Urteil des LSG Bayern vom 20.06.2007

LSG Bayern: waisenrente, behinderung, tod, hinterbliebenenrente, form, rechtsgrundlage, erlass, rücknahme, bedürftigkeit, akte

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 20.06.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 5 R 1112/06 A
Bayerisches Landessozialgericht L 16 R 291/07
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 8. Januar 2007 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Halbwaisenrente aus der Versicherung des A.streitig.
Der Versicherte, jugoslawischer Staatsangehöriger und ab Juni 1974 in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft, war
hier von Juni 1974 bis Januar 1984 versicherungspflichtig beschäftigt, bezog anschließend Leistungen wegen
Arbeitsunfähigkeit bzw. Arbeitslosigkeit und ab Mai 1989 bis zu seinem Tod im August 2003 Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit. Der am 31.03.1968 in Bosnien-Herzegowina geborene und dort wohnhafte Kläger, bosnischer
Staatsangehöriger, ist der Sohn des Versicherten; er bezieht in seinem Heimatland ab 09.09.2005
Hinterbliebenenrente nach dem Versicherten sowie ab 01.04.2006 Invalidenrente.
Der erstmals am 05.11.2004 gestellte Antrag des Klägers auf Gewährung von Waisenrente aus der Versicherung des
A.wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 15.12.2004 abgelehnt, weil der Anspruch auf Waisenrente gemäß § 48
SGB VI längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres bestehe. Dieser Bescheid ist dem Kläger nach seinen
Angaben am 10.02.2005 zugegangen.
Der erneut über den bosnischen-herzegowinischen Versicherungsträger gestellte Hinterbliebenenantrag vom
06.01.2005 wurde nicht verbeschieden, weil die Beklagte nach ihrem Vermerk vom 01.07.2005 von einem Abschluss
des Hinterbliebenenverfahrens mit Bescheid vom 15.12.2004 ausgegangen war und daher nichts weiter veranlasst
hatte.
Auf eine Sachstandsanfrage einer Bekannten des Klägers und ihre Mitteilung hin, dass der Bescheid vom 15.12.2004
beim Kläger nicht angekommen sei, übersandte die Beklagte am 04.11.2005 erneut den Bescheid vom 15.12.2004 an
den Kläger.
Auf den weiteren formlos gestellten Antrag des Klägers vom 28.03.2006 auf Gewährung von Hinterbliebenenrente
teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben von 14.06.2006 mit, dass er das 27. Lebensjahr bereits am 30.03.1995
vollendet habe und daher trotz seiner Behinderung keinen Anspruch auf Halbwaisenrente nach den deutschen
Rechtsvorschriften (§ 48 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI) habe.
Den dagegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger mit seiner Unfähigkeit für ein selbstständiges Leben und
Arbeiten nach Vollendung des 27. Lebensjahres auf Grund seiner körperlichen, psychischen und seelischen
Erkrankungen. Der Widerspruch wurde nach Aktenlage mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2006 als unbegründet
zurückgewiesen, weil der Kläger bereits vor dem Tod seines Vaters das 27. Lebensjahr vollendet habe.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut verfolgte der Kläger unter Vorlage zahlreicher
ärztlicher Unterlagen und eines Bescheides über die Gewährung von Geldleistungen für fremde Hilfe und Pflege ab
Januar 2003 etc. sein Ziel der Gewährung einer Halbwaisenrente weiter, weil die Beklagte seinen Invaliditätsgrad und
seine Schwerbehinderung nicht berücksichtigt habe. Nach entsprechenden Anhörungsmitteilungen wies das
Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 8. Januar 2007 ab, weil der 1968 geborene Kläger bereits mit
Ablauf des 30. März 1995 das 27. Lebensjahr vollendet habe und daher nach § 48 Abs. 4 Satz 1 Ziff. 2 SGB VI
keinen Anspruch auf Waisenrente mehr habe.
Dagegen hat der Kläger unter Vorlage ärztlicher Unterlagen sowie von Bescheiden Berufung eingelegt. Zur
Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.
Er beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 08.01.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 15.12.2004
sowie deren Bescheid vom 14.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2006 aufzuheben und
ihm ab Antragstellung Halbwaisenrente aus der Versicherung des A.zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf den Inhalt der beigezogenen Akte der
Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte statthafte Berufung ist gemäß §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) zulässig. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 8. Januar 2007 abgewiesen, weil der
Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Halbwaisenrente ab Antragstellung am 28.03.2006 im
Zugunstenverfahren nach § 44 des Zehnten Sozialgesetzbuches (SGB X) hat und der Bescheid der Beklagten vom
14.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2006 nicht zu beanstanden ist.
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, ihren bestandskräftigen Bescheid vom 15.12.2004 zurückzunehmen, weil dieser
Bescheid, der dem Kläger nach seinen Angaben am 10.02.2005 zugegangen und wirksam geworden ist (§ 39 Abs. 1
SGB X), nicht rechtswidrig ist. Denn der am 31.03.1968 geborene Kläger hat das 27. Lebensjahr bereits mit Ablauf
des 30. März 1995 vollendet.
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist auf Grund des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides vom
15.12.2004 die Vorschrift des § 44 SGB X. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass
bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden
ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der
Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides vom 15.12.2004 sind nicht erfüllt, weil die Beklagte zu
Recht die Gewährung von Halbwaisenrente abgelehnt hat.
Nach § 48 Abs. 4 Ziff. 2 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI) besteht der Anspruch eines Kindes nach dem Tod
eines Elternteils auf Halbwaisenrente längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Waise u.a. wegen
körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten. Nur diese
Behinderung rechtfertigt einen Bezug der Waisenrente über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus bis
spätestens zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Der deutsche Gesetzgeber durfte im Rahmen seines
Gestaltungsspielraums diese zeitliche Grenze bestimmen. Eine nach Vollendung des 27. Lebensjahres aufgrund einer
Behinderung eintretende Bedürftigkeit der Waise begründet Ansprüche nach den sozialrechtlichen Vorschriften des
Elften und/oder Zwölften Sozialgesetzbuches, die aber für den in Bosnien-Herzegowina wohnhaften Kläger nicht
anwendbar sind.
Die Berufung war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Erwägung, dass die Berufung keinen Erfolg hatte (§§ 183, 193 SGG).
Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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