Urteil des LSG Bayern vom 13.11.2008

LSG Bayern: Az: S 5 U 316/05, wird bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz ausgesetzt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten., aufschiebende wirkung, besondere härte

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 13.11.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Würzburg S 5 U 316/05
Bayerisches Landessozialgericht L 18 U 392/08 ER
Die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 31.07.2008 - Az: S 5 U 316/05 - wird bis zur
Erledigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz ausgesetzt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Das Sozialgericht Würzburg (SG) hat die Beklagte mit Urteil vom 31.07.2008 verpflichtet, der Klägerin ab
01.01.2002 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 30 vH auch über den
30.06.2002 hinaus zu gewähren. Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und sinngemäß beantragt,
das o.a. Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Ferner hat sie beantragt, die Vollstreckung des Urteils
auszusetzen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Gutachten, auf das sich das SG stütze, überzeuge nicht. Die
Klägerin beantragt, den Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung zurückzuweisen. Sie hält das Urteil des SG und das
der Entscheidung zugrunde liegende Gutachten für zutreffend.
II. Der Antrag auf einstweilige Anordnung der Aussetzung der Vollstreckung ist zulässig und begründet. Nach § 154
Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bewirkt die Berufung eines Versicherungsträgers Aufschub, soweit es sich um
Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen. Keine
aufschiebende Wirkung tritt dagegen kraft Gesetzes für die Zeit nach Erlass des Urteils ein, wenn ein
Versicherungsträger verurteilt wurde, dem Kläger eine Rente zu zahlen. Der Versicherungsträger ist daher verpflichtet,
die sog. "Urteilsrente" einzuweisen, die der Kläger aber wieder zu erstatten hat, wenn das Urteil des Erstgerichts auf
die Berufung hin oder in einem eventuellen Revisionsverfahren aufgehoben wird. Auf Antrag oder von Amts wegen
kann jedoch der Vorsitzende des für die Berufung zuständigen Senats des Landessozialgerichts (LSG) gemäß § 199
Abs 2 Satz 1 SGG durch einstweilige Anordnung die Vollstreckung aus dem Urteil aussetzen, soweit die Berufung
gemäß § 154 Abs 2 SGG keine aufschiebende Wirkung hat. Die Entscheidung gemäß § 199 Abs 2 SGG ergeht nach
Ermessen. Dabei sind die schutzwürdigen Sicherungs- und Erhaltungsinteressen beider Beteiligter abzuwägen,
insbesondere auf den voraussichtlichen Erfolg der Berufung Rücksicht zu nehmen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Kommentar zum SGG, 9.Aufl, § 199 Rdnr 8). Die Aussetzung der Vollstreckung kommt nicht nur in Ausnahmefällen
in Betracht. Die Regelung des § 154 Abs 2 SGG, wonach die aufschiebende Wirkung von Berufung und
Nichtzulassungsbeschwerde für bestimmte Fälle (zwingend) angeordnet ist, zwingt nicht zu der Schlussfolgerung,
dass sonst im Einzelfall die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Ein
Regel-/Ausnahmeverhältnis kann dem Gesetz nicht entnommen werden (vgl. Zeihe in SGb 94, 505; Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer aaO Rdnr 8a unter Verweisung auf BSG Beschluss vom 06.05.1960 - BSGE 12, 138; BSG
Urteil vom 05.09.2001 -B 3 KR 47/01 R-, das für eine Ablehnung des Antrags offensichtliches Fehlen einer
Erfolgsaussicht fordert). Der Richter muss unerwünschte Folgen einer etwaigen Überzahlung verhindern, soweit ihm
das Gesetz dies erlaubt. Das ist durch die klare Ermessensregelung in § 199 Abs 2 SGG der Fall (Zeihe aaO S 506).
Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist auch in anderen Fällen als der offensichtlichen
Erfolgsaussicht der Berufung die Aussetzung zulässig. Eine Bindung an eine feste Regel existiert nicht (ebenso
Thüringer LSG, 6.Senat, Beschluss vom 14.09.2004, -L 6 Kr 621/04 ER-, juris Recherche). Sind die Erfolgsaussichten
des Rechtsmittels nicht überschaubar, kommt es auf die Abwägung der betroffenen Interessen unter
Berücksichtigung ihrer Bedeutung und Dringlichkeit sowie der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer etwaigen späteren
Rückgängigmachung des Anspruchs an. Dazu gehört auch die Aussicht des Leistungsträgers, bei Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung die gewährten Leistungen zurückzuerhalten (LSG Baden-Württemberg, 8.Senat,
Beschluss vom 26.01.2006, -L 8 AS 403/06 ER- mwN, juris Recherche). Vorliegend überwiegt das Interesse der
Beklagten, dass nicht vor endgültiger Klarstellung der Sach- und Rechtslage Leistungen erbracht werden müssen, die
dann nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen im Falle des Erfolgs der Berufung zurückgefordert werden können,
das Interesse der Klägerin an der Vollziehung des Urteils. Zum einen ist vorliegend der Erfolg des Rechtsmittels
offen. Zum anderen besteht für den Leistungsträger vielfach die Gefahr, dass die Rückerstattung faktisch nicht
realisierbar ist. So kann der Leistungsträger keine Erstattung von Beträgen verlangen, die er in Ausführung eines
später aufgehobenen Urteils erbracht hat (sog. Urteilsleistungen), wenn die Rückzahlung für den Leistungsempfänger
eine besondere Härte bedeuten würde (BSG SozR 1300 § 50 Nr 6 und SozR 3-1300 § 45 Nr 10). Die Klägerin
hingegen erleidet durch die Aussetzung der Vollstreckung keinen dauerhaften Nachteil, da sie im Falle der
hingegen erleidet durch die Aussetzung der Vollstreckung keinen dauerhaften Nachteil, da sie im Falle der
Bestätigung des Ersturteils Leistungen rückwirkend erhält (Niesel, der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl, Rdnr 400). Diese
Anordnung ist unanfechtbar; sie kann jederzeit aufgehoben werden (§ 199 Abs 2 Satz 3 SGG). Die
Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 SGG in entsprechender Anwendung (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer
aaO § 199 Rdnr 7c).