Urteil des LSG Bayern vom 26.09.2001

LSG Bayern: härte, abschlag, ermessen, versorgung, vergütung, labor, ermächtigung, zahl, begriff, abrechnung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 26.09.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 38 KA 2720/99
Bayerisches Landessozialgericht L 12 KA 86/00
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. Mai 2000 wird zurückgewiesen. II.
Der Kläger hat der Beklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. III. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Honorarverteilung auf der Grundlage des in den Quartalen 1/97 und 2/97 geltenden
Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) der Beklagten streitig.
Der Kläger ist als MKG-Chirurg in Nürnberg niedergelassen und verfügt über eine vertragsärztliche und
vertragszahnärztliche Zulassung. Der für die streitgegenständlichen Quartale 1/97 und 2/97 auf der Grundlage des
Beschlusses der Vertreterversammlung der Beklagten vom 14. September 1996 ab 1. Oktober 1996 geltende HVM
der Beklagten - insbesondere dessen Anlage 1 (Honorarverteilung Regionalkassen) und Anlage 2 (Honorarverteilung
im Bereich der Ersatzkassen) - sah eine Unterteilung in die Honorarfonds Labor O I und O II, Labor 0 III, Fremdärzte
und Übrige Leistungen vor (Anlage 1 Buchst. B 1.1 bis 1.3, für den Ersatzkassenbereich enthält die Anlage 2 im
Wesentlichen eine Pauschalverweisung auf die Anlage 1). Der Honorarfonds Übrige Leistungen wiederum ist in einen
Honorarfonds R 1 für Allgemeinärzte, praktische Ärzte, Ärzte ohne Gebietsbezeichnung sowie hausärztlich tätige
Internisten und Kinderärzte und einen Honorarfonds R 2 für die übrigen Ärzte unterteilt (vgl. Ziffer 1.3.2). Der
rechnerische Punktwert im Rahmen des Honorarfonds Übrige Leistungen wird gemäß den Nrn.2 ff. der Anlage 1 in
Verbindung mit der Anlage 2 ermittelt. Im Rahmen dieses Honorarfonds erfolgt die Berechnung des Punktwertes für
die Vergütung der "Restlichen Leistungen" entsprechend den Nummern 2.3.7.1 ff. der Anlage 1 in Verbindung mit der
Anlage 2 zum HVM im Rahmen eines so genannten "individuellen Praxisbudgets". Auf der Grundlage der
Abrechnungen des Jahres 95 wird gesondert je Quartal und je Praxis gemäß Ziffer 2.3.7.2 bis 2.3.7.9 ein individuelles
Praxisbudget in Punkten ermittelt. Bis zu dieser Grenze wird der angeforderte und anerkannte Leistungsbedarf der
Praxis im aktuellen Quartal mit einem festen Punktwert von 10,0 DPf vergütet. Der das individuelle Praxisbudget
übersteigende angeforderte und anerkannte Leistungsbedarf des aktuellen Quartals (Mehr- leistungen) wird gemäß
Ziffern 2.3.7.10 und 2.3.7.11 vergütet. Der für das jeweilige Quartal 95 anerkannte Anteil an der Gesamtvergütung je
Praxis wird durch die Gesamtzahl der Behandlungsausweise der Praxis im Quartal geteilt (Nr.2.3.7.2). Das Ergebnis
wird durch 0,1 geteilt und ergibt den individuellen Fallwert 95 in Punkten der Praxis. Dieser Fallwert 95 wird mit der
Gesamtzahl der entsprechenden Behandlungsausweise der Praxis im aktuellen Quartal, höchstens mit der Zahl der
Behandlungsausweise des entsprechenden Quartals 95, multipliziert. Die so ermittelte Punktzahl wird um die
beabsichtigten Auswirkungen des EBM 96 fachgruppenbezogen entsprechend Anhang 2 prozentual bereinigt. Die
verbleibende Punktzahl wird um einen Abschlag in Höhe von 9,0 % vermindert, um die Honorierung von
Mehrleistungen nach Ziffer 2.3.7.1 Satz 3 und den Finanzbedarf für Sonderfälle (z.B. Praxisneuanfänger)
sicherzustellen. Das Ergebnis ist das endgültige anzusetzende individuelle Praxisbudget in Punkten. Reicht die
Gesamtvergütung im Honorarfonds R 2 (= übrige Ärzte) zur Honorierung nach Ziffer 2.3.7.1 Satz 2 nicht aus und/oder
verbleibt für die Mehrleistungen keine bzw. keine ausreichende Gesamtvergütung mehr, ist der Vorstand der
Beklagten ermächtigt, den prozentualen Abschlag von 9,0 % nach Ziffer 2.3.7.2 Satz 5 für aus dem Honorarfonds R 2
zu honorierende Ärzte soweit zu erhöhen, dass der Punktwert von 10,0 DPf für Leistungen innerhalb des Budgets
erreicht wird und die übrigen Mehrleistungen mit 4,5 DPf bzw. O,5 DPf honoriert werden können (vgl. Ziffer 2.3.7.11
Sätze 4 und 5). Gleiches gilt für den Fall, wenn der Honorarfonds R 1 zur Honorierung nach Ziffer 2.3.7.1 Satz 2 nicht
mehr ausreicht und/ oder für die Mehrleistungen keine bzw. keine ausreichende Gesamtvergütung mehr verbleibt.
Auch in diesem Fall ist der Vorstand ermächtigt, den prozentualen Abschlag von 9,0 % für aus dem Honorarfonds R 1
zu honorierende Ärzte soweit zu erhöhen, dass der Punktwert von 10,0 DPf für Leistungen innerhalb des Budgets
erreicht wird und die Mehrleistungen mit 4,5 DPf bzw. 0,5 DPf honoriert werden können. Für Neuanfänger (Zulassung
nach dem 31. Dezember 1992) ist in Ziffer 2.3.7.3 eine Sonderregelung mit der Möglichkeit der Fallzahlsteigerung
vorgesehen. Führt die Anwendung vorstehender Regelungen im Einzelfall zu einer unbilligen Härte, erfolgt gemäß
Ziffer 2.3.8 die Festlegung des individuellen Praxisbudgets bzw. der Großgerätehonorierung unter Berücksichtigung
der besonderen Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen.
I.
Mit Honorarbescheid vom 16. Juli 1997 hat die Beklagte das Honorar des Klägers für das Quartal 1/97 auf der
Grundlage des für ihn geltenden individuellen Praxisbudgets festgesetzt. Hiergegen richtet sich der Widerspruch des
Klägers vom 1. September 1997. Die Praxis weise aufgrund der neuen Niederlassung zum Dezember 1993 die
Strukturen einer neu anlaufenden Praxis auf und könne nicht rückwirkend mit den Daten etablierter Praxen verglichen
werden. Die Praxis bestehe zum größten Teil aus Patienten, die im Schnitt nicht länger als maximal ein Quartal in
Behandlung seien. Die Praxis liege an einer Nahtstelle Nürnbergs und aufgrund der innerstädtischen Lage liege der
Ausländeranteil höher als in vergleichbaren Praxen. Dies führe zu einem zeitlichen Mehraufwand. Das ihm
überwiesene Patientengut verfüge aufgrund des hohen Ausländeranteils auch über eine schlechtere Mundhygiene und
Zahnversorgung als ein vergleichbares, rein einheimisches Patientenkollektiv. Die Tätigkeit als Mund-, Kiefer-
Gesichtschirurg basiere überwiegend auf zahnärztlichen Überweisungen, d.h. es würden nur Leistungen erbracht, die
auch angefordert worden seien. Dabei komme es zu Budgetüberschreitungen, für die er aus betriebswirtschaftlichen
Gründen nicht haften könne. Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 1999 den Widerspruch
zurückgewiesen. Der Honorarbescheid für das Quartal 1/97, dem das individuelle Praxisbudget zugrunde gelegen
habe, sei entsprechend den für das Quartal 1/97 gültigen Bestimmungen im HVM ergangen. Der im Fall des Klägers
vorgenommene Abschlag von 13,52 % stütze sich im Bereich der Regionalkassen auf die Ziffer 2.3.7.11 Sätze 4 und
5 der Anlage 1 zum HVM, wonach der Vorstand der KVB für den Fall einer nicht ausreichenden Gesamtvergütung im
Honorarfonds R 2, zu dem der Kläger als Facharzt gehöre, ermächtigt sei, den prozentualen Abschlag von 9 % soweit
zu erhöhen, dass der Punktwert von 10,0 DPf für Leistungen im Budget erreicht werde und die übrigen Mehrleistungen
mit 4,5 DPf bzw. 0,5 DPf honoriert werden könnten. Um dieses Erfordernis erfüllen zu können, habe der Abschlag auf
13,52 % erhöht werden müssen. Im Ersatzkassenbereich sei keine Erhöhung des Vorwegabzugs notwendig gewesen,
da die Vergütung mit dem geforderten Mehrleistungspunktwert gewähr- leistet gewesen sei. Der
Widerspruchsbescheid beschäftigt sich sodann mit der Anwendung der Härtefallregelung nach der Ziffer 2.3.8 der
Anlage 1 und 2 zum HVM in der vom 1. Oktober 1996 bis 30. Juni 1997 geltenden Fassung, wonach die Festlegung
des so genannten individuellen Praxisbudgets unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles
nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgt, falls die Anwendung der vorstehenden Regelungen im Einzelfall zu einer
unbilligen Härte führt. Nach den Beschlüssen des Vorstandes der Beklagten vom 8. November 1996 und 31. Januar
1997, mit denen die Ergebnisse der Arbeitsgruppe HVM bestätigt worden seien, könne in Bezug auf eine
Fallzahlsteigerung eine unbillige Härte neben Sicherstellungsbedürfnissen grundsätzlich nur dann anerkannt werden,
wenn diese durch besondere Umstände (z.B. Entstehung eines Neubaugebietes, Erkrankung oder Tod eines Kollegen
der unmittelbaren Umgebung) verursacht worden sei, auf die der Arzt (Praxis) keinen Einfluss habe und diese
Fallzahlsteigerung bezogen auf die Fallzahl des Basisquartals im Jahr 1995 mehr als 15 % betragen würde. Eine
Fallzahlsteigerung habe im Quartal 1/97 beim Kläger nicht vorgelegen. Es seien alle im Quartal 1/97 abgerechneten
Behandlungsausweise als budgetrelevant anerkannt worden (PK: 193; EK: 103). Soweit sich der Kläger auf seinen
Status als Praxisneuanfänger berufe, sei darauf hinzuweisen, dass der streitgegenständliche HVM der besonderen
Situation von Neuanfängern bereits in der Anlage 1 bzw. Anlage 2 unter der Ziffer 2.3.7.3 und 2.3.7.4 Rechnung trage.
Als Neuanfänger würden danach diejenigen Ärzte gewertet, die nach dem 31. Dezember 1992 zugelassen worden
seien. Zusätzlich habe der Vorstand im Rahmen der Härtefallregelung der Ziffer 2.3.8 eine Härtefallregelung für
Neuanfänger beschlossen, wonach bei der Ermittlung des Praxisbudgets die individuellen eigenen Fallzahlen
unbeschränkt zugrunde gelegt würden, soweit diese die für das Praxisbudget herangezogenen Fallzahlen um mehr als
15 % überschreiten würden. Eine darüber hinausgehende Härtefallregelung für Neuanfänger durch den Vorstand sei
nicht möglich. Die im Widerspruch vorgebrachten Besonderheiten könnten auch bei erneuter Überprüfung durch den
Widerspruchsausschuss im Hinblick auf die oben gemachten Ausführungen nicht als unbillige Härte gewertet werden.
Hiergegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht München vom 5. November 1999. Die Beklagte habe das
vorgesehene Ermessen der Härtefallregelung in Anlage 1 zum HVM nicht richtig angewandt. Die Vorschrift stelle auf
den jeweiligen Einzelfall ab. Der Kläger habe in seinem Widerspruch selbst auf Besonderheiten seines Praxisbetriebs
hingewiesen, die im Widerspruchsbescheid nicht berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus arbeite der Kläger
extrem kostenschonend. Entgegen anderen Kollegen falle beim Kläger für das Ziehen der Weisheitszähne nur ein OP-
Zuschlag an, wohingegen vergleichbare Praxen jeweils nur einen oder zwei Weisheitszähne auf einmal ziehen würden
mit der Konsequenz, dass jedes Mal ein gesonderter OP-Zuschlag berechnet werde. Der Kläger operiere selbst
Tumore mit dem Ergebnis, dass seine Patienten lediglich zehn Tage untergebracht seien, während Operationen in der
Klinik vier Wochen Aufenthalt bedeuten würden.
II.
Die Beklagte hat mit Honorarbescheid vom 16. Oktober 1997 das Honorar des Klägers für das Quartal 2/97 auf der
Grundlage des hierfür berechneten Praxisbudgets festgesetzt. Hiergegen richtet sich der Widerspruch vom 3.
Dezember 1997, der inhaltlich dem des Vorquartals entspricht. Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 28.
September 1999 den Widerspruch zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid entspricht inhaltlich ebenfalls dem des
Vorquartals. Lediglich der im Bereich der Regionalkassen vorgenommene Abschlag beträgt hier 22,71 % und auch im
Ersatzkassenbereich war im Quartal 2/97 eine Erhöhung des Vorwegabzugs auf 10,53 % notwendig.
Hiergegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht München vom 5. November 1999, die inhaltlich der Klage zum
Vorquartal entspricht.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25. Mai 2000 hat das SG die Streitsachen mit den Az.: S 38 KA 2720/99
und S 38 KA 2721/99 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Az.: S 38 KA 2720/99
verbunden.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 25. Mai 2000 die Klagen abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide seien weder
formell noch materiell rechtswidrig. Die Schaffung des "individuellen Praxisbudgets" im Rahmen des HVM sei
grundsätzlich mit § 85 Abs.4 Satz 3 SGB V vereinbar. Das Bundessozialgericht (BSG) habe sich bislang noch nicht
mit einer solchen Regelung im Kassenarztrecht beschäftigt. Für den Bereich des Kassenzahnarztrechts lägen jedoch
mehrere Entscheidungen vor, die auch "individuelle Praxisbudgets" beträfen (vgl. Urteile des BSG vom 21. Oktober
1998, Az.: B 6 KA 68/97 R, 71/97 R und 73/97 R; BSG, Urteil vom 28. April 1999, Az.: B 6 KA 63/98 R). Die dort
geäußerten Rechtsgedanken seien auch auf das Gebiet des Kassenarztrechts übertragbar. Hintergrund für die
Schaffung des individuellen Praxisbudgets sei gewesen, dass in den ersten Quartalen 1996 eine erhebliche
Ausweitung der Leistungsmenge um 30 bis 40 % zu verzeichnen gewesen sei. Andererseits sei mit Einführung von §
85 Abs.3 a SGB V das Ausgabenvolumen begrenzt worden. Im Rahmen der Verteilung der Gesamtvergütung hätten
somit zwei Möglichkeiten bestanden, zum einen die Honorierung aller Punkte zu einem schwankenden Punktwert,
verbunden mit einem erheblichen Punktwertverfall, zum anderen die Garantie eines festen Punktwerts für ein
bestimmtes Punktekontingent. Das BSG habe die Auffassung vertreten, dass die Aufspaltung der Honorarverteilung
bis zu einer individuellen Bemessungsgrundlage nach festen Punktwerten sowie andererseits in eine abschließende
Restvergütung der die Bemessungsgrenze übersteigenden Punkte nach schwankenden Punktwerten grundsätzlich
zulässig sei. Sie bewirke für die betroffenen Ärzte eine Planungs- und Kalkulationssicherheit. Das BSG habe weiter
gefordert, dass für so genannte Anfängerpraxen und kleine Praxen Ausnahmen vorzusehen seien, die als typische
Ausnahmesituationen zu gelten hätten und die deshalb unmittelbar im HVM zumindest in Grundzügen geregelt werden
müssten. Darüber hinaus gebe es noch so genannte atypische Konstellationen, die im Rahmen einer Generalklausel
zu erfassen wären, z.B. bei einer Änderung der Versorgungsstruktur in einer bestimmten Region bzw. bei einer
Änderung der Behandlungsausrichtung, soweit mit dieser Behandlungsweise ein anderweitig nicht sichergestellter
Versorgungsbedarf gedeckt werden könnte. Der vorliegende HVM erfülle im Wesentlichen die Anforderungen, die das
BSG auch hinsichtlich der so genannten Ausnahmekonstellationen an den HVM gestellt habe. In der Nr.2.3.7.3 der
Anlage 1 bzw. 2 zum HVM sei eine Regelung für so genannte Anfängerpraxen geschaffen worden. Für diese gelte die
Fallzahlbegrenzung auf die Bezugsquartale des Jahres 1995 nicht. Im Rahmen der Regelung nach der Nr.2.3.8 der
Anlagen 1 und 2 zum HVM sei auch eine Härtefallregelung vorgesehen worden. Die Anfängerregelung nach der
Nr.2.3.7.3 käme zur Anwendung, wenn der Kläger in den streitigen Quartalen 1/97 und 2/97 mehr Behandlungsfälle
abgerechnet hätte als in den Bezugsquartalen im Jahr 1995. Beim Kläger seien jedoch die Fallzahlen in den Quartalen
1/97 und 2/97 deutlich niedriger als in den Bezugsquartalen des Jahres 1995 ausgefallen. Insofern seien sämtliche
Behandlungsfälle anerkannt worden, so dass keine Veranlassung bestanden habe, einen Ausgleich durch eine
Anfängerregelung herbeizuführen. Auch für eine Anwendung der Härtefallregelung nach der Nr.2.3.8 gebe es keine
Anhaltspunkte. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte von ihrem Ermessen nicht oder unzutreffend Gebrauch
gemacht habe. Die genannte Härtefallregelung könne nur in extremen Ausnahmefällen greifen, da ansonsten die
Umsetzung des "individuellen Praxisbudgets" mit dem Ziel einer Ausgabenbegrenzung gefährdet wäre. Bei der
Berechnung des individuellen Praxisbudgets seien in den Quartalen 1/97 und 2/97 sämtliche Behandlungsfälle des
Klägers miteinbezogen worden, so dass von einer unbilligen Härte nicht die Rede sein könne. Der Rückgang der
Fallzahlen und damit der Rückgang des Honorars liege in der Sphäre des Klägers. Ohne Bedeutung für die
Berechnung des individuellen Praxisbudgets und die Anwendung der Härtefallregelung seien die geltend gemachten
Praxisbesonderheiten. Der Kläger verkenne, dass es sich hier nicht um ein Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren
handle. Außerdem sei darauf hinzuweisen, dass im Quartal 1/97 immerhin 78 % aller Punkte mit 10,0 DPf vergütet
worden seien und im Quartal 2/97 immerhin noch ca. 70 %. Unter Berücksichtigung des Mehrleistungspunktwertes
ergebe sich im Quartal 1/97 ein durchschnittlicher Punktwert von über 8,0 DPf und im Quartal 2/97 von über 7,5 DPf.
Damit sei der Kläger deutlich besser gestellt als bei einem einheitlichen rechnerischen Punktwert. Tatsache sei auch,
dass andere Ärzte in den streitigen Quartalen mit einem wesentlich niedrigeren Punktwert hätten Vorlieb nehmen
müssen. Die Berechnung des "individuellen Praxisbudgets" sei auch insoweit unbedenklich, als ein Abschlag
vorgenommen worden sei, um die Honorierung von Mehrleistungen nach der Nr.2.3.7.1 Satz 3 und den Finanzbedarf
für Sonderfälle sicherzustellen. Es handle sich um eine sachgerechte Regelung, die sowohl "Altpraxisinhaber" als
auch "Anfängerpraxen" betreffe und zur Sicherstellung eines besonderen Finanzbedarfs erforderlich erscheine. Die in
den streitgegenständlichen Quartalen notwendige Erhöhung des Abschlages sei vom Vorstand der Beklagten, der
hierzu nach der Ziffer 2.3.7.11 ermächtigt worden sei, festgesetzt worden. Dagegen könne nicht eingewandt werden,
die Kassen seien hierzu nicht gehört worden. Es liege nämlich eine grundsätzliche Benehmensherstellung vor. Richtig
sei, dass wesentliche Teile der Honorarverteilung im HVM selbst geregelt werden müssten, da es ansonsten zu einer
dem Gesetz widersprechenden Verlagerung der Kompetenz von der Vertreterversammlung auf den Vorstand komme
(Hinweis auf BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998; Az.: B 6 KA 68/97 R). Es sei im HVM selbst geregelt, dass ein
Abschlag für Mehrleistungen und für den besonderen Finanzbedarf vorzunehmen sei. Die Vertreterversammlung sei
offenbar davon ausgegangen, dass ein Abschlag von 9 % ausreiche. Die genaue Höhe des Abschlages lasse sich
aber im vorhinein nicht voraussehen. Dieser Umstand erfordere eine flexible und variable Handhabung und rasche
Umsetzung, der nur durch eine Festlegung durch den Vorstand Rechnung getragen werden könne. Auch die Höhe des
Abschlages sei nicht zu beanstanden. Das Gericht gehe davon aus, dass die Höhe nach dem notwendigen
zusätzlichen Finanzbedarf bestimmt worden sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung zum Bayer. Landessozialgericht vom 17. August 2000. Bei der Anwendung des
HVM habe das Erstgericht zwei Aspekte nicht berücksichtigt. Die Regelung im HVM unter Nr.2.3.7.3 für neu
niedergelassene Ärzte sei zugunsten des Klägers nicht beachtet worden, da er in den jeweiligen Bezugsquartalen
mehr Behandlungsscheine abgerechnet habe als in den ersten beiden Quartalen 1997. Hier sei nicht gewürdigt
worden, dass der Kläger sowohl im Bereich der Kassenzahnärztlichen wie auch der Kassenärztlichen Vereinigung
Leistungen erbringe. Der HVM enthalte hierzu keinerlei Ausnahmetatbestände. Des Weiteren sei darauf hinzuweisen,
dass gemäß § 85 Abs.4 SGB V die Beklagte die Gesamtvergütung unter die Kassenärzte verteile und dabei das
Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen herstellen müsse. Werde dies unterlassen, sei der HVM als
Rechtsnorm nicht nur anfechtbar, sondern nichtig. Eine Erhöhung des Abschlages um nochmals 50 % müsse nach §
85 Abs.4 Satz 2 SGB V im Benehmen mit den Verbänden der Krankenversicherer erfolgen. Es sei vom SG nicht
geprüft worden, ob das Benehmen insoweit hergestellt worden sei.
Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2001 wurde weiter vorgetragen, dass der Kläger unter dem Gesichtspunkt der
Planungssicherheit als Praxis in den Aufbaujahren auf die Fallwerte des Jahres 1995 vertrauen und mit diesen
Punktwerten kalkulieren durfte. Zu Unrecht sei das individuelle Praxisbudget des Klägers um die Auswirkungen des
EBM 96 fachgruppenbezogen entsprechend Anhang 2 zum HVM prozentual bereinigt worden. Die Möglichkeit des
Klägers, bei voneinander unabhängigen Körperschaften abrechnen zu können, dürfe nicht zu einem Nachteil führen.
Mit weiterem Schriftsatz vom 18. September 2001 wurde geltend gemacht, dass die Erhöhung des in Ziffer 2.3.7.2
Satz 5 des HVM vorgesehenen 9 %igen Abschlages nur im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen
erfolgen könne. Weiter liege ein Verstoß gegen Art.3 GG darin, dass der streitige HVM in einer Sonderregelung
Praxisanfänger zwar bei der Zahl der Behandlungsausweise begünstige, diese aber beim fachgruppenbezogenen
Veränderungsfaktor genauso behandle wie etablierte Praxen. Der Bereinigungsfaktor sei im Hinblick auf eine
einzudämmende Mengenausweitung (arg. § 85 Abs.4 Satz 6 SGB V) in den HVM eingebaut worden. Praxen, die sich
noch in der Aufbauphase befänden, hätten an der Mengenausweitung , die eingedämmt werden solle, noch nicht
teilnehmen können; eine Mengenausweitung beruhe bei diesen Sachverhalten auf der Aufbauphase der Praxis.
Zumindest wäre es erforderlich, im Rahmen der Härtefallregelungen bei der Ausübung des Ermessens eine
differenzierende Abstufung in zeitlicher Hinsicht als Abgrenzung zu den etablierten Praxen zu treffen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. Mai 2000 sowie die Honorarbescheide vom 16. Juli 1997 (Quartal
1/97) und vom 16. Oktober 1997 (Quartal 2/97) jeweils in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28. September
1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
neu zu verbescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat liegen die Verwaltungsakten, die Klageakten mit den Az.: S 38 KA 2720/99 und S 38 KA 2721/99 und die
Berufungsakte, Az.: L 12 KA 86/00, vor, die zum Gegenstand der Verhandlung gemacht wurden und auf deren
weiteren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht
eingelegte Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat mit dem angegriffenen Urteil vom 25. Mai 2000 zu Recht die Klagen gegen die
Honorarbescheide der Beklagten vom 16. Juli 1997 (Quartal 1/97) und 16. Oktober 1997 (Quartal 2/97) in der Gestalt
der Widerspruchsbescheide vom 28. September 1999 abgewiesen.
Die Berechnung des Honorars des Klägers für die ersten beiden Quartale des Jahres 1997 auf der Grundlage des
einschlägigen HVM ist nicht zu beanstanden.
Nach der zwischenzeitlich gefestigten Rechtsprechung des BSG sind Honorarverteilungsregelungen in erster Linie an
den gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs.4 SGB V in Verbindung mit dem Grundsatz der
Honorarverteilungsgerechtigkeit, der sich aus Art.12 Abs.1 GG in Verbindung mit Art.3 Abs.1 GG ergibt, zu messen
(vgl. BSG SozR 3-2500 § 85 Nr.10 S.57 f., Nr.11 S.66 f., Nr.12 S.76 f., Nr.16 S.100 f., Nr.24 S.162 f., Nr.26 S.183 f.
und Nr.31 S.236 f.). Zentrale Bedeutung kommt dabei der Bestimmung des § 85 Abs.4 Satz 3 SGB V zu, nach der
bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistungen des Vertragsarztes zugrunde zu legen sind.
Dieser Vorschrift kann allerdings nicht die Forderung entnommen werden, die Leistungen müssten nach ihrer Art und
ihrem Umfang stets gleichmäßig, d.h. mit einem für alle Leistungen einheitlichen Punktwert honoriert werden. Das
Gesetz schließt nicht grundsätzlich aus, durch die Regelungen eines HVM die Gesamtvergütung in Teilbudgets
aufzuteilen, auch wenn sich als deren Folge ergibt, dass vertragsärztliche Leistungen nicht mehr entsprechend der im
Einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen Leistungen (EBM-Ä) festgelegten Punktzahl-Bewertung, sondern -
aufgrund unterschiedlicher Punktwerte, die auf unterschiedlichen Mengenentwicklungen in verschiedenen
Leistungsbereichen beruhen - unterschiedlich hoch vergütet werden. Im Hinblick auf die berufsregelnde Tendenz von
Honorarverteilungsvorschriften steht die Bildung von Teilbudgets nicht im freien Ermessen der KÄV. Solche so
genannten Topfbildungen bedürfen vielmehr wegen der möglichen unterschiedlichen Punktwerte einer sachlichen
Rechtfertigung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 85 Nr.26 S.183; Nr.31, S.237). Das Gesetz räumt ausdrücklich die
Möglichkeit ein, eine nach Arztgruppen oder Versorgungsgebieten unterschiedliche Verteilung der Vergütung
vorzusehen (§ 85 Abs.4 Satz 5 SGB V in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes - GSG - vom 21. Dezember
1992, BGBl.I S.2266). Honorartöpfe können aber auch für bestimmte Leistungsbereiche geschaffen werden, wenn
damit Steuerungszwecke verbunden sind, die ihrerseits im Gesetz bzw. im vertragsärztlichen Vergütungssystem
selbst angelegt sind oder die zu verfolgen zu den legitimen Aufgaben der KÄV im Rahmen ihres
Sicherstellungsauftrages gehört (vgl. zuletzt BSG SozR 3-2500 Nr.26 S.184 m.w.N.). Mischsysteme mit
Honorartöpfen sowohl für bestimmte Leistungen als auch nach Arztgruppen sind gleichfalls zulässig (vgl. BSG SozR
3-2500 § 85 Nr.11 S.67 f.). Die Bildung von Honorartöpfen kann auch damit verbunden werden, dass für verschiedene
Töpfe unterschiedliche Punktwertregelungen gelten. So können die KÄVen für alle Leistungen auf feste Punktwerte
verzichten und nach Maßgabe des Gesamtvergütungsvolumens schwankende ("floatende") Punktwerte vorsehen
bzw. für einige Bereiche feste Punktwerte garantieren und nur die restlichen Leistungen einem floatenden Punktwert
unterwerfen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 85 Nr.23 S.155, Nr.27 S.195, Nr.28 S.102 f. und Nr.31 S.237 f.). Zulässig ist
auch eine unterschiedliche Honorierung innerhalb der Fallwerte, in dem ein begrenzter Basisfallwert nach einem
höheren Punktwert, die darüber hinausgehenden Leistungen aber nur nach Maßgabe der verbleibenden Restvergütung,
honoriert werden (vgl. BSG SozR 3-2500 Nr.27 S.195, Nr.28 S.203 f. und Nr.31 S.238 f.).
Nach diesen Grundsätzen ist der für die streitgegenständlichen Quartale 1/97 und 2/97 geltende HVM der Beklagten
rechtlich nicht zu beanstanden. Bei diesem HVM handelt es sich in tatsächlicher Hinsicht in den wesentlichen
Bestimmungen zunächst um die Bildung von Honorartöpfen sowohl für bestimmte Leistungen als auch für bestimmte
Arztgruppen (Honorarfonds Labor O I und O II bzw. Honorarfonds Labor O III, Honorarfonds Fremdärzte sowie
Honorarfonds Übrige Leistungen, letzterer wiederum aufgeteilt in einen Honorarfonds R 1 - sog. Hausarzttopf - und in
einen Honorarfonds R 2 - sog. Facharzttopf -). Die Festsetzung von Honorarkontingenten durch die Bildung von
Töpfen für einzelne Arztgruppen und/oder Leistungsbereiche ist sachlich gerechtfertigt. Die Topfbildung ist die
konsequente Folgerung aus den Neuregelungen des GSG (vom 21. Dezember 1992, BGBl.I S.2266), das in § 85
Abs.3 a bis c SGB V eine Obergrenzung für die Erhöhung der Gesamtvergütungen vorgesehen hat, weil dadurch eine
Vorsorge dagegen geschaffen wird, dass eine unterschiedliche Mengendynamik in den verschiedenen Bereichen das
Honorargefüge zu Lasten anderer Arztgruppen und/oder Leistungsbereiche beeinflusst (vgl. zuletzt BSG SozR 3-2500
§ 85 Nr.26 S.183 f., Nr.31 S.237 f. sowie Beschluss des BSG vom 16. Mai 2001, Az.: B 6 KA 16/01 B). Der
Gesetzgeber des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999 (BGBl.I 2626) hat die
Differenzierung der hausärztlichen und fachärztlichen Versorgung in § 85 Abs.4 Satz 1 SGB V in der ab 1. Januar
2000 geltenden Fassung ausdrücklich aufgenommen und bestimmt, dass die KÄV die Gesamtvergütung für die
vertragsärztliche Versorgung getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und fachärztlichen Versorgung i.S.d. § 73
SGB V zu verteilen hat. Eine solche Auftei- lung war aus den genannten Gründen auch schon vor dem 1. Januar 2000
sachlich gerechtfertigt (in diesem Sinne auch Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes vom 27. Mai
1998 zum HVM, gültig im Quartal 4/96, VerfGHE 51, S.74 ff.). Die Besonderheit des ab dem Quartal 4/96 geltenden
HVMs besteht in der Bildung eines individuellen Praxisbudgets. Gemäß Nr.2.3.7.1 wird auf der Grundlage der
Abrechnungen des Jah- res 95 gesondert je Quartal und je Praxis ein individuelles Praxisbudget in Punkten ermittelt.
Bis zu dieser Grenze des Praxisbudgets wird der angeforderte und anerkannte Leistungsbedarf der Praxis im
aktuellen Quartal mit einem festen Punktwert (hier 10,0 DPf) vergütet. Der das individuelle Praxisbudget
übersteigende angeforderte und anerkannte Leistungsbedarf des aktuellen Quartals wird mit einem
Mehrleistungspunktwert vergütet. Ein solches System der Aufspaltung der Honorarverteilung einerseits in die
Vergütung ärztlicher Leistungen mit festen Punktwerten bis zu einer Bemessungsgrenze sowie andererseits nach
Maßgabe der verbleibenden Restvergütung hält sich grundsätzlich im Rahmen der Kompetenz, die die
Kassenärztlichen Vereinigungen aufgrund des § 85 Abs.4 SGB V bei der Ausgestaltung ihrer HVM haben (vgl. BSG,
Urteil vom 28. April 1999, Az.: B 6 KA 63/98 R; BSG SozR 3-2500 § 85 SGB V Nr.31 S.237 ff.). Hierbei ist es
insbesondere auch nicht zu beanstanden, dass das Praxisbudget individuell in Anknüpfung an das
Abrechnungsverhalten des einzelnen Arztes in vergangenen Zeiträumen (hier: Bezugsquartale des Jahres 1995)
festgelegt wird (vgl. BSG SozR 3-2500 § 85 Nr.28 S.203 ff. und BSG SozR 3-2500 § 85 Nr.27 S.194 ff.). Regelungen,
wonach die darüber hinausgehenden Leistungen bzw. Punkte nur nach Maßgabe des Restbetrages der
Gesamtvergütung honoriert werden, sind ebenfalls nicht zu beanstanden (BSG SozR 3-2500 § 85 SGB V Nr.31 S.238,
§ 85 Nr.28 S.205; § 85 Nr.27 S.194/195 und BSG, Urteil vom 28. April 1999, Az.: B 6 KA 63/98 R). Insgesamt kann
auf der Grundlage der genannten Rechtsprechung des BSG (im zahnärztlichen Bereich) davon ausgegangen werden,
dass die Bildung von individuellen Praxisbudgets im Rahmen eines HVM grundsätzlich mit § 85 Abs.4 Satz 3 SGB V
vereinbar ist und der hier streitige HVM sich an die Anforderungen des BSG an eine solche individuelle
Bemessungsgrundlage hält. Die für den Streit entscheidungserhebliche Frage liegt danach darin, ob der Kläger einen
Anspruch auf Anwendung der im HVM enthaltenen Härteregelung hat bzw. für seine Fallgestaltung eine
Sonderregelung im HVM hätte geschaffen werden müssen. Beides ist nicht der Fall. Die Beklagte war zunächst nicht
verpflichtet, über die im HVM bereits enthaltenen Härtefallregelungen hinaus weitere Härteregelungen im HVM selbst
vorzusehen. Bei der Bildung eines Praxisbudgets mit Anknüpfung an die Vergangenheit ist in einer Sonderregelung
sicherzustellen, dass Vertragsärzte mit unterdurchschnittlicher Fallzahl, typischerweise Neuanfänger, ihren Umsatz
durch eine Erhöhung der Zahl der von ihnen behandelten Patienten zumindest bis zum durchschnittlichen Umsatz der
Arztgruppe steigern können (vgl. BSG SozR 3-2500 § 85 Nr.27 S.195; vgl. auch die Urteile vom gleichen Tage - 21.
Oktober 1998 - Az.: B 6 KA 67/97 R, B 6 KA 68/97 R, B 6 KA 71/97 R und B 6 KA 35/98 R; sowie auch BSG, Urteil
vom 28. April 1999, Az.: B 6 KA 63/98 R, S.5). Dieser Forderung einer Sonderregelung für Neuanfänger ist die
Beklagte in den Nrn.2.3.7.3, 2.3.7.4, 2.3.7.5 ausreichend nachgekommen. Der Kläger erfüllt diese Regelung aber
schon deswegen nicht, weil die Zahl seiner Behandlungsfälle in den streitigen Quartalen 1/97 und 2/97 gegenüber den
Bezugsquartalen 1/95 und 2/95 abgenommen und nicht zugenommen hat. Hintergrund hierfür dürfte sein, dass der
Kläger in Zeiten der budgetierten vertragsärztlichen Versorgung seine Abrechnung soweit wie möglich auf die
Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZVB) verlagert hat. Für sonstige Sonderfälle, die nicht durch vorhersehbare,
allgemein bekannte, typische Gegebenheiten gekennzeichent sind, reicht es aus, wenn der HVM durch eine allgemein
gehaltene Härtefallregelung den Vorstand ermächtigt, bei Vorliegen einer besonders schweren Härte die Grenze des
Praxisbudgets nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles festzulegen.
Eine solche allgemeine Härtefallregelung sieht der HVM in der Nr.2.3.8 vor, wonach die Festlegung des individuellen
Praxisbudgets unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles nach pflichtgemäßem Ermessen
erfolgt, wenn die Anwendung vorstehender Regelungen im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führt. Das Nähere
insbesondere zum Verfahren und zur Zuständigkeit für die Entscheidung regelt der Vorstand der KVB. Die dargestellte
Härtefallregelung setzt auf der Tatbestandsseite eine unbillige Härte, im Einzelfall kausal verursacht durch die
Anwendung des HVM, voraus, erst danach stellt sich die Frage der veränderten Festlegung des individuellen
Praxisbudgets unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen.
Vorliegend fehlt es bereits schon am Vorliegen einer unbilligen Härte. Bei dem Begriff der "unbilligen Härte" handelt es
sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der nach Auffassung des Senats der vollen gerichtlichen Nachprüfung
unterliegt. Der Beklagten steht ein der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglicher
Beurteilungsspielraum insoweit nicht zu. Einen solchen billigt das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung
den Zulassungsgremien bei der Entscheidung über die Ermächtigung von Krankenhausärzten und über die Zulassung
von Ärzten wegen eines Sonderbedarfs zu (vgl. BSGE 73, 25, 29 = SozR 3-2500 § 116 Nr.4 S.29; BSG SozR 3-2500
§ 101 Nr.1 S.4 f.; BSG SozR 3-2500 § 101 Nr.5 S.34). Auch bei der Entscheidung der KÄV, zur Sicherstellung der
vertragsärztlichen Versorgung in einem bestimmten Ort oder Ortsteil den Betrieb einer Zweitpraxis zu genehmigen,
hat diese einen Beurteilungsspielraum (vgl. BSGE 77, 188, 191 = SozR 3-2500 § 75 Nr.7 S.28 f.). Der Grund für die
Einräumung eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraumes besteht darin, dass für diese
Entscheidungen die Bewertung der vertragsärztlichen Versorgung in einem regionalen Bereich sowie die Feststellung
von quantitativen und/oder qualitativen Versorgungsdefiziten von maßgeblicher Bedeutung sind. Dabei ist eine
Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen (z.B. Anzahl und Leistungsangebot der niedergelassenen und ermächtigten
Ärzte, Bevölkerungs- und Mobilitätsstruktur, Umfang und räumliche Verteilung der Nachfrage aufgrund der
vorhandenen Verkehrsverbindungen), die für sich und in ihrer Abhängigkeit untereinander weitgehend unbestimmt
sind. Ähnliche Erwägungen führen zu einem gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum der
Prüfgremien bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen gemäß § 106 SGB V u.a. hinsichtlich der anzuwendenden Prüfmethode -
vgl. zuletzt BSG, Beschluss vom 14. März 2001, Az.: B 6 KA 59/00 B -, und der Festlegung der Grenze zum
offensichtlichen Missverhältnis - vgl. zuletzt BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.50, S.267. Die Beantwortung der hier zu
beurteilenden Frage, ob der in den Quartalen 4/96 bis 2/97 geltende HVM beim Kläger zu einer "unbilligen Härte" führt,
hängt dagegen von ermittelbaren und feststellbaren Umständen wie dem Abrechnungsverhalten des Klägers in den
Bezugsquartalen 1/95 und 2/95 und den sich aus der Bezugnahme auf diese Quartale ergebenden Auswirkungen auf
die Abrechnung des Klägers in den streitigen Quartalen ab. Ein Erkenntnis- oder Einschätzungsvorrang der KÄV, der
eine Rücknahme der gerichtlichen Kontrolle der Rechtsanwendung legitimieren könnte, besteht insoweit nicht. Der
Begriff der "unbilligen Härte" bzw. der "Unbilligkeit" wird im Übrigen in zahlreichen Vorschriften des Sozialrechts
verwendet (beispielsweise sei nur verwiesen auf die §§ 2 Abs.1 OEG, 44 Abs.3 Satz 1 Nr.3 AFG, 112 Abs.7 AFG),
wobei die jüngste Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den des unbestimmten Rechtsbegriffes der
"unbilligen Härte" bzw. der "Unbilligkeit" ausgeht (vgl. Urteile des BSG vom 18. April 2001, Az.: B 9 VG 3/00 R und B
9 VG 5/00 R zu § 2 Abs.1 OEG; Urteil des BSG vom 29. Juni 2000, Az.: B 11 AL 89/99 R, und BSG, Urteil vom 25.
Juni 1999, Az.: B 7 AL 64/98 R, jeweils zu § 112 Abs.7 AFG; Urteil des BSG vom 29. Januar 1997, Az.: 11 RAr 59/96
zu § 44 Abs.3 Satz 1 Nr.3 AFG; von einem von den Gerichten nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraumes
bei der Überprüfung des unbestimmten Rechtsbegriffes "in besonderen Härtefällen" in § 182c Satz 3 RVO a.F. ging
dagegen das BSG in seinem Urteil vom 28. Oktober 1981, NJW 1982 S.2631 f. aus). Im Bereich des
Vertragsarztrechts geht das BSG in ständiger Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 29. September 1999 = SozR 3-
2500 § 25 Nr.3 S.16; BSG, Urteil vom 21. Juni 1995, Az.: 6 RKa 44/94; Urteil vom 24. November 1993, Az.: 6 RKa
36/92, SozR 3-2500 § 98 Nr.3, S.5/6; Urteil vom 24. November 1993, Az.: 6 RKa 26/91, SozR 3-5520 § 25 Nr.1
S.10/11) davon aus, dass der in § 25 Satz 2 Ärzte-ZV verwendete Begriff der "unbilligen Härte" der vollen richterlichen
Nachprüfung unterliegt. Die vom Vorstand der Beklagten erlassenen Durchführungsbestimmungen zur Auslegung des
Begriffs der unbilligen Härte spielen danach zwar für die Verwaltung eine überragende Rolle, binden aber nicht das
Gericht, das insoweit eine eigenständige Entscheidung zu treffen hat.
Eine "unbillige Härte" im Sinne der Nr.2.3.8 ist nach Auffassung des Senats dann gegeben, wenn die Anwendung des
HVM beim Kläger zu einem besonders schweren Nachteil führt, der es objektiv unzumutbar erscheinen lässt, den Arzt
bei der Festlegung des individuellen Praxisbudgets an der Fallzahl oder dem Fallwert aus den Vergleichsquartalen des
Jahres 1995 festzuhalten. Die beim Kläger vorliegenden Umstände begründen keine "unbillige Härte" in diesem Sinne.
Ein Festhalten an den Fallzahlen des Jahres 1995 liegt beim Kläger schon deshalb nicht vor, weil er die Fallzahlen der
Quartale 1/95 und 2/95 in den streitigen Quartalen nicht erreicht hat und im Übrigen festzustellen ist, dass der Kläger
in den Bezugsquartalen 1/95 und 2/95 mehr Patienten behandelt hat als die Vergleichsgruppe der MKG-Chirurgen
(1/95: Kläger: 436 Behandlungsausweise; Arztgruppe: 430; 2/95: Kläger: 652; Arztgruppe: 410). Der Kläger hat in den
Bezugsquartalen 1/95 und 2/95 aber nicht nur mehr Patienten behandelt, sondern weist zudem gegenüber der
Vergleichsgruppe der MKG-Chirurgen auch deutlich höhere Fallwerte auf (Quartal 1/95: Kläger: PK: 2.482,7 Punk- te;
EK: 2.824,9 Punkte; Vergleichsgruppe: PK: 1.898,8 Punkte; EK: 1.996,2 Punkte; Quartal 2/95: Kläger: PK: 2.440,4
Punkte; EK: 3.380,1 Punkte; Vergleichsgruppe: PK: 1.774,4 Punkte; EK: 2.044,0 Punkte). Die für die Bildung des
Praxisbudgets wesentliche Bezugnahme auf die Quartale 1/95 und 2/95 führt beim Kläger daher zu keiner unbilligen
Härte und stellt ihn - insbesondere auch was die Entwicklungsmöglichkeiten der Praxis betrifft - gegenüber der
Vergleichsgruppe der MKG-Chirurgen keineswegs schlechter, sondern sogar besser. Von daher bestand keine
Veranlassung, den Kläger bei der Festlegung des indivi- duellen Praxisbudgets gegenüber der Vergleichsgruppe der
MKG-Chirurgen besser zu stellen, sei es bezüglich der Fallwerte oder bezüglich der Vorwegbereinigung gemäß
Anhang 2 zur Nr.2.3.7.2 bzw. des Abschlags zur Honorierung von Mehrleistungen und Sonderfällen (Nr.2.3.7.11 Sätze
4 und 5). Die durch das individuelle Praxisbudget verursachte Einkommenseinbuße trifft den Kläger in gleicher Weise
wie die Vergleichsgruppe der MKG-Chirurgen. Die Einkommenseinbuße hält sich insofern auch in Grenzen, als im
Quartal 1/97 immerhin 78 % aller Punkte mit 10,0 DPf vergütet wurden und im Quartal 2/97 immerhin noch 70 %.
Unter Berücksichtigung des Mehrleistungspunktwertes ergibt sich daraus im Quartal 1/97 ein durchschnittlicher
Punktwert von über 8,0 DPf und im Quartal 2/97 von über 7,5 DPf. Die Beklagte war - jedenfalls ohne gesetzliche
Vorgabe - auch nicht verpflichtet, die Tatsache der Möglichkeit des Klägers, auch über die Kassenzahnärztliche
Vereinigung (KZVB) abrechnen zu können, im Rahmen ihres HVM bzw. bei der Anwendung der Härtefallregelung zu
berücksichtigen, weil sich aus dieser zusätzlichen Abrechnungsmöglichkeit keine Nachteile für den vertragsärztlichen
Bereich ergeben. Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass sich der Kläger insoweit rational verhält, als er eine
Leistung dort zur Abrechnung bringt, wo sie besser vergütet wird - also in der Regel bei der KZVB. Dies dürfte auch
den Rückgang der Behandlungsausweise in den Quartalen 1/97 und 2/97 gegenüber den Bezugsquartalen 1/95 und
2/95 erklären. Der Kläger hat hierzu auf die Anfrage des Senats vom 25. Juni 2001 keine Angaben gemacht.
Schließlich ist auch die in Nr.2.3.7.11 Satz 4 vorgesehene Ermächtigung des Vorstandes der Beklagten, den
prozentualen Abschlag von 9 % nach Nr.2.3.7.2 Satz 5 aus dem Honorarfonds R 2, wenn notwendig, soweit zu
erhöhen, dass der Punktwert von 10,0 DPf erreicht wird und die übrigen Mehrleistungen mit 4,5 DPf bzw. 0,5 DPf
honoriert werden können, nicht zu beanstanden. Das BSG hat solche Ermächtigungen seitens der
Vertreterversammlung an den Vorstand bereits in einer Vielzahl von Fällen gebilligt, da es sinnvoll sein kann, gewisse
Festlegungen unter Umständen schneller durch den Vorstand als durch die Vertreterversammlung treffen zu können
(vgl. BSG SozR 3-2500 § 85 SGB V Nr.31, S.240 mit weiteren umfangreichen Nachweisen; vgl. auch Clemens,
Regelungen der Honorarverteilung MedR 2000 S.22). Dies führt nicht zu einer unzulässigen Kompetenzverschiebung
zu Lasten der Vertreterversammlung. Es liegt entgegen der Ansicht des Klägers auch kein Verstoß gegen die
Herstellung des Benehmens mit den Krankenkassen im Sinne von § 85 Abs.4 Satz 2 vor. Die Herstellung des
Benehmens setzt nach der Rechtsprechung grundsätzlich voraus, dass die Verbände der Krankenkassen noch vor
der Beschlussfassung über den HVM zu diesem Stellung nehmen können und die KÄV bzw. deren
Vertreterversammlung ggf. vorgebrachte Bedenken in ihre Entscheidungserwägungen miteinbeziehen kann (vgl. BSG
SozR 3-2500 § 85 SGB V Nr.7 S.40, Nr.31 S.235). Dies ist vorliegend erfolgt. Die Erhöhung des prozentualen
Abschlages selbst durch den Vorstand der Beklagten muss nicht im Benehmen mit den Verbänden der
Krankenkassen geschehen. Die Ermächtigung des Vorstandes der Beklagten in der Nr.2.3.7.11 S.4 ist insbesondere
auch deswegen unbedenk- lich, weil dem Vorstand bei seiner Entscheidung letztlich kein eigener
Entscheidungsspielraum verbleibt. Ihm ist durch die Regelung im HVM selbst vorgegeben, wann der prozentuale
Abschlag in Höhe von 9 % zu erhöhen ist (nämlich, wenn die Gesamtvergütung im Honorarfonds R 2 zur Honorierung
bis zur Grenze des individuellen Praxisbudgets mit einem festen Punktwert in Höhe von 10,0 DPf und für einen
ausreichenden Mehrleistungspunkt nicht ausreicht) und in welcher Höhe (nämlich nur soweit, dass der Punktwert von
10,0 DPf erreicht wird und die übrigen Mehrleistungen mit 4,5 DPf bzw. 0,5 DPf honoriert werden können). Die
Ermächtigung des Vorstandes beschränkt sich damit auf den Vollzug der im HVM genau vorgegebenen Regelungen.
Entsprechend war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs.1, 4 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.