Urteil des LSG Bayern vom 08.05.2003

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Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 08.05.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bayreuth S 8 AL 123/00
Bayerisches Landessozialgericht L 11 AL 428/01
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.10.2001 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) vom 25.10.1999 bis 30.04.2000.
Die am 1952 geborene Klägerin war nach einer Umschulung zur Altenpflegerin zuletzt vom 01.03.1999 bis 31.07.1999
berufsentsprechend bei der Stadt B. euth beschäftigt.
Am 25.10.1999 meldete sie sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Sie gab dabei
an, seit Februar 1999 einmal monatlich eine Woche lang in Vollzeit (Montag bis Freitag, jeweils von 8.00 bis 16.00
Uhr) an einer Fortbildung zur Stationsleiterin beim Roten Kreuz teilzunehmen. Das Arbeitsverhältnis mit der Stadt B.
habe sie gelöst, weil sie entgegen der ursprünglich vereinbarten Arbeitszeit dort anders eingeteilt worden sei und ihre
Fortbildung nicht mehr habe fortsetzen können. In der Kopie des übergebenen Kündigungsschreibens wurde dies von
ihrem Arbeitgeber bestätigt.
Mit Bescheid vom 10.12.1999 lehnte die Beklagte die Gewährung von Alg an die Klägerin ab, da diese aufgrund ihrer
Fortbildung den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht zur Verfügung stünde und deshalb nicht arbeitslos sei.
Hiergegen legte die Klägerin am 07.01.2000 Widerspruch ein. Sie stehe dem Arbeitsmarkt für mehr als 15
Wochenstunden zur Verfügung, sei arbeitsfähig und arbeitsbereit. Die Weiterbildungsmaßnahme, an der sie teilnehme,
diene zur Verbesserung ihrer Vermittlungschancen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2000 als unbegründet zurück. Die Klägerin
sei nicht arbeitslos, weil sie aufgrund der Lage ihres Stundenplanes mit einer monatlichen Unterrichtswoche in Vollzeit
nicht den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zeit- und ortsnah Folge leisten und keine Beschäftigung unter
den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes aufnehmen könne.
Dagegen hat die Klägerin am 09.03.2000 Klage zum Sozialgericht (SG) Bayreuth erhoben.
Mit Schriftsatz vom 10.08.2001 hat die Klägerin dem SG mitgeteilt, dass sie den Weiterbildungskurs zur
Stationsleiterin erfolgreich abgeschlossen habe und seit dem 01.05.2000 im ambulanten Pflegedienst selbstständig
tätig sei.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11.10.2001 abgewiesen. Anspruch auf Alg habe gemäß § 117 Abs 1
Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) nur eine Arbeitnehmerin, die arbeitslos ist, sich beim Arbeitsamt arbeitlos
gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt habe. Arbeitslos sei nach Legaldefinition des § 118 Abs 1 SGB III eine
Arbeitnehmerin, die vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehe (§ 118 Abs 1 Nr 1 SGB III) und eine
versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung suche (§ 118 Abs 1 Nr 2
SGB III). Eine Beschäftigungssuche in diesem Sinne liege vor, wenn die Arbeitslose alle Möglichkeiten nutze und
nutzen wolle, ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden (§ 119 Abs 1 Nr 1 SGB III) und den Vermittlungsbemühungen
des Arbeitsamtes zur Verfügung stünde (Verfügbarkeit, § 119 Abs 1 Nr 2 SGB III). Die Klägerin sei zwar am Tag ihrer
Arbeitslosmeldung, dem 25.10.1999, beschäftigungslos im Sinne des § 118 Abs 1 Nr 1 SGB III gewesen, habe sich
jedoch nicht auf Beschäftigungssuche im Sinne des § 118 Abs 1 Nr 2 iVm § 119 Abs 3 Nr 1 SGB III befunden, da sie
aufgrund ihrer absolvierten Fortbildungsmaßnahme nicht bereit und im Stande war, eine mindestens 15
Wochenstunden umfassende abhängige Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes
auszuüben. Eine Verfügbarkeit im Sinne des § 119 Abs 3 Nr 1 SGB III liege nur dann vor, wenn von der Arbeitslosen
eine mindestens 15 Wochenstunden umfassende Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht
kommenden Arbeitsmarktes ausgeübt werden kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes
(BSG) lägen übliche Bedingungen des Arbeitsmarktes in diesem Sinne nur dann vor, wenn eine beachtliche Zahl von
Arbeitsverhältnissen vorhanden sei, bei denen sich eine entsprechende Lage, Dauer und zeitliche Verteilung der
Arbeitszeit ergebe, so dass von einer gewissen Üblichkeit der Arbeitsbedingungen gesprochen werden könne. Es sei
dabei nicht ausreichend, dass es überhaupt Arbeitsverhältnisse gebe, bei denen die von der Klägerin angestrebte
besondere Lage und Verteilung der Arbeitszeit - zumindestens temporär - praktiziert werde. Maßgeblich sei vielmehr,
ob bei den gegebenen Verhältnissen nach objektiver Betrachtung überhaupt realistisch mit einer Vermittlung der
Arbeitslosen gerechnet werden könne. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien müsse davon ausgegangen werden,
dass es auf dem für die Klägerin in Frage kommenden, räumlichen und fachlichen Arbeitsmarkt keine Arbeitsplätze in
nennenswerter Zahl gebe, die eine vergleichbare Lage, Dauer und Verteilung der Arbeitszeit aufwiesen, wie sie von ihr
angeboten würden. Sie habe gegenüber der Beklagten bekundet, dass sie die von ihr im Februar 1999 begonnene
Fortbildung zur Pflegeleitung weiterführen wolle und zu den im Stundenplan festgesetzten Zeiten jeweils im Umfang
einer Vollzeitwoche nicht zur Verfügung stünde. Für einen potenziellen Arbeitgeber bedeute eine Verteilung der
Arbeitszeit auf 3 Wochen Anwesenheit und eine Woche Abwesenheit der Klägerin einen immensen Verwaltungs- und
Organisationsaufwand und sei selbst für den Bereich der Altenpflegetätigkeiten ungewöhnlich. Hinzu komme, dass die
Fortbildungsmaßnahme der Klägerin auf eine Höherqualifizierung, nämlich in den Bereich der Pflegeleitung und den
Bereich der selbstständigen Tätigkeit ausgerichtet sei. Eine Verfügbarkeit der Klägerin könne trotz der Teilnahme an
der Fortbildungsmaßnahme daher nur dann angenommen werden, wenn sie ernsthaft bereit und im Stande wäre, die
Fortbildungsmaßnahme sofort abzubrechen, sobald die Beklagte ihr ein zumutbares Stellenangebot unterbreitet. Eine
solche Bereitschaft der Klägerin liege jedoch nicht vor. Die von ihr vorgeschlagene Arbeitszeit sei nach Lage, Dauer
und Verteilung so ungewöhnlich, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass zumindestens eine beachtliche
Zahl von Arbeitsplätzen mit der von ihr angegebenen Zeiten vorhanden ist. Einschränkungen hinsichtlich der
zeitlichen Lage, Dauer und Verteilung der Arbeitszeit stünden der Verfügbarkeit grundsätzlich zwar dann nicht
entgegen, wenn ein Tatbestand des § 119 Abs 4 SGB III gegeben wäre, wenn die Klägerin also wegen der Betreuung
und Erziehung eines aufsichtsbedürftigen Kindes oder der Pflege eines pflegebedürftigen Angehörigen ihre tägliche
Arbeitszeit einschränke. Dies sei jedoch hier nicht der Fall. Selbst wenn man die Verfügbarkeit der Klägerin dem
Grunde nach bejahen würde, sei fraglich, ob sie überhaupt beschäftigungssuchend gewesen wäre, da sie sich nach
Absolvierung des Fortbildungskurses selbstständig gemacht habe, was gegen ihre Suche nach einer abhängigen
Beschäftigung spreche. Die Frage einer Sperrzeit gemäß § 147 Abs 1 Nr 2 SGB III sei von der Beklagten im Übrigen
bislang nicht geprüft worden.
Gegen das ihr am 16.11.2001 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 03.12.2001 beim Bayer.
Landessozialgericht (BayLSG) eingelegten Berufung.
Sie habe für eine Vollzeitbeschäftigung zur Verfügung gestanden, im Rahmen derer sie ihre Fortbildung fortsetzen
konnte bzw lediglich vorübergehend nicht zur Verfügung gestanden im Sinne des § 120 SGB III. Wenn einer
Arbeitslosen, die an einer Trainings- oder sonstigen Berufsbildungsmaßnahme nach § 120 SGB III teilnehme,
aufgrund mangelnder Verfügbarkeit die Alhi entzogen werde, könne keine Arbeitslose mehr an einer solchen
Maßnahme teilnehmen. Die Fortbildungsmaßnahme, an der sie teilgenommen habe, den in § 120 SGB III aufgeführten
Maßnahmen gleichgestellt werden. Dies gelte hier um so mehr, als sie die Fortbildungsmaßnahme aus eigener
Tasche finanziert habe, obgleich ein Anspruch auf Förderung durch die Beklagte bestanden hätte. Die
Fortbildungsmaßnahme habe bereits am 11.02.2000 geendet.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des SG Bayreuth vom 11.10.2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung
des Bescheides vom 10.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2000 zu verurteilen, ihr vom
25.10.1999 bis 30.04.2000 Alg zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Die von der Klägerin zitierte Regelung des § 120 Abs 1 SGB III
enthalte eine abschließende Auflistung von Sonderfällen, die die Verfügbarkeit nicht ausschlössen. Sie könne nicht
auf andere Fälle angewandt werden, um Verfügbarkeit zu fingieren.
Auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten des SG und des BayLSG wird ergänzend Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz = SGG) ist auch im Übrigen zulässig
(§ 144 SGG).
In der Sache erweist sich die Berufung jedoch als unbegründet, denn das SG hat im angefochtenen Urteil vom
11.10.2001 zu Recht die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10.12.1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 08.02.2000 abgewiesen, da die Klägerin ab dem 25.10.1999 keinen Anspruch auf Alg
hatte.
Das SG hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise dargelegt, dass die Klägerin nicht verfügbar im Sinne des §
119 SGB III war, da die Arbeitszeit, für die sie sich zur Verfügung gestellt hatte, nach ihrer Lage, Dauer und
Verteilung so ungewöhnlich war, dass nicht davon ausgegangen werden konnte, dass zumindestens eine beachtliche
Zahl von Arbeitsplätzen vorhanden ist, bei denen die Verteilung, Lage und Dauer der möglichen Arbeitszeit mit der
von der Klägerin angestrebten Zeit übereinstimmte. Auf die Ausführungen des SG im Urteil vom 11.10.2001 nimmt der
Senat Bezug (§ 153 Abs 2 SGG).
Entgegen der Auffassung der Klägerin konnte ihre Verfügbarkeit ab dem 25.10.1999 auch nicht gemäß § 120 SGB III
unterstellt werden. Die in dieser Bestimmung genannten Ausnahmen stellen eine abschließende Regelung dar und
können nicht in analoger Weise in anderen Fällen der Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme - wie sie die Klägerin
besucht hat - eine Verfügbarkeit der Arbeitslosen fingieren (vgl Brand in Niesel, Kommentar zum SGB III, 2. Auflage,
§ 120 RdNr 2).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).