Urteil des LSG Bayern vom 06.08.2008

LSG Bayern: rente, erlass, rückzahlung, minderung, sozialleistung, erwerbsfähigkeit, leistungsanspruch, rechtsgrundlage, existenzminimum, gerichtsurteil

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 06.08.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 7 U 5048/05
Bayerisches Landessozialgericht L 3 U 225/08 ER
I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Der Antragsteller begehrt die vorläufige Zahlung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in
Höhe von 30 v.H. anstelle der bisher gewährten in Höhe von 20 v.H. sowie die vorläufige Übernahme der Kosten für
das nach § 109 SGG durch Dr.K. erstattete Gutachten in Höhe von 2.000,00 EUR.
Der Antragsteller erlitt am 13.03.1999 einen Arbeitsunfall, den die Beklagte aufgrund des Bescheides vom 23.02.2000
zunächst mit einer Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 v.H., ab 07.01.2000 nach einer
MdE von 30 v.H. entschädigte. Mit Bescheid vom 09.10.2001 setzte die Beklagte aufgrund des Gutachtens des Dr.E.
vom 13.08.2001 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. ab 01.11.2001 fest. Die Gewährung
einer höheren Rente lehnte sie mit Bescheid vom 20.04.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.06.2005
ab. Die hiergegen eingelegte Klage wies das Sozialgericht Regensburg nach Einholung eines orthopädischen
Sachverständigengutachtens des Dr.F. vom 07.07.2006 mit Gerichtsbescheid vom 04.10.2006 ab. Hiergegen legte
der Antragsteller Berufung ein. Der Senat holte ein orthopädisches Sachverständigengutachten des Prof.Dr.L. vom
02.04.2007 ein sowie auf Antrag des Antragstellers ein nervenärztliches des Dr.K. vom 21.02.2008, das dem Kläger
am 29.02.2008 übersandt wurde. Dr.L. kam zu dem Ergebnis, dass als Folge des Arbeitsunfalls eine konzentrische
Bewegungsbehinderung der Lendenwirbelsäule mit reaktiven Verspannungen der Paralumbalmuskulatur vorliege und
bewertete die MdE mit 20 v.H. Dr.K. stellte fest, dass die elektrophysiologischen Messparameter an den unteren
Extremitäten im Normbereich seien. Denervierungszeichen fänden sich nicht. Wegen der claudiocatio-ähnlichen
pseudoradikulären Symptomatik sei jedoch ab 01.11.2001 eine MdE von 30 v.H. angemes
Mit Schreiben vom 19.05.2008 beantragte der Antragsteller,
die Antragsgegnerin durch eine einstweilige Anordnung zu verpflichten, eine um 10 % höhere Verletztenrente zu
zahlen und den einbehaltenen Vorschuss in Höhe von 2.000,00 EUR umgehend zu erstatten.
Er trug vor, dass ein Zahlungsverpflichteter unstreitig feststehende Zahlungen nicht zurückhalten dürfe. Die
Stellungnahme der Antragsgegnerin sei seit fast zwei Monaten überfällig. Er befinde sich im 70. Lebensjahr und wolle
die ihm zustehenden Leistungen noch selbst erhalten.
Die Antragsgegnerin beantragte,
die Anträge abzulehnen.
Sie wies in ihrer Stellungnahme vom 19.06. darauf hin, dass dem Kläger nach den im Hauptsacheverfahren
eingeholten Gutachten kein höherer Anspruch als eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zustehe.
Außerdem fehle ein Anordnungsgrund, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein Anordnungsgrund
für eine höhere als eine bereits bezogene Rente nicht denkbar sei.
Der Antrag auf Übernahme des Kostenvorschusses durch die Antragsgegnerin finde keine rechtliche Grundlage.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Akten im Verfahren L 3 U 352/06
Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet. Er war deshalb abzulehnen.
Der Antragsteller begehrt den Erlass einer sogenannten Regelungsanordnung, da sein Ziel die Erweiterung seiner
Rechtsposition ist. Er erstrebt die Regelung eines vorläufigen, vom status quo abweichenden Zustandes
entsprechend einer Leistungs- und Verpflichtungsklage.
Der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung ist nach § 86b Abs.2 Satz 2 SGG statthaft.
Er ist jedoch nicht zulässig, da der Antragsteller nicht antragsbefugt (§ 54 Abs.1 Satz 2, Abs.2 SGG analog) ist.
Die Antragsbefugnis ist gegeben, wenn der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die einen Anordnungsanspruch, d.h. die
rechtswidrige Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes oder die Verweigerung einer Leistung, und einen
Anordnungsgrund möglich erscheinen lassen (Möglichkeitstheorie, vgl. Ulmer in: Hennig, SGG, § 54 Rn 11 m.w.N.).
Hinsichtlich des Anordnungsgrundes muss sich aus dem Tatsachenvortrag die besondere Eilbedürftigkeit ergeben
(vgl. Adolf in: Hennig, SGG § 86b Rn73 m.w.N.), die dann vorliegt, wenn eine Anordnung zur Abwendung möglicher
wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs.2 Satz 2 SGG).
Im vorliegenden Fall erscheint eine vorläufige Regelung weder hinsichtlich der um 10 v.H. höheren Verletztenrente
noch hinsichtlich der Rückzahlung des Vorschusses in Höhe von 2.000,00 EUR für das nach § 109 SGG zu
erstattende Sachverständigengutachten zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig. Entsprechende Tatsachen hat
der Antragsteller nicht vorgetragen, alleine aus seinem Alter von nunmehr 70 Jahren ergibt sich keine Eilbedürftigkeit.
Der Senat vermag in Fällen, in denen das Existenzminimum gesichert ist und eine Sozialleistung gewährt wird, aber
ein Streit über die Höhe dieser Sozialleistung besteht, keine möglichen wesentlichen Nachteile für den Antragsteller
zu erkennen, so dass eine einstweilige Anordnung nötig erschiene. In diesen Fällen ist dem Antragsteller nämlich
zuzumuten, auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens zu warten. Sollte durch Gerichtsurteil ein höherer
Leistungsanspruch zugesprochen werden, sind die Leistungen nachzuzahlen und gemäß § 44 SGB I zu verzin Der
Antrag wegen der Gewährung einer höheren als der bereits bezahlten Verletztenrente ist damit wegen der fehlenden
Antragsbefugnis unzulässig.
Hinsichtlich der Rückzahlung des Vorschusses von der Antragsgegnerin besteht keine Rechtsgrundlage, so dass
auch ein Anordnungsanspruch fehlt. Eine Rückzahlung des Kostenvorschusses ist nur in § 109 Abs.1 Satz 2 SGG
gegen die Staatskasse möglich. Ein möglicher Anordnungsanspruch ist nicht ersichtlich. Der Antragsteller ist nicht
antragsbefugt, so dass sein Antrag auch insoweit unzulässig ist.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).