Urteil des LSG Bayern vom 11.02.2004

LSG Bayern: zusammenrechnung, einkünfte, ausführung, abtretungsvertrag, beratungspflicht, altersrente, aufklärungspflicht, form, auszahlung, zessionar

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 11.02.2004 (rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 10 RJ 897/99
Bayerisches Landessozialgericht L 19 RJ 266/00
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.01.2000 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten besteht Streit, ob die Beklagte im Rahmen der Abtretung mehrerer Forderungen zur
Zusammenrechnung der Einkünfte verpflichtet ist.
Mit Bescheid vom 22.04.1986 bewilligte die Beklagte dem 1921 geborenen Kläger Altersruhegeld mit Wirkung ab
01.07.1986.
Am 22.04.1999 ging bei der Beklagten die Abtretungserklärung des Klägers vom 02.01.1999 ein, in der er bis zur
jeweils gesetzlich zulässigen Höhe seine Rentenansprüche gegen die Beklagte sowie seine Pensionsansprüche
gegen den Bayer. Versorgungsverband unwiderruflich an den Beigeladenen zu 1. (seinen Sohn) abtritt; die Zahlungen
sollten wie bisher an den Kläger überwiesen werden. Außerdem wurde darum gebeten, die Abtretung als stille
Abtretung zu behandeln und sie nur im Falle einer Pfändung offenzulegen. Die Beklagte teilte dem Bevollmächtigten
des Klägers mit Schreiben vom 28.04.1999 mit, dass die abgetretene Forderung des Klägers gegen die Beklagte als
begründet anerkannt werde, dass sich aber ein pfändbarer Betrag derzeit nicht errechne.
Nach dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts H. vom 21.04.1999 - der Beklagten zugestellt
am 14.05.1999 - kann die Beigeladene zu 2. eine Forderung in Höhe von 72.698,51 DM beanspruchen; gepfändet ist
der Anspruch des Klägers auf Zahlung von gegenwärtigen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch. Drittschuldner
sind die Beklagte und der Bayer. Versorgungsverband; die Zusammenrechnung der Einkünfte ist angeordnet. Die
Beklagte rechnete die Altersrente und die Versorgungsbezüge des Klägers zusammen (2.615,87 DM) und errechnete
einen pfändbaren Betrag von 461,50 DM. Diesen Betrag zahlte die Beklagte in Ausführung des Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses mit Wirkung ab 01.09.1999 an die Beigeladene zu 2. und teilte dies dem Kläger mit
Bescheid vom 03.07.1999 mit.
Der gegen diesen Bescheid erhobene Widerspruch war erfolglos. Die Beklagte wies im Widerspruchsbescheid vom
29.09.1999 darauf hin, dass sie verpflichtet sei, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auszuführen. Die
Abtretung an den Sohn könne nicht berücksichtigt werden, da in der Abtretungsvereinbarung keine
Zusammenrechnung der jeweils in gesetzlicher Höhe abgetretenen Einkünfte vereinbart sei und auch der Beklagten
eine solche Befugnis nicht zustehe; schließlich habe sich bei einer Rentenhöhe von 1.105,82 DM netto kein
abtretbarer Betrag ergeben.
Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 26.01.2000 abgewiesen. Unter
Berücksichtigung des Pfändungsfreibetrages habe die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 28.04.1999 zutreffend
mitgeteilt, dass die monatliche Versichertenrente den Pfändungsfreibetrag nicht übersteige. Da folglich die
Rentenforderung des Klägers nicht abgetreten sei, habe auch keine Abtretung der Ausführung des Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses entgegen gestanden. Der Kläger habe mit dem Zessionar auch ausdrücklich nur eine
Abtretung in gesetzlich zulässiger Höhe vereinbart. Es sei auch nicht möglich, die Forderung gegen die Beklagte und
den Bayer. Versorgungsverband zusammenzurechnen und dadurch einen Betrag zu erhalten, der die pfändungsfreien
Grenzen übersteige. Denn nach der Rechtsprechung sei die Vorschrift des § 850e Nr 2a Zivilprozessordnung (ZPO)
über die Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens im Rahmen des § 53 Abs 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner
Teil (SGB I) nur dann zu berücksichtigen, wenn der Leistungsempfänger in die Zusammenrechnung der abgetretenen
Sozialleistungen einwilligt. Von dieser Befugnis habe der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Eine dem Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss gegenüber vorrangige Abtretung sei daher von der Beklagten nicht zu beachten.
Mit der dagegen eingelegten Berufung macht der Kläger in erster Linie geltend, die Auffassung der Beklagten, dass im
Abtretungsvertrag vom 02.01.1999 keine Zusammenrechnung erfolgt sei, sei unzutreffend. Er habe vielmehr eine
wahlweise Bestimmung über die Zusammenrechnung getroffen. Der Auffassung der Beklagten müsse entgegen
gehalten werden, dass sie dann ihrer gesetzlichen und im vorliegenden Fall sogar zusätzlich vertraglichen Hinweis-
und Beratungspflicht nicht nachgekommen sei. Damit könne er von der Beklagten verlangen, so gestellt zu werden,
wie es bei fehlerfreier Beratung der Fall gewesen wäre. Nachweise über den behaupteten besonderen Pflegeaufwand
des Beigeladenen zu 1. für den Kläger hat dieser trotz Aufforderung durch den Senat nicht vorgelegt.
Der Kläger beantragt im Schriftsatz vom 02.05.2000, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Nürnberg vom
26.01.2000 und des Bescheides vom 03.07.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.09.1999 zu
verurteilen, ab 01.09.1999 Regelaltersrente in voller Höhe zu zahlen sowie die notwendigen außergerichtlichen Kosten
zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist weiterhin der Auffassung, dass mangels Vereinbarung im Abtretungsvertrag eine Zusammenrechnung durch
die Beklagte nicht erfolgen konnte. Ein solcher Antrag sei auch bisher nicht gestellt worden; eine Antragstellung sei
aber erforderlich. Billigkeitsprüfungen könne die Beklagte nicht durchführen, da der Kläger nähere Angaben zu Art und
Höhe des zu sichernden Anspruchs nicht gemacht habe.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren neben den Streitakten erster und zweiter Instanz die
Verwaltungsunterlagen der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und
auch im Übrigen zulässig.
Das Rechtsmittel des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 26.01.2000 zu Recht
entschieden, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Auszahlung der vollen Altersrente hat.
Auch das Berufungsgericht hält vorliegend eine Zusammenrechnung der Einkünfte nicht für geboten. Nach
Auffassung des Senats ist eine Zusammenrechnung nach § 850e Nr 2a ZPO mit anderen Einkünften nur möglich,
wenn die Abtretung dies auch ausdrücklich bestimmt. Nach dem Wortlaut der Abtretungserklärung vom 02.01.1999 ist
aber eine derartige Zusammenrechnung nicht erwähnt. Auch aus den weiteren Umständen des Falles ergibt sich nicht
konkludent ein Antrag auf Zusammenrechnung. Der Kläger hat die Abtretungserklärung jeweils an die Beklagte und
den Versorgungsverband lediglich mit dem Hinweis auf diese Abtretungserklärung gesandt. Der Senat verweist
insoweit auf die zutreffenden Gründe in der angefochtenen Entscheidung und sieht daher von einer weiteren
Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs 2 SGG ab.
Vorliegend greift auch nicht das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Platz. Im Falle einer
Abtretung hat der Sozialversicherungsträger § 53 SGB I zu beachten. U.a. ergibt sich aus dieser Vorschrift (§ 53 Abs
2 Nr 2 SGB I) die Pficht des Leistungsträgers zur Feststellung, dass die Übertragung des Anspruchs im
wohlverstandenen Interesse des Berechtigten liegt. Eine weitergehende Aufklärungspflicht der Beklagten ist nach
Auffassung des Senats zu verneinen. Eine solche bestünde nur, wenn der Beklagten konkrete Anhaltspunkte z.B. für
eine Verletzung des § 53 SGB I erkennbar wären. Allein aus der Tatsache, dass aus der Abtretungsvereinbarung vom
02.01.1999 auch Ansprüche des Klägers gegen den Versorgungsverband ersichtlich sind, ergibt sich mangels anderer
Informationen kein Aufklärungsbedarf für die Beklagte. Im Übrigen hätte aus der Sicht der Beklagten ein Interesse an
der Zusammenrechnung auch nur für den Abtretungsempfänger bestanden; demgegenüber lag es gerade im Interesse
des Versicherten der Beklagten, dass die Pfändungsfreigrenzen beachtet werden. Dementsprechend ergab sich auch
keine Beratungspflicht seitens der Beklagten, die offen zutage gelegen wäre, wie die Rechtsprechung dies erfordert.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hat nämlich die Pflicht zur Beratung der
Sozialversicherungsträger dahin eingegrenzt, dass der Sozialleistungsträger nur dann von sich aus beratend tätig
werden muss, wenn bei einem Versicherten klar zutage liegende und für ihn offensichtlich zweckmäßige
Gestaltungsmöglichkeiten erkannt werden (BSGE 49, 76). Offensichtlich zweckmäßige Gestaltungsmöglichkeiten
liegen aber dann nicht "klar zutage", wenn sie komplizierte rechtliche Erwägungen oder Feststellungen weiterer
Tatsachen erfordern. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass der Kläger immer anwaltlich beraten und vertreten
war.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 26.01.2000 war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren
unterlegen war.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.