Urteil des LSG Bayern vom 19.10.2004

LSG Bayern: diabetes mellitus, erwerbsunfähigkeit, humanitäre hilfe, soziale sicherheit, erwerbsfähigkeit, alkoholismus, vergleich, rentenanspruch, gesundheitszustand, kroatien

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 19.10.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 12 RJ 485/04 A
Bayerisches Landessozialgericht L 6 RJ 306/02
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. Oktober 2001 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsminderung.
Der 1941 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. In Deutschland war er vom 17.10.1966 bis 22.11.1974 insgesamt
93 Monate versicherungspflichtig beschäftigt, nach seinen Angaben als angelernter Schweißer in der Metallindustrie.
In seiner Heimat hat er zwischen Oktober 1963 und Oktober 1966 sowie - durchgehend - von Mai 1975 bis Januar
1988 insgesamt 15 Jahre, 6 Monate und 23 Tage Versicherungszeiten zurückgelegt, die nunmehr in die
Versicherungslast des Versicherungsträgers Bosniens und Herzegowinas fallen. Seit November 1988 bezieht er von
der Sozialversicherung Bosniens und Herzegowinas Invalidenrente.
Erstmals hatte der Kläger am 09.08.1989 bei der Beklagte Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beantragt.
Diesen Antrag hatte die Beklagte mit Bescheid vom 05.11.1990 abgelehnt, weil weder Berufs- noch
Erwerbsunfähigkeit vorlägen. Damals war der Kläger in der Zeit vom 01.10.1990 bis 02.10.1990 stationär in der
Gutachterstelle in R. begutachtet worden, nachdem er in der Zeit vom 24.09.1990 bis 02.10.1990 auf der Abteilung für
Suchtkranke des Bezirkskrankenhauses R. wegen eines Delirium tremens bei Alkoholismus behandelt worden war. Im
Gutachten vom 22.10.1990 hatte Dr.G. als Gesundheitsstörungen einen Alkoholismus mit unkomplizierter Fettleber,
wirbelsäulenabhängige Beschwerden bei mäßiggradigen Abnutzungserscheinungen ohne wesentliche
Funktionsminderung und ohne neurologische Ausfälle sowie einen Zustand nach Verlust der Fingerendglieder 2 bis 4
rechts ohne wesentliche Störung der Handfunktion festgestellt und den Kläger mit Rücksicht darauf noch zu einer
vollschichtigen Erwerbsfähigkeit mit mittelschweren Arbeiten in der Lage beurteilt.
Am 11.09.1992 beantragte der Kläger erneut bei der Beklagten Rente wegen verminderterer Erwerbsfähigkeit. Der
Kläger wurde darauf in der Zeit vom 19.07. bis 21.07.1993 stationär in der Gutachterstelle der Beklagten in R.
untersucht und sein berufliches Leistungsvermögen bewertet. Im Gutachten vom 20.08. 1993 stellte Dr.R. als
Gesundheitsstörungen einen chronischen Alkoholismus, distale sensible Polyneuropathie, toxisch-nutritive
Leberparenchymschädigung und einen tablettenpflichtigen Diabetes mellitus fest. Der Gesundheitszustand des
Klägers habe sich im Vergleich zur Vorbegutachtung im Oktober 1990 nicht wesentlich verändert. Mit Rücksicht
darauf sei der Kläger weiterhin zu leichten bis mittelschweren Arbeiten vollschichtig in der Lage, ohne schweres
Heben und Tragen von Lasten und ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit. Die Beklagte lehnte
daraufhin mit Bescheid vom 7. September 1993 den Rentenantrag ab, weil weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit
vorlägen. Den Widerspruch wies die Widerspruchsstelle mit Bescheid vom 23. Februar 1994 zurück, weil der Kläger
weder berufs- noch erwerbsunfähig sei. Zudem habe er zum Zeitpunkt der Antragstellung im September 1992 nicht
mehr die besonderen, mit Haushaltsbegleitgesetz 1984 eingeführten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
erfüllt, da er den letzten Pflichtbeitrag für Januar 1988 entrichtet habe und anschließend keine versicherungsrechtlich
berücksichtigungsfähige Zeiten mehr vorlägen.
Dagegen hat der Kläger zum Sozialgerichts Landshut Klage erhoben, mit der er weiter Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit begehrt. Das Sozialgericht ließ den Kläger auf nervenärztlichem Fachgebiet durch Dr.R. und auf
Innerem Fachgebiet durch Dr. P. untersuchen und sein berufliches Leistungsvermögen begutachten.
In seinem Gutachten vom 29.01.1996 hat Dr.R. von seiten seines Fachgebietes eine chronische Alkoholkrankheit mit
beginnender hirnorganischer Wesensänderung, Polyneuropathie an beiden Beiden, Carpaltunnel-Syndrom links sowie
Funktionsminderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen und ein depressives Syndrom
festgestellt. Im Vergleich zu den Voruntersuchungen habe sich der organische Befund wesentlich verschlimmert. Der
Kläger sei deshalb ab dem Untersuchungstag nur noch in der Lage, täglich unterhalbschichtigen (ca. drei Stunden) zu
arbeiten und leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, ohne Heben und Tragen schwerer
Lasten, ohne besondere Anforderung an die geistige Leistungsfähigkeit, ohne Zeitdruck, zu ebener Erde und ohne
einseitige Körperhaltung zu verrichten. Zudem sei nach einer Stunde Arbeitszeit ca. 30 Minute Pause einzulegen.
Dr.P. hat in seinem Gutachten vom 30.01.1996 als weitere Gesundheitsstörungen einen schlecht eingestellten
Diabetes mellitus, eine chronisch obstruktive Bronchitis, einen akuten Harnwegsinfekt und einen Zustand nach
Fingerendgliedamputation 2 bis 4 rechts festgestellt und sich im Übrigen der Beurteilung des beruflichen
Leistungsvermögens von Dr.R. angeschlossen.
Mit Urteil vom 24. Oktober 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Beim Kläger lägen zwar seit 29.01.1996
die gesundheitlichen Voraussetzungen des Leistungsfalles der Erwerbsunfähigkeit vor. Zu diesem Zeitpunkt habe der
Kläger jedoch nicht mehr die besonderen, mit Haushaltsbegleitgesetz 1984 eingeführten, versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen für einen zahlbaren Rentenanspruch wegen Erwerbsunfähigkeit erfüllt und könne sie im Nachhinein
auch nicht mehr erfüllen, da er zum Zeitpunkt der ersten Rentenantragstellung vom 09.08.1989 die im Jahre 1988 von
Februar bis Dezember bestehende Beitragslücke wegen Versäumnis der Entrichtungsfristen auch nicht mehr mit
freiwilligen Beiträgen für die Erhaltung der Rentenanwartschaft belegen habe können.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er weiter Rente wegen Erwerbsunfähigkeit begehrt.
Zur Begründung führt er aus, dass sich seine gesundheitlichen Beschwerden bereits bis in die 80er Jahre
zurückverfolgen ließen. Der Leistungfall der Erwerbsunfähigkeit seit daher nicht erst im Jahre 1996 eingetreten. Was
die Möglichkeit betreffe, durch freiwillige Beiträge den Versicherungsschutz aufrecht zu erhalten, so sei Anfang der
90er Jahre in Jugoslawien Krieg gewesen. Sie seien seinerzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen gewesen und hätten
schon mangels finanzieller Möglichkeiten keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichten können.
Die Beklagte hält dagegen das Eintreten des Leistungsfalles der Erwerbsunfähigkeit zum 29.01.1996 entsprechend
der Äußerungen des ärztlichen Sachverständigen Dr.R. für begründet, zumal der Kläger bei der Begutachtung im
Beobachtungskrankenhaus Regensburg im Oktober 1990 und im Juli 1993 noch zu einer vollschichtigen
Erwerbstätigkeit in der Lage beurteilt worden sei und sich der Gesundheitszustand im Vergleich mit diesen
Vorbefunden wesentlich verschlechtert habe. Die vom Kläger zur Begründung der Berufung vorgelegten weiteren
ärztlichen Unterlagen aus den Jahren 2002 bis 2004 enthielten keine Hinweise darauf, dass das Leistungsvermögen
des Klägers vor dem 01.03.1990 in rentenberechtigendem Grade eingeschränkt gewesen sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. Oktober 2001 sowie den Bescheid der
Beklagten vom 07. September 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom vom 24. Februar 1994
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aufgrund des Antrages vom 11.
September 1992 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. Oktober 2001
zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts weiterhin für zutreffend.
Beigezogen waren die Akten der Beklagten und die des Sozialgerichts Landshut, auf deren Inhalt sowie auf den Inhalt
der Berufungsakte zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gem. §
44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis 31.12.2000 gültigen Fassung hat. Ebensowenig besteht ab
01.01.2001 Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gem. § 43 SGB VI in der ab 01.01. 2001 geltenden
Fassung.
Der Senat folgt in seiner Entscheidung den Gründen des angefochtenen Urteils und sieht daher gem. § 153 Abs.2 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von einer erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Das Sozialgericht hat den
Rechtsstreit entsprechend der Sach- und Rechtslage entschieden. Nach dem auch für den Senat überzeugenden
Ergebnis der vom Sozialgericht durchgeführten Beweisaufnahme ist beim Kläger der Leistungsfall der
Erwerbsunfähigkeit am 29.01.1996 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger die besonderen, mit
Haushaltsbegleitgesetz von 1984 eingeführten, versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen zahlbaren
Anspruch wegen Erwerbsunfähigkeit jedoch nicht mehr erfüllt, weil der Kläger im maßgeblichen 5-Jahres-Zeitraum nur
noch bis Ende Februar 1990 mindestens 36 Monate Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung
nachgewiesen hat. Für einen später eingetretenen Leistungsfall hat der Kläger daher keinen Rentenanspruch mehr und
kann die dafür erforderlichen Beiträge auch nicht mehr entrichten, weil die dafür bestehenden gesetzlichen Fristen
bereits zum Zeitpunkt seines ersten Rentenantrages im Jahre 1989 abgelaufen waren. Ebensowenig läßt sich die vom
Sozialversicherungsträger Bosniens und Herzegowinas gewährte Invalidenrente nach Art.26 Abs.2 des Abkommens
über Soziale Sicherheit mit Kroatien als Verlängerungstatbestand für den in Kroatien wohnenden Kläger der auch die
kroatische Staatsangehörigkeit besitzt, berücksichtigen, da dies nur für Rentenleistungen des kroatischen
Versicherungsträgers gilt.
Der Kläger hat daher keinen Rentenanspruch. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut war daher
zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.