Urteil des LSG Bayern vom 26.01.2009

LSG Bayern: wohnraum, wohnungsmarkt, staat, umzug, auszug, vermieter, einzug, unangemessenheit, verfassung, erlass

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 26.01.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 42 AS 2888/08 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 7 B 1112/08 AS ER
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 18. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten wegen der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB
II. Mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung versuchen die Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf.),
Mietrückstände in Höhe von 2.799,45 EUR von der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (Bg.) als Leistung zu
erhalten. Mit Beschluss vom 18.12.2008 hat das Sozialgericht München den Antrag abgelehnt. Es hat dies damit
begründet, die gegenwärtige Wohnung der Bf. sei unangemessen teuer. Mit der dagegen eingelegten Beschwerde
rügen die Bf., indem die Bg. ihnen fälschlicher Weise 478 EUR als Angemessenheitsgrenze vorgegeben hätte, hätte
sie den Umzug in eine angemessene Wohnung vereitelt.
Der Senat hat zu dem Verfahren die Akte L 16 B 1088/07 AS ER beigezogen.
II.
Die Beschwerde ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Für das Begehren der Bf. gibt es keine Rechtsgrundlage.
Zwar gibt die Verfassung vor, dass der Staat in besonderer Weise dafür Sorge zu tragen hat, dass Obdachlosigkeit
vermieden wird. Dem hat der Gesetzgeber im SGB II unter anderem dadurch Rechnung getragen, dass gemäß § 22
Abs. 5 SGB II die Leistungsträger gegebenenfalls auch Schulden übernehmen können bzw. sollen, sofern andernfalls
Wohnungslosigkeit droht. Das gilt grundsätzlich aber nur dann, wenn der Wohnraum auch "erhaltenswert" ist (vgl.
Senatsbeschluss vom 05.09.2008 - L 7 B 713/08 AS ER). Das ist hier nicht der Fall. Die Wohnung ist eindeutig zu
teuer; diesbezüglich wird zur Begründung auf die Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen.
Im Rahmen von § 22 Abs. 5 SGB II stellt sich mitunter die Frage, ob Leistungen nach dieser Vorschrift auch dann
möglich bzw. geboten sind, wenn zwar die gegenwärtige Wohnung zu teuer, angemessener Wohnraum aber bis zum
avisierten Auszugstermin tatsächlich nicht verfügbar sein wird. Der Wohnraum als solcher ist zwar wegen seiner
Unangemessenheit nicht "erhaltenswert". Es muss jedoch die Möglichkeit in die Überlegungen einbezogen werden,
dass sich der Einzug in eine neue, angemessene Wohnung vielleicht nicht nahtlos an den erzwungenen Auszug aus
der bisherigen anschließen kann. Der Eintritt vorübergehender Obdachlosigkeit ist wenn möglich zu vermeiden.
Andererseits aber kann der Hilfesuchende nicht dadurch die Aufrechterhaltung der bisherigen Wohnungssituation
erzwingen, dass er sich unzulänglich um angemessenen Wohnraum bemüht. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen,
dass dieser nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Urteil vom 25.01.2008 - L 7 AS 93/07) mit der gleichen
Intensität nach angemessenem Wohnraum suchen muss, als wenn er aus eigenen Motiven heraus umziehen wollte.
Im vorliegenden Fall bedarf dieses Problem keiner weiteren Erörterung. Denn die Bf. tragen in ihrem
Beschwerdeschriftsatz gerade nicht vor, der einschlägige Wohnungsmarkt sei ihnen tatsächlich verschlossen. Sie
monieren lediglich, die Bg. hätte durch Mitteilung einer zu niedrigen Angemessenheitsgrenze einen Umzug vereitelt.
Das trifft nicht zu. Bereits seit Juni 2008 - damals einigten sich die Beteiligten im Rahmen eines Prozessvergleichs
auf einen höheren Betrag - ist die Grenze von 478 EUR warm nicht mehr aktuell. Dass die Bf. im letzten halben Jahr
sich hinreichend, aber ohne Erfolg um angemessenen Wohnraum bemüht hätten, wird weder von ihnen behauptet
noch bestehen dafür sonst irgendwelche Anhaltspunkte. Unwidersprochen hat vielmehr die Bg. gegenüber dem
Sozialgericht vorgetragen, die Bf. hätten sich gegenüber einem potentiellen Vermieter derart im Ton vergriffen, dass
eine zielorientierte Gesprächsführung nicht möglich gewesen wäre. Bestehen wie hier Hinweise, dass sich
Hilfesuchende bei der Wohnungssuche nicht adäquat benehmen, kann nicht davon ausgegangen werden, der
Wohnungsmarkt sei ihnen verschlossen. Möglicherweise haben solche Hilfesuchende die Erfolglosigkeit ihrer
Wohnungssuche selbst zu vertreten bzw. sind nicht ernsthaft an einem Wohnungswechsel interessiert. Für eventuelle
"Entgleisungen" im Umgang mit Wohnungsanbietern muss der Staat nicht einstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).