Urteil des LSG Bayern vom 10.05.2006

LSG Bayern: belgien, europäisches gemeinschaftsrecht, verordnung, eugh, geburt, freizügigkeit der arbeitnehmer, mitgliedstaat, soziale sicherheit, sozialversicherungsrecht, versicherungspflicht

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 10.05.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Würzburg S 2 RA 236/02
Bayerisches Landessozialgericht L 1 R 4120/04
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 20. April 2004 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des monatlichen Zahlbetrags einer Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Zeiten der
Kindererziehung in Belgien.
Die 1935 in Deutschland geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige, hat im Februar 1961 die Prüfung für das
Lehramt an höheren Schulen abgelegt und war vom 1. April 1961 bis 31. März 1963 - unterbrochen durch eine
Beurlaubung ohne Dienstbezüge zur Teilnahme am Assistentenaustausch in Frankreich vom 1. Oktober 1961 bis 30.
Juni 1962 - als beamtete Lehrerin tätig. Die Nachversicherung dieses Beschäftigungszeitraums erfolgte 1973 nach § 9
Angestelltenversicherungsgesetz (AVG).
Im Mai 1963 verzog die Klägerin mit ihrem Ehemann nach Belgien. Er war dort aufgrund einer Beschäftigung im
Sekretariat des Internationalen Bauordens in der belgischen Sozialversicherung pflichtversichert und bezieht aufgrund
dieser Versicherungszeiten Leistungen aus der belgischen Rentenversicherung.
Die Klägerin übte in Belgien keine Beschäftigung oder Tätigkeit aus und brachte dort die gemeinsamen Kinder M.
(geboren 1964), M. (geboren 1965) und P. (geb. 1968) zur Welt. Am 8. Juni 1970 kehrte die Familie ins Bundesgebiet
zurück, wo die Klägerin am 25. Oktober 1972 eine in der deutschen Rentenversicherung versicherungspflichtige
Beschäftigung aufnahm.
Auf Antrag der Klägerin vom 2. Mai 1991 stellte die Beklagte die Zeit vom 8. Juni 1970 bis 29. Juli 1978 als
Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung fest. Für die Dauer der Kindererziehung in Belgien vom 1. März 1964
bis 7. Juni 1970 lehnte sie die Feststellung von Pflichtbeitragszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen
Kindererziehung ab, weil sich die Klägerin mit ihren Kindern im Ausland aufgehalten habe (Bescheid vom 22. August
1991).
Am 17. Juni 1999 beantragte die Klägerin die Neufeststellung der Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten
"wegen der Neuregelung im Versicherungslastenausgleich". Ein Bescheid erging zunächst nicht.
Aufgrund eines Antrags vom 7. Dezember 1999 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab 1. März 2000 Regelaltersrente
(Bescheid vom 17. Oktober 2000 in der Fassung des Bescheides vom 10. April 2001) ohne Berücksichtigung der im
Bescheid vom 22. August 1991 abgelehnten Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch (u.a.) mit der Begründung, die Zeit der Kindererziehung in Belgien sei als
Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeit anzurechnen. Sie habe vor und nach ihrem Aufenthalt in Belgien eine
Erwerbstätigkeit in Deutschland ausgeübt und sich im streitigen Zeitraum häufig und länger - z.B. zum Erwerb des
Führerscheins - mit den Kindern bei ihren Eltern in Deutschland aufgehalten. Auch ihr Ehemann habe seine
Beziehungen zum deutschen Arbeits- und Sozialleben in dieser Zeit nicht verloren. Er sei im Europäischen Sekretariat
des Internationalen Bauordens in Belgien tätig gewesen. Sekretariat und Internationaler Bauorden seien wirtschaftlich,
strukturell und organisatorisch wesentlich vom Deutschen Bauorden getragen worden.
Die Beklagte lehnte eine Rücknahme des Bescheides vom 22. August 1991 ab (Bescheid vom 19. Dezember 2000).
Weder die Klägerin noch ihr Ehemann hätten unmittelbar vor der Geburt des Kindes oder während der Kindererziehung
in Belgien Pflichtbeitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung aufgrund einer in Belgien ausgeübten
Beschäftigung zurückgelegt. Damit seien die Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 57 des Sechsten
Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht erfüllt. Eine familiäre Bindung an die in Deutschland lebenden Eltern der
Klägerin sei nicht ausschlaggebend. Dieser Bescheid werde Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens.
Die Klägerin wandte dagegen ein, sie halte die rentenrechtliche Benachteiligung eines deutschen EU-Bürgers, der sich
während der Erziehungszeit wegen der Beschäftigung seines Ehegatten in einem (anderen) EU-Staat aufgehalten
habe, für eine Diskriminierung.
Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. Oktober 2000 zurück (Widerspruchsbescheid vom
11. Juli 2002). Sie wiederholte im Wesentlichen die Begründung des Bescheides vom 19. Oktober 2000. Ein Verstoß
gegen Art. 7 (Diskriminierungsverbot), 48 (Freizügigkeit der Arbeitnehmer) und 51 (System zur Sicherstellung der
Ansprüche und Leistungen) EWG-Vertrag liege nicht vor. Die aufgrund Art. 51 EWG-Vertrag erlassene Verordnung
1408/71 regele lediglich die Zusammenrechnung der in verschiedenen Mitgliedsstaaten zurückgelegten
Versicherungszeiten, nicht aber die Voraussetzungen für deren Entstehung (Schreiben vom 14. September 2001).
Dagegen hat die Klägerin am 19. Oktober 2002 (Eingang bei Gericht) fristgerecht Klage zum Sozialgericht Würzburg
(SG) erhobenen. Sie hat sinngemäß weiterhin eine höhere monatliche Rente unter Berücksichtigung der mit Bescheid
vom 22. August 1991 abgelehnten Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für den Zeitraum vom 1. März
1964 bis 7. Juni 1970 begehrt. Ergänzend zu ihrer Widerspruchsbegründung hat sie vorgetragen, sie werde gegenüber
Versicherten, die ihre Kinder nach vorheriger Be-rufsaufgabe in Deutschland geboren hätten, unzulässig benachteiligt.
Hätte sie ihre Kinder während ihrer Aufenthalte bei den Eltern in Deutschland zur Welt gebracht, würde ihr niemand die
beantragten Zeiten verweigern. Es müsse ausreichen, dass sie sich bei der Geburt ihrer Kinder im Geltungsbereich
des EU-Rechts aufgehalten habe. Die Rechtsansicht der Beklagten verstoße gegen europäisches
Gemeinschaftsrecht, weil sie die Freizügigkeit der EU-Bürger beschränke. Sie hat hierzu auf ein Urteil des
Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 7. Februar 2002, Az.: C-28/00 (Slg. 2002 I-01343) und des
Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. Februar 2003, Az.: B 10 EG 4/02 R, verwiesen.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20. April 2004, zugestellt am 3. Juni 2004).
Es hat ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Anerkennung der in Belgien zurückgelegten Zeiten der
Kindererziehung nach §§ 56, 57 i.V.m. § 249 SGB VI, weil die dortigen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
Dies verstoße nicht gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Das von der Klägerin angeführte Urteil des EuGH vom
7. Februar 2002, Az.: C-28/00, sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Dort sei die Anerkennung einer in
Belgien zurückgelegten Kindererziehungszeit in der österreichischen Rentenversicherung gerade darauf gestützt
worden, dass die Kinder der dortigen Versicherten in Österreich geboren worden seien. Ebenso wie im Urteil vom 23.
November 2000, Az.: C-135/99, auf dass der EuGH Bezug genommen habe, sei Anknüpfungspunkt für die
Anrechnung der Kindererziehungszeiten, dass die Versicherte ausschließlich in einem Mitgliedstaat gearbeitet und
dem Recht dieses Staates unterlegen habe, als das Kind geboren wurde. Bei Zugrundelegung dieses
Anknüpfungspunktes sei auf die Klägerin konsequenterweise das belgische Sozialversicherungsrecht anzuwenden,
nicht das deutsche Sozialversicherungsrecht. Deshalb sei eine von der Klägerin beantragte Vorlage an den EuGH zur
Einholung einer Vorabentscheidung nach Art. 234 EG-Vertrag nicht erforderlich. Aus dem Urteil des BSG vom 11.
Dezember 2003, Az.: B 10 EG 4/02 R ergebe sich nichts anderes. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit die dort
entschiedene Frage zum Anspruch auf Erziehungsgeld auf das vorliegende Verfahren Auswirkungen habe.
Mit der am 1. Juli 2004 (Eingang bei Gericht) beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung
begehrt die Klägerin weiterhin höhere monatliche Rente unter Berücksichtigung weiterer Kindererziehungs- und
Berücksichtigungszeiten für die in Belgien zurückgelegte Zeit der Kindererziehung. Zwar seien die Voraussetzungen
der §§ 56, 57, 249 SGB VI ihrem Wortlaut nach nicht erfüllt, weil weder die Klägerin noch ihr Ehemann unmittelbar vor
der Geburt Pflichtbeiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet hätten. Andererseits sei die Beschäftigung
des Ehemannes beim Internationalen Bauorden in Belgien nicht auf Dauer angelegt gewesen.
Die Rechtsansicht der Beklagten verstoße jedoch gegen europäisches Gemeinschaftsrecht, das Vorrang vor dem
nationalen Recht habe. Der deutsche Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass die Kinderziehung eine Leistung im
Interesse der Gesellschaft sei und dass dem Staat eine besondere Verpflichtung obliege, Familien mit Kindern
materiell zu unterstützen. Kinderziehungszeiten seien ein Teil des auch in anderen Rechtsgebieten verankerten
Familienlastenausgleichs. Mit ihnen solle dem Umstand Rechnung getragen werden, dass in Familien mit Kleinkindern
vielfach ein Ehegatte gar nicht oder später nur eingeschränkt in der Lage sei, eigene Rentenansprüche aufzubauen.
Sie sollen auch ein entscheidender Beitrag zu einer Gleichbewertung der Tätigkeit in der Familie und der
außerhäuslichen Erwerbstätigkeit sein. Zugleich seien Kinderziehungszeiten als entscheidender Beitrag zur
Verbesserung der eigenständigen sozialen Sicherung der Frau gedacht. Zu berücksichtigen sei ferner, dass die
Kinderziehung bestandssichernde Bedeutung für das System der Altersversorgung habe, denn die nachrückende
Generation bringe die Mittel für die Alterssicherung der jetzt erwerbstätigen Generation auf. Diese Voraussetzungen
seien hier erfüllt, da die drei in Belgien zeitweise erzogenen Kinder der Klägerin mittlerweile Beitragszahler der
deutschen Rentenversicherung sei-en. Der Normzweck des Gesetzes habe sich im Falle der Klägerin nur deswegen
nicht realisiert, weil der deutsche Gesetzgeber entgegen dem die Freizügigkeit der EU-Bürger sichernden
europäischen Sozialrecht unter Verletzung des Antidiskriminierungsgebots eine Kinderziehung in Belgien nicht
anerkenne. Die Klägerin beantrage daher nochmals, eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 EG-Vertrag
einzuholen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 20. April 2004 aufzuheben und die
Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17. Oktober 2000 in der Fassung der Bescheide vom 19. Dezember
2000 und 10. April 2001 sowie in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2002 zu verurteilen, ihr unter
Berücksichtigung weiterer Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für die Zeit vom 1. März 1964 bis 7. Juni
1970 höhere Altersrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Anknüpfungspunkt für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten sei nach der Rechtsprechung des EuGH eine
hinreichende Verbindung zwischen den Erziehungszeiten und den Versicherungszeiten aufgrund einer Beschäftigung.
Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin, anders als in den vom EuGH entschiedenen Fällen, nicht vor.
Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt
der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht
begründet.
Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 151 Abs. 1,
124 Abs. 2 SGG).
Gegenstand des Verfahrens ist der Rentenbescheid der Beklagten vom 17. Oktober 2000 in der Fassung des (weitere
rentenrechtliche Zeiten ablehnenden) Bescheides vom 19. Dezember 2000 und des (die Rentenhöhe neu
festsetzenden) Bescheides vom 10. April 2001 sowie in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2002,
soweit die Beklagte es darin abgelehnt hat, der Klägerin unter Berücksichtigung weiterer Kindererziehungs- und
Berücksichtigungszeiten für die vom 1. März 1964 bis 7. Juni 1970 in Belgien zurückgelegten Zeiten der
Kindererziehung der Kinder M. , M. und P. höhere monatliche Regelaltersrente zu zahlen. Das SG hat die dagegen
erhobene Klage mit Urteil vom 20. April 2004 zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
rentenerhöhende Berücksichtigung des streitigen Zeitraums als Kindererziehungszeit (§ 56 i.V.m. § 249 Abs. 1 SGB
VI) oder Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI).
Nach § 56 i.V.m. § 249 Abs. 1 SGB VI sind bei Kindern, die vor dem 1. Januar 1992 geboren wurden,
Kindererziehungszeiten die Zeiten der Erziehung des Kindes in dessen erstem Lebensjahr, wenn (u.a.) die Erziehung
im Gebiet der Bundesrepublik Deutsch-land erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht (§ 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI).
Eine Erziehung ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem
Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht gleich, wenn
der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung
oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit
Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten im Ausland auch, wenn der
Ehegatte des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5
Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war (§ 56 Abs. 3 SGB VI).
Berücksichtigungszeit ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem 10. Lebensjahr, soweit die
Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen (§ 57 S. 1 SGB VI).
Diese Voraussetzungen liegen - was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist - bei der Klägerin nicht vor. Die
Eheleute und die Kinder M. , M. und P. hatten im streitigen Zeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Belgien. Weder
die Klägerin selbst noch ihr Ehemann haben unmittelbar vor der Geburt des jeweiligen Kindes Pflichtbeiträge zur
deutschen Rentenversicherung aufgrund einer in Belgien ausgeübten Beschäfti-gung entrichtet. Die Klägerin selbst
hat in Belgien keine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt und war vor der Geburt ihrer Kinder in Deutschland zuletzt
bis zum 30. Juni 1962 als beamtete Lehrerin tätig. Die Berufsaufgabe erfolgte somit zehn Monate vor der
Übersiedlung nach Belgien und 19 Monate vor der Geburt des ersten Kindes. Ihr Ehemann war in Belgien
sozialversicherungspflichtig beschäftigt, doch bestand Versicherungspflicht nicht in der deutschen
Rentenversicherung, sondern ausschließlich in der belgischen Sozialversicherung. Er erhält aus diesen
Versicherungszeiten auch Leistungen des belgischen Sozialversicherungsträgers. Die Aufrechterhaltung familiärer
oder sonstiger sozialer Kontakte zum Bundesgebiet ist nicht geeignet, die Voraussetzung einer in der deutschen
Rentenversicherung sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu ersetzen. Deshalb kann dahinstehen, ob und in
welchem Umfang die Eheleute im streitigen Zeitraum solche Kontakte zum Bundesgebiet hatten. Aufgrund der
unzweifelhaft bestehenden Versicherungspflicht des Ehemanns in Belgien bedarf es auch keiner Prüfung, ob und in
welchem Umfang sein belgischer Arbeitgeber Beziehungen zum Deutschen Bauorden unterhalten hat. Dass der
Ehemann der Klägerin im Sinne einer Entsendung (§ 4 des Vierten Buches Sozialge-setzbuch - SGB IV -) in Belgien
beschäftigt gewesen wäre - worauf die Klägerin mit dem Hinweis auf eine nicht auf Dauer angelegte Beschäftigung in
Belgien anspielen dürfte -, ist von ihr nicht substantiiert vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich.
Dass bei der Klägerin für die Dauer der Kindererziehung in Belgien keine Kindererziehungs- bzw.
Berücksichtigungszeiten in der deutschen Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, verstößt nicht gegen
europäisches Gemeinschaftsrecht. Aus den Urteilen des EuGH vom 23. November 2000, Az.: C-135/99, und 7.
Februar 2002, Az.: C-28/00, ergibt sich - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht, dass bei Staatsangehörigen eines
Mitgliedstaates die Erziehung eines Kindes in einem anderen Mitgliedstaat stets einer Erziehung des Kindes im
erstgenannten Mitgliedstaat gleichzusetzen ist.
In der Sache C-135/99 (U. E.) hat der EuGH auf eine Vorlage des Bundessozialgerichts vom 24. Februar 1999, Az.: B
5/4 RA 82/97 R, festgestellt, Kindererziehungszeiten, die eine zur Zeit der Geburt des Kindes als Grenzgänger in
einem Mitgliedstaat beschäftigte und in einem anderen Mitgliedstaat wohnhafte Person in letzterem zurückgelegt
habe, seien für die Gewährung der Altersrente wie im Beschäftigungsstaat zurückgelegte Zeiten anzurechnen.
In diesem Fall hatte die Klägerin des Ausgangsverfahrens ihren Wohnsitz in Mai 1981 von Deutschland nach
Frankreich verlegt, wo sie mit ihrem Ehemann zusammenwohnte und im August 1984 einen Sohn zur Welt brachte.
Bis März 1985 war sie noch in Deutschland - als Grenzgängerin - versicherungspflichtig beschäftigt. Aufgrund dieser
Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung unterlag die Klägerin auch für die Zeit nach Aufgabe der
Beschäftigung gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchstabe a und b der Verordnung 1408/71 ungeachtet ihres Wohnsitzes in
Frankreich weiterhin dem deutschen Sozialversicherungsrecht, so dass die in Frankreich zurückgelegte
Kindererziehungszeit der deutschen Rentenversicherung zuzuordnen war.
In der Sache C-28/00 (L. K.) hat der EuGH auf eine Vorlage aus Österreich festgestellt, es sei mit europäischem
Recht unvereinbar, wenn ein Mitgliedstaat bei der Altersversicherung die Anerkennung von Kindererziehungszeiten,
die in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt worden seien, von der zweifachen Voraussetzung abhängig mache,
dass diese Zeiten nach dem Inkrafttreten der Verordnung 1408/71 zurückgelegt wurden und der Antragsteller für die
betreffenden Kinder Anspruch auf eine Geldleistung aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft oder entsprechende
Leistungen nach dem Recht dieses Staates habe oder gehabt habe, während dieselbe Zeit, wäre sie im Inland
zurückgelegt worden, ohne zeitliche Begrenzung oder sonstige Voraussetzung berücksichtigt werde.
In diesem Fall hatte die Klägerin des Ausgangsverfahrens bis August 1964 in ihrem Heimatland Österreich gearbeitet
und dort 1966, 1967 und 1969 Kinder zur Welt gebracht. Im April 1970 verlegte die Familie ihren Wohnsitz nach
Belgien, wo die Klägerin nicht erwerbstätig war. Sie kehrte später nach Österreich zurück und war ab September 1975
erneut in der österreichischen Sozialversicherung pflichtversichert. Sie unterlag damit zum Zeitpunkt der Geburt ihrer
Kinder dem Sozialversicherungsrecht ihres Heimatlandes Österreich. Diese Zuständigkeit blieb nach Ansicht des
EuGH gemäß Art. 13 Abs. 2 der Verordnung 1408/71 auch für die Dauer des Aufenthalts in Belgien erhalten. Dem ist
insoweit zuzustimmen, als Art. 13 Abs. 2 der Verordnung 1408/71 erst durch die Verordnung 2195/91 vom 25. Juni
1991 um einen Buchstaben f erweitert wurde, wonach eine Person, die nicht mehr den Rechtsvorschriften eines
Mitgliedstaats unterliegt, die bisher aufgrund der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit anwendbar waren, nunmehr den
Rechtsvorschriften des Wohnstaates unterliegt, wenn nicht gemäß Art. 13 bis 17 der Verordnung 1408/71 die
Rechtsvorschriften eines bestimmten Mitgliedstaats auf sie anwendbar sind. Diese Ausschlussklausel war im dort
streitigen Zeitraum noch nicht in Kraft, so dass der EuGH es zu Recht abgelehnt hat, sie auf den ihm vorliegenden
Fall anzuwenden.
Eine andere Frage ist, ob der EuGH Art. 13 Abs. 2 der Verordnung 1408/71 zu Recht bereits für die Zeit ab April 1970
- d.h. eine Zeit vor dessen Inkrafttreten - angewandt hat. Dies kann im vorliegenden Fall aber dahinstehen, da die in
diesem Berufungsverfahren streitigen Erziehungszeiten ausschließlich vor Inkrafttreten der Verordnung 1408/71
zurückgelegt worden sind und somit die zuständigkeitsbegründende Regelung des Art. 13 der Verordnung 1408/71 im
Falle der Klägerin keine Anwendung finden kann. Die Verordnung knüpft zwar tatbestandlich an bereits
abgeschlossene Sachverhalte an, ihr kommt aber auch nach Ansicht des EuGH (vgl. Urteil vom 7. Februar 2002, Az.:
C-28/00 Rdnr. 20 m.w.N.) keine rechtsgestaltende zeitliche Rückwirkung zu (vgl. Art. 94 Abs. 1 der Verordnung
1408/71, wonach diese Verordnung keinen Anspruch für einen Zeitraum vor dem 1. Oktober 1972 - ihrem Inkrafttreten
- oder vor ihrer Anwendung im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaates oder in einem Teil davon begründet).
Die Klägerin unterlag im streitigen Zeitraum nicht dem deutschen Sozialversicherungsrecht. Gemäß dem
Eingliederungsprinzip des Abkommens vom 7. Dezember 1957 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem
Königreich Belgien über Soziale Sicherheit (DBSVA) fanden auf die Klägerin während ihres gewöhnlichen Aufenthalts
in Belgien die Bestimmungen des dortigen Sozialversicherungsrechts Anwendung. Insoweit bedarf es keiner
Erörterung, ob die Klägerin in ihrer Tätigkeit als beamtete Lehrerin als Arbeitnehmerin im Sinne der Verordnung
1408/71 anzusehen ist und trotz ihrer Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne dieser
Verordnung der deutschen Sozialversicherung unterlegen hat. Für die Dauer ihres gewöhnlichen Aufenthalts in Belgien
war nach dem DBSVA eine weitere Zuständigkeit des deutschen Rentenversicherungsträgers für diesen Zeitraum
nicht mehr gegeben. Eine Fortgeltung der Zuständigkeit, wie sie Art. 13 Abs. 2 der Verordnung 1408/71 ab 1. Oktober
1972 für derartige Fälle geregelt hat, sah das DBSVA - wie in derartigen Sozialversicherungsabkommen üblich - nicht
vor. Damit unterlag die Klägerin zum Zeitpunkt der Geburt ihrer Kinder ausschließlich belgischem
Sozialversicherungsrecht und könnte Ansprüche aus den in Belgien zurückgelegten Zeiten der Kindererziehung nur
nach dem dortigen Recht beanspruchen.
Dass die Klägerin damit gegenüber Versicherten benachteiligt wird, die vor der Geburt eines Kindes
Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung erworben, unmittelbar vor der Geburt des Kindes aber
keine Pflichtbeitragszeit mehr zurückgelegt haben und - bis zum Inkrafttreten des Art. 13 Buchstabe f der Verordnung
1408/71 - unter der Geltung des Art. 13 der Verordnung 1408/71 in einen anderen Mitgliedstaat der EU verzogen sind,
ist nicht zu bestreiten. Dies stellt aber keine unzulässige Diskriminierung dar, da die Ungleichbehandlung auf den
unterschiedlichen Zuständigkeitsprinzipien der Sozialversicherungsabkommen einerseits und der Verordnung 1408/71
andererseits beruht. Im Übrigen ergibt sich seit Einfügen des Buchstaben f in Art. 13 der Verordnung 1408/71 für die
Klägerin auch europarechtlich kein anderes Ergebnis mehr. Zwar hat der EuGH in der Rechtssache C-28/00 (Rdnr. 31
ff.) unter Bezugnahme auf die Rechtssache C-135/99 ausgeführt, im dortigen Fall würde auch Art. 13 Buchstabe f der
Verordnung 1408/71 einer Gleichstellung der im anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Kindererziehungszeiten mit
inländischen Kinderziehungszeiten nicht entgegenstehen. Diese Aussage beruht aber darauf, dass die Klägerinnen in
beiden Ausgangsverfahren zum Zeitpunkt der Geburt ihrer Kinder tatsächlich noch dem inländischen
Sozialversicherungsrecht (als Grenzgänger bzw. aufgrund der Geburt des Kindes im Inland) unterlagen. Dies war bei
der Klägerin dieses Berufungsverfahrens gerade nicht der Fall.
Aufgrund der Tatsache, dass anders als in den vom EuGH entschiedenen Fällen keine hinreichende Verbindung
zwischen den in Deutschland vor der Geburt der Kinder zurückgelegten Versicherungszeiten und den Zeiten der
Kindererziehung in Belgien be-steht, hält der Senat ein Ersuchen an den EuGH um Vorabentscheidung nach Art. 234
EG-Vertrag nicht für erforderlich.
Verstößt § 56 Abs. 3 SGB VI im vorliegenden Fall nicht gegen Gemeinschaftsrecht, hat es die Beklagte zu Recht
abgelehnt, den streitigen Zeitraum bei der Berechnung der Altersrente der Klägerin rentenerhöhend zu
berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung (§193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass die Klägerin mit ihrem Klagebegehren auch im
Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.