Urteil des LSG Bayern vom 11.01.2005

LSG Bayern: Az: S 15 U 306/02, aufschiebende wirkung, besondere härte, aussetzung, auflage, niedersachsen, ausführung, rückzahlung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 11.01.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 15 U 306/02
Bayerisches Landessozialgericht L 18 U 95/05 ER
I. Die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.01.2005 - Az: S 15 U 306/02 - wird bis zur
Erledigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz ausgesetzt (§ 199 Abs 2 Stz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -
SGG-). II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Das Sozialgericht Nürnberg hat die Beklagte mit Urteil vom 11.01.2005 u.a. verpflichtet, Rente nach einer Minderung
der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH über den 30.10.2003 hinaus zu gewähren. Die Beklagte hat gegen dieses Urteil
am 02.03.2005 Berufung eingelegt und die Bewertung der Unfallfolgen als unzutreffend gerügt. Zugleich hat sie die
Aussetzung der Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil u.a. wegen der eingeschränkten
Rückforderungsmöglichkeiten einer sog. Urteilsrente beantragt.
Der Kläger hält eine Aussetzung der Vollstreckung nicht für geboten. Er hält das dem Urteil zugrunde liegende
Gutachten für zutreffend.
II.
Der Antrag auf einstweilige Anordnung der Aussetzung der Vollstreckung ist zulässig und begründet.
Hat ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung, so kann der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel
zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen (§ 199 Abs 2 Satz 1 SGG). Die
Entscheidung gemäß § 199 Abs 2 ergeht nach freiem Ermessen. Dabei sind die schutzwürdigen Sicherungs- und
Erhaltungsinteressen beider Beteiligten sorgfältig abzuwägen, insbesondere auf den voraussichtlichen Erfolg der
Berufung Rücksicht zu nehmen (Meyer-Ladewig Kommentar zum SGG, § 199 RdNr 8). Eine derartige Abwägung hat
auch im Falle der Berufung stattzufinden, so dass die Aussetzung der Vollstreckung nicht nur in Ausnahmefällen in
Betracht kommt. Die Regelung des § 154 Abs 2 SGG, wonach die aufschiebende Wirkung von Berufung und
Nichtzulassungsbeschwerde für bestimmte Fälle (zwingend) angeordnet ist, zwingt nicht zu der Schlussfolgerung,
dass sonst im Einzelfall die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Ein
Regel-/Ausnahmeverhältnis kann dem Gesetz nicht entnommen werden (vgl Zeihe in SGb 94, Seite 505; a.A. Meyer-
Ladewig aaO RdNr 8a unter Verweisung auf BSG Beschluss vom 06.05.1960 - BSGE 12, 138). Der Richter muss
unerwünschte Folgen einer etwaigen Überzahlung verhindern, soweit ihm das Gesetz dies erlaubt. Das ist durch die
klare Ermessenregelung in § 199 Abs 2 SGG der Fall (Zeihe aaO Seite 506).
Vorliegend überwiegt das Interesse des Beklagten, dass nicht vor endgültiger Klarstellung der Sach- und Rechtslage
Leistungen erbracht werden müssen, die dann nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen im Falle des Erfolgs der
Berufung zurückgefordert werden können, das Interesse des Klägers an der Vollziehung des Urteils. Es besteht für
den Leistungsträger vielfach die Gefahr, dass die Rückerstattung faktisch nicht realisierbar ist (ebenso LSG
Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 12.06.2003 Az: L 13 SB 19/03 ER). So kann der Leistungsträger keine
Erstattung wegen Beträgen verlangen, die er in Ausführung eines später aufgehobenen Urteils erbracht hat (sog.
Urteilsleistungen), wenn die Rückzahlung für den Leistungsempfänger eine besondere Härte bedeuten würde (BSG
SozR 1300 § 50 Nr 6 und SozR 3-1300 § 45 Nr 10). Der Kläger hingegen erleidet durch die Aussetzung der
Vollstreckung keinen dauerhaften Nachteil, da er im Falle der Bestätigung des Ersturteils Leistungen rückwirkend
erhält.
Diese Anordnung ist unanfechtbar; sie kann jederzeit aufgehoben werden (§ 199 Abs 2 Satz 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 SGG in entsprechender Anwendung (vgl Meyer-Ladewig, Kommentar
zum SGG, 7. Auflage § 199 RdNr 7 c).