Urteil des LSG Bayern vom 13.11.2002

LSG Bayern: wartezeit, falsche auskunft, unrichtige auskunft, neues recht, erwerbsunfähigkeit, beitragspflicht, beendigung, mitgliedschaft, versicherungspflicht, erfüllung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 13.11.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 9 LW 62/00
Bayerisches Landessozialgericht L 16 LW 46/01
Bundessozialgericht B 10 LW 10/03 B
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23. Juli 2001 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen. -
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente nach § 13 des Gesetzes über die
Alterssicherung der Landwirte (ALG) und dabei insbesondere über die Wartezeiterfüllung gemäß §§ 17, 18, 90, 93, 94
ALG.
Der am 1949 geborene Kläger war als Landwirt zwischen 01.07.1970 und 31.08.1985 Mitglied der Beklagten und hat
für diese Zeit Beiträge entrichtet. Durch Verkauf von Grundstücken hat er ab 01.09.1985 sein Unternehmen derart
verkleinert, dass es keine Existenzgrundlage im Sinne des Gesetzes über die Altershilfe für Landwirte (GAL) mehr
darstellte. Mit Schreiben vom 25.09.1987 teilte die Beklagte dem Kläger die Beendigung der Mitgliedschaft und der
Beitragspflicht zur Landwirtschaftlichen Alterskasse ab 01.09.1985 mit. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass
für insgesamt 182 Kalendermonate Beitragspflicht bestanden habe, wie einem beiliegenden Merkblatt zu entnehmen
sei und für einen späteren Anspruch auf Altersgeld Beiträge weiterentrichtet werden müssen. Für die Erklärung zur
Weiterentrichtung habe er drei Monate nach Bekanntgabe des Bescheides Zeit. In diesem Schreiben wurde auch auf
die Möglichkeit der Beitragszuschussgewährung hingewiesen. Mit diesem Schreiben sind dem Kläger neben dem
Merkblatt über die Beitragsweiterentrichtung auch ein Erklärungsvordruck, ein Sondermerkblatt, ein Antrag auf
Zuschuss, zwei Verkaufsurkunden sowie ein Auszug aus einem Flurbereinigungsplan zugegangen. In der Akte der
Beklagten ist unter dem Datum 19.10.1987 ein Anruf der Ehefrau des Klägers vermerkt; diese wollte wissen, wie viele
Beiträge zur LAK entrichtet wurden, und teilte mit, dass die Weiterentrichtung wahrscheinlich nicht gewählt werde. Es
werde auch kein Antrag auf Beitragszuschuss gestellt. Der Bearbeiter, dessen Namen in der Aktennotiz nicht
erkennbar ist, vermerkte weiter, dass eine Aufklärung über § 27 GAL erteilt wurde; in dieser Niederschrift wurde die
Höhe der zwischen 1970 und 1985 bezahlten Beiträge errechnet. Da eine weitere Äußerung des Klägers nicht
eingegangen ist, wies die Beklagte mit Schreiben vom 30.06.1988 auf die Möglichkeit der Beitragserstattung nach §
27a GAL oder § 48 GAL hin. Weiterer Schriftwechsel ist den von der Beklagten vorgelegten Akten nicht zu
entnehmen.
1997 begehrte die Ehefrau telefonisch Aufklärung über eine Erwerbsunfähigkeitsrente für den Kläger. Sie wurde
darüber informiert, dass die Voraussetzungen der lückenlosen Beitragszahlung nicht erfüllt seien. Die Ehefrau des
Klägers vertrat die Ansicht, sie sei damals über dieses Erfordernis nicht aufgeklärt worden. Nach Prüfung der
Unterlagen wurde die Ehefrau des Klägers über den damaligen Ablauf unterrichtet. Sie bat daraufhin um Feststellung,
ob Beiträge erstattet werden können und ob die Möglichkeit einer Nachzahlung zum jetzigen Zeitpunkt bestehe.
Im Bescheid vom 27.01.1998 wurde die Hälfte der zwischen 01.07. 1970 und 31.08.1985 entrichteten Beiträge
erstattet und der zu erstattende Betrag auf 6.009,60 DM festgesetzt. Die Erstattung wurde auf die Hälfte begrenzt, da
eine Erstattung nach § 117 Abs.1 ALG nicht möglich sei, da der Antrag nicht innerhalb von zwei Jahren nach Ende
der Beitragspflicht, also nicht bis spätestens 31.08.1987 gestellt worden ist. Da der Kläger am 31.12. 1994 keine
Beiträge zur Altershilfe für Landwirte gezahlt habe und eine Erstattung nach dem bis 31.12.1994 geltenden Recht
gemäß § 27a GAL möglich war, habe er Anspruch auf Erstattung nach § 76 Abs.1 Satz 1 ALG und zwar auf die Hälfte
der Beiträge.
Gegen diesen Erstattungsbescheid erhob der frühere Bevollmächtigte Widerspruch und beantragte die vollständige
Erstattung der Beträge. Die Entscheidung über diesen Widerspruch wurde zurückgestellt, da zwischenzeitlich am
25.05.1998 Rente beantragt wurde.
Den Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.07.1998
ab, da der Kläger nach In-Kraft-Treten des ALG am 01.01.1995 keine Beiträge zur Landwirtschaftlichen Alterskasse
entrichtet habe. Beiträge, die vor dem 01.01.1995 gezahlt wurden, würden nach § 90 Abs.1 ALG nur dann auf die
Wartezeit angerechnet, wenn bis zum 31.12. 1994 lückenlos Beiträge zur Alterskasse gezahlt wurden. Da der Kläger
keine Weiterentrichtungserklärung abgegeben habe, seien die bis 1985 gezahlten Beiträge auf die Wartezeit nicht
anrechenbar. Die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente seien daher nicht geprüft
worden.
Mit Schreiben vom 21.07.1998, dessen Eingang bei der Beklagten nicht feststellbar war, bzw. mit Schreiben vom
29.07.1998 wurde gegen den rentenablehnenden Bescheid vom 08.07.1998 Widerspruch erhoben; der Kläger habe
Pflichtbeiträge zur LVA Ober- und Mittelfranken bezahlt und beziehe von dort seit 01.01.1997 Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit, so dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Beiträge wurden dort von
1963 bis 1977 und September 1985 bis Dezember 1997 berücksichtigt.
Der Widerspruch wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.1998 zurückgewiesen mit der
Begründung, bei Beendigung der Mitgliedschaft 1987 sei der Kläger über die Notwendigkeit der Weiterentrichtung von
Beiträgen bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit bzw. bis zur Vollendung des 60. Lebensjahrs aufgeklärt worden. Ein
Anspruch auf Rente bestehe nicht, da er die nach § 13 i.V.m. § 90 ALG erforderliche Wartezeit von fünf Jahren nicht
erfüllt habe. Beiträge, die vor dem 01.01.1995 entrichtet wurden, könnten nicht auf die Wartezeit angerechnet werden,
da er ab dem 01.09.1985 keine Beiträge zur Landwirtschaftlichen Alterskasse mehr entrichtet habe und zu diesem
Zeitpunkt weder 60 Jahre alt noch erwerbsunfähig war. Diese Vorschrift entspräche der bis 31.12.1994 geltenden
Rechtslage, wonach ein Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente nur bei lückenloser Beitragszahlung bestand. Das ab
01.01.1995 geltende Recht fordere zwar keine lückenlose Beitragszahlung mehr, aber mit der
Anrechnungsbestimmung des § 90 ALG sollte der bisherige Rechtszustand für Beitragszeiten vor dem 01.01. 1995
aufrecht erhalten bleiben. Auch die Berücksichtigung von Pflichtbeitragszeiten im Sinne des SGB VI, die zur LVA
entrichtet wurden, nach § 17 Abs.1 Satz 2 ALG erfordere mindestens einen anrechenbaren Kalendermonat nach dem
ALG. Da nach dem ALG jedoch keine Beiträge vorhanden seien, könne auch diese Anrechnung nicht erfolgen. Der
Widerspruch wurde nicht mit der Klage angegriffen.
Im Verfahren um die Beitragserstattung hat die Beklagte am 22.12.1999 den Widerspruch ebenfalls zurückgewiesen.
Ein Klageverfahren ist beim SG Nürnberg anhängig (Az.: 9 LW 10/00). Es wurde dessen Aussetzung beantragt, bis
über den Rentenanspruch des Klägers entschieden sei.
Am 02.07.1999 wurde die Einleitung eines Rentenverfahrens beantragt. Diesen Rentenantrag lehnte die Beklagte im
jetzt streitigen Bescheid vom 13.08.1999 unter Hinweis auf den rechtskräftigen Bescheid vom 08.07.1998 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.09.1998 ab, da eine Änderung der Sach- und Rechtslage nicht
eingetreten sei.
Im Widerspruch wurde vorgetragen, es bestehe Anspruch auf Überprüfung des früheren Bescheides nach § 44 Abs.1
SGB X. Zu Unrecht sei dem Kläger in den genannten rechtskräftigen Bescheiden Erwerbsunfähigkeitsrente versagt
worden. Unstreitig sei der Kläger erwerbsunfähig seit Oktober 1997 und im Rahmen des § 17 Abs.1 Satz 2 ALG seien
auf die Wartezeit die vom Kläger zur LVA Oberfranken und Mittelfranken entrichteten Pflichtbeiträge anzurechnen.
Das Gesetz fordere keineswegs mindestens einen anrechenbaren Kalendermonat nach dem ALG. Im Übrigen habe
der Kläger ja zwischen dem 01.07.1970 und 31.08.1985 erhebliche Beiträge zur Landwirtschaftlichen Alterskasse
entrichtet.
Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.08.1999 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2000
zurückgewiesen. Die früheren Bescheide seien in der Sache bindend geworden und ein Aufgreifen sei nach § 44 SGB
X nicht möglich, da weder Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestehen noch konkrete Anhaltspunkte dafür
gegeben seien, dass eine neue Sachprüfung zu einer anderen Sachentscheidung führen könne. Der Bescheid vom
29.09. 1998 sei desalb rechtmäßig.
Mit der Klage vom 17.07.2000 begehrt der Kläger die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente nach § 13 ALG. Der
Bescheid vom 29.09.1998 sei rechtswidrig, da beim Anspruch des Klägers gemäß § 17 ALG auf die Wartezeit die zur
gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Beiträge zu berücksichtigen seien. Die Auffassung der Beklagten finde
im Gesetz keine Stütze. Die von der Beklagten vorgenommene einschränkende Auslegung führe dazu, dass nicht
unerhebliche Beitragszeiten bei Landwirten, die in einen außerlandwirtschaftlichen Beruf wechseln, verloren gehen und
dies, obwohl dieser Personenkreis dort keine ausreichenden Beitragszeiten erreichen könne. Dies widerspreche
sowohl dem Sozialstaatsprinzip als auch der Intention des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte und
seiner Vorgängerregelung.
Die Beklagte vertrat die Auffassung, sie habe bereits bestandskräftig entschieden. Die Bescheide vom 08.07.1998
und 29.09. 1998 seien rechtmäßig, so hätte inzwischen das BSG durch Beschluss vom 17.08.2000 (Az.: B 10 LW
7/00 B) entschieden, dass die Anforderung der lückenlosen Beitragszahlung für die Zeit vor dem 01.01.1995 sich
unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz ergebe. § 90 Abs.1 Satz 1 ALG gehe auf § 2 Abs.1 Buchst.b GAL
zurück, der diese ununterbrochene Beitragsleistung verlange.
Der Klägerbevollmächtigte vertrat hingegen im Schriftsatz vom 29.11.2000 die Auffassung, der von der Beklagten
vorgelegte Beschluss des BSG vom 17.08.2000 ändere nichts daran, dass beim Kläger aufgrund der
Anrechnungsbestimmung des § 17 Abs.1 Satz 2 ALG die Wartezeit erfüllt sei und dem Kläger die
Erwerbsunfähigkeitsrente zustehe. Mit der Anrechnung nach § 17 ALG befasse sich der Beschluss des BSG gerade
nicht.
Das Sozialgericht wies mit Urteil vom 23.07.2001 die Klage ab, dem Kläger stehe eine Erwerbsunfähigkeitsrente nach
§ 13 ALG nicht zu, da er vor dem 01.01.1995 nach den Vorschriften des GAL keinen Anspruch auf vorgezogenes
Altersgeld gehabt habe und keine Anrechnung der Beitragszeiten nach §§ 17 oder 18 in Verbindung mit §§ 90 und 92
ALG verlangen könne. Die Vorschrift des § 90 ALG stelle sicher, dass mit der Einführung des ALG keine
zusätzlichen, den Rentenbezug erleichternden Fallgestaltungen geschaffen würden, sondern die alte Rechtslage
fortgeschrieben wurde. Die ab 01.01.1995 geltende Rechtslage sollte für Fallgestaltungen, wie der vorliegenden, keine
Begünstigungen der Betroffenen schaffen. Die Kammer teile die Auffassung der Beklagten, dass das
Bundessozialgericht im Beschluss vom 17.08.2000 eine ähnliche Fallgestaltung bereits entschieden habe; § 90 Abs.1
Satz 1 ALG verweise auf die Rechtsvorschriften des GAL, die eine ununterbrochene Beitragsleistung bis zu den
bezeichneten Endzeitpunkten verlange, soweit nicht die in § 90 Abs.1 ALG folgerichtig aufgegriffenen Ausnahmen
zugelassen sind. Damit ergebe sich für den Fall des Klägers, dass er keinen Rentenanspruch besitze, da er keine
Beitragszeiten bis zur Vollendung des 60. Lebensjahrs oder bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit, längstens bis
zum 31.12.1994, zurückgelegt habe.
Die am 22.11.2001 eingegangene Berufung gegen das am 29.10.2001 zugestellte Urteil wurde im Schriftsatz vom
08.01.2002 mit dem bisherigen Vorbringen begründet. Unstreitig sei der Kläger erwerbsunfähig im Sinne der §§ 43, 44
SGB VI und habe das Anwesen abgegeben. Er habe aber auch aufgrund der Pflichtbeitragszeiten zur gesetzlichen
Rentenversicherung ab 10.09.1985 bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit Beitragszeiten zurückgelegt, die nach § 17
Abs.1 Satz 2 Nr.1 ALG zu berücksichtigen seien. Diese Zeiten seien gerade keine Beitragszeiten im Sinne der §§ 18,
90 Abs.1 Satz 1 ALG. § 90 regele gerade deren Nichtanerkennung, während eine Vorschrift, die die Anrechenbarkeit
von Zeiten nach § 17 Abs.1 Satz 2 ALG auf die Zeit vor dem 01.01.1995 beschränke, im ALG fehle. Wenn das SG
ausführe, § 90 ALG stelle sicher, dass mit der früheren Rechtslage nach dem GAL verglichen das ALG keine
Verbesserung der Rentenbezugsmöglichkeit bringe, so sei dies eine Auslegung contra legem, da § 90 ALG für diese
Zeiten ja gerade keine Einschränkung der Anrechenbarkeit vorsehe. Die vom Erstgericht versuchte Interpretation, das
ALG solle keine zusätzliche, den Rentenbezug erleichtern- den Fallgestaltungen schaffen, sei nicht zwingend, im
Gegenteil, die Agrarsozialreform befolge gerade den Zweck einer Besserstellung der Landwirte hinsichtlich ihrer
Renten. Es handele sich damit auch nicht um eine systemwidrige oder als ungerechtfertigt anzusehende
Begünstigung erwerbsunfähiger früherer Landwirte, vielmehr bewahre dies frühere Landwirte, die in einen
außerlandwirtschaftlichen Beruf gewechselt seien, ja gerade vor der Inanspruchnahme von Sozialhilfe. Die vom
Sozialgericht und der Beklagten zitierte Entscheidung des BSG betreffe gerade keine ähnliche Fallgestaltung. Es sei
auch nicht zutreffend, von wertlosen Rentenstammrechten zu sprechen, da das Gesetz die Berücksichtigung von
früher bei der Beklagten zurückgelegten Beitragszeiten ermögliche. Außerdem lägen beim Kläger Zurechnungszeiten
vor, die nach § 23 ALG zur Berechnung der Rente gleichfalls heranzuziehen seien. Ergänzend wurde vorgetragen,
dass der Kläger bei Ende der Beitragspflicht zur Beklagten 1987 beantragt habe, die Rentenansprüche entweder
abzugelten oder auf die Rentenversicherung der Arbeiter zu übertragen und hiervon durch eine falsche Auskunft
abgebracht wurde. Die Ehefrau habe die Auskunft erhalten, die zur Beklagten entrichteten Beiträge sollten bestehen
bleiben, eine Weiterent- richtung von Beiträgen sei unwirtschaftlich und zwecklos und eine Rückzahlung bzw. eine
Abfindung gebe es nicht. In diesem Telefongespräch sei von einem Beitragszuschuss niemals die Rede gewesen.
Durch diese in mehrfacher Hinsicht unrichtige Auskunft sei der Kläger davon ausgegangen, dass eine weitere
Antragstellung weder möglich noch veranlasst sei und er für die stehen- gelassenen Beiträge irgendwann eine
gesetzliche Leistung von der Beklagten erhalten werde. Diese falsche Auskunft begründe einen sozialrechtlichen
Herstellungsanspruch. Für das Auskunftsersuchen und die fehlerhafte Auskunftserteilung durch die Beklagte wurde
die Ehefrau des Klägers als Zeugin angeboten.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.08.1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 28.06.2000 sowie des diesem zugrunde liegenden Ausgangsbescheides vom
08.07.1998 sowie unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.07.2001 zu verurteilen, dem
Kläger die beantragte Erwerbsunfähigkeitsrente auf den Antrag vom 26.05.1998 hin zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Zurückweisung der Berufung.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg für zutreffend. Im Übrigen seien die Darlegungen des
Klägerbevollmächtigten nicht geeignet, von den getroffenen Entscheidungen abzuweichen. In der Sache sei keine
neue Entscheidung zu treffen gewesen. Im Übrigen bestehe für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kein
Raum, da keine Pflichtverletzung der Landwirtschaftlichen Alterskasse zu erkennen sei, da der Kläger bei Beendigung
der Betragspflicht ausführlich aufgeklärt wurde, dass für einen Anspruch auf eine Leistung nach dem GAL eine
Weiterentrichtung von Beiträgen zwingend erforderlich sei. Bei einer telefonischen Rückfrage durch die Ehefrau des
Klägers am 25.09. 1987 sei die Frage erörtert worden, wiewiele Beiträge zur Landwirtschaftlichen Alterskasse gezahlt
wurden. Die Ehefrau habe damals geantwortet, dass weder eine Weiterentrichtung geplant sei noch ein Antrag auf
Beitragszuschuss gestellt werde. Dieses Gespräch habe, wie die späteren Feststellungen ergeben haben, Herr N. ,
Sachbearbeiter der Beitragsabteilung für den Landkreis C. , geführt, dieser sei am 16.12.2001 verstorben. Die von
Herrn N. gefertigte Notiz sei inhaltlich nicht anzuzweifeln, es treffe auch nicht zu, dass diese Aktennotiz erst später
gefertigt wurde, da sie im Original auf der Rückseite eines Hardcopy-Ausdrucks gefertigt wurde, dessen Daten im
Nachhinein schon aus technischen Gründen nicht mehr herzustellen wären. Die Einwendungen des Bevollmächtigten
seien deshalb entschieden zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Nürnberg, des Bayer.
Landessozialgerichts sowie auf die Niederschrift vom 13.12.2000, dabei besonders auf die Einvernahme der Zeugin S.
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet (§§ 143, 144, 151
Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 13 ALG, da er die Wartezeit und die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der 3/5-Belegung gemäß § 13 Abs.1 Ziffern 2 und 3 iVm § 17 Abs.1 Ziffer
1, § 18 iVm §§ 90, 94, ALG nicht erfüllt. Auch der im Berufungsverfahren erstmals geltend gemachte sozialrechtliche
Herstellungsanspruch führt nicht zur begehrten Rentenleistung, da kein ursächlicher Beratungs- oder Auskunftsfehler
der Beklagten festgestellt werden konnte.
Nicht Streitgegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens ist die Frage der Beitragserstattung; die gegen die
entsprechenden Bescheide der Beklagten erhobene Klage ist Gegenstand des beim Sozialgericht Nürnberg
anhängigen Verfahrens (Az.: S 9 LW 10/00) und wurde mit Beschluss des Sozialgerichts vom 23.07. 2001 zum Ruhen
gebracht.
Die Überprüfung des Anspruchs des Klägers erfolgt im Rahmen eines nach § 44 SGB X gestellten Antrags, denn die
Beklagte hatte bereits mit Bescheid vom 08.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.1998
einen Rentenantrag des Klägers abgelehnt unter Hinweis darauf, dass der Kläger bei Beendigung der Mitgliedschaft
1987 auf die Notwendigkeit zur Weiterent- richtung von Beiträgen nach GAL hingewiesen wurde, eine
Weiterentrichtung von Beiträgen aber nicht erfolgt sei und deshalb für die Anwendung des ab 01.01.1995 geltenden
ALG nicht mindestens ein anrechenbarer Kalendermonat Berücksichtigung finden könne. Der ablehnende
Widerspruchsbescheid wurde nicht mit der Klage angegriffen und ist somit nach § 77 SGG bindend. Die Prüfung
erstreckt sich damit auf die Frage, ob die Beklagte bei der früheren Entscheidung das Recht unrichtig angewandt hat.
Dies ist nicht der Fall. Entgegen der Auffassung des Klägers können die von ihm bis 1987 zurückgelegten Beiträge,
die nach GAL (Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte) bezahlt wurden, bei der Erfüllung der Wartezeit gemäß § 17,
90, 94 ALG nicht berücksichtigt werden. Die Entscheidungen der Beklagten und des Sozialgerichts sind nicht zu
beanstanden.
Nach § 13 Abs.1 ALG haben Landwirte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn 1. sie voll
erwerbsgemindert nach § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sind, 2. sie in den letzten fünf Jahren vor
Eintritt der vollen Erwerbsminderung mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge zur Landwirtschaftlichen Alterskasse
gezahlt haben, 3. sie vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung die Wartezeit von fünf Jahren erfüllt haben und 4. das
Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist.
Landwirte haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert nach § 43 des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sind und die sonstigen Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt sind. Voll
erwerbsgemindert ist nicht, wer Landwirt nach § 1 Abs.3 ist. Nach Abs.2 verlängert sich der Zeitraum von fünf Jahre
im Sinne des § 13 Abs.1 Ziffer 2 ALG um Rentenbezugszeiten (Ziffer 1), Pflichtbeitragszeiten außerhalb der
Landwirtschaft (Ziffer 2), Berücksichtigungszeiten im Sinne des SGB VI bzw. Anrechnungszeiten im Sinne des SGB
VI (Ziffer 3, 4 und 5), Zeiten der Versicherungsfreiheit (Ziffer 6), der Mitgliedschaft in einer berufsständischen
Versorgungseinrichtung (Ziffer 7) sowie Zeiten nach Vollendung des 60 Lebensjahres und der Abgabe des
Unternemens durch Stilllegung (Ziffern 8, 9, 10).
Unstreitig ist der Kläger erwerbsunfähig im Sinne von § 13 Abs.1 Ziffer 1 iVm § 43 Abs.2 SGB VI, er bezieht auch seit
01.10.1997 Rente von der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken. Zur gesetzlichen
Rentenversicherung hat er Beiträge vom 18.08.1963 bis 28.02.1977 und vom 10.09.1985 bis 23.12.1997 zurückgelegt.
Der Kläger hat aber weder in den letzten fünf Jahren der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge zur
Landwirtschaftlichen Alterskasse gezahlt noch hat er vor Eintritt der Erwerbsminderung die Wartezeit von fünf Jahren
durch Beitragsleistung zur Beklagten oder berücksichtigungsfähige Zeiten erfüllt.
§ 17 ALG bestimmt für die Wartzeiterfüllung: (1) Auf die Wartezeit von 5 und 15 Jahren werden Beitragszeiten
angerechnet. Ferner werden angerechnet: 1. Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach den Vorschriften des Sechsten
Buches Sozialgesetzbuch gezahlt sind, 2. in denen Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs.1 des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch ...
Eine Anwendung dieser Vorschrift scheitert an der als Sonderregelung in Kapitel 5 des ALG enthaltenen, für die
Übergangsfälle als lex specialis anzuwendenden Bestimmung des § 90 ALG. Aus der Gesetzessystematik ist zu
entnehmen, dass wenn das ALG in den Kapiteln 1 und 2 von Versicherungspflicht und Beiträgen spricht,
Versicherungspflicht und Beitragszeiten im Sinne des ALG, also nach diesen Vorschriften entrichtete Beitragszeiten,
zu verstehen sind.
Das am 01.01.1995 in Kraft getretene Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) vom 29.07.1994 stellt eine
umfassende Neuregelung der Alterssicherung der Landwirte dar und trat an die Stelle des bisherigen Gesetzes (GAL)
(Rambach, Alterssicherung der Landwirte S.28). Es hat somit nicht das bis dahin bestehende Recht geändert oder
modifiziert, sondern in vollem Umfang durch neues Recht ersetzt. Damit bedurfte es für die Ansprüche und Beiträge,
die nach den bisherigen Bestimmungen bezahlt wurden, der Übergangsregelungen, die im 5. Kapitel des ALG unter
der Überschrift "Sonderregelungen" die Besonderheiten zur Versicherungspflicht, zum versicherten Personenkreis, zur
Versicherungsfreiheit etc. regeln. Dabei ist für die Wartezeiterfüllung § 90 ALG maßgeblich, der lautet: (1)
Beitragszeiten vor dem 01.01.1995 werden auf die Wartezeit für eine Rente an Landwirte nur angerechnet, wenn der
Versicherte mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres oder bis zum Eintritt von Erwerbsunfähigkeit im
Sinne des bis zum 31.12. 2000 geltenden Rechts mit Ausnahme der Zeiten des Bezugs eines vorzeitigen Altersgelds,
einer Landabgaberente oder eines Hinterbliebenengeldes, längstens jedoch bis 31.12.1994, anrechenbare
Beitragszeiten zurückgelegt hat. Satz 1 gilt für die Erfüllung der Wartezeit für eine Rente wegen Erwerbsminderung
nicht für Landwirte, die bis zum 1. Oktober 1972 mindestens für 60 Kalendermonate Beiträge an die
Landwirtschaftliche Alterskasse gezahlt haben, wenn die Beitragspflicht bis zum 1. Oktober 1992 endete; § 13 Abs.1
Satz 1 Nr.2 gilt als erfüllt. Diese Bestimmung des § 90 Abs.1 ALG schreibt hinsichtlich der Wartezeiterfüllung die bis
31.12.1994 geltende Regelung des § 2 Abs.2 Buchst.b GAL fort. Hiernach waren Beitragszeiten für die Erfüllung der
15-jährigen Wartezeit nur dann zu berücksichtigen, wenn die Beiträge mindestens bis zur Vollendung des 60.
Lebensjahres mit Ausnahme der Zeiten des Bezugs eines vorzeitigen Altersgeldes oder eines Hinterbliebenengeldes
lückenlos gezahlt worden waren. Nach § 90 Abs.1 Satz 1 ALG werden dementsprechend auch weiterhin
Beitragszeiten vor dem 01.01.1995 auf die Wartezeit nur angerechnet, wenn der Versicherte anrechenbare
Beitragszeiten ununterbrochen mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres, längstens jedoch bis 31.12.1994
zurückgelegt hat (so auch LSG Niedersachsen vom 02.02.2000, Az.: L 10 LW 25/99, bestätigt durch Beschluss des
BSG vom 17.08.2000, Az: B 10 LW 7/00 B). Auch der Senat ist der Auffassung, dass § 90 ALG die Fortschreibung
der bisherigen Rechtslage bewirken sollte, denn grundsätzlich sollte das AlG zwar die Alterssicherung der Landwirte
für zukünftige Versicherungsfälle neu regeln, es sollten aber erkennbar nicht Ansprüche geschaffen werden, die unter
Geltung des früheren GAL bereits nicht mehr bestanden haben. Diese Intention des Gesetzes lässt sich sowohl an
den Sonderregelungen für den versicherten Personenkreis, der am 31.12.1994 mangels Beitragspflicht der
landwirtschaftlichen Altersversicherung nicht mehr angehört hat, ablesen, ebenso wie an den Regelungen für die
Befreiung (§§ 84, 85 ALG) und ergibt sich auch aus der Berechnungsregelung des § 93 ALG. § 90 Abs.1 Satz 1 ALG
ist in seiner Formulierung eindeutig und wie gesagt als lex specialis für die Anrechenbarkeit der nach GAL bezahlten
Beiträge eine abschließende Regelung. Dass der Verfall der nach GAL nicht lückenlos bezahlten Beiträge, der bereits
unter Geltung des GAL zum Verlust des Rentenanspruchs geführt hat, nicht verfassungwidrig ist, wurde bereits
mehrfach entschieden, so z.B. im Urteil des BSG vom 21.04.1991 (Az.: 4 RLw 1/90). Wie die Beklagte zu Recht
dargestellt hat, würde aber auch die Berücksichtigung von Pflichtbeitragszeiten nach SGB VI im Rahmen von § 17
Abs.1 Ziffer 1 ALG iVm § 18 ALG nicht zu einer Leistung aus den früheren Beiträgen durch die Beklagte führen
können, da der bereits erwähnte § 93 ALG für die Berechnung der Rente in Abs.3 vorsieht, dass die vor dem
01.01.1995 gezahlten Beiträge unberücksichtigt bleiben, wenn sie nicht auf die Wartezeit angerechnet werden können
und der Betroffene weder vor dem 01.01. 1995 noch nach dem 01.01.1995 einen Beitrag als mitarbeitender
Familienangehöriger gezahlt hat. Auch durch diese Regelung wird somit deutlich, dass der Gesetzgeber
ausschließlich die Beiträge bzw. Beitragszeiten berücksichtigt sehen wollte, die zur Zeit der Geltung des GAL einen
Anspruch begründet haben. Dies ist beim Kläger nicht der Fall und darauf wurde er auch bei Beendigung der
Beitragspflicht 1987 von der Beklagten ausführlich und umfassend hingewiesen. Es ist deshalb entgegen der
Auffassung des Klägers auch nicht möglich, im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu einer
Berücksichtigung der Beitragszeiten zu gelangen. Bei Beendigung der Mitgliedschaft wurde der Kläger umfassend und
zutreffend über die damalige Rechtslage, insbesondere über die Notwendigkeit der Weiterent- richtung von Beiträgen
nach § 2 Abs.2 Buchst.b GAL iVm § 27 GAL, belehrt. Dies beweisen die Unterlagen der Beklagten. Bereits vor der
telefonischen Anfrage durch die Ehefrau war dem Kläger ein Schreiben sowie ein Merkblatt und ein
Erklärungsvordruck zur Weiterentrichtung von Beiträgen übersandt worden. Damals haben weder der Kläger noch
seine Ehefrau zu erkennen gegeben, dass eine Weiterentrichtung von Beiträgen beabsichtigt ist. Im Gegenteil, beim
Sachbearbeiter ist offenbar der Eindruck erweckt worden, eine Weiterentrichtung sei gerade nicht gewünscht. Die
Ausführungen der Ehefrau des Klägers, bekräftigt durch die Einlassung in der mündlichen Verhandlung, sind nicht
geeignet, die durch den Bescheid und die Übersendung des Merkblatts erteilte Belehrung in Zweifel zu ziehen. Trotz
des gegenteiligen Vortrags hatte der Senat keinen Zweifel daran, dass der Aktenvermerk von einem Mitarbeiter der
Beklagten aufgrund des Anrufs gefertigt wurde und nicht nachträglich manipuliert ist. Der Vortrag, der Mitarbeiter der
Beklagten hätte die Auskunft erteilt, dass der Kläger kein Geld zurückerhalten würde, ist auch durch das Schreiben
der Beklagten vom 30.06.1988 widerlegt, das den Kläger nochmals über die Möglichkeit der Beitragserstattung belehrt
hat. Dieses Schreiben ist dem Kläger auch zugegangen, da er im Anschluss daran im September 1999 den in diesem
Schreiben ebenfalls erwähnten Beitragsrückstand beglichen hat. Der Senat kann auch nicht erkennen, inwieweit die
dokumentierte bzw. von der Ehefrau geschilderte Auskunft maßgeblich für die Nichtweiterentrichtung von Beiträgen
gewesen sein sollte. Der Kläger konnte durch die Schilderung dieses Auskunftsersuchens durch seine Ehefrau nicht
beweisen, dass hier ein Beratungsfehler der Beklagten vorliegt, der ursächlich dafür war, dass er die Weiterentrichtung
von Beiträgen unterlassen hat. Soweit vom klägerischen Begehren ein Herstellungsanspruch für die
Beitragserstattung nach altem Recht abgeleitet werden soll, ist dies nicht Gegenstand des hier anhängigen
Verfahrens, da dies die Frage des Umfangs der Beitragserstattung betrifft, die im Rahmen der
Beitragserstattungsbescheide im noch anhängigen Verfahren vor dem Sozialgericht zu prüfen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Gründe, gemäß § 160 Abs.2 Ziffern 1 und 2 SGG die Revision zu- zulassen, sind nicht ersichtlich. Das BSG hat im
genannten Beschluss vom 18.08.2000 erkennen lassen, dass es § 90 ALG als lex specialis sieht, so dass es nicht
von Bedeutung ist, in welcher tatbestandlichen Variation die Anwendung dieser Vorschrift streitig ist.