zugestellt worden. Sein Vater und er hätten dieselbe Anschrift. Er habe sich in Rumänien zur
Arbeitssuche aufgehalten.
Nach vorheriger Unterrichtung der Beteiligten durch das Sozialgericht, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,
hat es die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.03.2002 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Der
Widerspruchsbescheid sei am Samstag, den 10. November 2001 zugestellt worden. Die Klage sei am Mittwoch, den
9. Januar 2002 erhoben worden. Damit sei die Monatsfrist des § 87 SGG versäumt worden. Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gemäß § 67 Abs.1 SGG sei nicht zu gewähren, der Kläger hätte durch besondere Vorkehrungen wie
Rückfrage beim Vater erfahren können, dass der Widerspruchsbescheid zugestellt worden sei. Da der Kläger und
dessen Vater unter derselben Adresse gemeldet seien, habe der Kläger die ihm obliegenden besonderen
Sorgfaltspflichten zur Einhaltung der Klagefrist nicht gewahrt.
Mit der hiergegen eingelegten Berufung trägt der Kläger vor, sein Vater sei der deutschen Sprache nicht mächtig und
habe seine Post nicht aufgemacht. Deshalb sei er ohne Verschulden verhindert gewesen, die Klagefrist einzuhalten.
Materiell-rechtlich macht er geltend, das italienische Arbeitsgericht in Rom habe seine Klage als Arbeitnehmer
angenommen. Die C. AG solle verurteilt werden, Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland für ihn als Arbeitnehmer
abzuführen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung gibt der Kläger an, sein Vater habe für ihn die Post entgegengenommen. Dies
sei so mit ihm abgesprochen gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 08.03.2002 und den zugrunde liegenden den Bescheid der
Beklagten vom 05.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2001 aufzuheben und
festzustellen, dass er in der Zeit vom 01.05.2000 bis 04.08.2000 bei der Firma C. in Deutschland in einem
versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis angestellt war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie geht davon aus, dass die streitgegenständlichen Bescheide bestandskräftig sind, weil die Klage verfristet war.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten
beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung gemäß § 144 SGG bedarf,
erweist sich als unbegründet.
Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Klage unzulässig war, weil die Frist des § 87 SGG versäumt
war und Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorlagen.
Der Widerspruchsbescheid ist ordnungsgemäß zugestellt worden. Gemäß § 11 VwZG kann nämlich, wenn der
Empfänger in seiner Wohnung nicht angetroffen wird, das Schriftstück in der Wohnung einem zur Familie gehörenden
Erwachsenen übergeben werden (Ersatzzustellung). Diese Ersatzzustellung erfolgte durch Aushändigung des
Widerspruchsbescheides an den Vater des Klägers. Durch die Zustellungsurkunde ist bestätigt, dass der
Widerspruchsbescheid dem Empfänger am 10.11.2001 an dessen Adresse übergeben wurde. Damit ist sie in den
Verantwortungsbereich des Klägers gelangt.
Der Vortrag des Klägers, er selbst habe sich auf einer Auslandsreise (in Rumänien, zur Arbeitssuche) befunden, reicht
nicht aus, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf der Grundlage des § 67 SGG zu gewähren. Bei
Urlaubsreisen oder vorübergehender Abwesenheit bis etwa sechs Wochen ist normalerweise nicht erforderlich, dass
Vorkehrungen getroffen werden, um nach der Zustellung die gesetzlichen Fristen einzuhalten (Meyer-Ladewig, SGG,
7. Auflage, Rdz.7 zu § 67 mit weiteren Nachweisen). Dies gilt jedoch nicht bei längerer Abwesenheit (Meyer-Ladewig
a.a.O.). Der Kläger hat auf jeden Fall damit rechnen müssen, dass ein Widerspruchsbescheid ergeht. Er hat vor
Beginn seiner Arbeitssuche in Rumänien (ein Datum hierfür hat er nicht angegeben) verabsäumt, sich mit der
Beklagten in Verbindung zu setzen. Die Zustellung erfolgte nicht etwa durch Niederlegung und bloße
Benachrichtigung, so dass der Bescheid dann an die Beklagte zurückgegangen wäre. Vielmehr befand sich in der
Wohnung des Klägers eine empfangsberechtigte Person. Wenn diese Person dann nicht geeignet gewesen sein soll,
eingehende Post auf ihre Bedeutung hin zu kontrollieren oder weiterzuleiten, widerspricht den Angaben des Klägers in
der mündlichen Verhandlung, dass abgesprochen war, sein Vater solle die Post entgegennehmen. Auf jeden Fall ist
die nötige Sorgfalt nicht gewahrt.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen des Klägers.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.