Urteil des LSG Bayern vom 25.10.2005

LSG Bayern: erlass, arbeitsentgelt, beitragssatz, betrug, realisierung, sozialversicherungsrecht, beitragsberechnung, verjährung, erwerbseinkommen, form

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 25.10.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 12 R 951/03 ZVW
Bayerisches Landessozialgericht L 5 R 530/05
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28. Februar 2005 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Gewährung höherer Altersrente.
Der 1935 geborene Kläger kroatischer Staatsangehörigkeit legte in Deutschland zwischen Februar 1963 und
September 1971 mit Unterbrechungen Versicherungszeiten zurück. Ihm wurde mit Bescheid vom 09.11.2000 ab
01.06.2000 Regelaltersrente bewilligt.
Mit seinem Widerspruch vom 28.02.2001 machte der Kläger geltend, seine Arbeitgeber hätten nicht die tatsächlichen
Bruttoverdienste in die Versicherungskarten eingetragen. Tatsächlich seien die Verdienste aufgrund von zahlreichen
Überstunden viel höher gewesen. Zum Beispiel könne er nachweisen, dass sein Bruttoverdienst 1971 11.207,34 DM
betragen habe, wohingegen die Beklagte lediglich den Betrag von 10.145,73 DM für die Zeit vom 13.03. bis
02.09.1971 der Rentenberechnung zugrunde gelegt habe. Hierzu legte er sechs Lohnstreifen betreffend das Jahr 1971
vor.
Nachdem Nachforschungen beim letzten Arbeitgeber ergebnislos geblieben waren, wies die Beklagte den Widerspruch
am 14.08.2001 zurück. Der mittels Lohnstreifen nachgewiesene steuerpflichtige Gesamtverdienst sei nicht mit dem
sozialversicherungspflichtigen Entgelt identisch. Letzteres gehe aus den Lohnstreifen nicht hervor. Die
aufgerechneten Versicherungskarten seien ein Indiz dafür, dass der zutreffende Wert zugrunde gelegen habe.
Die dagegen am 25.02.2002 erhobene Klage ist vom Sozialgericht Landshut am 29.07. 2002 wegen Verfristung als
unzulässig abgewiesen worden. Auf die Berufung des Klägers hat der 5. Senat die Streitsache am 08.07.2003 wegen
Anhängigkeit der fristgemäßen Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 22.01.2002 zurückverwiesen. Darin
hatte die Beklagte dem Kläger auf seinen Überprüfungsantrag vom 14.11.2001 mitgeteilt, es ergebe sich keine
Änderung des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2001. Dies bestätigte die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom
13.01.2005. Ein falscher sozialversicherungspflichtiger Lohn sei nicht nachgewiesen. Bei Zugrundelegung des
steuerpflichtigen Bruttoverdienstes 1971 würde sich nur eine Anhebung der laufenden Rente in Höhe von 207,14 EUR
auf 208,34 EUR ergeben.
In Fortsetzung des am 25.02.2002 eingeleiteten Klageverfahrens hat der Kläger u.a. geltend gemacht, allein der
Beitrag für die Rentenversicherung habe zwischen 80,00 und 100,00 DM gelegen. Das Sozialgericht hat die Klage am
28.02.2005 unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2005 abgewiesen.
Gegen dieses am 21.07.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.08.2005 Berufung eingelegt und um eine seinem
Bruttoverdienst entsprechende Rente gebeten. Aufgrund der von ihm übersandten Unterlagen stehe ihm eine höhere
Rente zu.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, trotz des auf dem Lohnstreifen bescheinigten steuerpflichtigen Verdienstes in
Höhe von 11.207,41 DM für die Zeit vom 13.03. bis 02.09.1971 weise die Versicherungskarte lediglich ein
sozialversicherungspflichtiges Einkommen in Höhe von 10.145,73 DM aus. Addiere man die Eintragungen auf den
Lohnstreifen bei gesetzlichem Sozialversicherungsbeitrag, ergebe sich bis Ende August 1971 bei einem Beitragssatz
in Höhe von 8,5 % ein Entgelt in Höhe von 9.779,76 DM. Der Lohnstreifen für September liege nicht vor.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28.02.2005 aufzuheben und die
Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 22.01.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
13.01.2005 sowie des Bescheides vom 09.11.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2001 zu
verurteilen, ihm ab 01.06.2000 höhere Regelaltersrente zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28.02.2005
zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Sozialgerichtsakten sowie der
Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil
des Sozialgerichts Landshut vom 28.02.2005 ist ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom
22.01.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2005. Zutreffend wird es darin abgelehnt, den
Rentenbewilligungsbescheid vom 09.11. 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2001
abzuändern. Die darin enthaltene Rentenberechnung ist korrekt, der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere
Regelaltersrente.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von
einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu
Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung
für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Bei Erlass des Rentenbewilligungsbescheides
vom 09.11.2000 ist weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden.
Die Höhe einer Rente richtet sich vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge
versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 SGB VI). Danach bildet lediglich das versicherte
Erwerbseinkommen den Versicherungsgegenstand. Entscheidend ist also, in welcher Höhe Beiträge aus dem
Arbeitsverdienst des Klägers zur Rentenversicherung abgeführt worden sind.
Wenn auf einer vor dem 1. Januar 1992 rechtzeitig umgetauschten Versicherungskarte Beschäftigungszeiten, die
nicht länger als ein Jahr vor dem Ausstellungstag der Karte liegen, ordnungsgemäß bescheinigt sind, so wird
vermutet, dass während dieser Zeiten ein die Versicherungspflicht begründendes Beschäftigungsverhältnis mit dem
angegebenen Arbeitsentgelt bestanden hat und die dafür zu zahlenden Beiträge rechtzeitig gezahlt worden sind (§ 286
Abs. 2 Ziff. 1 SGB VI). Auf der am 09.10. 1969 ausgestellten Versicherungskarte Nr. 3, die am 02.09.1971
aufgerechnet worden ist, sind für die Zeit vom 13.03. bis 02.09.1971 10.145,73 DM als beitragspflichtiges
Bruttoarbeitsentgelt eingetragen. Dieses Entgelt hat die Beklagte der Rentenberechnung zugrunde gelegt.
Aus den vom Kläger vorgelegten Lohnstreifen geht hervor, dass sein steuerpflichtiges Einkommen höher gelegen war.
Er macht für den strittigen Zeitraum 1971 11.207,34 DM geltend. Machen Versicherte glaubhaft, dass der auf sie
entfallene Beitragsanteil vom Arbeitsentgelt abgezogen worden ist, so gilt der Beitrag als gezahlt (§ 203 Abs. 2 SGB
VI). § 203 Abs. 2 SGB VI gilt für Zeiten vor dem 01.01.1973 mit der Maßgabe, dass es einer Eintragung in die
Versicherungskarte nicht bedarf (§ 286 Abs. 6 SGB VI). Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung betrug
1971 17 %. Die Hälfte des Beitrages war durch den Arbeitnehmer zu zahlen. Ausgehend von dem vom Kläger geltend
gemachten Betrag wären somit 952,62 DM an Beiträgen an die deutsche Rentenversicherung abzuführen gewesen.
Aus den vorgelegten Lohnstreifen geht jedoch hervor, dass in der Zeit von März bis August 1971 lediglich 160,50 +
160,50 + 159,06 + 124,42 + 140,33 + 84,47 DM = 831,28 DM vom Lohn abgezogen worden sind. Der Lohnstreifen für
September liegt nicht vor. Ausgehend von den abgeführten Beiträgen würde sich ein Entgelt in Höhe von 9.779,76 DM
errechnen. Dieses Entgelt liegt unter dem von der Beklagten bei der Rentenberechnung zugrundegelegten Entgelt in
Höhe von 10.145,73 DM für die Zeit vom 13.03. bis 02.09.1971. Es ist daher nicht glaubhaft gemacht, dass dem
Kläger in größerem Ausmaß Beitragsanteile vom Lohn abgezogen worden sind, als dies die Versicherungskarte Nr. 3
ausweist.
Es kann dahinstehen, ob der damalige Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge korrekt berechnet hat. Abgesehen
davon, dass der ehemalige Arbeitgeber nicht zu ermitteln ist, steht der Realisierung einer Nachentrichtung die 30-
jährige Verjährung entgegen (§ 25 SGB IV).
Dass die Beiträge 1971 - und nur um diesen Zeitraum kann es gehen - in zu geringer Höhe abgeführt worden sind,
kann nachträglich nicht mehr festgestellt werden. Grundsätzlich ist die Beitragsberechnung im
Sozialversicherungsrecht an dem Entgeltbetrag zu orientieren, der auch für die Berechnung der Lohnsteuer
maßgeblich ist (BSG, Urteil vom 21.06.1972 Az.: 7 RAr 60/69). Gerade für (die hier geltend gemachten)
Überstundenvergütungen und Schmutzzulagen hat aber das BSG ein mögliches Auseinanderfallen von
Sozialversicherungs- und Lohnsteuerrecht festgestellt (BSG, Urteil vom 01.03.1978 in SozR 2200 § 385 Nr. 2).
Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.