Urteil des LSG Bayern vom 18.05.2005

LSG Bayern: krankenschwester, berufskrankheit, wissenschaft, anerkennung, entschädigung, bevölkerung, zugehörigkeit, empfang, sorgfalt, gefährdung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 18.05.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 5 U 98/02
Bayerisches Landessozialgericht L 2 U 348/04
Bundessozialgericht B 2 U 238/05 B
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 28.07.2004 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1959 geborene Klägerin beantragte am 12.10.2001 die Entschädigung einer Erkrankung am gesamten
Skelettsystem, die sie auf ihre Tätigkeit als Krankenschwester zurückführte.
Die Klägerin war seit 1977 als Krankenschwester tätig. Sie gab an, die Arbeit sei im Laufe der Jahre wegen
Personaleinsparungen immer schwerer geworden. Arbeitserleichternde technische Hilfsmittel seien meistens nicht
vorhanden gewesen. Viele Tätigkeiten habe sie in starker Rumpfbeugung ausführen müssen, auch sei es üblich
gewesen, dass die Patienten das Pflegepersonal um den Hals gefasst hätten, wenn sie angehoben und bewegt
worden wären. Seit 1997 ist die Klägerin Rentnerin.
Die Beschwerden an der Halswirbelsäule hätten bereits 1979/1980 begonnen und hätten sich stetig weiter
verschlechtert.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26.11.2001 eine Entschä- digung ab, da es sich um keine Berufskrankheit im
Sinne der Nr.2109 der Anlage zur BKV handele. Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid
vom 28.02.2002 mit der Begründung zurück, es liege weder eine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs.1 SGB VII noch
gemäß § 9 Abs.2 SGB VII vor. Die Tätigkeit als Krankenschwester sei nicht mit dem Tragen schwerer Lasten auf der
Schulter verbunden gewesen. Eine berufliche Verursachung der Beschwerden an der Halswirbelsäule scheide deshalb
aus.
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Tätigkeit einer
Krankenschwester sei regelmäßig damit verbunden, dass bettlägrige Patienten gehoben und getragen werden
müssten; dabei würden sich die Patienten am Hals der Krankenschwester festklammern, so dass das gesamte
Gewicht jeweils von der Halswirbelsäule gehalten und getragen werden müsse. Die Klägerin hatte weiter angegeben,
sie habe u.a. die Patienten waschen, betten und lagern müssen, auch habe es zu ihren Aufgaben gehört, die
Speisewagen zu holen und wieder vorzubringen, die Speisen zu verteilen, das Geschirr einzusammeln, die Betten zu
beziehen, den Verbandwagen in die Zimmer zu bringen und Medikamente auszuteilen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28.07. 2004 abgewiesen. Voraussetzung für die
Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.2109 der Anlage zur BKV sei, dass langjährig schwere Lasten auf der
Schulter getragen worden seien. Hierbei entstehe eine besondere Belastung der Halswirbelsäule durch die nach vorn
und seitlich erzwungene Kopfbeugehaltung bei gleichzeitiger maximaler Anspannung der Nackenmuskulatur mit
Hyperlordosierung und Verdrehung der Halswirbelsäule. Von dieser Art des Tragens könne bei den Tätigkeiten einer
Krankenschwester nicht die Rede sein. Es fehle bereits am Tragen von Lasten auf der Schulter. Die Tragevorgänge
hätten zudem der Tätigkeit der Klägerin nicht das Gepräge gegeben, da die Arbeit einer Krankenschwester eine
Vielzahl weiterer Tätigkeiten umfasse. Dies lasse sich auch aus dem Vortrag der Klägerin entnehmen.
Zur Begründung der Berufung führte die Klägerin aus, gerade im Bereich der Krankenpflege bestehe ein erhebliches
gesundheitliches Risiko einer Erkrankung der Halswirbelsäule.
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 11.05.2004 die Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG von Dr.R
...
Die Klägerin stellt den Antrag, gemäß § 109 SGG ein Gutachten von Dr.R. einzuholen; hilfsweise beantragt sie, den
Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 28.07.2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des
Bescheides vom 26.11.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2002 zu verurteilen, ihr
sozialrechtliche Leistungen aufgrund des Vorliegens einer Berufskrankheit nach Nr.2109 zu gewähren; die Erkrankung
der Halswirbelsäule sei zumindest gemäß § 9 Abs.2 SGB VII anzuerkennen und die entsprechenden Leistungen zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der
Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da die Berufung aus den Gründen der
angefochtenen Ent- scheidung als unbegründet zurückgewiesen wird (§ 153 Abs.2 SGG).
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung der Erkrankung an der
Halswirbelsäule wie eine Berufskrankheit nicht gegeben sind. Gemäß § 9 Abs.2 SGB VII sollen die Träger der
Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort
bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit entschädigen, sofern nach neuen
Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen gehören sowohl
der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der versicherten Tätigkeit als auch die Zugehörigkeit des
Versicherten zu einer bestimmten Personengruppe, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige
Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen
Wissenschaft Krankheiten der betreffenden Art verursachen. Dadurch sollen Krankheiten zur Entschädigung
gelangen, die nur deshalb nicht in die Berufskrankheitenliste aufgenommen wurden, weil die Erkenntnisse der
medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer Arbeit bei der
letzten Fassung der Anlage zur BKV und noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten.
Die Anwendung des § 9 Abs.2 SGB VII scheidet hier schon deshalb aus, weil bei der Klägerin Anhaltspunkte für eine
Verursachung der HWS-Beschwerden außerhalb der beruflichen Tätigkeit vorliegen. Es besteht nämlich ein
Schadensbild sowohl an der Hals- als auch an der Brust- und Lendenwirbelsäule, so dass von einer anlagebedingten
Erkrankung ausgegangen werden kann.
Eine weitere Beweisaufnahme war nicht veranlasst. Zum einen sind, worauf das Sozialgericht im Gerichtsbescheid
vom 28.07. 2004 zu Recht hingewiesen hat, die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht gegeben, so dass eine
weitere Beweiserhebung auf medizinischem Gebiet nicht erforderlich ist. Zum anderen ist der Antrag auf Einholung
eines Gutachtens gem. § 109 SGG verspätet. Obwohl die Klägerin im Schreiben vom 20.12.2004 darauf hingewiesen
wurde, dass weitere Ermittlungen von Gerichts wegen nicht beabsichtigt seien, hat sie erst nach Empfang der Ladung
zum Termin vom 18.05.2005 im Schreiben vom 11.05.2005 den Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109
SGG gestellt. Damit hat die Klägerin die nach sorgfältiger Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen
(§ 109 Abs.2 SGG). Der Antrag auf Einholung eines Gutachtens gem. § 109 SGG war daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.