Urteil des LSG Bayern vom 24.08.2005

LSG Bayern: serbien und montenegro, diabetes mellitus, ärztliche untersuchung, ärztliches gutachten, klinik, befund, depression, behandlung, rente, leistungsfähigkeit

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 24.08.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 11 RJ 890/01 A
Bayerisches Landessozialgericht L 16 R 89/05
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 1. Dezember 2004 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der Kläger ist Staatsangehöriger der staatlichen Gemeinschaft Serbien und Montenegro. Er beantragte bei der
serbischen Verbindungsstelle am 21.10.1996 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit/Berufsunfähigkeit.
Der jugoslawische Versicherungsträger bescheinigte anrechnungsfähige Versicherungszeiten vom 01.07.1977 bis
03.08.1993 sowie vom 01.01.1994 bis zum 30.06.1995. Deutsche Pflichtbeitragszeiten hat der Kläger von 1971 bis
zum 29.07.1977 zurückgelegt. Von September bis Dezember 1993 war er in einer Sammelunterkunft für
Asylsuchende in Deutschland untergebracht.
Nach seinen Angaben erhielt der Kläger im Anschluss an die jugoslawische Versicherungszeit bis Dezember 1996 in
seiner Heimat Sozialhilfe und ab dem 24.12.1996 jugoslawische Invaliditätsrente, die er "wegen anderer Umstände" im
Jahre 2002 nicht mehr bekommen habe.
Als letzten in Jugoslawien ausgeübten Beruf gibt er "Arbeiter" an. Eine Fachausbildung habe er nicht abgeschlossen.
Eine Anfrage zu Name und Anschrift des letzten deutschen Arbeitgebers konnte der Kläger nicht beantworten. Mit
dem Rentenantrag wurde ein ärztliches Gutachten des serbischen Versicherungsträgers vom 11.01.2001 (JU 207,
Untersuchungstag 23.12.1996) übersandt. Darin werden folgende Diagnosen genannt: Hypertensio arterialis, Diabetes
mellitus Typ II, Depressio prolongata, Insomnia persistens, Bronchitis chronica obstructiva, Spondylosis cervicalis et
lumbalis. Der Rentenversicherungsträger reichte einen echokardiographischen ergometrischen Befund und weitere
medizinische Unterlagen nach.
Mit Bescheid vom 01.07.1998 und Widerspruchsbescheid vom 28.01. 1999 wurde der Rentenantrag abglehnt. Der
Kläger sei bereits ausweislich des Inhaltes des Gutachtens der Invalidenkommission in P. vom 24.12.1996 nicht
erwerbsunfähig. Er könne vollschichtig leichte Arbeiten ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, nicht auf Leitern
und Gerüsten, in geschlossenen, normal temperierten trockenen Räumen, ohne besonderen Zeitdruck und ohne
Schicht- und Nachtdienst verrichten. Eine ärztliche Untersuchung in Deutschland sei nicht notwendig, weil alle
vorgetragenen Erkrankungen bereits berücksichtigt seien.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben und weitere ärztliche Unterlagen betreffend das
Jahr 2001 vorgelegt.
Auf den Hinweis des Kammervorsitzenden, wonach die sog. 3/5-Belegung nur erfüllt sei, wenn der Kläger bereits im
März 1997 berufs- oder erwerbsunfähig gewesen sei, hat der Kläger einen Entlassungsbericht der
Neuropsychiatrischen Klinik P. über eine Behandlung vom 15.05.1996 bis 01.07.1996 übersandt. Darin heißt es, dass
es sich nach mehrmaliger ambulanter Behandlung um die erste Hospitalisation handele. Die Aufnahme sei wegen
schlechter Stimmungslage, ausgeprägter Schlaflosigkeit und wegen schlechter Gedanken erfolgt. Im psychischen
Profil wird sodann über eine dominante depressive Stimmungslage und zeitweilige emotionale Inkontinenz mit auch
depressiven Ideen und herabgesetzter Antriebsdynamik berichtet. Während als Überweisungsdiagnose noch eine
Depressio prolongata genannt wird, ist als Enddiagnose lediglich eine Insomnia persistens angegeben.
Im Auftrag des Sozialgerichtes hat die Ärztin Dr.T. am 12.06.2003 ein Aktenlagegutachten zur Leistungsfähigkeit des
Klägers bis März 1997 erstellt. Frau Dr.T. führt in ihrem Gutachten aus, dass im April 1998 eine Hypertrophie der
linken Herzkammer bei guter Pumpfunktion beschrieben sei. Daneben sei echokardiographisch eine Mitral-
klappenstenose mit einer Öffnungsfläche von 2,4 cm² beschrieben. Dabei handele es sich um eine Einengung der
Mitralklappe vom Schweregrad I bis II, die weiterhin konservativ zu behandeln sei. Die von der Kommission
mitgeteilten abgeschwächten Atemgeräusche im Sinne einer Bronchitis erklärten die angeführten Atembeschwerden
bei einer ergometrischen Belastung von 75 Watt. Eine Lungenfunktionsprüfung werde jedoch nicht mitgeteilt. Die
Blutgasbefunde vom März 1998 sprechen für eine leichte Partialinsuffizienz ohne Anzeichen einer Globalinsuffizienz.
Bei chronischer Bronchitis, hypertensiver Herzerkrankung und Mitralklappenstenose seien dem Kläger keine schweren
und mittelschweren körperlichen Arbeiten zumutbar gewesen sowie keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, mit
Stressbelastung und Kälte, Nässe und reizenden Gasexpositionen. Der Kläger habe zudem frischschwielige
Handflächen aufgewiesen. Es werden auch eine Schmerzhaftigkeit sowie mäßige Verspannungen der
Paravertebralmuskulatur bei erschwerter Beweglichkeit im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich mitgeteilt. Leider
seien entsprechende Maße nicht genannt. Neurologisch sei der Befund regelgerecht gewesen. Eine
Funktionseinschränkung der Gelenke der oberen und unteren Extremität habe nicht bestanden. Damit seien leichte
körperliche Tätigkeiten zumutbar gewesen. In den Unterlagen von 1996 und 1997 seien nur wenige Befunde
übermittelt worden. Warum die Invalidenkommission die Blutzuckerstoffwechselstörung nicht als Diagnose erwähnt
habe, sei nicht klar. Im Gutachten habe sie die Blutzuckererhöhung erwähnt, in einem Befund vom Juli 1996 werde
jedoch keine Behandlung der Diabetes mitgeteilt. Erst im Jahre 2001 werde eine antidiabetische Medikation erwähnt.
Damit sei davon auszugehen, dass zum fraglichen Zeitpunkt die Blutzuckerstoffwechselstörung ohne Hinweis auf
Komplikationen diätetisch eingestellt gewesen sei. Auch dies habe die Durchführung leichter körperlicher Tätigkeiten
erlaubt. Die gestellte Diagnose einer prolongierten Depression und einer persistierenden Insomnie sei dem
Entlassungsschein der Neuropsychiatrischen Klinik P. zu entnehmen. Nach den aufgeführten Medikamenten sei zum
damaligen Zeitpunkt das therapeutische Spektrum sicher nicht erschöpft gewesen. Es müsse daher aufgrund des
stationären Aufenthaltes von einer Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung und einer Depression mit
Schlafstörungen ausgegangen werden. Eine bleibende zeitliche Leistungseinschränkung ließe sich daraus nicht
ableiten. Die Invalidenkommission mache ein halbes Jahr nach Krankenhausentlassung dazu keine näheren Angaben.
Im dortigen psychopathologischen Befund werde der Kläger lediglich als depressiv beschrieben. Im Vordergrund der
Beeinträchtigung seines Leistungsbildes sei aber die Herzerkrankung gestanden. Eine depressive Symptomatik habe
sicherlich zu einer Beschwerdeverstärkung geführt. Insgesamt müsse davon ausgegangen werden, dass bis März
1997 leichte Arbeiten ohne Haltungskonstanz mit den beschriebenen qualitativen Einschränkungen vollschichtig
verrichtet habe werden können. Die Umstellungsfähigkeit sei aufgrund der depressiven Symptomatik nur für
einfachste Tätigkeit gegeben gewesen.
Nachdem der Kläger weitere medizinische Unterlagen aus dem Jahr 2004 übersandt hatte, veranlasste das
Sozialgericht eine ergänzende Stellungnahme der praktischen Ärztin vom 23.08.2004. Frau Dr.T. führt aus, dass
diese keine Anhaltspunkte böten, die Leistungsfähigkeit des Klägers zum fraglichen Zeitpunkt März 1997 abweichend
zu beurteilen.
Mit Urteil vom 01.12.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Gründen wurde ausgeführt, dass die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals im Monat März 1997 erfüllt seien. Bezogen auf diesen Zeitpunkt
bestehe kein Anhalt für das Bestehen von Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit. Auch liege eine lückenlose Belegung mit
Anwartschaftserhaltungszeiten nicht vor. Lücken bestünden von September bis Dezember 1993 und ab Juni 1995 bis
zum Rentenantrag Oktober 1996 sowie darüber hinaus. Diese Lücken könnten wegen Fristablaufes nicht mehr durch
nachträgliche freiwillige Beitragszahlungen geschlossen werden. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
aufgrund eines Beratungsfehlers greife nicht ein. Bezogen auf den Zeitpunkt März 1997 habe ein vollschichtiges
Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten bestanden.
Dagegen hat der Kläger am 20.01.2005 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Er trägt vor, dass sich
sein Gesundheitszustand je nach den aktuellen Umständen und sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen ständig
ändere. Der Arbeitsmarkt in Deutschland sei sehr groß. Hier könne eine Person auch eine bestimmte Arbeit mit
spezieller Arbeitszeit angeboten werden. In seiner Heimat sei dies jedoch nicht möglich. Daher sei er erwerbsunfähig.
Um den sozialen Zustand zu verbessern, habe er sich nach 1995 trotz verschlechterndem Gesundheitszustand
laufend bemüht, Arbeit zu finden, jedoch dabei kein Glück gehabt.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 01.12.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom
01.07.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.1999 aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung von
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte, der Streitakte des Sozialgerichts
Landshut sowie der Akte des Bayer. Landessozialgerichtes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung erweist sich als nicht begründet. Vielmehr ist diese aus den zutreffenden Gründen der
angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen. Der Senat sieht daher von einer weiteren Darstellung
der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs.2 SGG).
Nochmals hervorzuheben ist, dass der Kläger den letzten abkommensrechtlich anrechenbaren Pflichtbeitragsmonat
im Juni 1995 zurückgelegt hat. Von September bis Dezember 1993 weist sein jugoslawischer Versicherungsverlauf
eine Lücke auf. In diesem Zeitraum hat er sich als Flüchtling in Deutschland aufgehalten. Die Lücke ist auch unter
Berücksichtigung einer Unterbrechung aufgrund der Rentenantragstellung durch Zahlung freiwilliger Beiträge nicht
mehr schließbar. Unter Berücksichtigung dieser rentenrechtlichen Lücke ergibt sich, wie das Sozialgericht zutreffend
ausführt, als letzter Zeitpunkt der Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzung der Monat März 1997. Das
Vorliegen von Aufschubzeiten ist nicht erkennbar. Der Zeitraum des stationären Krankenhausaufenthaltes in der
Psychiatrischen Klinik P. von Mai bis Juli 1996 kann keine Anrechnungszeit im Sinne des § 58 Abs.1 Nr.1 SGB VI
und keine Aufschubzeit gemäß § 43 Abs.3 Nr.3 SGB VI jeweils in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung
begründen. Der Kläger hat im Anschluss an die jugoslawische Beitragszeit jugoslawische Sozialhilfe bezogen und
vorgetragen, sich fortlaufend um Arbeit bemüht zu haben, was ihm jedoch wegen der wirtschaftlichen Lage und seiner
eingeschränkten Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu anderen Arbeitskräften nicht gelungen sei.
Zu der geltend gemachten Depression ist anzumerken, dass dieser im jugoslawischen Rentengutachten eher eine
untergeordnete Bedeutung beigemessen wurde. Als Entlassungsdiagnose wurde im Bericht der Neuropsychiatrischen
Klinik P. auch nicht mehr eine Depression, sondern Schlafstörungen genannt.
Letztlich ist auch der Senat von der Richtigkeit der Beurteilung der durch das Sozialgericht Landshut beauftragten
Gutachterin Frau Dr.T. überzeugt, wonach der Kläger zum damit maßgeblichen Zeitpunkt März 1997 noch in der Lage
war, leichte Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig auszuüben. Für
die Annahme der Einschränkung der sozialen Zumutbarkeit einer Verweisbarkeit besteht kein Anlass. Der Kläger hat
selbst vorgetragen, ungelernte Tätigkeiten verrichtet zu haben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Gründe dafür, die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar (§ 160 Abs.2 Nr.1 und Nr.2 SGG).