Urteil des LSG Bayern vom 03.03.2005

LSG Bayern: arbeitsunfähigkeit, krankengeld, erlass, zukunft, gefahr, hauptsache, krankenkasse, krankheit, wochenende, vorsorge

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 03.03.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht München S 32 KR 1564/04
Bayerisches Landessozialgericht L 4 B 5/05 KR ER
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 1. Dezember 2004 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der 1965 geborene und bei der Antragsgegnerin versicherte Antragsteller war zuletzt Pflegekraft in einem
Seniorenheim. Auf Grund der von dem Orthopäden Dr.K. (D.) attestierten Arbeitsunfähigkeit seit 16.01.2004 wegen
Zervikobrachialgien und Prolaps C 5/5 links erhielt der Antragsteller ab 27.02.2004 von der Antragsgegnerin
Krankengeld von kalendertäglich 29,88 EUR. Sie teilte ihm am 04.05.2004 telefonisch das Ende der
Arbeitsunfähigkeit am 07.05.2004 mit. Der Antragsteller befand sich vom 20.05.2004 bis 10.06.2004 zu Lasten der
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte wegen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in der A. Klinik (I.); er
wurde als arbeitsunfähig entlassen. Für diese Zeit erhielt er Übergangsgeld und in der Folge von der Antragsgegnerin
ab 11.06.2004 wieder Krankengeld. Der frühere Arbeitgeber teilte der Antragsgegnerin am 15.06.2004 mit, der
Antragsteller sei am vorausgegangenen Wochenende längere Zeit beim Ballspielen beobachtet worden. Nach einer
Rücksprache des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) mit dem behandelnden
Orthopäden Dr.K. wurde das Ende der Arbeitsunfähigkeit zum 04.07.2004 angenommen. Die Antragsgegnerin hörte
mit Schreiben vom 01.07.2004 den Antragsteller zum Ende der Arbeitsunfähigkeit am 04.07.2004 an. Er ließ sich
dann von zwei anderen Ärzten zum Teil wegen o.g. Krankheiten Arbeitsunfähigkeit bis 05.09.2004 bescheinigen.
Am 16.08.2004 kündigte der Arbeitgeber wegen des dringenden Verdachts der Vortäuschung der Arbeitsunfähigkeit
das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 30.09.2004.
Mit Bescheid vom 31.08.2004 stellte die Antragsgegnerin das Ende der Arbeitsunfähigkeit bzw. der
Krankengeldzahlung zum 04.07.2004 fest. Hiergegen legte der Antragsteller am 09.09. 2004 Widerspruch ein. Der
nochmals gehörte MDK verneinte in der gutachterlichen Stellungnahme vom 08.10.2004 Arbeitsunfähigkeit ab
04.07.2004; bei den Freizeitaktivitäten (Fußball- und Volleyballspiel, Tragen schwerer Kisten) könne von einem für die
Arbeitsunfähigkeit relevanten Befund nicht ausgegangen werden.
Der Antragsteller hat am 29.10.2004 beim Sozialgericht München (SG) beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der
einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Krankengeld für die Zeit ab 05.07. 2004 zu gewähren. Das SG hat mit
Beschluss vom 01.12.2004 den Antrag abgelehnt. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne die
vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Krankengeld über den 04.07.2004 hinaus einen
wesentlichen Nachteil erleide. Trotz der jeweils von unterschiedlichen Ärzten ausgestellten
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bestünden gleichwohl erhebliche Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit.
Die Antragsgegnerin hat mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2004 den Widerspruch zurückgewiesen; nach den
Grundsätzen der objektiven Beweislastverteilung sei nicht erwiesen, dass der Antragsteller über den 04.07.2004
hinaus arbeitsunfähig gewesen sei.
Der Antragsteller hat am 07.01.2005 gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat.
Er macht geltend, behandelnde Ärzte hätten Arbeitsunfähigkeit wegen Bandscheibenvorfällen, Zervikobrachialgien und
arterieller Hypertonie bescheinigt, zuletzt bis 05.09.2004 bzw. bis zum Ende der Höchstbezugsdauer von 18 Monaten.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Beigezogen wurden die Akten der Antragsgegnerin und des SG, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§§ 172, 173, 174
Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Beschwerde ist unbegründet; der angefochtene Beschluss ist nicht zu beanstanden. Das SG hat zu Recht den
Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Weiterzahlung von Krankengeld über den 04.07.2004 hinaus abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs.2 SGG (in der Fassung des 6. SGGÄndG vom 17.08. 2001 BGBl.I S.2144) kann das Gericht der
Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr
besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des
Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen
sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine
solche Regelung zur Abänderung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung
setzt voraus, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund gegeben sind. Beides ist glaubhaft zu machen
(§ 86b Abs.2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs.2 Zivilprozessordnung). Im vorliegenden Fall fehlt sowohl ein
Anordnungsanspruch, als auch ein Anordnungsgrund.
Die Nachzahlung von Krankengeld ab einem Zeitpunkt vor der Entscheidung des Senats kommt von vornherein nicht
in Betracht, da der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach den oben genannten gesetzlichen Voraussetzungen
eine vorläufige Regelung bis zur Entscheidung der Hauptsache zum Gegenstand hat, also eine in die Zukunft
gerichtete Maßnahme ist.
Aber auch für die künftige Zeit, also bis zum Ende der Höchstbezugsdauer des Anspruchs auf Krankengeld (§ 48
Sozialgesetzbuch V - SGB V -), kommt die Zahlung von Krankengeld im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes hier
nicht in Frage. Gemäß § 44 Abs.1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie
arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder
Rehabilitationseinrichtung (§§ 23 Abs.4, 24, 40 Abs.2 und 41 SGB V) behandelt werden. Nach der höchstrichterlichen
Rechtsprechung liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte seine zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit oder eine
ähnlich geartete Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin verrichten kann, seinen Zustand zu verschlimmern
(Kasseler Kommentar-Höfler, § 44 SGB V, Rdnr.10 m.w.N. der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts).
Es kann hier offen bleiben, ob wegen der außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers Arbeitsunfähigkeit noch auf
die Tätigkeit als Pflegekraft bezogen werden kann oder ob hier mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf das
berufliche Bezugsfeld der ähnlichen oder gleich- gearteten Tätigkeit abzustellen ist (Kasseler Kommentar a.a.O.,
Rdnr.15, 16 m.w.N.). Denn es fehlt am Nachweis der Arbeitsunfähigkeit auf Grund ärztlicher Feststellungen für die
Zukunft (§ 46 Satz 1 Nr.2 SGB V). Aus den vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen und Berichten ergibt sich kein
glaubhafter Nachweis der Arbeitsunfähigkeit für die restliche Zeit ab Entscheidung des Gerichts bis zum Ende der
Höchstbezugsdauer. Der MDK hat in den gutachterlichen Stellungnahmen vom 28.06. 2004 und 08.10.2004 auf Grund
der vom Antragsteller vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen das Ende der Arbeitsunfähigkeit zum 04.07.2004
angenommen.
Auch ein Anordnungsgrund ist nicht glaubhaft gemacht worden. Der Senat nimmt hier in entsprechender Anwendung
des § 153 Abs.2 SGG auf die zutreffenden Gründe im angefochtenen Beschluss Bezug.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).