Urteil des LSG Bayern vom 16.12.2003

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Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 16.12.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 20 U 551/96
Bayerisches Landessozialgericht L 3 U 401/00
Bundessozialgericht B 2 U 14/04 R
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. Juli 2000 aufgehoben und
die Klage gegen die Auflage zu Ziffer 1 a des Genehmigungsbescheides vom 14.06.1996 abgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Auflage, mit der die Beklagte ihre aufsichtsbehördliche
Genehmigung zur Gründung einer GmbH durch die Klägerin verband.
Am 30.11.1994 wandte sich die klagende Berufsgenossenschaft an das Bundesversicherungsamt (nachfolgend:
Beklagte). Sie teilte mit, ihr Vorstand habe die Einrichtung eines überbetrieblichen sicherheitstechnischen Dienstes im
Sinne des § 719 a Reichsversicherungsordnung (RVO) in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
beschlossen. Die Gesellschaftereinlage solle 200.000,00 DM betragen und aus Rücklagemitteln der BG bestritten
werden. Die GmbH mit dem Namen "Beratungsgesellschaft für Arbeits- und Gesundheitsschutz mbH" (BfAG) werde
Aufgaben nach § 6 Arbeitssicherheitsgesetz (AsiG) übernehmen. Die entsprechenden Unterlagen, wie
Gesellschaftsvertrag, Niederschriften über die Vorstandssitzungen und anderes seien beigefügt.
Als Gegenstand des Unternehmens wurde im Gesellschaftsvertrag die Beratung, Information und Aufklärung von
Unternehmen über arbeits- und gesundheitsbezogene Präventivmaßnahmen bezeichnet. Zweck der GmbH sei die
Förderung und Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Die Gesellschaft verfolge ausschließlich und
unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts "Steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung. Das
Stammkapital betrage 200.000,00 DM und werde in voller Höhe vom Alleingesellschafter, nämlich der Klägerin,
gehalten. Gesellschaftsorgane seien die Geschäftsführung, der Beirat und der Alleingesellschafter (Fassung des
Gesellschaftsvertrags vom 21.09.1995). Geschäftsführer seien entweder der Hauptgeschäftsführer der Klägerin allein
oder dieser zusammen mit dem jeweiligen Leiter des technischen Aufsichtsdienstes oder dem Leiter der Prävention
der Klägerin. Der Beirat bestehe aus sechs Mitgliedern des jeweiligen Vorstands der Beklagten. Ihm gehörten der
Vorstandsvorsitzende und der stellvertretende Vorstandsvorsitzende sowie je zwei Mitglieder aus dem Kreis der
Arbeitgeber und der Versicherten an. Der Beirat habe die Tätigkeit der Geschäftsführung zu überwachen. Daneben
habe er auch eigene Geschäfte wahrzunehmen, wie den Abschluss und die Änderung von Anstellungsverträgen mit
Personen, deren Bruttojahresentgelt über 100.000,00 DM liege, die Bestellung des Prokuristen und anderes. Der
Gesellschafterversammlung obliege die Entscheidung über die Teilung von Geschäftsanteilen, die Auflösung der
Gesellschaft und ähnliches. Bei Auflösung der Gesellschaft solle deren Vermögen, soweit dieses die eingezahlten
Kapitalanteile der Gesellschafter und den gemeinen Wert der von der Klägerin geleisteten Sacheinlagen übersteigen
würden, an die Klägerin fallen.
Die nachfolgend zwischen den Beteiligten geführte Korrespondenz konzentrierte sich auf Fragen, ob die Erfüllung von
Aufgaben gemäß § 719 a RVO mit der Möglichkeit eines Anschlusszwangs für die bei der Klägerin versicherten
Unternehmen in einer privatrechtlichen Organisationsform rechtlich umsetzbar sei, wie die Vergütungen der
Gesellschaftsorgane und Angestellten zu regeln seien, ob ein Stimmbindungsvertrag zwischen der Klägerin als
Selbstverwaltung und der von ihr in die Aufsichtsgremien der Gesellschaft entsandten Personen geschlossen werden
sollte und auf welche Weise die Prüfrechte der Beklagten sichergestellt und im Gesellschaftsvertrag verankert werden
könnten. Am 25.04.1995 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihr Antrag auf Errichtung eines überbetrieblichen
sicherheitstechnischen Dienstes in der Rechtsform einer GmbH sei genehmigungsfähig, wenn bestimmte
Bedingungen erfüllt würden. Daraufhin änderte die Klägerin in mehreren Punkten den Gesellschaftsvertrag ab
(Fassung vom 21.09.1995) und beantragte am 20.09.1995 eine Vorabgenehmigung. Unter anderem regelte sie wegen
des von der Beklagten gewünschten Prüfrechts in § 9 Abs.3 des Gesellschaftsvertrags, dass die Geschäftsführung
auf Verlangen des Alleingesellschafters alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen habe, die dieser oder seine
Aufsichtsbehörde zur Prüfung der wirtschaftlichen Lage benötige. Sie legte den Entwurf einer Satzungsänderung vor.
Darin war die Einrichtung eines überbetrieblichen sicherheitstechnischen Dienstes nach § 719 a RVO als Teil der
Verwaltung der Klägerin vorgesehen. Diese Abteilung sollte sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 6 AsiG auch der
Hilfe Dritter - also auch der GmbH - bedienen können. Ein Anschlusszwang, so führte die Klägerin aus, lasse sich so
öffentlich-rechtlich umsetzen. Mit der Gründung einer GmbH wolle sie der Tendenz entgegenwirken, dass sich private
"Arbeitsschutzberater" etablierten, die für Unternehmen tätig würden, die weniger als 20 Mitarbeiter beschäftigten und
somit nach § 719 Abs.1 RVO keine eigenen Sicherheitsfachkräfte beschäftigen müssten. Denn mit Hilfe dieser
privaten Arbeitsschutzberater könnten sich die Unternehmen von ihrer gesetzlichen Pflicht, Betriebsärzte,
Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit anstellen zu müssen, nach § 719 a Satz 4 RVO
befreien. Das Bestreben der Klägerin gehe dahin, qualitätssichernd tätig zu werden. Dies könne sie in der Rechtsform
einer dem Privatrecht angehörenden GmbH besser als in öffentlich-rechtlicher Funktion. Privatrechtlich organisiert
könne sie Personal kostengünstiger und flexibler einsetzen. Sie sei so im Verhältnis zu den privaten
Arbeitsschutzberatern konkurrenzfähiger.
Am 20.03.1996 genehmigte die Beklagte die überarbeitete Satzungsänderung der Klägerin.
Am 14.06.1996 erteilte sie einen Genehmigungsbescheid nach § 85 des Vierten Sozialgesetzbuches (SGB IV). Darin
genehmigte sie die Errichtung der BfAG mbH entsprechend dem Antrag der Klägerin vom 20.09.1995 mit einer
Stammeinlage in Höhe von 200.000,00 DM verbunden mit mehreren Auflagen. Unter anderem verlangte sie in der
Auflage 1 a eine Regelung in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen, nach der es dem BVA als Aufsichtsbehörde der
Klägerin gestattet wird, die Geschäfts- und Rechnungsführung der Gesellschaft zu prüfen und worin die Gesellschaft
sich verpflichtet, dem BVA auf Verlangen alle Unterlagen vorzulegen und alle Auskünfte zu erteilen, die zur Ausübung
der Aufsicht aufgrund pflichtgemäßer Prüfung gefordert würden. Zu letzterem Punkt führte die Beklagte aus, der
gesetzlichen Sozialversicherung seien die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, der Selbstverwaltung und Aufsicht
immanent. Unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Mittel komme die Genehmigung unter einer Auflage zur
Sicherung der Aufsichtsrechte in Betracht.
Dagegen hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) München Klage erhoben und zuletzt nur noch beantragt, die Auflage
1 a des Genehmigungsbescheids vom 14.06.1996 aufzuheben. Ihr Selbstverwaltungsrecht aus § 29 Abs.1 SGB IV
gehe dem Aufsichtsrecht der Beklagten vor. Die Auflage sei unzulässig, denn es liege kein Fall des § 85 SGB IV vor.
Die Beklagte könne zwar die Geschäfts- und Rechnungsführung der Klägerin selbst prüfen, habe aber kein Recht,
direkt und unmittelbar die Geschäftstätigkeit der GmbH zu überprüfen. Die Beklagte hat ihre Auffassung für zutreffend
gehalten. Rechtsgrundlage sei § 88 SGB IV. Das Prüfrecht bestehe auch dann, wenn eine Einrichtung in
privatrechtlicher Form betrieben werde, aber ein Versicherungsträger die Organisations- und Leitungsgewalt innehabe.
Mit Urteil vom 25.07.2000 hat das SG die Auflage 1 a des Genehmigungsbescheids vom 14.06.1996 aufgehoben. Die
Beklagte habe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beachtet. Für ein Aufsichtsrecht der Beklagten gegenüber
der GmbH finde sich keine Rechtsgrundlage.
Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und ihren Standpunkt aufrecht erhalten. In jüngerer Zeit seien viele
Sozialversicherungsträger dazu übergegangen, eigene Aufgaben an GmbHs oder andere juristische Personen des
Privatrechts auszulagern. Diese Entwicklung fordere eine funktionale Betrachtungsweise des § 88 SGB IV. Es dürfe
hinsichtlich der Prüfrechte kein Unterschied zwischen solchen Versicherungsträgern, die Aufgaben auslagerten und
solchen, die dies nicht täten, geben. Im Übrigen gehöre die BfAG mbH zu 100 % der Klägerin; es existiere somit kein
privater Gesellschafter, dessen Rechte zu wahren wären. Die Klägerin hat die Entscheidung des SG für zutreffend
gehalten. Insbesondere komme durch den Wegfall des bis 1976 geltenden § 34 Abs.1 RVO der gesetzgeberische
Wille zum Ausdruck, dass nur noch die Haushalts- und Rechnungsführung des Versicherungsträgers selbst und nicht
auch die seiner Einrichtungen der Aufsicht unterliegen sollen.
Die Beklagte beantragt,
auf ihre Berufung das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.07.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.07.2000 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der
Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist nach § 143 SGG zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des SG
und zur Abweisung der Klage, denn die Auflage 1 a zum Genehmigungsbescheid vom 14.06.1996 ist rechtmäßig.
Dass eine Auflage eine selbständige Nebenbestimmung ist und gesondert angefochten werden kann, wird in
Rechtsprechung und Literatur bejaht (von Wulffen, SGB X, 4. Auflage, § 32 Anm.33 bis 35 m.w.N.). Anders wäre die
Rechtslage nur bei einer sog. modifizierten Auflage. Darunter ist eine Bestimmung zu verstehen, die in einem so
engen Zusammenhang mit der Regelung des Hauptverwaltungsaktes steht, dass sie ihrem Rechtsgehalt nach von
diesem nicht getrennt werden könnte (von Wulffen, a.a.O.). Für die Annahme einer solchen modifizierten Auflage
findet sich kein Anhalt. Der Regelungsgehalt des Genehmigungsbescheids vom 14.06.1996 läßt eine solche
Abhängigkeit der Genehmigung von der Erfüllung der Auflage weder aus seinem Wortlaut noch aus seinem Sinngehalt
heraus erkennen. Zudem erklärte die Beklagte in ihrem Schreiben vom 13.05.1997 gegenüber dem Sozialgericht
ausdrücklich, dass die angefochtene Nebenbestimmung nicht unmittelbar Einfluss auf die Wirksamkeit der
Genehmigung haben solle. Die Klage war daher - wie das SG bereits zutreffend feststellte - zulässig.
Sie ist jedoch nicht begründet, weil die Auflage 1 a rechtmäßig ist. Entgegen der Auffassung des SG steht sie nicht
im Widerspruch zu § 88 Abs.1 SGB IV; sie schränkt das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin nicht rechtswidrig und
nicht unangemessen ein. Andererseits wird die Erfüllung der Auflage 1 a, nämlich das Einräumen der Prüfbefugnis
gegenüber der GmbH, nicht bereits unmittelbar von dem für die Erteilung der Genehmigung maßgeblichen
gesetzlichen Tatbestand vorausgesetzt. Würde sich das geforderte Prüfrecht bereits unmittelbar aus dem Gesetz,
z.B. aus §§ 83, 85 oder 88 SGB IV ergeben, wäre eine Auflage gar nicht zulässig. Die vorgenannten Vorschriften
räumen der Beklagten kein solches Prüfrecht ein. § 83 SGB IV schreibt vor, unter welchen Voraussetzungen Teile der
Rücklage, welche zu bilden ist, um Einnahme- und Ausgabeschwankungen ausgleichen zu können (§ 82 SGB IV),
anderweitig angelegt werden dürfen. Die behördliche Genehmigung von Beteiligungen eines Versicherungsträgers an
gemeinnützigen Einrichtungen wird in § 85 Abs.1 SGB IV genannt. Eine solche Genehmigung ist keine Maßnahme
der Rechtsaufsicht im Sinne des § 87 Abs.1 SGB IV, sondern Ausfluss des Mitwirkungsrechts des Staates, das
weiter reicht als eine bloße Rechtskontrolle (BSG, Urteil vom 09.12.1997 - 1 RR 3/94; Beschluss vom 31.03.1998 - B
1 A 1/96 B; Urteil vom 07.11.2000 - B 1 A 4/99 R). Andererseits ist die Befugnis der Genehmigungsbehörde nicht mit
einer Sachaufsicht gleichzusetzen im Sinne eines umfassenden Prüfungs- und Weisungsrechts. Denn dem
Versicherungsträger steht im Hinblick auf seine mit dem Selbstverwaltungsrecht aus § 29 Abs.1 SGB IV verbundene
Personal- und Finanzhoheit auch da, wo das Gesetz eine aufsichtsrechtliche Genehmigung vorschreibt, ein Spielraum
für die Gestaltung der eigenen personellen und organisatorischen Belange zu. Es besteht somit eine untrennbare
Beziehung zwischen dem Ausmaß des Beurteilungsspielraums der Aufsichtbehörde und dem Selbstverwaltungsrecht
des Versicherungsträgers, wie das SG in ähnlicher Weise ausführte. Werden die Grenzen des Beurteilungsspielraums
nicht überschritten, so ist das Selbstverwaltungsrecht nicht verletzt. Es kommt daher auf den Sinngehalt der
Vorschrift an, die den Genehmigungsvorbehalt vorsieht, hier also auf § 85 Abs.1 SGB IV i.V.m. § 83 Abs.1 Nr.7 SGB
IV, da die Beteiligung aus der Rücklage der Klägerin bestritten werden soll. Die Auffassung der Klägerin, die Gründung
einer GmbH mit der vollständigen Zahlung des Stammkapitals aus ihrer Rücklage sei keine Beteiligung im Sinne des
Gesetzes, geht fehlt. Denn wenn schon die Beteiligung unter den Genehmigungsvorbehalt fällt, so muss erst Recht
die Gründung einer GmbH, bei der das gesamte Stammkapital aus der Rücklage eines Versicherungsträgers stammt,
darunter verstanden werden. Es geht daher um die Verwendung öffentlicher Gelder und damit verbunden auch um die
Kontrolle einer solchen Verwendung. In § 82 SGB IV ist festgehalten, dass die Rücklage anders als die Betriebsmittel
(§ 81 SGB VI) der Sicherstellung der Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers zu dienen hat, insbesondere um
Einnahmen- und Ausgabenschwankungen ausgleichen zu können. Dies zeigt, dass Kapital aus der Rücklage so
anlagesicher wie möglich und mit einer entsprechenden Verzinsung zu verwenden ist. Dies zu überprüfen ist - neben
den anderen in den §§ 83, 85 SGB IV genannten Voraussetzungen - Aufgabe der Genehmigungsbehörde. Auf den
vorliegenden Streit bezogen stößt eine solche Prüfung auf Schwierigkeiten tatsächlicher Art, weil bei einer erst zu
gründenden GmbH keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, ob die Gesellschaft Gewinn oder Verlust erzielen wird.
Es kann daher lediglich eine Prognose angestellt werden, wie dies die Beklagte in der Begründung ihrer
Genehmigungsentscheidung zum Ausdruck bringt. Aus diesem Gesichtspunkt rechtfertigt sich bereits die Forderung
der Beklagten, die Geschäfts- und Rechnungsführung der GmbH direkt prüfen zu wollen, wie dies in § 88 Abs.1 und 2
SGB IV für den Versicherungsträger selbst vorgesehen ist. Denn würde man die Beklagte darauf verweisen - was die
Klägerin erreichen will -, nur über den Geschäftsführer der GmbH Unterlagen anfordern zu können, so könnte eine
Prüfung nicht rasch und nicht unmittelbar durchgeführt werden, ganz abgesehen von der Schwierigkeit, wenn - was
rechtlich möglich wäre - in Abänderung des Gesellschaftsvertrags andere private Gesellschafter mit aufgenommen
würden. Dabei verkennt der Senat nicht, dass in der Regel wohl eine indirekte Prüfung, d.h. indem der
Alleingesellschafter aufgefordert wird, die entsprechenden Unterlagen vorzulegen, ausreichen mag. Jedoch muss der
Aufsichtsbehörde die Möglichkeit eingeräumt werden, im Falle eines ungünstigen Geschäftsverlaufs im Rahmen ihrer
Befugnisse zur Sicherung öffentlicher Gelder einschreiten zu können.
Der Senat teilt zwar die in der Literatur vertretene Meinung (Kassler Kommentar, § 88 SGB IV Anm.2 ; Hauck, SGB
IV; K § 88 Anm.3), dass die Aufsichtsbehörde nach § 88 SGB IV nicht das private Unternehmen selbst, sondern nur
die Tätigkeit und die Mittelverwendung des Versicherungsträgers für dieses Unternehmen überprüfen kann. Er hält es
jedoch gerade wegen dieser Rechtslage für geboten, der Beklagten im Gesellschaftsvertrag verankerte Prüfrechte
einzuräumen. Wie bereits ausgeführt, wäre die Auflage 1 a nicht nur überflüssig, sondern sogar rechtswidrig, wenn
sich ein solches Prüfrecht gegenüber der GmbH bereits aus dem Gesetz selbst ergeben würde. Unter dem
Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit konnte die Beklagte daher einerseits die Genehmigung erteilen und diese
andererseits mit der Auflage zur Sicherung ihrer Prüfrechte verbinden. Sie überschreitet damit nicht das ihr in § 85
Abs.1 SGB IV eingeräumte Mitwirkungsrecht und schränkt auch nicht das der Klägerin zustehende
Selbstverwaltungsrecht rechtswidrig ein.
Dieser Prüfbefugnis stehen auch keine schutzwürdigen Belange der als selbständige Rechtspersönlichkeit zu
betrachtenden GmbH entgegen. Zwar ist § 34 RVO a.F., in dem ausdrücklich geregelt war, dass die von den
Versicherungsträgern errichteten oder unterhaltenen Einrichtungen der staatlichen Aufsicht unterstehen, mit
Inkrafttreten des SGB IV weggefallen. Jedoch sollte § 34 RVO a.F. nach dem Willen des Gesetzgebers
(Bundestagsdrucksache 7/4122, Begründung zu § 89, Entwurf zum SGB IV) nicht ersatzlos gestrichen werden,
sondern § 88 SGB IV sollte die §§ 31 und 34 RVO mit sachgerechten Modifizierungen entsprechend den allgemeinen
Grundsätzen des Aufsichtsrechts zusammenfassen (Schirmer/Kater/Schneider, Aufsicht in der Sozialversicherung
310, S.3). Somit soll die Aufsichtsbehörde alle Einrichtungen, die der Versicherungsträger unabhängig von den
jeweiligen Eigentums- oder Besitzverhältnissen allein oder gemeinsam mit anderen betreibt, prüfen können, wenn dem
Versicherungsträger die Organisations- und Leitungsgewalt zusteht. Das Prüfrecht soll sich unter solchen Umständen
auch dann auf die Einrichtung erstrecken, wenn diese in privatrechtlicher Rechtsform betrieben wird
(Schirmer/Kater/Schneider, a.a.O.). Diese Prüfbefugnis greift nicht in das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin in
unangemessener Weise ein. Die Klägerin würde diesem Aufsichtsrecht auch dann unterstehen, wenn sie die Arbeits-
und Sicherheitsdienste, die sie über die GmbH anbieten will, mit den Mitteln ihrer Organisation und Verwaltung
verrichten würde. In der Tat würde es zu einer Umgehung des staatlichen Prüfungsrechts führen, wollte man
Aufgaben, die der Versicherungsträger in einer Rechtsform des Privatrechts erfüllt, nicht in die Prüfungsbefugnis mit
einbeziehen. Anders ausgedrückt können Versicherungsträger den Umfang der Aufsicht nicht durch die Wahl ihrer
rechtlichen Betätigungsform einschränken. Die "Universalität" der Aufsicht hat letztlich ihren Grund darin, dass an der
richtigen Durchführung der Sozialversicherung in allen ihren Ausprägungen ein öffentliches Interesse besteht, neben
dem ein unabhängiges "privates" Interesse der Versicherungsträger an aufsichtsfreien Betätigungsformen nicht
anerkannt werden kann (Schirmer/Kater/Schneider, a.a.O., 310 S.12).
Der Senat verkennt nicht, dass eine solche beabsichtigte oder unbeabsichtigte Umgehung der staatlichen Prüfrechte
allein nicht die Befugnis begründen kann, ein in der Rechtsform des Privatrechts geführtes Unternehmen, an dem ein
Versicherungsträger beteiligt ist, umfassend prüfen zu dürfen. Denn in einem solchen Fall wäre zu beachten, ob nicht
berechtigte Interessen solcher privater Personen beeinträchtigt würden, die ihrerseits neben dem öffentlich-rechtlichen
Versicherungsträger an dem Unternehmen beteiligt sind. Ob und unter welchen Voraussetzungen in einer solchen
Konstellation das Prüfrecht der Aufsichtsbehörde eingeschränkt wäre, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn
im vorliegenden Streit liegen die tatsächlichen Verhältnisse insoweit anders. Die Klägerin ist Alleingesellschafterin,
was nach dem GmbH-Recht (§ 1 GmbH-Gesetz, Baumbach/Hueck; GmbH-Gesetz § 1 Anm.48 f.) zulässig ist;
andere, eventuell dem Privatrecht zuzuordnende Personen sind nicht an der GmbH beteiligt. Die Interessen Privater
können somit nicht berührt werden. Es sind keine Gründe zu erkennen, die es rechtfertigen würden, die allein von der
Klägerin geführte GmbH der Aufsicht durch die Beklagte entziehen zu wollen. Das Verlangen der Beklagten in der
Auflage 1 a hält sich in den Grenzen ihrer gesetzlichen Befugnisse und tangiert weder berechtigte Interessen der
Klägerin als Selbstverwaltungskörperschaft noch berechtigte Interessen privater Beteiligter. Der Senat kommt daher
zum Ergebnis, dass die angefochtene Auflage 1 a rechtmäßig ist. Dies führt zur Aufhebung des Urteils des SG vom
25.07.2000 und zur Abweisung der Klage im Rahmen der gestellten Anträge.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 Abs.1 und 4 SGG.
Die höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage des Umfangs des Prüfungsrechts der Aufsichtsbehörde gegenüber
einer GmbH, deren Alleingesellschafter ein öffentlich-rechtlicher Versicherungsträger ist, begründet die Zulassung der
Revision gem. § 160 Abs.2 Nr.1 SGG.