Urteil des LSG Bayern vom 22.01.2008

LSG Bayern: altersrente, rückzahlung, akte, klageänderung, obsiegen, anfechtung, klagefrist, vorverfahren, widerspruchsverfahren, wartezeit

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 22.01.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 6 R 640/05
Bayerisches Landessozialgericht L 6 R 131/06
I. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 23.01.2006 sowie der
Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 19.07.2005 hinsichtlich des Anspruchs auf Beitragserstattung aufgehoben.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider
Rechtszüge zu einem Drittel zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Rente und an deren Stelle um Beitragserstattung.
Der Kläger ist 1946 geboren und gibt an, in Deutschland zwischen 1970 und 1974 als Arbeitnehmer beschäftigt
gewesen zu sein.
Er stellte am 26.08.2002 einen Antrag auf Altersrente. Die Beklagte konnte für den Kläger auch nach eingehenden
Ermittlungen keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland feststellen. Mit Bescheid vom 21.
Mai 2003 lehnte sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ab, weil für den Kläger keine
Versicherungszeiten in Deutschland feststellbar seien.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte die Gewährung von Altersrente oder die Rückzahlung
seiner Beiträge.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ein
Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bestehe nicht, weil keine auf die allgemeine Wartezeit anrechenbaren
Kalendermonate mit Beitragszeiten vorlägen. Nachdem eine Beitragsentrichtung weder nachgewiesen noch glaubhaft
sei, komme auch eine Beitragserstattung nicht in Betracht.
Hiergegen hat der Kläger beim Sozialgericht Augsburg Klage erhoben und die Rückzahlung seiner Beiträge beantragt.
Nach einer entsprechenden Ankündigung hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. Januar 2006
als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückzahlung von Beiträgen, weil solche Beiträge
weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht seien.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und beantragt, ihm entweder eine Altersrente zu gewähren oder die
Beiträge zurückzuzahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte
des Sozialgerichts Augsburg aus dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.
Die Berufung ist bezüglich der Beitragserstattung zulässig, hinsichtlich der Altersrente nicht.
Über die Klage auf Erstattung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung liegt mit dem Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts vom 23. Januar 2006 eine anfechtbare Entscheidung nach § 143 SGG vor.
Die Berufung ist insoweit begründet, als die Beklagte im Widerspruchsbescheid über den erstmals im
Widerspruchsverfahren gestellten Antrag auf Beitragserstattung entschieden hat, ohne dass der für einen
Widerspruchsbescheid notwendige vorherige Verwaltungsakt ergangen wäre. Die Widerspruchsstelle ist für eine
solche erstmalige Entscheidung sachlich nicht zuständig. Der Widerspruchsbescheid ist insoweit aufzuheben, es
verbleibt jedoch bei der isolierten Aufhebung ohne Entscheidung in der Sache selbst. Insoweit hätte dem
Klagebegehren entsprochen werden müssen. Darüber hinaus hätte die Klage als unzulässig abgewiesen werden
müssen, weil eine anfechtbare Ausgangsentscheidung noch nicht vorgelegen hat und die Aufhebung des
Widerspruchsbescheides dem notwendigen Vorverfahren den Boden entzieht (vgl. hierzu BSG Urteil vom 21.06.2000
Az.: B 4 RA 57/99 R und vom 18.05.2006 Az.: B 4 RA 40/05 R).
Hinsichtlich des Anspruchs auf Rente ist die Berufung unzulässig. Hier liegt keine anfechtbare Entscheidung des
Sozialgerichts vor, weil der Kläger im Klageverfahren keinen entsprechenden Anspruch geltend gemacht hat. Das
Vorliegen einer Klageänderung nach § 99 SGG braucht insoweit nicht geprüft zu werden, weil die Entscheidung der
Beklagten über den Rentenantrag mangels einer Anfechtung vor dem Sozialgericht mit dem Ablauf der Klagefrist
rechtsbeständig geworden ist, § 77 SGG.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen des Klägers.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.