Urteil des LSG Bayern vom 05.02.2009

LSG Bayern: berufliche tätigkeit, psychotherapie, psychiatrie, neurologie, facharzt, diagnose, haushalt, akte, ermessen, ergänzung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 05.02.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Würzburg S 12 R 4252/06*
Bayerisches Landessozialgericht L 19 B 979/08 R
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 17.10.2008 wird
zurückgewiesen.
Gründe:
I. Streitig ist die Übernahme der Kosten eines gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachtens auf
die Staatskasse.
Die Klägerin beantragte Rente wegen Erwerbsminderung, die Beklagte lehnte dies u.a. nach Einholung eines
Gutachtens bei dem Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie sowie für psychosomatische Medizin
Dr.K. ab. Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Würzburg (SG) ein Gutachten gemäß § 106 SGG
bei dem Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr.v.B. eingeholt. Dieser beschreibt u.a. ein
psychovegetatives Erschöpfungssyndrom bzw. Anpassungsstörungen und hält ebenso wie Dr.K. eine vollschichtige
berufliche Tätigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf (Kinderpflegerin) für zumutbar.
Auf Antrag der Klägerin hat daraufhin die Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr.R. ein Gutachten
gemäß § 109 SGG erstattet. Sie findet keine depressive Grundstimmung, so dass lediglich ein psychovegetatives
Erschöpfungssyndrom zu diagnostizieren sei. Gegenüber der Begutachtung durch Dr.K. sei eine Stabilisierung
eingetreten. Die glaubhaft geschilderte Erschöpfbarkeit und die Überforderungsgefühle der Klägerin ließen eine
mindestens 6-stündige Tätigkeit allerdings nicht zu.
Mit Urteil vom 20.05.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne ihre bisherige Tätigkeit weiterhin
mindestens 6 Stunden täglich ausüben. Dies ergebe sich aus den Gutachten von Dr.K. und Dr.v.B ... Dem Gutachten
von Dr.R. sei nicht zu folgen. Es dürfe hinsichtlich der Leistungseinschätzung nicht allein auf die diagnostische
Zuordnung und die subjektiven Beschwerdeschilderungen abgestellt werden. Zudem sei das Gutachten von Dr.R. in
sich widersprüchlich, da die Klägerin mit ihrem Ehemann einen gemeinsamen Betrieb führe, den Haushalt verrichte
und zudem den Vater pflege. Aus diesen Angaben lasse sich eine Erwerbsminderung nicht ableiten. Gegen dieses
Urteil hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Den an das SG gerichteten Antrag auf Übernahme der Kosten für die Begutachtung durch Dr.R. auf die Staatskasse
hat das SG mit Beschluss vom 17.10.2008 abgelehnt. Das Gutachten von Dr.R. habe nicht wesentlich zur Aufklärung
des Sachverhaltes beigetragen bzw. die Aufklärung objektiv gefördert. Dr.R. habe keine zusätzlichen,
entscheidungserheblichen Erkenntnisse vermittelt. Sie verkenne, dass für die Leistungseinschätzung objektivierbare
Funktions- und Fähigkeitsstörungen bestehen müssen, allein eine bestimmte Diagnose bzw. subjektive
Beschwerdeschilderungen sei hierfür nicht maßgebend. Zum anderen sei die Leistungsbeurteilung nicht mit dem von
der Klägerin angegebenen derzeitigen Tätigkeiten im gemeinsamen Betrieb und im Haushalt sowie bei der Betreuung
des Vaters zu vereinbaren. Das Gutachten von Dr.R. sei unschlüssig.
Dagegen hat die Klägerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Das Gutachten von Dr.v.B. enthalte
überhaupt keine nervenärztlichen Erkrankungen. Nach dem Gutachten von Dr.R. sei von einer Chronifizierung der
depressiven Störung und von einer rentenrechtlichen Relevanz der vorhandenen Erschöpfungszustände auszugehen.
Die Nervenärztin Dr.B. habe in einem für den Arbeitgeber erstellten Gutachten vom 24.07.2007 bei der Klägerin eine
Alkoholproblematik festgestellt. Das Gutachten von Dr.v.B. sei nicht schlüssig.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Übernahme der für ein Gutachten nach § 109 SGG verauslagten Kosten auf die Staatskasse im Wege einer
"anderen Entscheidung" i.S.d. § 109 Abs 1 Satz 2 Halbs 2 SGG ist in der Regel dann gerechtfertigt, wenn das
Gutachten in beträchtlichem Umfang beweiserheblich ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es durch
Aufzeigen bis dahin nicht berücksichtigter medizinischer Gesichtspunkte zur Aufklärung des Sachverhalts wesentlich
beigetragen oder die Erledigung des Rechtsstreits in sonstiger Weise wesentlich gefördert hat. Über die endgültige
Kostentragung entscheidet das Gericht nach Ermessen durch Beschluss (vgl. Beschluss des Senates vom
24.04.2007 - L 20 B 82/07 R - mwN).
Im vorliegenden Fall hat das Gutachten von Dr.R. nicht durch Aufzeigen neuer, bisher nicht berücksichtigter
Gesichtspunkte zur Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen. Sie geht ebenso wie Dr.v.B. vom Vorliegen eines
psychovegetativen Erschöpfungssyndroms aus. Eine depressive Grundstimmung kann auch sie nicht diagnostizieren.
Dr.v.B. hat somit nervenärztliche Befunde erhoben und Diagnosen gestellt. Die Beschwerdebegründung ist insoweit
nicht nachvollziehbar. Das Gutachten von Dr.R. ist auch bereits deswegen in sich unschlüssig, weil sie eine
Stabilisierung gegenüber dem Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr.K. im Rahmen des Verwaltungsverfahrens
feststellt, dieser aber ein vollschichtiges Leistungsvermögen für gegeben hielt. Dr.R. stützt sich in der
Leistungsbeurteilung allein auf persönliche Angaben der Klägerin zur Erschöpfbarkeit und zu einem
Überforderungsgefühl. Dies genügt nicht für die Annahme einer Leistungseinschränkung. Diesbezüglich wird gemäß §
142 Abs 2 Satz 3 SGG auf die Ausführungen des SG Bezug genommen.
Hinsichtlich der von Dr.B. bei der Begutachtung für den Arbeitgeber gestellten Diagnose hat das Gutachten von Dr.R.
keine neuen Erkenntnisse gebracht.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen. Die Klägerin hat die Kosten der Begutachtung durch Dr.R.
endgültig zu tragen.
Diese Entscheidung ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).